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Donnerstag

29. Dezember 1927

Unterhaltung und Wissen

Primitive Kunst.

Die bildende Kunst hat in neuester Zeit eine merkwürdige Hin­neigung zu dem Schaffen der primitiven Völker gezeigt, und viele unserer modernen Künstler haben sich die Wilden zum Muster ge­nommen. Mehr und mehr erkennt man heute, daß das ein Irr weg war, der vielleicht beschritten werden mußte, um uns wieder mit ursprünglichen Formen bekannt zu machen, von dem aber feine wahre Befructung unserer Zeit zu erwarten ist. Sehr flar betont den Unterschied des europäischen Erotismus von der primi tiven Kunst der bekannte Kunstschriftsteller Wilhelm Haufen­ft ein in seiner das gewaltige Stoffaeblet souverän beherrschenden Kunstgeschichte", die er bei der Deutschen Buchgemeinschaft in Berlin veröffentlicht. Es kommt darauf an," schreibt er, einzu sehen, daß der europäische Erotismus sich eigentlich nur in der 3one des Formalen vollzogen hat Diese Künstler in Berlin , in Paris , oder wo sonst in Europa sie ihren Erotismus trieben, lebten ein Leben in europäischer Zivilisation; lediglich im Künst­lerischen waren sie dem erotischen Vorbild angepakt. Es ist klar: wo das Verhältnis zum Erotischen, zum Wilden sich derart ledig. lih in der Sphäre des Formalen abspielt, da ist es eben in der Tat ein Spiel", das sich abspielt": es erreicht nicht die Boraus Jetzung der Existenz selbst; es gehört nicht dem Ganzen des Lebens es ist ein abgezogenes, trop aller Heftigkeit doch nur ,, ästhetisches Verhältnis. Ein Blick auf die Bildwerke genügt, um bies einzusehen. Eine europäische Malerei oder Schnitzerei, die fich man darf beinahe lonen: programmatisch barbarisiert, fann unmöglich die gleiche Wirkung üben wie ein bildnerischer Barbarismus, der die Kraft des Naiven und Ursprünglichen, des in Wahrheit Ausdrucksvollen hat, da er die Sprache eines bis in die letzten Fasern erotischen Lebens ist. Der europäische Erotismus mußte gerade in feinen programmatischen Barbarismen etwas Unglaubwürdiges haben. Denn er gehörte nicht den vollen Tatsachen

an;

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eines erctisten Lebens, sondern den dünnen Tatsachen eines späten

europäischen Lebens an.

Bor den echten Dingen der Wilden, fährt Haufenstein fort, ..stehen wir Europäer mit gebundenen Händen: voll von dem melancholischen Bewußtsein, daß wir diese Dinge vielleicht einiger maßen nachahmen fönnen, aber niemals die Fülle, die Wahrheit, die ungeheure Macht des Ausdrucks vermögen werden, der auch diefe furchtbaren Dokumente in das herrliche Gesamtreich des Schönen erhebt. Wir fönnen es unternehmen, ebenso primitiv zu fein wie die Wilden; wir können versuchen, den Charakter der europäischen Kunst, die ja freilich in den Tagen des Cézanne bis zum lekten Grad einer großartigen Berfeineruna vorgedrungen ist, abzustoßen. Bir werden damit vielleicht Menschen täuschen, Menschen erregen, aber nicht das Auge Gottes, das unsere Ver­legenheit verwirft oder über sie lädelt. Um so zu modellieren oder zu schnigen, wie die Wilden tun, muß man so sein, wie sie sind. Da man aber nicht sein fann, wie sie sind, wird man auch niemals ihre Mittel haben; oder sollte man sie dennoch haben, so wird man mit ihnen nie die von den ursprünglichen Säften des Lebens ge­fchwellten Formen erreichen, die einer Negerplaftit ihre überlegene Einfachheit, Gewalt und Größe geben. Wer nicht in den primitiven Notwendigkeiten der Wilden lebt, wer nicht die primitive Sättigung, die ihren Antrieben vom Geschid gegeben ist, auf eine wahrhaft felbstverständliche Weise erfahren muß, der vermag weder die Rundheit noch die Stärte, meder die bezwingende Schauerlichkeit nach den mächtigen Humor der Form der Wilden. Bielleicht, daß auch Europa einmal die Form pehabt hat, die wir heute mit dem Neid der von 2000 oder 2500 Jahren abendländischer Geschichte müten Ohnmacht der Spätlinge sehen: Damals, als längst ver­schüttete Geschlechter der Vorgeschichte Dinge vom Typus der Spediteinfiqur aus Mentone bildeten Dinge von einer ani malischen Urbrunit der bildnerischen Hand: oder noch damals, als unsere Ahnen rot und blond in den Bereich der römischen Zivili fation einbrachen, die zugleich raffiniert und erfchöpft und freilich auch bereit war, zähmend die Kräfte der Barbaren aufzunehmen­ähnlich wie wir heute bereit find, die Kräfte der Nenet in unsere bildnerische Form oder, mit mehr Glück, in den Rhrthmus unserer Mufit zu übertragen. Damals entstand als eine Mischung bar barister Antriebe und lateinisch- griechischer Ueberlieferung der romanische Stil. Das formale Wesen einer frühromonischen Bronze und einer Bronze aus dem von den Briten 1897 fürchterlich zer störten Negerreich Benin, das formale Wesen einer Steinfigur aus Merito und eines frühromanischen Kapitäls, die Erscheinung einer peruanischen Töpferei und einer Chimäre des frühen Mittelalters ist ungefähr dasselbe. Aber: unfere erotische" Kunst liegt hinter uns, nicht vor uns!"

