Prophezeiungen auf 1925.
Cr kleß den flackernden Mck Mnnner vnchersshen. ver seiden« Schirm über der Lampe tauchte alle» in ein gedämpftes Licht. Nur neben ihm auf der Marmorplatte da» Thermometer, die Medizinftoschen und die Morphiumspritze standen in der Hell«. Alles andere war umspielt von einem ungewissen Schein. Die Formen der großen Möbel, die au» dem Schatten emportauchten, schienen ihm die Leiber ungefüger Riesentiere der Vorzett. In den Ecken drängten sich Gestalten. Auf den Tapeten zeichneten sich Fratzen ab. Nebel ballt« sich zu Rlmnpen, schwoll über ihn hin, legte sich erstickend aus seinen Mund, daß ihm der Atem versagt«. „Schwester Friederike/ stöhnte der Krank«,„mir dünkt, ich sterbe.' Da, schmal« Gesicht, überschattet von den Flügeln der we!ß«n Haube, neigt» sich über ihn. Ihr» Händ« legten sich aus seine Stirn. Kühlend«, schwesterlich« Hände, von denen Ruhe ausströmt«.
Berlin . Welkstadl verfln. Ballade aus Ciseu, Blul und GelZchler gedlchlel. Drama. Luslsplel und leere Waud, von elektrischen Lampen belichtet. Abklatsch der Well und herzmaschine verworrener Zeit, Tumult großer Straßen und aschermittwochgraue DerlosseuheM Schauspiel um Schauspiel entrollt sich deinen verzerrten kusisien, wir spielen mit jedem Tag und werden Immer emporgerisien. Steigern uns selber und preisen uns an in der großen Aukllou: Trunkene herzen, umwittert von Schande. Sehnsucht uud Hohn. Wenn wir In den Sontoreu bekümmert den Reichtum beschreiben, Wenn wir erglüht nacht» im glühenden Schlamm der Straßen treiben, wenn wir vertühll und schwermütig au den schwarzen Kanälen stehn: Immer müssen wir dein wildes Gesicht, Verlin, besehui Die Gier deiner Augen macht uns alle gierig uud gewaltsam, Du reißt uns an deine vergletscherte Vrust unaufhaltsam, Ob wir nun Tänzer, Dichter oder Verschwörer sind, alle gleich. Ob wir robust sind, weichherzig, rotglühend, verliebt oder bleich. Herzstadt. Schmerzstadt. Tanzplatz der ZNiMonen, der Gepeinigten. Glühende Lohe, in der wir brennen und ausskehn al» die Gereinigten, Weltbühne so steil, über die wir einmal als Sieger ziehn: Sladt aller Städte, graues uud rauhes verlin! Rlax varlhel.
Di« Augen des Kranken schloffen sich. Ein grüner Schein kam geflossen. Da war Wald. Rote Sonne hing an Kiesernstämmen, Pilzköpfe standen im Moos. Ein Mädchen kam gegangen. Zart, hell, fröhlich und kindlich leuchtete ihr Gesicht unter hellblondem Haar. Doch je näher sie kam, um so verwandeller erschien sie. Ihre Schultern waren gesenkt wie unter schwerer Last. Ihr Antlitz war zerstört, und ihr« Lieblichkeit und Fröhlichkeit ge- schwunden. Die Mundwinkel zogen sich gramvoll nach abwärts und machten di« Züge alt. Die braunen Augen hotten den Ausdruck von Lugen , di« viel geweint in kummerschwerer Nacht. Sie hob di« v«in«n Hände, als ob sie drohen wolle. „Ingebarg!' stöhnt« der Kranke.„Ingeborgl verzeih! verzech!' Er öffnet« di« Augen und blickt« in da» Gesicht der Schwester Friederike, di« sich neben sein Lager gesetzt. Er war aus einmal ganz wach geworden, zum erstenmot seit vielen Wochen. „Schwester,' sagt« er,„ich sterbe und ich muß es sagen,«» ist ein schlechter Mensch, der stirbt.' „Gottes Güte ist groß,' antwortete die sanft« Stimme, ,chem Bereuenden wird viel verziehen. Manchmal geht der Tod vorüber und hat nur gemahnt.' „Ich war ein schlechter Mensch Ich verließ und betrog die Frau, die an mich glaubte und die mich liebte. Ich vergeudete das Erbe, das meinem Kinde gehört hätte. Ich habe Unrecht über Unrecht gehäuft. Jetzt läuten die Glocken des jüngsten Gerichts! Wehe mir!' .Ihre Frau hat Ihnen verziehen. Sie hat sich brieflich noch Ihrem Befinden erkundigt bei dem Arzt, der Sie operiert hat..." „Ach Schwester, dos kann ich nicht glauben! Ei« wollen mit frommest Lüge einen trösten, der sterben muß.'
