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Albendausgabe

Rr. 619 B306

44. Jahrgang

83ddhentic 70 famig, monatli 8 Reichsmart, im voraus zahlbar. Enter Streifbamb ta 3n- und Aus Land 5.50 Reichsmart pro Ronas *

De Borparts mit bez tllaftries ten Sonntagsbellage Boll und Bett fopie den Beilagen Unterhaltung unb fffen Aus ber Filmmelt Stabtbeilage Frauenftimme, Der Rinberfreund Jugend- Bor wirts Blid i bie Bücherwelt", Sulturarbeit unb Technis

ett wochentäglich gweimal

Sonntags und Montags einmal

Jomo un fo

aan sen Sonnabend bo 31. Dezember 1927

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

10 Pfennig

Die etipelitge Ronparettegette 80 Pfennig. Reflamegetle 5.- Reichs mart Kleine Anzeigen" das fettge. brudte Bort 25 Pfennig( zulässig zwet fettgebrudte Worte). jebes weitere Bort 12 Bfennig Stellengesuche das erste Bort 15 Bfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte Arbeitsmarti Zeile 60 Pfennig Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Bfenntg. Anzeigen tm Hauptgeschäft Linden­ftraße 3, wochentägt von 81%, bis 17 Ubr

annahme

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Bernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Aprilwahlen in Frankreich .

Bom Kammerpräsidenten angekündigt.

Baris, 31. Dezember. ( Eigenbericht)

ve: fauft haben, der schon nor einigen Wochen wegen Spionage zu gunsten der Sowjets verhaftet worden ist. Ein dritter Buchbruder wird schwer belastet, doch hat die Polizei vorläufig von seiner Ber:

haftung abgesehen.

Der Kammerpräsident Bouisson hat in den Wandelgängen bes Balais Bourbon angekündigt, daß die von Boincaré zugefagte große Disfuffion über die allgemeine Politit der Regierung efwa am 20. Januar beginnen tönnte. Die Frühjahrstagung der Kammer werde voraussichtlich nur non furzer Dauer sein und etwa am 15. März abgefchloffen werden fönnen. Die Neuwahlen fönnten affo etwa Mitte April ftattfinden. Ju der jetzigen Tagung der Kammer feien nur drei größere Gefehesvorlagen zu erledigen: die Novelle zum Sozialversicherungsgeseh, das nene Siedlungsgefeh und der letzte Teil der Heeresreform. Der nationalistische Avenir veröffentlicht den Bericht eines das Gefeh über die Rekrutierung der Armee.

Generalstabssetzer verhaftet.

Sowjetfpionage in Paris .

Paris , 31. Dezember. ( Eigenbericht)

Die Bariser Polizei hat zwei Setzer der Druckerei des franzö ichen Großen Generalstabs verhaftet. Die beiden follen michtige militärische Dokumente an einen gewissen Rouganres

Die Zukunft den Großen. Muffolinis Währungspolitik.

Paris , 31. Dezember.( Eigenbericht.)

nordfranzöfifchen Industriellen, der biefer Tage eine Unterredung mit Muffolini hatte. Das Gespräch habe sich in der Hauptsache um wirtschaftliche Probleme gedreht. Auf die Frage, marum die gira zu einem fo hohen Rurs ftabilisiert worden fei, ant. wortete Mussolini : In allen Ländern fet eine Reihe tetnerer Unternehmungen übrig geblieben, die jest feinerlei Existenz berechtigung mehr hätten. Die Aufwertung der italienischen Wertung habe den inneren Martt von diesen schwachen Existenzen gereinigt. Die Zukunft gehöre den großen Industriege fellfchaften, weil sie allein imftande seien, die Preise und Ge­ftehungsfoften herabzudrüden.

and

Dawes Distussion leeres Gerücht. Dawes- Diskussion

Washington winkt Frankreich ab.

Washington, 31. Dezember.