Arabisches Kaffee- Zeremoniell.

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Die heiligen Bräuche, die bei der Bereitung und Darreichung des Tees in Japan üblich sind, haben durch die Schilderung japani­scher Dichter und die Schönheit der dabei verwandten Gefäße Be­rühmtheit erlangt. Weniger befannt ist das Kaffeezeremoniell der Araber; und doch steht der arabische Kaffeemeister in der Würde und Feinheit seiner Kultur nicht hinter dem japanischen Teemeister zu­rüd. Dieses Kaffeezeremoniell der Beduinen schildert M. y. Ben Gavriel in einem Aufsatz der bei Hugo Bermühler in Berlin er­fcheinenden Monatsschrift Der Erdball", in dem er von einem Besuch bei den Beduinen der Hulesümpfe in Palästina berichtet. Er fam zu diesen Sumpfbeduinen, um die Malariafranken zu unter­fuchen und zu heilen. Aber zunächst wurde er im Lager der Almanijebeduinen von dem Scheif empfangen und mit den uralten Zeremonien des Kaffeetrintens begrüßt.

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Frauen bringen mit edelster Anmut der Bewegungen getrock netes Wurzelholz und getrockneten Kamel- und Büffelmist und maden in einer Grube am Eingang des Zeltes Feuer an. Worauf sie sich sofort zurückziehen," so schildert der Verfasser die Zeremonie. Der Scheif sein Plaz ist stets dort, wo der Kaffee gebraut wird, greift würdevoll in einen Lederbeutel und reicht den neben ihm figenden Unterführer des Stammes etwa zwei Handvoll ungebrann­ten Kaffees, die dieser auf einer großen tupfernen Pfanne über dem Feuer röstet. Wir verteilen indessen unseren Zigarettenvorrat und bringen langsam unser Gespräch auf die Schäden der Malaria. Feiner Duft des gebrannten Kaffees beginnt das Zelt zu durchziehen. Der Unterscheit schüttet den gebrannten Kaffee in seiner Handfläche und reicht ihm einen Mann von hertulischem Körperbau mit mächtigen, bis an die Schultern reichenden Schläfenlocken, der ihn in einen schön geschnitten Mörser wirft und mit einem schweren, gleichfalls geschnigten Stöffel nach dem Tatt eines Liedes zerstößt. Der Seif hat indessen einige Körner Hel( Kardamon) einem anderen Säckchen entnommen, die gleichfalls geröstet werden, um dann an den Mann mit dem Mörfer weitergegeben zu werden, der sie nach dem Tatt eines anderen Liedes zerstößt. Dieser Hel, der dem beduinischen Kaffee den spezifischen, unvergleichlichen Geschmack gibt, wird dann ber Kaffeebrühe, die indessen in fomplizierter Mischtechnik bereitet wurde, beigegeben. Nachdem der Kaffee dreimal aufgetocht ist, toftet der Scheit, ob er für die Gäste gut genug sei. Nach wiederholtem, überlegenem Rosten ist er zufrieden, und nun werden die fleinen Schalen mit Wasser aus einem Tonfrug, dessen Deffnung durch Pfeffermingträuter verschloffen ist( wodurch das Wasser einen anl genehm erfrischenden Geschmad befommt) ausgewaschen, und die Bäfte erhalten die erste Schale des bitteren, starten und heißen Ge­frantes, d. h. da sie geehrt sind, eine Schale, die nur zum Achtel gefüllt ist. Unter genau festgelegten Zeremonien, wiederholtem

