Albendausgabe
Nr. 2
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45. Jahrgang
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Der Borwärts mit bez tuftrier ten Sonntagsbeilage Boll und Zeit fowie den Beilagen Unterhaltung und Biffen" Aus der Filmwelt Stadtbeilage Frauenstimme"
Der Kinderfreund Jugend- Bor wärts" Blid in die Büherwelt. Kulturarbeit und Technik
ericheint wochentäglich Ameimal Sonntags und Montage einmal
Montag 2. Januar 1928
10 Pfennig
Die etmipatitge Ronsate dezeits 80 Brennig Reflamezetle& Reichs mart Kleine Unzeigen" das tetige brudte Bort 23 Pfennig zufällig zwet tettgedruckte Worte). jedes meitere Bort 12 Biennig Stellengesuche das erite Bort 13 Bfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig Worte über 13 Buchstaben zählen für zuper Borte Arbeitsmarkt Seile 60 Blennig Gamilienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden ftrage 3. wochentagl von 8 bis 17 Uhr
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Desterreichisch- ungarischer Zollfonflikt wegen Maschinengewehrschmuggel.
internationalen Rechts, das Ungarn Waffeneinfuhr verbietet und seine Rüstung ganz genau begrenzt. Man wird aber wahrscheinlich sehen, daß auch in diesem Fall die hohen Brotektoren und Geschäftsfreunde des Horthy- ReGeschäftsfreunde des Horthy - Regimes jedes internationale Vorgehen gegen die ungarischen Geheimrüstungen verhindern werden!
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Bankkonto: Banf der Arbetter. Angeftellten und Beamten Wollitt. 65 Diskonto- Gefeßschaft Depositenfafle Sindenftr 3
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Hoch flang, durch die Karnevalsstimmung der Bahlnadt 1924 hindurch, das Lied vom braven Manne Baldwin. Hier war ein Staatsmann nach dem Herzen Bürgertums: der ein menig einfältige und naine, aber grundanständige Mann; Berkörperang des common sense des Briten tonservativ, demokratisch, fortschritt. lich und sozial zugleich. Der neue Ministerpräsident schien entschlossen, sich nach dem Bilde zu formen, das sich die schnell wuchernde Legende von ihm gemacht hatte. Baldwin, der sich meigert, den ersten Schuß im Kampfe zwischen Kapital und Arbeit zu feuern, Baldwin, der von seiner eigenen Anftändigkeit hingerissen in die Borie des„ Ge betbuches" ausbricht: Gib uns Frieden in unserer Zeit, o Herr!" Kurz der neue Disraeli , doch englischer, anheimelnder und weniger dämonisch als jener frembe Batriot" Disraeli felbst.
Der ,, Morgen" meldet aus Graz , daß sich am Sonntag in Szent- Gotthard, der auf ungarischem Gebiet gelegenen Zollstation an der steierisch- ungarischen Grenze ein Zwischenfall ereignete, der großes Aufsehen herborge rufen hat. Mit einem Güterzuge aus Verona waren fünf Waggons eingetroffen, deren Ladung als„ Ma- Den deutsch - österreichischen 3ollbeamten wird vielleicht schinenbestandteile" beflariert war. Die Waggons die Sorge um das ständig von Ungarn bedrohte Burgen enthielten aber, wie sich herausstellte, zerlegte Ma land den Blick geschärft haben. Diese Sorge ift gerade in schinengewehre. Die österreichischen Zollbe den legten Tagen start gestlegen; Bundeskanzler Seipel hörden verlangten nun, daß die Waggons nicht weiter hatte Ende November im Finanzausschuß erzählt, die unga geschoben würden. Trobem schoben die ungarischen rische Regierung habe autoritativ versichert, daß sie 2nBahnbehörden unter militärischer Bewachung sprüche auf das Burgenland nicht erhebe, nichts zu seiner Geunter Bewachungsprüche auf bas nichts auf Gebämontich als die fünf Waggons mit den Maschinengewehren weiter winnung tue und so glaubte Seipel hinzufügen zu fönnen und traten den österreichischen Zollbeamten, die sie daran das Burgenland in jenes integre Ungarn nicht einhindern wollten, mit Waffengewalt entgegen. Die begreife, das man so oft fordert. Nun hat aber der unga österreichische Zollbehörde hat nach dem Vorfall zentrische Außenminister darauf in Parlament geant Gotthard verlassen, so daß die Züge seitdem nicht wortet, weder er, noch sonst ein dazu Berechtigter habe eine mehr abgefertigt werden. folche Erklärung abgegeben. Unser Genosse Paul Richter fragte danach Seipel im Nationalrat, und der Bundeskanzler machte leere Ausflüchte, gab weder zu, daß er im nevember geschwindelt, noch behauptete er, daß der Horthyst jegt gelogen habe. Go ist denn statt der Beruhigung, die Seipel schaffen wollte, noch stärfere Beunruhigung einge treten, und der Rücktritt des( chriftlichsozialen) Landeshauptmanns im Burgenland ist das deutlichste Anzeichen dafür.