„Aber Sie werden mir glauben, wenn ich ihre Tochter rufe, die Ihre Frau hierhergeschickt hat, nicht wahr? Ihrem Kind«, das um Ihretwillen eine so weite Reise gemacht hat, werden Sie glauben...' Die Schwester ging zur Tür mit dem ihr eigenen leichten und lauttosen Schritt. Sie ging über den Korridor und öffnete jenseits eine ander« Tür. Aus der kam, während der zwölfte Glockenlchlag verhallt«, ein Kind geschritten im kurzen, hellen Kleid, mit glänzenden, losen Haaren und ein süßes, lächelnde», nie gesehenes, getannies und doch ungekanntes Gesicht. Es trug Tannenzwetge und Frücht«. Es kam über die Schwelle.— Dem Kranken schien es, es wäre ein« golden« Spur, wo die Füße seines Kindes schritten, das er zum erstenmal erblickte, seit es lebte. Er sah empor zur Schwester, ungläubig steche» Staunen im strahlenden Blick. „Das ist das neu« Jahr, nicht wahr?' fragte er..Los neue Jahr, das ein unschuldiges Kind ist mit Zweigen und Früchten?' „Das neue Jahr und dos neue Leben.' antwortete die Pflegerin. Und das neue Leben kam lächelnd heran und legt« Blumen und Früchte w die Hände, in denen dos Fieber brannte. Das ging der Tod hinaus aus dem Haus, in das er getreten. schritt hinein in das winterweiße Land und verschwand.
Oer leider unsterbliche Kaspar Hauser . Von Erwin Kriede. Es kennt wohl jeder jene berühmte Schlange, die sich selbst in den Schwanz deiht und dabei in einem Anfall von Selbstbefruchmng die ebenso denkwürdige Schraube ohne Ende zeugt. Etwas Aehn» liches hat nun allerdings der selige Kaspar Hauser nicht getan. Er ist aber ein Spielball der geschilderten Abnormitäten geworden und oerdankt ihnen di« Eigenort, uns zmn Halse herauszukommen. Man kennt— oder kennt nicht— die Geschichte Kaspar Hausers. Für den, der es nicht weiß: sie hat sich vor beiläufig hundert Iahren abgespielt und war— zugegeben— damals eine Sensatton. Unserer Generation sagt sie jedoch mchts, bedeutet sie nichts. Es mag ganz intereffant sein, wenn die Frage einmal ge» klärt wird, um die sich noch heute die Gelehrten streiten. War Kaspar Hauser wirklich eines der vielen unglücklichen Opstr der Fürsten , war er nur«in geschickter Charlatan, deffen Bauern» schlauheit einen genialischen Anstrich hatte, also ein erfolgreicherer Vorgänger unseres lobenswerten Zeitgenossen Harry Doinela. Ist er einem Attentat zum Opfer gefallen oder hat er sich aus Reklame« gründen jene Wunde selbst beigebracht, die dann durch ihren tödlichen Verlauf olle Berechnungen umwarf. Gewiß: man kann sich denken, daß diese Frage urrseren Vor» vätern in der Langeweile ihrer Zeit ein dankbarer Siofl war, man kann sogar verstehen, daß sich jetzt noch jemand studienhalber daflstt beschäftigt. Uns anderen ist die ganze Aiiäre aber so unvergleichlich gleichgültig, wie kaum eine zweite. Gelang es anderen Gene- rationen nicht, Licht in diese mysteriöse Angelegenheit zu bringen, uns wird es erst recht nicht gelingen. Wir haben auch gar keine Neigung dazu. Kaspar Hauser ist tot, wir denken nicht daran, ihn aus seiner Ruhe zu erwecken. Und doch hat es inanchmal den Anickein, als ob das Problem Kaspar Häuser auch in unserer Zeit noch lebendig ifl. Wenn man die Zeiningen, besonders die lüddeutsche Presse durchblättert, nndet man immer wieder langweilige Anikel utcki tiefsinnige Vclrachtunaen über Hauser. Der Tote hat zwar nur eine kleine Gemeinde hinterlassen, diese aber treibt einen recht kräftigen Kult niit ihm. Die Schar seiner Anhänaer und Gegner hält sich ungefähr die Wage. Und alle diese Menschen unterhalten sich tatsächlich ganz ernsthaft über die Frag«, od Kaspar Hauser «in Schwindler war oder nicht. Ebenso lebhaft wie andere Menschen z. B. die Ozean- flüg« besprochen haben, erörtern sie die Möglichkeit, ob der Riß in Hausers Sterbekleid«inen Mord oder einen Selbstmord er- kennen lasse. Das ist ihnen