Beilage des Vorwärts.

Wintersturm in der Biscaya.

Bon Richard Huelsenbeck .

Ich bin oft in meinem Leben durch die Biscaya gefahren, faft immer hat sie ihrem schlechten Ruf Ehre gemacht, aber niemals habe ich so schlechtes Wetter in der Biscaya erlebt, wie das erste mal, als ich mich in ihrem wilden Kessel befand.

Wir famen mit einem kleinen Frachtdampfer von Rotterdam und hatten Stückgut für Ostasien geladen. Auf dem Kohlsingel in Rotterdam standen in langer vereister Reihe die Tannenbäume für das nahe Weihnachtsfest.

Es war ein melancholischer Nachmittag, als wir die Stadt ver­ließen, von irgendeinem Kirchturm der Stadt hörten wir deutlich Wilhelmus von Nassauen spielen. Wir alle wußten, was für ein Lag es war, aber niemand wagte daran zu rühren, zu Hause puzten sie jetzt den Weihnachtsbaum. Bir fuhren auf eine un­bestimmte Zeit hinaus, mit jeder Seemeile entfernten wir uns mehr von der Heimat. Ein schreckliches Gefühl der Ohnmacht und der Niedergeschlagenheit ergriff uns, als die Schlepper angeschoffen tamen und sich vor unser Schiff spannten, das langsam von dem Schlick des Hafens in die breite Fahrtrinne der Schelde glitt. Als wir ausfuhren, brannte auf einem der großen Rheinleichter, von denen man hier Duhende sieht, schon ein Christbaum, im Vorbei­fahren sahen wir durch das winzige Fensterchen den Schiffer, eine weiterharte bärtige Type, der vor dem Lichterglanze verlegen die weiterharte bärtige Type, der vor dem Lichterglanze verlegen die Müge in den Fäusten drehte.

Der Kapitän hatte die Honoratioren" des Schiffes, den ersten Ingenieur, den ersten Offizier und mich in den Salon zu einem feierlichen Abendessen gebeten. Der Salonsteward hatte ein Bäum­chen in Hamburg gekauft und war dabei, ihm die letzten silbernen Kugeln in die Zweige zu hängen.

Wir saßen lange schweigend zusammen. Der Kapitan war ein großer blonder Pommer, der im Rufe eines zarten Riesen" stand. Trotz seiner förperlichen Stärke war er seelisch ein Kind, er sah mit fleinen unschuldigen Aeuglein in die Welt, er war unfähig, feinen Gefühlen einen 3wang anzutun. Er fuhr seit dreißig Jahren als Kapitän auf Frachtschiffen, das Meer und seine Gefahren hatten einen merkwürdigen Philosophen aus ihm gemacht. Wenn ihm die Welt nicht mehr paßte, zog er sich in seine Rabine zurüd, legte Batiencen, beschäftigte sich mit seiner Briefmartensammlung und trant Schnaps. Er tranf so viel, wie er friegen fonnte, er ver­trug eine ungeheure Menge, und niemand tonnte sich entsinnen, ihn jemals wirklich betrunken gesehen zu haben. Es war jo, als hätte er den Spiritus nicht in seinen Magen, sondern in seine Seele gegossen, die wie ein unergründlich melancholisches schwarzes Loch

mar.