Jm Staatsdepartement wurde mitgeteilt, der Staats. jefeetär tänne sich nicht erklären, worauf die französischen Zeitungen, die nach hier eingehenden Presse­berichten große Befriedigung über die Geneigtheit ber amerikanischen Regierung zu einer Revision der Schuldenregelung ausdrücken, ihren Optimismus grün­ben. Weder die franzöfifche Regierung noch das Staatsdepartement, das der bekannten Tribune­Meldung durchaus fernstehe, hätten diese Frage erörtert Bber auch nur angeschnitten. Im Staatsdepartement wurde weiterhin offiziell angedeutet, daß jedenfalls die gegenwärtige amerikanische Regierung das Berenger Ablommen über die Regelung der französischen Kriegs. fchulden als durchaus gerecht betrachte.

Deutschland baut Judo- China auf. Eisenbahnbau als Reparationsleistung.

Paris , 31. Dezember.

Im Jahre 1927 hat franzöfifch Indo- China auf Grund des Dames- Plans für 90 Millionen Franken Lieferungsver träge abgeschlossen. Die Bestellungen umfaßten 300 Stilometer Sienen. 5 Lokomotiven, 180 Eisenbahnwagen, 120 Eisenbahnbrüden. 3300 Meter Begebrüden 3300 Meter Begebrüden unb 2, Dampfträhna. Die Stadt Hattong erbaute mit beutfdjen Sach Referungen etne Wasserleitung Ueber Lieferung gleichen Materials ift bie Stadt Saigon in Unterhandlungen getreten. Für die Lieferung des notwendigen Materials zur Durchführung eines umfaffenden Meliorationsprogramms für Mittel- Anam und den legten Abschnitt der transindochinesischen Bahn sind Verhandlungen tm Gange. Indochina steht ein Gesamtanspruch auf Natural leistungen in Höhe von 35 Millionen Goldmark zu, die bis 1931 auf die verschiedenen Finanzjahre zu verteilen find.

Die Schule gehört dem Faschismus. Die Lehrer haben die Jugend in die Organisationen zu treiben

Rom , 31. Dezember.

Der Unterrichtsminister richtete an alle Schulbehörden ein Rund­farciben, in bem er die Lehrkräfte ermahnt, alles aufzubieten, damit Jämtliche Kinder in die faschistischen Jugendorganisationen eintreten, und zwar die Anaben in die Ballila- Organisationen und die Mädchen in bie.Organisation der fleinen Jialienerinnen. Zu diesem 3mede nerlangt ber minifter, daß die Lehrer persönlich bei ben Gttern vorstellig werden, um fie zu überrepen, ihre Simber in ble genannten Organffationen eintragen zu laffen. Der Eifer ber Lehrer in dieser Hinsicht soll in den jährlichen Führungs­tißen nermerft werben Lelyrer, die sich zur Führung der Dr.

Bonichedkonto: Berlin 37 536 Banffonto: Banf der Arbeiter. Angeftelten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft. Depofitenkaffe Lindenstr 3

Bankerott des Juristentums.

Ein Schimpfartifel der Deutschen Juristenzeitung".

Aus ist's mit dem vornehmen Ton und der erhabenen Sachlichkeit des Juristen in dem Augenblid, wo er sich mit dem innigft gehaßten demokratischen Staatswesen befaßt, dem zu dienen er vorgibt. Die Deutsche Juristen­deitung", die sich selbst als Bentralorgan des gesamten deutschen Juristenstandes" bezeichnet und Anspruch auf die Qualitäten eines juristischen Fachblattes erhebt, veröffentlicht einen Schimpfartifel des Senatspräsidenten a. D. Dr. Baum­bach über Banfrott der Strafjustiz", dessen böswillige Gehässigkeit faum in der politischen rechtsradikalen Bresse ein Gegenstück findet. Unter dem Borwand, gegen die Humanitätsduselei unferer Zeit zu Felde zu ziehen, polemisiert Herr Baumbach in Ausdrücken und Argumentationen tiefster Unfachlichkeit gegen Parlamente und Parlamentsausschüsse.

