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Hr. 1» 45. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 4. Januar 492S

Nur konsequent! Sine Belehrung für christliche Arbeiter. DerDeutsche ", das Organ der christlichen Gewert- schaften, unter dem Einfluß Stegerwalds stehend, oer- öffenllicht eine Neujahrsbetrachtung. Thema: Die Pflicht der christlichen Arbeiter, die Reaktion zu bekämpfen imd der deutschen Republik sozialen Inhalt zu geben: .Gewiß,die Gewalt geht vom Volke aus", wir haben da» gleiche Wahlrecht. Aber wir sehen, wi« die Wirtschafts - unb Finanzmacht die Plutokratie m die Macht im Staate eindringt. Gewiß, all« haben gleiche Rechte, aber was nützt uns alles Recht, wenn die soziale und g«sellschafl- liche Schichtung bleibt, wi« sie war? Gewiß, der Klaisenstaat ist abgeschafft, aber wir haben ihn noch nicht über- wunden. Aber wir wollen nicht nur papierne« Recht, wir wollen mehr Menschenrecht. Früher schied ein DreiNassenrecht die Menschen in Besitzend« und Nichtbesitzend«. Der Reiche hatte von Rechts wegen mehr politische Macht als der Arme. DasRecht" ist geändert, aber die größere Macht des Besitzes ist ge° blieben, sie ist organisiert und will zu noch mehr(Einfluß kommen. Hier liegt unsere Aufgabe. Voltsrecht und Volksmacht über Geldmacht! Von hier führt der Weg zu einem besieren Menschenrecht. So wollen wir den Dolksstaat: und er wird ein sozialer Dolksstaat sein. Nicht auf dem Boden der Gewalt, sondern auf dem Boden eines gerechtenRechts" und auf dem Boden der christlichen Lehre, daß der Mensch des Menschen Bruder ist und sich brüderlich zu ihm halten muß." In der Kritik des Klassenstaates, in der Zielsetzung des sozialen Volksstaates sind wir einig bleibt die Frage des Weges. DerDeutsche " erklärt: Die Reaktion ist anderer Art, sie kommt von Industrie, Wirtschaft und Finanz her, von der Weltanschauung des Liberalismus und des Materialismus. Die demokratische Staats- form gibt ihren Interessenorganisationen und Plänen weitesten Spielraum. Durch olle bürgerlichen Parteien geh« ihr Einfluß." Durch alle bürgerlichen Parteien geht der Einfluß der Reaktion also Mut zur Konsequenz, ihr christlichen Ar- bester: wähst sozialdemokratisch! Teure Monarchen. (kill lehrreicher Vergleich der Kosten. V» der reputtitarrifchen Wochenschrift �Deutsche JlepnMif fölSgS Professor Gr eb« da» Schlagwort von der.wohlfeilen Monarchie und der kostspielig« Republik " mit eindrucksvollen Aahleu zu Boden. Di« Sefamtkoflen für die Minister, die Parlamente unb die Steichsratsoertretung sämtlicher Länder betrag« rund 2 0 KU» klonen Mark. Im Haushalt für ISIS stand«. fvtgende Ausgaben für die Fürsten : Preuß«,,,,, 71 SS5 000 Mark Bayern 6865 000, Sachsen ..-,,. 4 311000. Württemberg..», 2 479 000, Baden 1812 000. Hessen ,,.... 1 265 000. 38 697 000 Mark r Lte sechs größer« Länder gab« 88,7 Million« Mark allein für die Fürst« au», wobei die Kosten von Ministerien und Par- lamenten der Dortriegszeit noch nicht einmal zum Vergleich heran- gezogen worden sind! Ebenso ist die Geldentwertung nicht berück- sichtigt worden. Lehrreiche Zahlen! Note Kronikämpfer-Kochzeii. Zusammenstöße in(Stettin . Stettin , 31. Dezember.(Eigenbericht.) Am Freitag kam es in Stettin zu einem schweren Zusammen- stoß zwischen uniformierten Mitgliedern des Roten Front- kämpferbundes und Straßenpassanten. Die Roten Frontkämpfer kamen von einer Hochzeitsseier und fingen nach der amtlichen Darstellung der Polizei unterwegs ohne sichtliche Beran- lassung mit den Passanten Streit an. Sie schlugen-�thn« mit Fäusten ins Gesicht und mißhandelt« sie schwer. Als«in Polizei- benmter die Personalien der Täter feststellen wollte, drangen die Roten Frontkämpfer auch auf ihn ein und brachten ihm leichter« Verletzungen bei. Erst nachdem stärkere Polizeikräste blank zogen und gegen die Frontkämpfer vorgingen, gelang es, die er- forderlichen Feststellungen vorzunehmen. Eine größere Anzahl Per- Ionen wurde verhaftet. Amiliche Glückwünsche. Bundespräsident H a i n I s ch und Reichspräsident Hin den- bürg haben Glückwunschtelegramme gewechselt. Reichskanzler Marx hat imHamburger Fremdenblatt" eine Ncujahrskunkgebung veröffentlicht. Der Reichspräsident, der Wehrniinister, General Heye und Admiral Zenker haben Glückwunschielegromm« an die Wehr- macht erlassen. prager Bodenpanama. O!e Bodenreformprovisionen des Oberagraners. Prag . 31. Dezember.(Eigenderichi.) vor mehreren Wochen hör im Parlament der tschechisch- sozialbemotratische Abg. R«m«sch den tschechisch- agrarischen Abg. Dubicky der Annahm« von Provisionen für die Lermittlung von Restgütern nach dem Bodenreform- gosctz bezichtigt. Dubicky hat daraufhin den Gewährsmann Remeschs, einen gewissen Soarovsky, vertlagt. Der Prozeß wird gegenwärtig vor dem Äreisgericht in I u n g b u n z l a u verhandelt. Sein bisheriger Derlauf bestätigt die beispiellose Kor- ruption in der schechoslowakischen Bodenreform. Einer der Zeugen sagte z. B. aus. er habe au» dem Munde eine» Günstling» de» Dubicky erfahren, daß dieser senem für ein« Proviston von 80 000 Krön«(10000 M.) ein Restgut oennitteit«.