Einen ganz anderen Charakter hatte der erste Ingenieur, ein weltfreudiger dicker Fünfziger, dessen einzige wirkliche Leidenschaft das Effen wat Schon eine Stunde vor den Mahlzeiten ging er mit unruhigen Schritten vor der Kombüse auf und ab und suchte von dem nicht sehr zugänglichen Smuttje etwas über das Dine:" zu erfahren. Da das Essen auf unserem Frachtschlorren primitiver als primitiv war, befand er sich in einem ständigen Zustand der Erregung, er beschimpfte die Kompagnie, die schlecht für ihre An­gestellten forge, er sagte dem Koch nach, daß er fein Koch, sondern ein Gefangenenwärter sei, er falfulierte und fombinierte, wie man bas effen verbessern könnte, und redete ununterbrochen auf den Rapitän ein, der ihm mit melancholischem Nicken beipflichtete.

Zwischen Kapitän und erstem Ingenieur bestand eine Art Ehe, in der der erste Ingenieur, der dem Kapitän täglich mit neuen Wünschen im Ohr lag, die Rolle der Frau spielte. Und wie es oft ist, gegen die Frau tonnte der Olle" nicht auskommen. Was der erste Ingenieur wollte, sezte sich durch, und wenn jemand etwas vom Kapitän wollte, mußte er sich an den ersten Ingenieur wenden.

Der erste Offizier war ein todtranfer Mann, er litt an einer unheilbaren Schwindsucht, die er aber selbst für einen unwichtigen Husten hielt. Auf seinen Backen brannte ein verdächtiges Feuer, er hustete ununterbrochen und war so mager, daß die Matrosen be­haupteten, wenn er auf dem Brückendeck stehe, könne man die Sonne durchscheinen sehen.

Wir faßen friedlich zusammen und sprachen von der Heimat, als plöglich der Schiffsrumpf von einem gewaltigen Stoß getroffen wurde. Aha," sagte der Kapitän, wir sind aus der Schelde raus. Das ist die offene See!" Er trant auf einen Zug ein riesiges Grogglas aus und verschwand, indem er sagte, er müsse mal auf der Brücke nach dem Rechten sehen. Als er nach einer Viertelstunde zurüdfam, pfiff er durch die Zähne:" Nettes Wetter haben wir da am Weihnachtsabend erwischt."

dankenden Greifen der Hand an Stirn und Brust und ebensolchem Erwidern des Dankes, werden die Schalen zurückgestellt, worauf die Männer des Stammes trinken. Dies wiederholt sich in genau gleichem Rhythmus, worauf die Schalen zum erstenmal voll gefüllt werden, und dann Schale auf Schale gereicht wird Dieser Kaffee ist mehr als ein Kaffee: er ist ein Gedicht, ein sehnsüchtig's und doch heldisches Gedicht, das die Nerven anspannt und uns froh macht, das wie wahrhaftiger Göttertrant in uns dringt, aus dem wir fernes Flötenlied vernehmen, das Liebeslied des einsamen Beduinen, sein Schlachtlied, das Epos eines harten und doch romantisch schönen Lebens. Dieser Kaffee, oh ihr Gläubigen, er ist das Sinnbild feines Lebens: bitter wie der Zug durch die Wüste zuerst, und füß dann wie der erste Blick auf die Brunnenoase..

Das Gewohnheitsräuspern.

Mit dem Lauwetter beginnt wieder die Zeit der Erkältungen und Katarrhe, Krankheiten, die jeder plößliche und heftige Witterungs­umschlag mit sich bringt, und die besonders bei feuchtem Wetter oft epidemisch auftreten. Aber nicht alle Symptome, die der Laie auf Ertältungen zurückführt, lassen auf solche Erkrankungen schließen. Eine häßliche Gewohnheit, die man bei vielen Menschen beobachten tann, ist ein häufiges Räuspern, das von dem Betreffenden oft auf einen bestehenden Rachenfatarrh zurüdgeführt, ja selbst vom Arzt häufig als solcher behandelt wird, obgleich der echte chronische Rachen fatarrh eigentlich nur selten auftritt. Ueber dieses Gewohnheits­räuspern", wie es in der Fachpresse heißt, hat nun der Forscher Nadolecznn in letzter Zeit fehr bemerkenswerte Feststellungen gemacht. Nach seinem Bericht in der Münchener Medizinischen Wochenschrift" ist schon die Borgeschichte des Leidens bedeutsam. Häufig wird von dem Patienten angegeben, daß zuerst eine Erkältung aufgetreten fei; gleichzeitig, so behauptet der Leidende, habe er seine Stimme über anstrengt. Eine Gefährdung der Stimme bedeutet für viele Personen