Der Republik Desterreich ist die Aus- und Durchfuhr von Waffen verboten, ihre Zollbeamten haben also nicht nur forreft, sondern gewissermaßen als Beauftragte der Unterzeichner des Friedensvertrags von St. Germain gehandelt, und wenn sie durch ungarische Behörden an der Amtsaus übung gewaltsam verhindert worden sind, so ist das nicht nur ein Bruch der nachbarlichen Beziehungen, sondern des pupotoxic bon bon suinomenoin
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Aber wehe! Das felbfterrichtete Standbild zerbrach im Sturme des Generalstreits. Bor uns steht, felt Mai 1926, ein anderer Baldwin: ein Reaktionär. Erzflassentämpfer des Bürger tums und Feind der Arbeiterschaft. Mag sein, daß eine persönliche Tragödie hinter folcher Entlaroung fieht: daß hier ein ehrlich wollen. der das Opfer stärkerer Mächte und Intellefte geworden ist. Daß dieser Gefangene der Kampfhähne Birkenhead und Churchill ein innerlich gebrochener menn ist. Aber den Betrachter, der nach dem Sinn des Geschehens fragt. tann die persönliche Absicht nicht fümmern. Er sieht das Ergebnis. Er wird in der Kapitulation Baldwins vor der Reaktion, im Gefolge des großen Klaffenfampjes von 1926, eine schiafalhafte Bendung in der englischen Politik erblicken: das Scheitern bes wohlwollenden Konfer nativismus, bas Ende der disraelischen Tradition des sozialen Tory.
tums, ben Schlußftrich unter einer großen Tradition, bie bas poli tische Leben Großbritanniens im 19. Jahrhundert grundsätzlich non panoi bem feiner fontinentalen Brubermächte unterschieben hat. Ban 1926 ab mich das Gesicht der britischen Innenpolitit, nicht in feinen äußerlichen Erscheinungen, mohl aber in thren praktischen Aus wirtungen bem ber übrigen europäischen Demofratien ähnlicher jehen als jemals vorher.
Die Polizei hat auf der Straße zwei Mitglieder des Heimat bundes, den ehemaligen Lehrer Buerg und den Kunstmaler Solveen, der an der Bulunst" mitarbeitete, verhaftet. Solveen soll die Absicht gehabt haben, in den nächsten Tagen eine neue autonomistische Zeitschrift herauszugeben.
Wie die Morgenpresse aus Straßburg melbet: Die Sichtung der am 24. Dezember 1927 befchlagnahmten Dokumente soll die Er. hebung neuer Antlagen gegen Mitglieder der autonomistischen Bewegung ermöglichen. Ein proteftantischer Pfarrer, dessen Name nicht genannt wird, sollte verhaftet werden, ist jedoch anscheinend geflüchtet. Ferner fei man auf der Suche nach einem gewissen Dumier, der wegen Beleibigung Frankreichs in der autonomistischen Breffe vor furzem zu 32 000 Franken Geldstrafe und mehreren Monaten Gefängnis verurteilt worden ist. Die Brüfung der beschlagnahmten Baptere habe auch Aufschluß über die Geldgeber gegeben. Verschiedene Personen hätten ihre Berfetzung in den Anklagezustand zu erwarten, da sie die autonomistischen Stoßtrupps finanzierten.
