Baldwin und ponsonby. Avsesuonderschong 5b er KnegsdUostverweigemng oud VSllerbuadspflichien. E. W. London . 23. Dezember.(Eigenbericht.) Der Abgeordnete der Arbeiterpartei Arthor Ponsonby, der Führer der' internationalen Bewegung für Kriegsdienst- Verweigerung, hat am 8. Dezember dem britischen Minister- prästdenten einen von annähernd ILO Ol» britischen Staatsbürgern unterzeichneten sogenannten„F r i e d e n s b r i e f" überreicht, in dem die Unterzeichner in feierlicher Form erklären, keinerlei wie immer gearteten Kriegs- oder Äriegshilfsdienst zu leisten. Der Ministerpräsident Baldwin hat nunmehr auf die von den Kriegs- dienstoerweigerern ins Feld geführten Argumente in einem aus- führlichen Briefe geantwortet. Dieser Brief ist auch als politisches Dokument nicht ohne Interesse. Baldwin betont eingangs, daß er den„Friedensbrief' sorg- fältig studiert habe und die Regierung ebenso ernsthaft wir nur irgendeiner der Unterzeichner der Petition den Frieden aufrecht- zuerhalten wünsche. „Die gesamte auswärtige Pofitit der Regierung,' fährt Baldww wörtlich fort,„ist von dem einen Gedanken gelstet gewesen: Aus- rechterhaltung des Friedens und Kriegsoerhinderung. Unterstützung des Völkerbundes und sein Ausbau hat dte Regierung ständig beschäftigt. Haben die Unterzeichner des Gelübdes, unter keinen Umständen zur Waffe zu greifen, bedacht, daß eine allgemeine Annahm« oder auch nur ein weites Umsich- greiien ihrer Auffassung mir der selbstoerständlichen Konsequenz der Auflösung der britischen Arme« und Flotte den Zusammen» bruch des Völkerbundes zur unvermeidlichen Folge haben wurde? Die Stellungnahme der Unterzeichner des'Friedensbrieses ikl nicht nur eine Weigerung der Anerkennung des Genfer Protokoll»(für das die Arbeiterpartei nachdrücklich eintritt. Amn. d. Usberletzers), sondern auch eine Verwerfung de» Völkerbunds st atutes selbst. Es läßt stch daher über- Haupt kein größerer Ansporn zum Kriege, keine sichere Methode. dasjenige Uebel herauszubefchwören, da» gebannt werden soll. denken.' Baldwin versucht hierauf, diese allgemeinen Behauptungen zu erhärten. Er stellt fest, daß der Artikel IS de» Bölkerbundsstawts, welcher den Rat verpflichtet,„den verschiedenen beteiligten Regierungen vorzuschlagen, mit welchen Land-, See. oder Luft- streitkräften jedes Bündesmitglied... beizutragen hat', ohne bewaffnete Macht nicht durchführbar fei. Großbritannien wäre verpflichtet, aus dem Völker- bund auszutreten und dcmit nicht mehr länger in der Lag«, eine führende Ralle bei der Lösung von Schwierigkeiten oder der Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu spielen. „Dasselbe gilt,' so fährt Ba l d w I n fort,„für die Locarno » Verträge. Ihre Wirksamkeit beruht in weitem Maße auf dem Bewußtsein der Vertragsparteien, daß im Falle eines Angriffes ohne Provokation das ganze Gewicht Großbritanniens gegen den j Angreifer in die Wagfchale geworfen werden wird. Man beraube uns dieses Gewichtes, und die Verträge verlieren ihre ganz« Bedeutung. Nicht darüber ist im Völkerbund Klage geführt worden, daß Groß- britonnlens Bewaffnung zu groß, oder daß sie ein» Drohung für den Frieden der Welt s«. sondern dajj diese Waffen nicht rück- h ä l t l o s e r dem Völkerbund zur Verfügung gestellt worden seien, um seinen Entscheidungen Rachdruck zu verleihen. Es ist aus- g e s ch l o I s e n. den Völkerbund durch Schwächung des Empires zu stärken. Ein völlig entwafsnetes und feindlichen Kräften aus- Seiieferte» England— nicht» würde Neid und