Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Nr. 616

A 313

44. Jahrgang

öchentlich 0 Bfennig, moneti 3 Reichsmart, im voraus zahlbar. Unter Streifband im In- und Aus land 5.50 Reichsmart pro Monat *

Der Bormårts mit ber tuftrier ten Sonntagsbeilage Bolf und Zeit fowie den Beilagen Unterhaltung und Biffen Aus der Filmwelt, Stadtbeilage" Frauenstimme, Der Rinderfreund Jugend- Bos märts" Blid in die Bücherwelt, ulturarbeit und Technit

ericheint wochentäglich meimal Sonntags und Montags einmal

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Freitag 30. Dezember 1927

Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.

Die einipalttge Stonpareillezetle 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs. mart Kleine Anzeigen" das fettge brudte Bort 25 Pfennig( zulässig met fettgebrudte Worte), jedes meitere Bort 12 Bfennig. Stellengesuche das erste Mort 15 Pfennig, jedes weitere Bori 10 Pfennig Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte Arbeitsmartt Beile 60 Bfennig. Familianzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden ftraße 3, mochentägl. von 8 bis 17 116.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Abr.: Sozialdemokrat Berlin

Borwärts- Verlag G. m. b. H.

Der Milliardär als Präsident.

Mellon foll Coolidges Nachfolger werden.

Condon, 29. Dezember. ( Eigenbericht.)

Wis aussichtsreicher& andidat für die künftige Prä. sidentschaft wird jetzt der Schahmeister Mellon bezeichnet Mellon ist 72 Jahre all und im übrigen als Mitinhaber eines führen

den New- Yorker Bankhauses einer der reichsten Männer der Welf. Angeblich sollen auch Coolidge und Hoover feine kandidatur unterstützen.

Eine talte Dusche aus Amerika .

Washington , 29. Dezember.

Die Morgenblätter berichten aus Berlin und Paris , daß bie gestrige Melbung der Tribune" aus Washington , in der be­hauptet murde, hiesige Kreise seien geneigt zu einer gemein jamen Prüfung des Reparations. und des Kriegsschulbenproblems, dort großes Aufsehen erregt habe und als Umschwung in der bisherigen hiesigen Stellungnahme aufgefaßt werde. Demgegenüber kann nicht deutlich genug betont merben, daß meber die Regierung noch die Politiker ihre paffine Saltung in diesen Fragen auf gegeben haben und feinesfalls beabsichtigen, diese Angelegen

heit über das Stadium öffentlicher Diskussion hinausmachen zu lassen. Auch diese Diskussion sollte nach hiesiger Auffassung fich auf einen in offiziellen Meinungsaustausgh privater Sach verständiger beschränken und jedenfalls im gegenwärtigen Zeitpunkt

die interessierten Regierungen nicht einbegreifen.

Der langjährige politische Korrespondent der New York Times bestätigt den oben dargelegten Sachverhalt in einer heutigen Meldung aus Washington , in der er darauf hinweist, daß Mellon ausdrücklich die Reparationsfrage als von der Schul­denfrage durchaus getrennt bezeichnet hat. Der Korze spondent erklärt weiter, daß er to forgfältiger Erfundigungen bei allen irgendwie in Frage fommenden Stellen auch nicht die leiseste Andeutung für eine Sinnesänderung ge­funden habe.

Hingewiesen jei in diesem Zusammenhang auf einen Leitartikel in der Beihnachtsnummer der Mellon nahestehenden Saturday Eveningpost, der wiederum sehr scha: f sich gegen die euro päische und amerikanische Propaganda für eine Ermäßigung der Kriegsschulden wendet. Solange Amerita an seiner eigenen Kriegsschuldenlast noch schwer zu tragen babe, dürfte meder Regie: ung noch Kongreß zu weiterem Nach­geben gegenüber den alliierten Schuldnern geneigt sein.

Deutsch - lettischer Premierminister?

Dr. Schiemann vom Staatspräsidenten beauftragt.

Riga , 29. Dezember. ( OE.)