eine ge=

Zunächst behauptet der Artikelschreiber der Deutschen Juristenzeitung" ohne jedes Beweismaterial waltige Zunahme der Raubmorde, Einbrüche und Ueberfälle. Wir haben zwar eine Justiz statistit, aber Herr Baum­bad benutzt sie nicht, und das ,, wissenschaftliche" Bentralorgan des gesamten deutschen Juristenstandes verlangt es auch nicht non seinem Mitarbeiter. Daß die Kriminalität seit 1923 gewaltig abgenommen hat, daß die Zahl der Straf­anstaltsinsassen um bald ein Drittel zurückgegangen ist( sa daß eine Anzahl Strafanstalten geschlossen werden konnten). braucht einem nicht bekannt zu sein, wenn man in einer wissenschaftlichen juristischen Zeitschrift schimpfend gegen den heutigen Staat zu Felde zieht, den Herr Baumbach höhnisch einen polternden Alten" nennt.

Ueber das fegensreiche Institut der Bewährungsfrist weiß Herr Baumbach nur zu berichten, daß man in Berlin sage: ,, Erst tlau id, dann bewähr id mir." Eine er schütternd tiefe und geistreiche Würdigung dieser Institution in einem juristischen Fachorgan. Die statistischen Zahlen über die relativ geringe 3ahl der Rüdfälligen braucht der Wissenschaftler natürlich weder zu kennen, noch anzuführen.

ganisation der Ballila nicht eignen sollten, tönnen verfest metben. Der Schul- Wohltätigkeitsfonds foll für die Uniform und für die Einschreibegebühr armer Kinder in diefe Organisationen in Anschüsse. Wir zitieren wörtlich: fpruch genommen werden. Endlich follen sämtliche Schulräume, Turnhallen usw. diesen Organisationen zur Verfügung stehen.

Den Höhepunti polternder Unsachlichkeit aber erreicht der Verfaffer in seinem Kampfe gegen die Parlamentsaus­

Kabinettsbildung nach links.

Schiemann in Lettland gescheitert.

Riga , 31. Dezember.( Eigenbericht.) Der Versuch des Führers der fünf Mann starten beutschen Fraffion, Dr. Schiemann, zur Bildung einer Regierung tft nad) ber am Freitag erfolgten Abfage des lettischen demokratischen Ben trums als gescheitert zu betrachten. Der Auftrag zur Regie rungsbildung dürfte nunmehr an ben bisherigen fozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stuleneet ergehen. In Frage kommt jetzt nur noch ein Linksfabinett oder die Auflösung des Parlaments.

Karl Deyer, freigesprochen".

Ein Rückzug der Horthyften.

Die Erefutine der Sozialistischen Arbeiter Internationale hat in ihrer Stzung im Februar diefes Jahres ein Manifeft be fchloffen, in dem auf die Gefahren der ungarischen Reattion für den Frieden Südost- und Mitteleuropas hingewiesen wird. Diefer Sigung wohnte als Vertreter der ungarischen Sozialdemokratie

Karl Beyer bei

Rach der Beröffentlichung des Manifestes feite in Ungarn ein wüstes kesseltreiben gegen Beyer ein, weil er diesem Mani­fest zugestimmt habe. Ein Regierungsabgeordneter flagte ihn vor Abgeordneten das Mandat abzuerkennen, wenn er von einer außer elnem parlamentarischen Ausschuß an, dem das Recht zusteht, einem ungarischen Körperschaft Weisungen erhält.

Der Borsigende der Erekutive der Sozialistischen Arbeiter- Inter. nationale, Abgeordneter Arthur Henderson , wandte sich. wie erinnerlich, in einem Protest telegramm an den un­garischen Ministerpräsidenten Bethlem mit aller Schärfe gegen diese Methoden der horthystischen Diktatur.