feindselige» Vorgehen > aufreizen, wie ein derartiger Zustand. Wir würden damit aus das Niveau einer Macht fünften Range» herabsinken— unsere Kolonien würden uns entrissen werden, unser Außen- Handel würde zusammenschrumpfen und Arbeitslosigkeit würde vom Land« Besitz ergreisen.' Baldwin stellt dann fest, e» sei richtig, daß da« Völkerbund ». statut zu einer größtmöglichen Verringerung der Bewaffnung, im Rahmen der nationalen Sicherheit, und zu gemeinsamem internationalen Vorgehen verpflichte. Großbritannien wäre ohnedies entschlossen, diese Verpflichtung zu erfüllen. Seine Rüstungen seien schon seht unter dem Staude von 1914 und die Regierung hoffe, sie aus der Bast» gemeinsamer Ab- machunzen mit anderen Ländern, noch w e s t e r herabzusetzen. „Schließlich und endlich: ist es nicht da» Vorrecht sowohl, als auch die Pflicht eines jeden Engländers, in Verteidigung von Heim und Vaterland zur Masse zu greifen? Ein Angriffs. krieg ist eine Scheußlichkeit und ein Grausen. Ganz anders ein Verteidigungskrieg. Ist es nicht unser unveräußerliches Recht, uns selbst zu regieren, unsere nationalen Freihelten und unsere Institutionen gemäß unseren nationalen Idealen und nicht gemäß den Weisungen eine» fremden Eroberer» zu entwickeln?' Baldwin erinnert in diesem Zusammenhang— nicht gerode taktvollerweise— an den jüngsten Krieg und fragt, ob die Welt heute in einem besseren Zustand« wäre, wenn England sich noutral verhalten hätte,„während Frankreich überronnt und Belgien zerstört' wurde.„Ich teile.' schließt Baldwin seinen Brief an Ponsonby ,„Ihre Sehnsucht nach Frieden, Gott behüte, daß er wieder gestört werde. Die britische Regierung arbeitet un- unterbrochen und einig an seiner Aufrechterhaltung, es ist mir jedoch neu, daß der Sache de» Friedens durch eine Schwächung unseres Landes gedient werden kann und ich weigere mich, zu glauben, daß unsere Landsleute. Männer und Frauen, sich im Falle der Notwendigkeit semals weigern werden, unser« eigenen Freiheiten zu verteidigen oder ihren Anteil bei der Verteidigung der Freiheit der Welt zn tragen.' In seiner Antwort auf den Brief de» britischen Ministerprä- sidenten stellt Ponsonby fest, es gäbe— weit über die Unter- zeichner des Kriegsverweigerungsdokument» hinaus— zahlreiche Menschen, die eine aus Sanktionen gestützt« Stärkung der Autorität des Völkerbundes nicht für möglich hielten. „Eine Aenderung des Völkerdundsstatuts ist deshalb notwendig. Wir sind der Meinung, daß Angriff ohne provokaNo« eine Krlegsmylhc darstellt. Wir werden in dieser unserer Anschauung durch die Schwierigkeiten bestärkt, die sich bei der Formulierung des Begriffs Angriff und der Unwilligkeit, irgendeine derartige For- mulierung anzunehmen ergeben haben Solange es Waffen für Internationale Konflikte gibt, ist auch da» Wettrüsten mit leinen Folgen unvermeidlich. Wir weigern uns m glauben, daß die militärisch« Mach» de» brllische« Reiche» der Maßstab für da» Gewillt und den Einfluß Großbrilanuien» im Rate der Völker �"�Ärthur Ponsonby sind seit der Ueberreichung der Petition so viele neue Unterschriften unter da» Gelübde der Kriegs- dienstoerweigerung zugegangen, daß er beschlosten hat. seine Aktion fortzusetzen und dem Ministerpräsidenten zu gegebener Zeit Zehntausend« weiter« Unterschriften zu unterbreiten. O C. Nachschrift der Redaktion: Dies« Debatte zwischen dem jetzigen englischen Ministerpräsidenten und dem ehemaligen Unterstaatssekretür für Auswärtiges in der Regierung Macdonald 1
Europäische Weihnachten.