Auf der offenen See tobte ein Südweststurm, der uns unbarm­herzig durcheinanderschüttelte. Die Funkstation von Ouessant mel­dete aus der Biscaya:" Tempête Sud- Ouest!"

Am Abend des ersten Feiertags saß ich in der Funkbude", von allen Seiten hagelte es Sturmmeldungen und Warnungen. Die Matrofen liefen an den Leitetauen, die quer über das Schiff ge­spannt waren, so schnell, wie die langen Delmäntel es zuließen. Sie sagten bitter:" So sieht unsere Bescherung aus."

An Bord war alles festgezurrt und angebunden, Gegenstände, die die See erreichen konnte, waren unter Deck verstaut.

Ich saß, wie gesagt, in der Funkbude, wir hörten Daventry , es war ein merkwürdiges Gefühl, sich auf einem tobenden Ozean zu befinden und dabei der Jazzmusik, dem Geräusch eines elegan­ten Publikums zu lauschen. Unser Funker war ein frommer Mann, er gehörte der Sekte der Christian Science an, immer wenn er. Beit hatte, sah er für einen Moment in ein dickes bibelartiges Buch, das neben ihm auf dem Tisch lag.

Plötzlich gab es einen schrecklichen Schlag, der von einem split­ternben Krachen gefolgt war, dann hörte ich einen Matrosen rufen. Wir stürzten aus der Funkbude heraus und fahen gerade noch, wie ein ungeheurer Brecher das ganze Hinterded überflutet hatte. Der Funker sagte nichts, der erste Ingenieur, der aus seiner Ka­bine herausgetreten war, meinte trocken: Jetzt sind wir ein Unter­leeboot."

Unser Schweinestall war dabei über Bord gegangen, die Wasser­wucht hatte ihn zu Brennholzstückchen zerschlagen. Jonny, das Schwein, das wir auf der Heimreise zu einem Braten verarbeiten wollten, war von Rasmuß( wie der Matrose die See nennt) geholt worden. Der erste Ingenieur sprach einige Worte über sein nasses Grab.

Jetzt folgte ein schwerer Brecher dem anderen, es war mittler­weile floddunfle Nacht geworden, man fah das Meer nicht mehr, man hörte nur noch ein wildes Brausen und Zischen, das sich hin und wieder zu donnerähnlichem Krachen verstärkte. Der Kapitän und der erste Offizier hatten fich auf der Brücke festgebunden, das Schiff rollte fo start, daß man glaubte, es müßte jeben Augenblic toppheister gehen.

Ein schwerer Brecher schlug in den Rohlenbunter und schleu berte riesige Kohlenstüde in den Maschinenraum. Die Maschinisten ftanben bis an die halbe Bade im Wasser. Durch den Gang der Ruberfette quoll ein Wasserstrom, der fich unaufhörlich in die Ma schine ergoß.

Das Wasser stieg von unten und oben, die Situation wurde von Stunde zu Stunde ungemütlicher. Das Wetter wurde so heftig, daß es unmöglich war, sich mittschiffs auf den Laufgängen zu bemegen, man fonnte jeden Moment von der See mitgenommen werden. Ich faß in der Funkbude und konnte mich nicht rühren.

Wir konnten weder essen noch schlafen, die Küche stand unfer Wasser und der Koch traute sich nicht aus seiner Koje heraus. Der Funker bot mir ein Stüd Schokolade an, das er in der Tiefe seines Instrumentenschrankes verwahrte. Es schmeckte deutlich nach Ma­schinenöl.