22. April Kammerwahl.
Baris, 2. Januar. Man nimmt allgemein an, daß die Kammerwahl am 22. April, und der zweite Wahlgang mithin am Sonntag, dem 29. April, vorgenommen werden wird.
Briands Reujahrshoffnung.
Freundschaft und Abrüftung.
Condon, 2. Januar.
Dem Pariser Korrespondenten der„ Sunday Times" fagte Außenminister Briand u a.: Es besteht aller Grund zu der Hoffnung, daß Italien und Frankreich zu einer Vereinbarung tommen merden. Für die Ballongrenzen fann meines Erachtens erreicht merden, was für andere Grenzen durch den Locarnepaft zustande. gebracht wurde. Dieses Balkan- Locarno würde im Zusammenhang stehen mit dem Nichtangriffspaft, den mit die Sowjetregierung vorgeschlagen hat und über den Berhandlungen beginnen werden, sobald der neue russische Botschafter in Paris eintrifft. Diese Berträge rufen feinerlei Feindschaft oder Mißtrauen hervor, menn sie nur der vom Böllerbund empfohlenen Art von Berträgen entsprechen. Eines der Dinge, die ich für 1928 erhoffe, ist der Abschluß eines franzöfifch amerit antichen Battes über Rechtung des Krieges, der, beiläufig bemerkt, auf andere Länder ausgedehnt werben fönnte. Sobald der amerikanische Botschafter nach Baris zurüdlehrt, werden die Besprechungen greifbare Gorm
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annehmen. Briand betonte meiter die Berminderung, die die französische Heeresstarfe gegenüber der Zeit vor dem Kriege erfahren habe, und sprach die Hoffnung aus, daß 1928 die materielle Abrüstung überall fortschreiten werde. Zum Schluß sagte er: Besonders wünsche ich für das neue Jahr die Entwicklung der Politif franzöfifch deutscher Annäherung. Eine Bolitik der Isolierung und der Rüstungen ist überhaupt felne Politik. Sollen Frankreich und Deutschland nach einem Kampf, der beide fürchterlich geschwächt hat, auf einem Wege norwärtsgehen, der sich schließlich unvermeidlich zu einem neuen Kriene führt? Nein. Die Politik, die ich jetzt betreibe, habe ich schon 1921 geplant.
Die Pyramide brennt...
Der Roman wird zur britischen Kolonialwirklichteit. Karthum , 2. Januar. Flugzeuge, welche die englischen Truppen gegen einen feindlichen Stamm im Laugebiet am oberen Nil unterstüßten, fügten dem Stamm große Berluste zu und bombardierten die Byramide Dengfur, die bei den Eingeborenen eine symbolische Bedeutung hat.
Die Bestrafung der Malaita - Infulaner.
Tulagi( Salomonsinjein), 2. Januar. ( Reuter.) Der Rest der nach der Malaitainsei entfandten Straferepition ist hier eingetroffen. Es wurden noch 40 Gefangene mitgebracht; die Gesamtzahl der im Berlauf der Erepidition gefangen genommenen Eingeborenen hat sich dadurch auf 200 erhöht. Während der Operationen auf Malaito find insgesamt 25 Eingeborene ge tötei morden. Die Strafezeption war wegen der Ermordung von awei Engländern und 15 eingeborenen Bolizisten unternommen
worden.
Tommies gegen Dolicemen.
Condon, 2. Januar.
„ Daily Mail" zufolge tam es am 31. Dezember v. 3. abends auf dem Truppenübungsplcz Aldershot zu erheblichen Aus schreitungen von Soldaten, die einen von der Polizei verhafteten und in die Polizeiftation gebrachten Stameraden gewalt sam befreien wollten. Den herbeigerufenen Polizeiverstärkungen, so berichtet das Blatt, gelang es schließlich, die Soldaten zur Rückkehr nach den Kasernen zu veranlassen, wo es aber zu neuen Ausschreitungen fam. Es wurden eine Anzahl en st er ide i ben zerflagen und anderer Materialschaden vetur. scheiben jacht. Die Militärbehörden haben eine Untersuchung angeordnet.