Seit dem Rücktritt der sozialdemokratischen Regie­rung Stujened find in Lettland mehrere Versuche zur Bildung einer neuen Regierung ergebnislos geblieben. Nunmehr hat der Staatspräsident dem Leiter der deutschen Fraktion im lettischen Parlament Dr. Schiemann den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Die deutsche Fraktion will versuchen, eine bürgerliche Regierung zu bilden. Im lettischen Parlament haben die Deutschen nur 4 Abgeordnete. Dr. Schiemann ist Chefredakteur der ,, Rigaschen Rundschau", hes Organs der lettischen Deutschen .

Schiemanns Bemühungen.

Riga , 29. Dezember. ( TU) Die Berhandlungen des deutschen Abgeordneten Dr. Schiemann Siber bie Bildung einer bürgerlichen Regierung haben noch zu feinem greifbaren Ergebnis geführt. Dennoch werden die Aussichten der deutschen Fraktion heute in der Presse gün­ftiger als gestern beurteilt, da die Haltung des demokrati­Ichen Zentrums nachgiebiger erscheint.

$

Diese Nachricht wirkt geradezu sensationell Sie Diese Nachricht wirkt geradezu sensationell Sie beweist zwar, mit welchen fast unlösbaren Schwierigkeiten die Neubildung der Regierung in Lettland verbunden ist; fie bedeutet aber zugleich ein ehrenpolles 3eugnis für den wahrhaft demokratischen Geist, mit dem das fleine Lettland regiert wird. Und nicht zuletzt stellt diese Betrauung eines Bertreters der deutschen Minderheit mit der Kabinettsbildung eine glänzende persönliche Anerkennung der parlamentarischen Fähigkeiten des Füh rers der deutschen Fraktion, Dr. Schiemann, dar. Ein folcher Borgang wäre in feinem anderen Lande denkbar und wirkt angesichts der Bedrückungen, denen die deutschen und sonstigen Minderheiten in anderen Staaten Europas ausgelegt find, geradezu mohltuend. Belch eine schal lende Ohrfeige erteilt damit dds fleine demokratische Lett land z. B. dem Italien Mussolinis, in dem Deutsche und Slowenen mit den brutalften und hinterhältigsten Mitteln branglaliert und entrechtet werden! Un diesem Vergleich läßt sich allein der zivilisatorische Abgrund messen, der die Demokratie von dem Faschismus trennt.

Db Dr. Schiemann den vom Staatspräsidenten Profeffor Jahnis Tim at ste erteilten Auftrag mit Erfolg wird durchführen tönnen, steht angesichts der schwierigen parla­mentarischen Berhältnisse in dem Saeima, der lettländischen Deputiertenfammer, noch dahin. Diese besteht aus 100 Mit gliedern und zwar 37 Sozialdemokraten, 12 Linksbürger­lichen, 27 Bauernbündlern, 9 Rechtsparteilern und 15 Ber­tretern der nationalen Minderheiten, darunter 4 Deutschen . Legtere bildeten zmar schon unter der früheren Linsregierung has 3unglein an der Wage, aber es ist nicht durchaus Dentbar, daß es ihnen nicht gelingen wird, jenes Rabinett der

|

Bostichedkonto: Berlin 37 536. Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Lindenstr. 3

Die Luxemburger Resolution.

Räumungsfrage und Abrüstungsproblem.

Bom Borstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands wird uns geschrieben: Nach übereinstimmenden Presseberichten hat in der Sigung des außerordentlichen französischen Parteitages vom 27. Dezember Genosse Paul Boncour folgendes ausge­führt: Die Forderung der sofortigen und bedingungslosen Räumung des Rheinlandes lasse sich nicht mit früheren inter­nationalen Beschlüssen vereinbaren. Es sei zwar richtig, daß fei, von denen das eine Gebiete des anderen besetzt halte, feine wirkliche Verständigung zwischen zwei Völkern möglich jedoch hätte die Luremburger Konferenz im Einvernehmen mit den deutschen Sozialdemokraten die Räumung von der Schaffung einer Sicherheitsbedingung, nämlich der internationalen Kontrolle, a bhängig gemacht.