Zwischen Tag und Nacht gab es feinen Unterschied mehr, man tonnte nicht weiter als einige hundert Meter auf das Meer hinaus­sehen, von dem ununterbrochen wie breite Elefantenrücken die Wogen angerollt ramen.

Das Schiff stöhnte in seinen Grundfesten, der zweite Offizier jammerte um seine Ladung, er fürchtete, es könnte sich in den Ladelufen etwas lösen. Wir hörten im Innern ein dumpfes Bol­lern, es beruhigte sich aber wieder.

Am zweiten Abend stieg die Not aufs höchste, als die Bilge pumpen sich verstopften und das Wasser im Schiff so sehr stieg. daß die Maschinisten nur mit äußerster Mühe ihrer Arbeit nach­gehen konnten.

Dann fanden sich zwei beherzte Heizer, die in die Kohlenbrühe tauchten und mit den Händen die Kohlenstücke aus den Pumpen­zylindern holten. Da ging es wieder etwas besser.

Am dritten Tage flaute der Sturm ab, aber die Wellen waren noch so hoch, daß man von der Brücke feine Seemeile weit sehen

fonnte.

Hinter Kap Vincent schien die Sonne, der Wind hörte plötzlich auf, wir sahen eine Herde Delphine. Ganz in der Ferne an der Küste traute sich ein rostbraunes Segel heraus.

Ich war wie neugeboren. Es waren Weihnachtstage, die man nicht leicht vergessen tann.

eine schwere Beeinträchtigung in der Ausübung ihres Berufs und damit schwere Sorgen für die Zukunft. In anderen Fällen treten nun Geldforgen, feelische Erregungen, Angst vor Krankheit und ähn­liche psychische Störungen zugleich mit den örtlichen Beschwerden auf. Das ständige Gefühl, das im Halse etwas nicht in Ordnung" fei, beunruhigt immer mehr, und schließlich versucht man, sich durch Räuspern Erleichterung zu verschaffen, meist mit dem Erfolg, daß die unangenehme Empfindung nur noch zunimmt.

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Während mun der Patient hofft, durch sein Gewohnheitsräuspern eine Befferung des Katarrhs zu erzielen, tritt gewöhnlich das Gegen teil ein nämlich eine merkliche Verstärkung der Reizungen im Hals. Zunächst bedingt die durch das Räuspern hervorgerufene beständige Reibung der Schleimdrüsen eine Anregung zu stärkerer Schleim­bildung, in der Folge stellen sich sogar zuweilen Schmerzen ein, die von einer gereizten Stelle ausgehen. Das Räuspern erzeugt aber nun immer wieder einen neuen Reiz an der empfindlichen Stelle, und da man diesen eben wiederum durch Räuspern zu beseitigen sucht, entsteht allmählich das echte Gewohnheitsräuspern", das dem Kranten zuletzt gar nicht mehr zum Bewußtsein fommt Daß sich aber eines Tages wirkliche Veränderungen bestimmter Teile des Halfes zeigen, liegt auf der Hand. Die Heilbehandlung des echten Gewohnheitsräusperns ist nun feineswegs immer leicht. Auf alle Fälle muß eine gründliche Untersuchung dem Kranten beweisen, daß er wirklich fein schweres Leiden hat; dann muß ihm, das ist das Wichtigste, streng untersagt werden, das Räuspern fortzusehen. In zahlreichen Fällen sind dadurch, daß das Räufpern endlich eingestellt wurde, die örtlichen unangenehmen Empfindungen vollständig ver­schwunden. Selbstverständlich muß aber auch nach der Grundursache des Leidens geforscht werden, die übrigens oft nur in einer fehler­haften Stimmbildung liegt, etwa in zu hoher Stimmlage, gepreßtem Stimmeinfah und ähnlichen fleinen Uebeln. Es handelt sich also beim Gewohnheitsräuspern durchaus nicht immer um die Begleit­erscheinung eines wirklichen Katarrhs, fondern häufig nur um eine falsche Funktion", durch die jedoch Veränderungen hervorgerufen werden fönnen, die echten Entzündungszuständen gang ähnlich find.