Zu Beginn des vierten Winters tst Stanley Baldwin bes nontinelle Haupt einer Reglerung, die auf die Attribute der Fortschritt lichkeit, der sozialan und demokratischen Grundrichtung kein Anrecht mehr hat. Einer Regierung, die die Erwerbslofenfäße vermindert, Abertaufende der staatlichen Hilfe beraubt, die Besteuerung ber Reichsten auf Kosten der Arbeitslosen und Krantenversicherung ver mindert hat, die den Bergarbeitern niedrigere Löhne und eine längere Arbeitszeit aufgezwungen, die Steuern auf Gebrauchsgegen. stände der breiten Massen erhöht hat. Deren nationale Sparpolitik in groteskem Maße versagt hat, deren Militär- und Flottenpolitif, den Bersprechungen des Wahlprogrammes zum Troß, feinerfet Ten. denz zur Abrüftung zeigt, deren Kolonialpolitik das Weltreich in feinen Grundfeften bedroht. Deren Reformpläne für das Haus der Lords die Basis der britischen Demokratie zu erschüttern drohen.
Die Bilanz Baldwin im vierten Winter: Realtion gemilbert durch Schwäche und inneren 3wiespalt; politische Lethargie und Enttäuschung.
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2. Konfervative Ebbe.
Nur mit dem Borbehalt, daß es sich mehr um die Deutung von Symptomen als um die Analyse greifbarer Tatbestände handeln fann, wird man an die Beantwortung der Frage herantreten, mie sich die Bilanz Baldwin" auf die Stimmung der Wähler. haft ausgewirkt hat. Was die Konservativen anlangt, wird man im Gegensatz zur Liberalen Partei! die Bresse zur Auskunft heranholen tönnen. Die dauernden Mahnungen der„ Times", das Kabinett nach der Personenseite zu„ retonstruieren", die zeitweise Revolte der fonservativen Beaverbroofblätter, die auf eine unver gleichliche Art die Hand am Pulse der öffentlichen Meinung haben, die offene Feindseligkeit der rechtsradikal- polkstümlich- demokratisch faschistischen Rothermerepreffe diese ganze Stala von Winken mit dem Zaunpfahl bis zu unverhohlener Kampfansage gibt deutliche Fingerzeige. Zumal dann, wenn man daneben die ver hältnismäßige Zufriedenheit der Konfervativen vom Schlage der Leser des Daily Telegraph " und der Morning Post" nicht überfieht. Auf eine furze Formel gebracht, weilen alle diefe Symptome barauf hin, daß es der Regierung Baldwin mit ihrem Saltomortale von 1926 nur gelungen ist, das Vertrauen der im strengsten Barteifinne fonfervativen Kreise zu erhalten, während sie auf der anderen Seite weder den rechten Flügel besänftigt, noch die tonservativen Mitläufer befriedigt hat. In seiner praktischen, wahltechnischen Auswirkung bedeutet das, daß Baldwin, fäme es in diesem Augenblick zu Neuwahlen immer vorausgefeßt, daß teinerlei Sinowiewbrief eine neue Banik schafft, nur mit den Stimmen der parteipolitisch tonservativen Bevölkerungsfreise rechnen tann, die mitläufer von 1924 jedoch verloren hat. Die Ergebnisse der ersten zwanzig Neuwahlen der Jahre 1925/26/27 geben hierfür unmißverständlich Zeugnis. Während die Konservativen in diesen zwanzig Wahlkreisen bel den letzten Gesamtwahlen annähernd 300 000 Stimmen erzielten, ftimmten bei den Nachwahlen nicht ganz 200 000 2ähler konservativ. Auf eine Gesamtabrechnung übertragen, bedeutet diejer Berluft von 30 Broz. das sichere Ende der Baldwinfchen Majorität, die ja von allem Anfang an einer Minderheit der
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