Wollen sie die Wethnachtslerzen oder den Ltnterfatz anzünden?
ist mit Obsektivität und mit Achtung vor der Meinung de« Gegner, geführt worden. Das beschimpfende Schlagwort„Landesverräter'. dos in derartigen Debatten bei uns nur zu häusig gegen Pazifisten gebraucht wird, hatte in dieser Kontroverse keinen Raum. Diese Aus- einandersetzung wirst eine Reihe von wichtigen Problemen sowohl grundsätzlicher wie taktischer Natur auf. Es ist nicht zu bestreiten. daß eine radikal-pazifistische Politik im Widerspruch steht zum Völkerbundstatut, das gegen einen Fnedenstörer gemeinsame Sanktionen wirtschaftlicher und militärischer Art vorsteht. Dieser Einwand ist auch kürzlich aus der Tagung der vorb«reileick>en Ab- rüstungskommission in Genf vom Genosten Paul Boncour dem lsiOprozentigen Abrüstungsprogramm der SowZetregierung entgegen- gehalten worden. Die Bewegung fllr die Kriegsdienstverweigerung. zu deren Führern in England Arthur Ponsonby bsreit» während de» Weltkrieges gehört«, als Tausende von Briten au» religiösen oder politischen Gewisscnsgrünven(consdendout ebjeetOTs) jeden direkten oder indirekte» Heeresdienst verweigerten und Nebe? schwere Gefängnisstrasen aus sich nahmen, bildet«ine durchaus adle und nützliche Propaganda gegen den zum Kriege treibenden Na- tionalismus. Sozialisten können ihre Sympathie emer solchen Anii- kriegsbewsgung nicht verweigern, auch wenn Sozialismus durchaus nicht prinzipiell identisch ist mit dieser tolstoianischen Form des Pazi- fismus. Andererseits ist im gegenwSrtigen Stadium der weltporitischen Entwicklung«ine sofortige und völlig« Entwaffnung nicht denkbar, und sei es nur aus dem Grund«, weil einzeln« groß« Staaten, z. D. Sowjetrußland, es grundsätzlich ablehnen, dem Völkerbund beizutreten oder auch nur Schiedsgerichtevertröge abzuschließen. Deshalb ist das ideale Ziel der restlosen Zerstörung aller Waffen nur etappenweise zu erreichen. Es fragt sich nun, ob da» Argument Baldwin». daß die all- gemeine Kriegsdienstoerweigerung den Austritt England« aus dem Bölkerbund und aus dem Rheinpakt von Locarno zur logischen Folge haben müßte, nicht bloß ein B o r w a n d ist. um die Abrüstung zu hintertreiben. In dieser Beziehung muß man allerdings ongestcht» der S e s o m t p o l i t i k der gegenwärtigen konservativen Regie- rung Englands hoch st mißtrauisch sein. Baldwin wirst Pon- sonby U n l og i k vor, weil die von ihm geführte Bewegung im Widerspruch stehe zu dessen von der Arbeiterpartei vertretenen Ge- danken des Genfer Sicherheitsprotokoll». Aber die Un- logik liegt dabei noch viel mehr auf feiten des konservativen Minister- Präsidenten, denn es ist ja seine Regierung, die das Genfer Protokoll zu Fall gebracht hat. Dieses Protokoll enthielt zum ersten Male eme praktisch« Definition de» Angreifers. Das war«in un- leugbarer Fortschritt, der die weiteren Abrüstung»maßnahmen er- leichtert haben würde. Aber erst kürzlich hat Chamberlaln mit fadenscheinigen Argumenten zu beweisen versucht, daß dies« völker- rechlliche Festlegung des Angreifers keinen Fortschritt, sondern eher einen Rückschritt bedeuten würde. Deshalb mutet der ganz« Widerlegungeversuch Baldwin» u n- aufrichtig an. Erst wenn die jetzig« englische Regierung ihr» Obstruktion gegen das. Genfer Protokoll und sogar gegen ollgemein« schiedsgerichtliche Bindungen aufgegeben haben wird, erst dann wird man der Ehrlichkeit ihrer Kriegzgegnerschof! Glauben schenken können. Einstweilen muß vielmehr die Tatsach« verzeichnet werden, daß die gesamte Politik Englands mit Recht als e?ne Hemmung für die Abrüstungsbestrebungen und sogar al» eine Gefahr für den Frieden empfunden wird E« seien in diesem Zusammenhang nur erwähnt: Englands Haltung auf der maritim«» vreimächte-
„Coeur Bube" im Renaissanceibeaier. Endlich ein Treffer für Gustav Härtung, den Herrn de» Renaissance. Theaters: De? junge französisch« Autor Jacques Ratanson bricht in„E o« u r- P u b«' sür den alternden reichen Liebhaber eine Lanze, mit Grazie, mit Esprit und mit gütiger Nachsicht für die Menschen, die sich im Irrgarten der Lieb» nicht zur«chtfinden. Ein wohlabgestimmte« Ensemble(E a- rata Neher, Max Gülstorfs. Franz Lederer und O»karGimo)tut da» übrige, der Komödie den verdienten Erfolg zu sichern. D g r.