Bürgers Neujahr.

ASEKlMfe.

»Auf die Wiederkehr der alte« Herrlichkeit!'

»Ich sage hup sie kehrt wieder!"

.Iawohl Hop wir werden sie Hop wieder auf- richte«!'

(Schöne Schweinerei. Die erste Arbeit im neoea Jahr heißt: gründlich aufkehren!"

Ein zweiter Zeuge, ein Sroßgrunbbesttzer, gab zu. daß er für die Vermittlung eine» Restgutes durch Dubicky diesem 10 000 Kronen geschickt habe, aber alsfreiwillige Spende" für den Partei- f o n d s der tschechischen Agrarier. Ein dritter Zeuge erzählte von einem Makler, dem Dubicky«in Restgut für eine Million Kronen (die HAfte des wirklichen Wertes) zu»erschaffen versprach, wen» dabei eine Provision von 60 000 bis 80000 Kronen I�erauskäme. Wie elend es mn die Sache desKlägers" Dubicky steht, geht auch daraus hervor, daß er, wie gerichtsmüßig festgestellt wurde, die Zeugen vor ihrer Vernehmung zu beeinflussen suchte. Voraussichtlich wird dem Angeklagt« Svarovsky der Wahrheitsbeweis geling«. Aber auch wenn Dubicky dm Prozeß formell nickst verspielen sollte, bedeutet sein Verlaus für ihn aber eine bittere Abrechnung. Ein slowakischer Emporkömmling ermordet. Prag , 31. Dezember.(Eigenbericht.) Der slowakische Abg. Z a l o b i n, der Donnerstag früh noch einer Jagd mit einem Kopfschuß tot aufgefunden wurde, ist nicht, wie zuerst angenommen wurde, das Opfer eines Ui�glücksfalles, sondern eines Verbrechens geworden. Mehr als die Ver- mutung. daß es sich um die Tat eines Wildschützen handle, hat der Verdacht eines politischen Verbrechens für sich. Zalobin, der sich vom Kleinbauern zum Junker entwickelte, hat in seinem Wahlkreis viele Gegner, di« erst vor wenig« Monaten seine Scheune samt den Getreideoorrät« In Brand steckt«. Kriedensreviflon muß möglich sein. Eine ffanzösisch-sozialistische Stimme. pari», 31. Dezember. ImPopulaire" schreibt Zyromsk! über die Frage der Friedensrevision. Er fragt: Kann man etwa leugnen, daß die 1919 von den verschiedenen französischen Regierungen gleichviel ob nationaler Block, Kartell der Linken oder nationale Einigung ab- geschlossenen Sonderabkommen mit der Tschechoslowakei . Polen , Rumäni« und Südslawien zum wesentlichen Gedanken die Gruppierung dieser Staaten um Frankreich mit dem Ziel gemeinsamer Garantierung der absoluten Unantast- barkeit ihres territorialen und politischen Status gelMt haben? Was bedeutet also, daß die in Artikel 19 des Bölkerbundsstatuts vor- gesehen« Prozedur zur friedlichen R«ision der Verträge von vorn- herein durch das Einverständnis der Staaten verriegelt worden ist, die die genannt« Svnderabtommen unterzeichnet haben?