Da eine solche Auslegung der Luremburger Beschlüsse vom 21. November 1926 geeignet sein könnte, Mißverständ­nisse über das Zustandekommen und den Sinn der damals zwischen den Vertretern der deutschen , der französischen, der belgischen und der englischen Sozialdemokratie vereinbar ten Resolution auffommen zu lassen, sei zunächst der Wortlaut der Abschnitte III und IV dieser Resolution wiedergegeben, die sich auf die Räumung und die Abrüstung beziehen:

III.

Die wirkliche und dauernde deutsch französische 2 n- nährung, die für die Festigung des Friedens unerläßlich ist, schließt notwendig das Ende der militärischen Besetzung deutschen Bodens ein. Schon auf der Frankfurter Konferenz vom Februar 1922 hatten die in Luxemburg vertretenen Parteien erklärt:

Solche Offupationen verlegen die Gefühle der Bevölkerung der befehlen Gebiete und verschlingen die von Deutschland für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete aufgebrachten Mittel, er­zeugen immer von neuem Haß gegenüber den Besehenden und bergen in sich die Gefahr neuer Konflikte."

bürgerlichen Mitte zustande zu bringen, das nach dem Aus: Rheinlandräumung zu bewirken. scheiden der Sozialdemokraten allein in Frage fäme.

Es ist daher leicht möglich, daß die Betrauung Dr. Schie­manns feine praktischen Folgen haben, also nur eine Gest e gewesen sein wird. Aber gleichpiel: es ist eine schöne Gefte, die in der ganzen Welt starkes Aufsehen und vielleicht auch nüßliche Wirkungen für die Behandlung der Minderheiten auslösen mird.

schen

Der Monarchist als Gpu. Mann.

Eine sensationelle Verhaftung in Danzig.

In Danzig ist vor wenigen Tagen das Mitglied der monarchisti­Brüderschaft der Russischen Wahrheit ver­haftet morden. Seinem Basse nach hieß er Adamowitsch; als Mitarbeiter der Russischen Wahrheit" nannte er sich Atamann Dergatsch, als Geheimer Agent der GPU . hörte er auf den Namen Benediktom. Er erfüllte die monarchistische Presse des Auslandes mit Falschmeldungen über Bandenüberfälle auf das Auslandes mit Falschmeldungen über Bandenüberfälle auf das Sowjetterritorium, über Zerstörung von GPU .- Abteilungen, Ber­nichtung von bolfchemistischen Kommissaren und dergleichen mehr. Das alles soll er auf Befehl der GPU . getan haben. In der Bariser monarchistischen Presse war gegen ihn bereits seit langem Verdacht geäußert worden. In Verbindung mit der Aufdeckung der mon­archistischen Spizelorganisation Trust, über die wir seinerzeit ausführlich berichtet haben, kam man auch der sogenannien Brüder schaft der Russischen Wahrheit" auf die Spur. Sie fand aber auch eifrige Berteidiger, ja selbst Gelder wurden für sie gesammelt. Nun stellte sich heraus, daß sie gewissermaßen nur eine Filiale des Trusts" zweds Irreführung der russischen Monarchisten darstellte. Angesichts dieser Tatsache hat man allen Grund, auch die Echtheit der drei monarchistischen Gruppen zu bezweifeln, deren Auf. deckung foeben offiziell in der Sowjetpreffe mitgeteilt wird. 3wei pon diesen Gruppen follen in Odessa, eine in tiem gegenrevolutio­näre Umtriebe begangen haben. näre Umtriebe begangen haben.

"

Der Sieg des Gouverneurs. Der Staatsfengt von Oklahoma gegen das Unterhaus.

Oklahoma( City), 29. Dezember.

Die als Gerichtshof tagenden Mitglieder des Staatsjenats wiefen die Befchuldigungen gegen den Gouverneur und zwei andere Staatsbeamte ab und nahmen mit 22 gegen 16 Stimmen einen Antrag an, in dem es heißt, das Unterhaus sei nicht befugt, felbftändig eine Sihung abzuhalten und Beschuldi­gungen zu erheben.