iratiirlich vollkommen unbenommen. denn schließlich kann ja jeder Mensch di« Passion pflegen, die ihm naheliegt. Die Hauser-Mannen haben jedoch die unangenehme Gewohnheit, ihre Meinungsverschiedenheiten vor aller Oefletttlichkeit auszutragen und dabei als selbstverständlich vorauszusetzen; daß andere Leute ihre Veveinsmeierei auch interessiert. Darin irren sie aber ganz erheblich Die große Masse hat andere Sorgen. Di« Clique der Haufer-Schwärmer ist vielleicht immerhin einige hundert Köpte stark. Sie besteht aus einigen Hiflonkern» Kriminalisten. Bibliographen. Literaten, di« Roman » oder Novellen darüber schreiben, und anderen Leuten, die nichts Besseres zu tun haben. Von ihnen bekämpft jeder jeden. Man begnügt sich damit, genau zu widerlegen, was der andere geschrieben hat uttd stellt eine andere Theorie auf, etwas Positives bringt jedoch kein Mensch Aber der Lärm, den sie alle zusammen dabei machen, ist so stark. daß er den Glauben an ein wichtiges Ereianis vortäuschen kann. Das fft es, was man oerwerfen kann, dieser Lärm um mchts. dies« Streitigkeiten um-ine Belanglosigkeit, die das Publikum nur langweilen. Kaspar Hauser ist wirklich schon seit Jahr mW Tag tot. Er war keine von den Persönlichkeiten, die von selbst über ihr Grab hinaus leben. Kein Mensch hat ein Intereffe daran, ihn seiner Abgeichiedenheit zu entreißen. Und wenn man wirklich irgendwo glauben sollt«, man könnte ihn aus dem Tode erwecken. seinen Namen mit Lebenskraft erhalten, dann möge man nicht vergeffen, daß jeder nur künstlich erhaltene Kadaver, wenn er mit frischer Lust in Berührung kommt, zu stinken anfängt.
Die I. G. Farben produzieren einen neuen Dünger: den Schiele-Salpeter, der sich besonder» segensreich für den landwirtschaftlichen Großbetrieb erweist. Man streut ihn zoll hoch. « Bei einem geseMgen Zusonnnensetn der Reichsminflter spielt der musikalische Herr o. Keudell seinen Kollegon Marx und Etrese- mann die„Mondschein- Sonate ' vor. * Die völkische Studentenschaft führt die Selbstbeschnei- bung(ihrer Rechte) ein. * Die Wilhelmstraße wlid zur Einbahnstraße. Es darf nur noch scharf rechts gefahren werden. » Wilhelm dem Zweiten wird durch einstweilige Verfügung auf Grund des Rechts am eigenen Bilde die fortwährende Nach- a h m u n g und Karitierung feiner eigenen Person- l i ch k e! t untersagt. « Geßler sozialisiert die Filmindustrie. • Ein Versuch, den Bannot-Prozeß im neuen Jahr öflentllch zu verhandeln, scheitert an der gänzlichen Teilnahmlosigkell des Publikums. *" Die Reichswehr stellt einen Republikaner ein. Der Ve- treffende hat bereits feinen Austritt au» dem Werwolf erklärt. » Ludendorff entdeckt zu Hindenburgs 81. Geburtstag, daß dieser nur aus eine Tücke des Iudenvolks zurückzuführen ist, da die Quersumme aus 81 die Zahl 9 ergibt. * Geßler stirbt den Liebestod. Sein letzter Seufzer:„Roch a Phöbufferll' * Piscator verlegt die Aufführung feiner nächsten Kroatton In das Planetarium. Das neue Stück heißt:„Die Revolutton im- Weltenraum' und fft eine reoueattige Umgestaltung des Anderfen- schen Märchens:„Die Prinzessin aus der Erbse." * Der Umbau des Opernhauses tritt in ein neues Stadium. Wegen der Schwierigkeit der Fundameniierung will man fetzt auf die Urform des Theaters, des Thespiskarrens, zurückg'eisen, und das Gebäude unter Wahrung feines historischen Charakters auf Räder stellen. Kosten: nur 25 Millionen. • In einer Berliner Revue kommt es zum Skandal. Ein Komi- ker hat sich einen neuen Wttz erlaubt. » Zur Refo.nn des Strafrechts unterbreitet die Schwerindustrie den Vorschlag, das veraltete System der Einsperrung durch die viel bequemere Aus sperrung zu ersetzen. Di« seit vier Jahrhunderten rühmlichst bekannte WeißeFrau aus dem Ve.'liner Schloß hat sich entschloffen, dem Tertianer Etubbkopp ihre Händ zum Ehebunde zu reichen. � Jonathan.