konferenz im vergangenen Sommer, Englands Stellungnahme auf der letzten Genfer Vöckerbundstagung. Englands Verhalten in der Genfer Abrüstungstommission, Englands Politik gegenüber Sowset- Rußland und nicht zuletzt Englands wohlwollende Unterstützung aller ganz oder halbfaschistischen Regierungen in Europa. (Italien , Ungarn . Bulgarien , Spanien ). Solange diese Politik fortgesetzt wird, wird man in Daldwins Argumenten g-gen Ponsonby keine ernsthafte Widerlegung, sondern nur einen D o r w a n d erblicken können, die Streitkräfte des britischen Reich«? aus einer Höhe zu halten, die«in« allgemein« Rüstungseinschränkung hemmt, wenn i nicht gar unmöglich macht. Arbeiierelend in Palästina. ainstettung der Arbettslosenunterstötzung. Hals». 23. Dezember.(Eigenbericht.) Die Erregung unter den jüdischen Arbeitern Palästinas ist auhe» «rdentlich groß, well sie dl« zur Sanierung des zionistischen Pa- löstinabudgets eingesetzte Exekutive zum Hauptobjett ihrer Spar» Politik ausersehen hat. Ohne Rücksicht auf die Notlage der s o st seit einem Jahr beschäftigungslosen 8000 Ar- b e I t e r von Telavio hat die Exekutiv« die Zahlung der Arbeit»- losenunterstütz u ng«ingestellt. Die Arbeiterschaft hat dagegen in Jerusalem und Telavlv Massenkundgebungen veranstaltet, die dank der Disziplin der Arbeiter völlig ruhig verlaufen sind. Unter dem Druck dieser Kundgebungen ist eine Verlängerung der Unterstützung auf zwei Wochen zugesichert worden. Angesichts der schlechten finanziellen Loge der zionistischen Organisation Ist zu befürchten, daß sie auch beim besten Willen außerstande sein wird, weiterhin etwa» zur Linderung der Notlage zu tun. Die Führer der Arbeiterorganisationen versuchen alles, um die Masten, deren Geduld erschöpft ist, von übereilten Schritten abzu- halten. Die Lege ist namentlich i n Telavio sehr bedrohlich. Die palästinensische Regierung hat umfastende Vorkehrungen gegen Unruhen getroffen. Sie hat die englisch « Polizei in Jaffa ver- stärkt und außerdem die Wnffenvorrät« beschlagnahmt, deren Haltung bisher den jüdischen Arbeitern zur Abwehr von etwaigen arabischen Angriffen gestattet war. „Die nicht alle werden." Tteae Konkurrenz für die Oeutfchnationalen. Mit großem Pomp kündigen die Rationastoziollsten die Grün- dung eines neuen Blocks völkischer und„vaterländischer Der» bände' an. der die Opposition gegen die Erfüllung»- und Entwafsnungspolltik für die kommenden Wahlen orgamsteren soll. Erfüllung und Entwaffnung sind diesen Leuten die Ursachen einer„zwangsläufig stch ergebenden Verelendung des ganzen deutschen Voltes und Enteignung der deutschen Wirtschaft'— es muh ihnen also im Kriege wirtlich gut gegangen seinl Nachdem der Staatsgerichtshof den Splitterparteien so groß« Aussichten eröffnet hat. kann man gespannt sein, was dieser neue „Block', ein Konglomerat aus unzufriedenen Deutschnationalen und zur Demokratie erwachten Völkischen, hinter sich bringen wird. Natürlich will der Block über parteilich sein— genau wie Hugenberg , national wie General Lieber t. Helden- Haft wie Ehren- Ehrhardt und betennersreudig wie Hans von Sodenstern, mit seiner„Deutschen Treue'(die alles zurücknimmt, wenn ihr Strafe droht). Man sieht, wie verzweifelt die Reaktion nach Mitteln sucht, um sich vor den Wählern zu.tarnen'. Auch der neue Block wird nur bei dem Kreis politisch Uninteressiertex Aussichten haben, die auf alle« hereinfallen. Was aber bleibt denn noch der Partei der�r, hie Nicht olle werden?— Das ist wohl die brennendste Frage, die setzt im deutschnationalen Lager diskutiert wird, nachdem Hugen- bergs Agitationsfrüchte so herrlich reifen und der„Fronvsgt' Parker Gilbert von noch weiter rechtsstehenden Auchpolititern al» Propa- gandaches in Anspruch genommen wird?