Snight, einer der Führer im Unterhaus, erklärte, der Senats­beschluß bedeute eine Beendigung der Bemühungen, das Staats parlament gegen Entscheidungen der Staatsgerichte und den Wider. ftand des Gouverneurs einzuberufen,

Eine der mefentlichsten Aufgaben der sozialistischen Parteien besteht, also darin, eine schnelle Lösung des Problems, der, Die Ausführung des. Dames- Blanes durch Deutschland, Deutschlands Eintritt in den Völkerbund und das Infrafttreten der Verträge von 20­carno gestatten den Regierungen eine schnelle Lösung dieser rage ins Auge zu faffen. Es ist die Aufgabe der befeiligten fozialistischen Parteien, diefe Löfung der Frage zu beschleunigen und die Schwierigkeiten aller Art zu beseitigen, die sich ihr entgegen­

stellen könnten.

Es muß insbesondere vermieden werden, daß finanzielle Schwierigkeiten, deren Ueberwindung, vielfach rom Kapitalismus anderer Länder abhängt, ein Hindernis für die baldige Räu mung bilden, die der internationale Sozialismus für uner­1äglich hält.

IV.

Hingegen haben die sozialistischen Parteien stets anerkannt, daß die Räumung des Rheinlandes mit einer befriedigenden Lösung der Abrüftungs- und Sicherheitsfrage praktisch verbunden ist. Deutsch­ land hat sich verpflichtet, abzurüften, um die Einleitung einer allgemeinen Rüstungsbeschräntung aller Nationen zu ermöglichen". Die in Versailles vertretenen Regie­rungen, fomie alle Regierungen, die dem Böllerbund beige treten find, haben die feierliche Verpflichtung über­nommen, diese Rüstungsbeschränkung zu verwirklichen. Die organi fierte Arbeiterschaft aller Länder muß die Erfüllung dieses Ver­sprechens mit Entschiedenheit fordern.

Die Luxemburger Konferenz stellt fest, daß nach Abschluß der technischen Vorarbeiten die Einberufung der allgemeinen Ab­rüstungskonferenz nur noch von dem Willen der Regierungen ab­hängt. Die Konferenz erklärt, daß jede ungerechtfertigte Ber­3ögerung dieser Einberufung die schlimmsten Folgen haben würde. Ein Bersagen des Völkerbundes auf diesem Gebiete müßte zu einer Krise des Völkerbundes führen. Der Völkerbund muß die allgemeine Abrüstung entschloffen und schleunigst in Angriff nehmen und damit die Kontrolle der Abrüftung für alle Völker durchführen.

Die Arbeiter Deutschlands und Frankreichs müssen auf ihre Regierungen einen Dr ud ausüben, damit diese den nötigen guten Willen zeigen, die einen, um die letzten von Deutschland ver­fprochenen Abrüftungsmaßnahmen bald durchzuführen, die anderen, um zu verhindern, daß durch schitanöfe Forderungen die notwendige Ausführung der interalliierten Militärkontrolle hinausgezögert wird.

Die Kontrolle der deutschen Abrüstung tann in Zukunft nur im Rahmen einer allgemeinen Sonnention gedacht werden, die allen Staaten gleiche Rechte gewährt und gleiche Pflichten auferlegt, wie übrigens die 2brüftung Deutschlands auch nur denf­bar ist im Hinblic auf die Weltabrüftung.

Bis zu dem Zeitpunkt, wo diese Gesamtorganisation aufgebaut fein wird, und um die Räumung der rheinischen Gebiete nicht hinauszuzögern, würde es fich empfehlen, daß der Böllerbund eine aus Vertretern von Bundesmitgliedern bestehende zivile Kommission bildet, in der Deutschland vertreten ist. Diese Kommission hätte zu prüfen, ob das Statut der entmilitari fierten Gebiete refpeftiert wird. Es darf teine Anstrengung gescheut