Die Glocken. Von Grete Mass«. Der Kran?« schlug erschrocken die Augen auf. Was war das? In da» Dämmern der Sttll«, da» ihn uinflyg, in das betäubende Gefühl der Erdenentrücktheit, da» da, Fieber in feinem Pulse ihm oerlieh, sank ein Ton, schwer und voll, kalt, wuchtend und pressend. Da— derselbe Ton zum zweitenmal. Der Kranke fuhr enttetzt in seinen Kissen empor. „Ruhig, ruhig," sagte d!« sanfte Stimm« der Krankenschwester, die ihn pflegte, schon viele Wochen lang,„es sind ja nur die Neu- stchrsglockon!" Die Neujahrsglocken? Der Fiebernde, zurückgefallen in feine Kissen, sah die Decke des Zimmers sich heben Dort wölbte sich eine Kuppel in ttefblau- strahlendem Glanz. Unzählige Glocken schwangen in dieser Riesen- Wölbung den Klöppel hi» und her an ihre silbernen Glockenwände. Das war ein Getön, das der fernste Berg es empfinden mußt«, daß jede Welle im Weltenmeer umbraust sein mußte von diesem Schall. „Die Glocken!" dachte der Kranke..Li« Neujahrsglocken. Ein neues Jahr beginnt.'
Neujahrsnacht auf der Elbs. Schwindender Ta'g über der sturmgepeitschten Nordsee .... Mit stählernem Bug surcht unser schneller Dampfer die anstül'menden Wogen, tanzt in wildem Rhythmus seinem Ziele zu. Backbord voraus taucht sein erstes Licht auf, fegt mit leuchtendem Strahl den Horizont... Blink, blin! Am Brückennöck steht unser Kapitän mit. dem Steuermann, sucht mit seinem Nachtglas die dunkel gewordene Wasserpche ab. »Das erste Elbfeuerschissl' halblaut spricht er den Satz zu dem Matrosen lfin, der breitbeinig am Ruder steht.„Einen halben Strich mehr Backbord.. ,l' lieber die gischtig lausenden Wellen tanzen Lichter heran, drei weiße Lampen in schwankem Topp.„Bootsmann, das Lochen- signall' Vom Heck sendet ein flackerndes„blue-liglu' seinen feurigen Ruf aus:„Wir brauchen einen Lotsen.'„5)albe Fahrt voraus.' Der Maschinentelegraph klingelt. Aus der nachchchwarzen Finsternis taucht der schemenhafte Umriß eines kleinen Bootes auf, Männer in dunklem Oelzeug führen die Riemen. Hoch siebt die Gestalt des Lochen Im Heck. Bootsleiter pendelt von unserer Bord- wand, ein Sprung.— ein Griff, er entert an Deck. — Wieder volle Kraft voraus! In weitem Bogen steuern wir unter des Lotsen sicherer Obhut die Biegung der Elbmündung herauf. Vorbei die Feuerschiffe, vorbei die gefährlichen Sandbänke von Vogelsand. Cuxhaven grüßt im Lichterglanz herüber. Schneller mahlt unser» Schraub« ta» milchige Waffer am Heck. Hamburg muß unser sein zu Mitter- nacht. Denn heut' fft ja Neujahrsnacht, heut' fft der letzte Tag im alten Jahre. i<l>er Ruck des Zeiger» bringt sein Ende näher. Alle sind heiter und guter Dinge an Bord.,. Wir werden es noch schaffen. Unzählige Leuchtbosen und Bakin flanken dos Fahrwasser, Peu chch euer blitzen auch vom nahen Ufer, geben Weg und Geleit. Laaves« und Fischerboot« suche« gleich ms den Weg m Stadt.