Verfrühter Gilvesterkrach Im Staatstheater. Der traditionelle Silvesterulk im Slaatskheater löste leider total unbeabsichtigte Wirkung« aus. Jürgen Fehling hatte di« 200 Jahr« alte heroisch« Posse des Dänen Ludwig Holberg Ulysses vonIthaka aus neu, allerdings nicht übermäßig neu frisiert. Die grotesken Clownerien, in denen sich Holberg über das deutsche Drama seiner Zeit, über Krieg und Heldentum und sonst noch allerlei lustig macht, sanden weder bei dem Darsteller noch beim Publikum rechtes Verständnis. Obwohl die Posse sowieso gleich aus war, wurde plötzlich der Wunsch nach augenblicklicher Beendigung der Vorstellung laut sehr laut Ivgar. Musik hinter, und Pferskonzert vor der Rampe, empörte Rufe: Schluß! Vorhang! Fehling hatte es gut gemeint, aber nicht verstan- den. dem Publikum den Ulk näherzubringen. Dennoch wünsche ich d«, Staatstheater«in kräftige» Prosit Neujahr! D g r.

Glaubt man etwa der Sache des wahren Frieden» zu dienen. indem man gewisse unmöglich« territorial« System« festigt und stützt?....... Parker Gilberts Orakelspruch. New park, 31. Dezember. Wie Associated Preß aus Washington meldet, gab Park e t Gilbert dort abermals seiner Ueberzeugung Ausdruck, daß eine wirtliche Lösung der Reparationssrage erst eintreten könne, wenn man sich über ein« festen Betrag geeinigt habe. Er erklärte, über die Höhe dieses Betrags müßten die Fach­männer entscheid«, lehnte es aber ab. eine Erklärung darüber abzugeb«, wann nach seiner Ansicht dieser Schritt erfolg« müsse. Noch ein Luli-Opfer. Am Lahresende das Neunzigste! Hans K i e s l« r, ein sechzehnjähriger Chemiker in Wien , war am Nachmittag des 15. Juli ahnungslos in das Feuer der Schoberpolize! geraten, hatte einen Schuß in den Ellenbogen er- halt«, war hingestürzt, ein Schutzbundgenosse, der ihn bergen wallte, fiel getroffen hin, und dann traf den Jungen noch ein Polizeigcsthoß in die Hüft«. Di« Verwundung« waren solcher Art, daß die schlimmsten Vereiterungen usw.«intraten Dum-Dum-Geschosse hat die Polizei bekanntlich nickst verwendet. Monatelang hat das Kind Im Wasserbett gelegen, zu Weihnachte» ist es gestorben und jetzt begraben worden. Bürgermeister Genosse Seitz, der mit viel« Vertrauensmännern des roten Wien zur Beerdigung ge- komm« war, versuchte die tiefgebeugte Mutter Kieslers durch das Beileid der Hauptstadt zu ttösten...

Oeuischnaiionaler Verzicht. Ln Oanzig. Danzlg, 31. Dezember.(Eigenbericht.) Die von der Deutschnattonalen Volkspartei und den Beamten - vertrete« im Danziger Senat gestellte» acht parlamentarischen Senatoren haben infolge Meinungsverschiedenheiten über p c r s o. nelle Angelegenheiten ihren Rücktritt erklärt. Der Rücktritt ist nichts anderes als. eine nichtssagende Geste: denn im Januar ist der Rücktritt des gesamten Senats infolge des Wahlausfalls sowieso fällig. Abgesehen davon ist der gegen- wärtige Senat auch nach Austritt der Deutsch » atio- nalen beschlußfähig._ Aöd c( Krim im Exil. Z. Roger Mathieu bringt i» denDaily News" einen längeren Bericht über das Leben Abb el Krims in feinem Ver- bannungsort St. Denis aus der französischen Insel R e u n i o n im Indischen Ozean, wo er mtt seinen beiden Frauen, seiner Mutter und sein« beiden Schwestern weilt. Er trägt sein Schicksal mit Gleichmut, wcdmet sich«ingehend dem Studium der französischen Sprache und betreibt Gartenbau mit großer Hingab«. Immer wieder aber erhebt er die Frage, wann er wohl noch Marokko zurückkehren könne. In diesem Sinne unterhält er häufige Korre­spondenz mit dem sranzäsischen Generalresidenten in Marokko , Steeg, durch Vermittlung des französischen Gouverneurs der Insel Räunion. In den Brief« betont er seine Loyalität mit Frank- reich und spricht den wiederholl« Wunsch aus, als treuer Anhänger Frankreichs nach Marokko zurückkehren zu dürfen.