Die Regierung ließ daraufhin die Sache im Sande ver. laufen und mun erfährt man, daß der parlamentarische Ausschuß in geheimer Abstimmung Peyer mit 8 gegen 4 Stimmen freisprach Der Freispruch wurde, wie die Repszava", das Organ ter ungarländischen Sozialdemokratie, be richtet, fälschlich damit begründet, daß Peŋer an der Beschluß faffung über das Manifeft nicht teilgenommen habe.

Die Sobranie Sprach bem bulgarischen Minifterpräsidenten nach einer Debatte über die Arbeitslofiefeit ihr Vertrauen aus. Dafür ftimunte auch die demokratische und liberale Gruppe.

Hat aber auch der Weg der gesehlichen Gnadeninstanz ves sagt, dann ruft man einen Parlamentarier an. Und mun, in den Gnadenausschüssen der Parlamente, wird die eigentliche Strafjustiz gehandhabt, natürlich nach politischen Gesichtspunkten- ist es anders denkbar? Wir haben es so weit gebracht, daß manche Bestrafte von vornherein auf Berufung verzichten und fidy an den Abgeordneten wenden. Die Strafjuftiz ist zur Dirne der Politiker geworden. Was wunder, wenn in solchem Sumpf die Moderpflanze des Verbrechens blüht."

Den Barlamentsausschüssen mag immerhin zum Trost dienen, daß Herr Baumbach fie faum schlechter behandelt als die gefeßlichen Gnadeninstanzen, denen er vorwirft, daß fie dem Verbreder feinen Miß­erfolg verfüßen" und daß sie der Gerechtigkeit die Waffe aus der Handschlagen". Immerhin ist auch hter interessant, daß diese traffen Behauptungen wiederum ohne den geringsten Beweis aufgestellt werden. Hat sich Herr Baumbach barum befümmert, wieviel Gesuche der preußische Rechtsausschuß überhaupt im Jahre bearbeitet? Wie groß oder vielmehr wie gering der Prozentsatz der hiervon zur Berücksichtigung Empfohlenen ist?( Es handelt sich um etwa hundert Fälle durchschnittlich im Jahr.) Wie normalerweise, falls nicht Einstimmigkeit herrscht, die Ab­ftimmungen über Gnadengefuche nicht fraktionsmäßig, fondern nach der Ueberzeugung der einzelnen Mitglieder vor fich gehen, wobei soundso oft Mitglieder der gleichen Fraktion

gegeneinander stimmen?

Aber all das braucht man ja nicht zu wissen, wenn man in einem wiffenschaftlichen Fachorgan über Parlamentsaus fann, das Recht der Anstellung, der Beförderung schaffe fchreibt. Hier genügt es, dagegen zu wettern, daß die Justizverwaltung, die Richter weder abzusehen noch versetzen behalten hat. Im alten Staat war es zwar nicht anders, aber jeht erhebt Herr Baumbach als Forderung der Juristen: Auswahl der Richter durch die Richter selbst.

Die Richter sollen nach diesem Vorschlag völlig einen Staat im Staate bilden, allein über den Nachwuchs und- wer lacht da?- über ihre eigene Beförderung ent­scheiden, um dann, ungestört durch Justizverwaltung, Gnaden­instanzen und Parlamentsausschüffe in dem Sinne zu judi­zieren, den Herr Baumbach mit den Worten zusammenfaßt:

Die Knochenerweichung ist die Krankheit unse rer Zeit. Wir müssen wieder hart werden."

Wir nehmen an, daß die Deutsche Juristenzeitung" durch den Abdrud dieser Aeußerungen den geistigen Banfrott unferes Juristentums und seine Un­fähigkeit, fich dem demokratischen Staatsgedanken anzupassen, hat zum Ausdrud bringen wollen. Es ist ihr gelungen.