rot und grün leuchten ihre Positionslampen. Sicher wie em geübter Großstädter im dichten Straßen gewühl windet sich unser Dampfer unter des Lösten sicherem Kommando hindurch. Die Stunden rinnen dahin, es wird.zehn, es wird bald elf Uhr. Längsseit blinken schon die Lichter von Blankenese , dunkel liegt das Massiv des Süllbergs, von lichsttrahlenden Fenstern wie mit Glühwürmchen besät. Rüstet man dort schon eifrig zum nächt- lichcn Fest...? Immer näher kommt der blutrot glühende Fleck am Nachthimmel, unter dessen düsterem Sckein das nimmer rastende Leben der Wclsttadl Hamburg braust. Auf dem Vorschifs stehen dunkle Gestalten, spähen stromaufwärts der nächtlichen Per- heißung entgegen... Bald, bald...! Da,— ein feuchter Wind hebt sich, man hört für Augenblicke den Losten mif der„Brücke" heftig fluchen. Don Steuerbord. über die niedrigen Dämme der Fischerinsel Finkenwärder her kommen wallende Schwaden, lassen das Dunkel der Nacht schwärzer werden. Bleicher und bleicher werden die leitenden Lichter, ver- blassen wie Schemen, sind fort, weggewischt! Nur Nacht, undurch- dringlich bleiche, graue Nmht ringsum, Nebel...! Uebcr den ganzen Fluh fft die Wand gezogen, Slerne am 5>immel und Lichter aus der Erde, sie alle sind verlöscht.—„Halbe Kraft voraus!' Vorsichtig versuchen wir uns weiter zu tasten, der Loste Ist auf die Back geeilt, blickt über den Bug in die dunkle. schweigende Strömung und sucht den Dampfer weiter zu leiten. Unheimlich dröhnt das Brüllen unserer Sirene durch die Nacht. Ueberall heult es Antwort. Der Lost« flucht.— Nur kein Zu. sammenstoß in dieser diesigen Nacht. Ein wildes Glockenläuten voraus...„Steuerbord das Ruder!" brüllt heftig der Lots«. Ein finster ragender Schotten taucht sekundenlang seitab aus. wird größer... sinkt langsam wieder in Nicht» zurück. Ein Schiff vor Anker. Dunnerlüchstng. da» hat noch eben gut gegangen! Wir tasten noch etwas weiter: dichter und dichter wird der Nebel«Lot hülpt rat nix... Fall Anker!" Donnernd rasselt das Eisen ins Wasser. Es schweigt da» dumpfe
Stampfen der Maschine Wir liegen still. Ein Fluchen und ein Toben zieht übers Schiff, wütend vor Enttäuschung stampfen die Matrosen ins Logis. Nur der Loste bleibt auf der Brücke, ein Heizer bei den Feuern, und ich halt« die Wacht auf dem Vor» schiff... Ausguck! Acht Schritt hin und acht Schritt her. Dann ein kurzes, gellendes Läuten mit der schweren Schiffsglocke. Alst- wort tönt verschwommen über'? Wasser. Am Bug gurgelt und rauscht die Strömung. Die Ebbe sängt an. auszulaufen Von Achter kommt der Steuermann:„Acht Glas!' ruft er üer Deck. Feierlich fasse ich das kurze Tau am Glockenschwengel. Acht scharf«, klare Schlüge dröhnen über das Schiff.— Zwölf Uhr... Mitternacht! Und jählings ein Läuten, ein Bimmeln, ein Schrillen un- zähliger Glocken durch die Nacht, ein Briislen und Heulen donner- kehliger Sirenen. Irgendwo von nahen, unsichtbaren Ufern dröhnen Kanonenschläg«, senden Kirchenglocken ihre eherne. Botschaft durch Nebel und Nacht. Gestterhast gedämpft und doch wieder Nor klingt zu uns herüber das Tosen und Toben der Millionenstadt, die be- geistert das neu« Jahr begrüßt. Ans Deck kommt die Mannschast gelaufen, dampfend« Groggläser m der Hand. In allen Svrachen schwirren Neujahrsgriiße durch die Lust. „Een gaudet Nüjohr... a happy new-year... gläckelig nyt- aar.. Jeder ruft mit prallenden Lungen seine» Gruß über» Wasser. Gläser klingen... Langsam verebben die Laute wieder, langsam kehren die Leute der Besatzung wieder in Kajüte und Logis zurück, wo im Schein der Lampe da» Fest noch lange weiter geht. Ich stehe allein«ms de? Back, lehne mich ans wassertroplende, eiserne Geländer und starre in die aram? erhängte Ferne Schleier» verhängt ist da» All. mystffch. undurchdringlich und dunkler Ahnungen voll wie da, neu« Jahr, da» soeben geboren wurde... Kopf hoch, auch dieser Nebelnacht wird ein Sonnenmorgen folgen, dann geht es wieder«euer dem Ziel entgegen.,.„Solle Kraft voraus�. tu*