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Abendausgabe

Nr. 4

B2

45. Jahrgang

Böchentlich 70 Pfennig, monatlich 3. Neichsmart, im oaraus zahlbar. Unter Streifband im In- und Auss land 5.50 Reichsmart pro Monat *

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Diensing

3. Januar 1928

10 Pfennig

Alle et nipelige Ronparetezelfs 60 Brennig Reflamezeile 5- Reichse mart Kleine Anzeigen" Das fettge brudte Bort 25 Bfennig zuläffig zwet fettgebrudte Worte). jedes weitere Bort 12 Biennig Stellengefuche bes erfte Bort 15 Brennig, jedes mettere or 10 Pfennig Borte über 15 Buchstaben jählen für amet Morte Arbeitsmartt Beile 60 Blennig Familienanzeigen Is Abonnenten Zeile 40 Bfennig. Anzeigen. annahme m Hauptgeschäft Linden ftrage& wochentagl non 8 bis 17 Uhr.

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin S 68, Lindenstraße 3 Vorwärts- Berlag G. m. b. H.

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Großfeuer im Leipziger Volkshaus

neuen

Schwerer Schaden in einem neuen Saalbau.

2eipzig, 3. Januar. ( Eigenbericht.) seute morgen gegen 4 Uhr brach im Dachstuhl des Gesellschaftssaales des Leipziger Boltshauses Feuer aus, das sich sehr schnell aus breitete. Die Feuerwehr rückte um 4 Uhr mit drei Lösch zügen an und nahm den Kampf gegen das Feuer auf. Erft gegen 7 Uhr war der Brand soweit gelöscht, daß die Löschzüge wieder einrüden fonnten. Der Dachstuhl ist stark beschädigt. Die Brandursache konnte bisher noch nicht festgestellt werden.

Der neue Gesellschaftsfaaf ist am ersten Weihnachtsfeiertag dem öffentlichen Verkehr übergeben worden, da die übrigen Räume des Bolkshauses für die große Masse der Besucher nicht ausreichten. Das Innere des neuen Saales ist fast vollständig fertiggestellt, nur noch bie oberen Nebenräume waren nicht völlig vollendet. Dieser neue Gaal bietet in seiner architektonischen Eigenart, mit seiner Glas decke und seiner neuartigen Dedenbeleuchtung eine Sehenswürdig

Bonichedkonto: Berlin 37 536 Bankkonto: Bank der Arbeiter. Angeftellten und Beamten Wallstr. 65 Distento- Gesellschaft Tepofitenkaffe Lindenstr 3

Aus der Stöckerzeit.

Zur Geschichte einer Bersammlung vor 50 Jahren.

Ein Teil der deutschnationalen Bresse ergeht sich- in Er­innerungen an eine Versammlung, die heute por 50 Jahren, am 3. Januar 1878, im Eisfeller in Berlin stattfand. Der Hofprediger Adolf Stöder unternahm dort seinen ersten zubringen. Dieser Versuch schlug, wie allgemein zugegeben Bersuch, mit seinen Ideen in die Berliner Arbeiterschaft ein­wird, fehl. Denn die Sozialdemokraten bemächtigten sich des spätere Anarchist, fand den Beifall einer übergroßen Mehr­Bureaus der Versammlung, ihr Redner, Johannes Most, der heit, und eine Resolution in seinem Sinne wurde ange­

feit Leipzigs und legt Zeugnis von der Solidarität der Leipziger endung des neuen Saalgebäudes Feuer ausgebrachen ist. Leider Urbeiterschaft ab. Um so schmerzlicher ist es, daß noch vor Boil ist auch die Glasdede des Saafes, die sich auf einer Seite infalge ist auch die Glasdecke des Saales, die sich auf einer Seite infalge zeigt große Sprünge und es besteht die Gefahr, daß noch mehr bazu des Feuers etwas gefentt hat, beschädigt worden. Die Dede selbst tommen, so daß voraussichtlich auch die gläferne Saalbede erneuert werden muß. Wände und Inneres des Saales haben nicht genommen. litten. Berheerend hat das Feuer dagegen im Dachstuhl und in den noch nicht fertiggestellten Bureauräumen des Gebäudes gehaust. Die stärksten Eisenträger sind durch die Glut des Feuers verbogen worden. Das Dachgebält ist zum Teil verkohlt und am süblichen Teil vollständig eingebrochen. Wahrscheinlich muß der ganze Dach stubi neu gebaut werden, auch die Bureauräume, die am 1. Februar in Gebrauch genommen werden sollten, müssen einer gründlichen Erneuerung unterzogen werden. Der gesamte Wirtschafts- und Hotelbetrieb erleidet durch den Brand feine Unterbrechung. Auch die Versammlungsräumlichkeiten, vor allem der große Saal sind durch den Brand nicht in Mitleidenschaft gezogen worden.

Amerifa zeigt die falte Schulter.

Frankreich muß sich mit Schiedsvertrag begnügen.

Baris, 3. Zamuar.

Der von dem amerikanischen Staatssekretär Rellogg dem französischen Botschafter in Washington übermittelte Gatwurf zu einem neuen Schiedsgerichtsvertrag itschen Amerifa und Frankreich ist im Laufe bes gestrigen Tages an den Quai d'Orsay gekabelt

worden.

Washington will sich nicht binden.

Washington , 3. Januar.

Senatstreifen wurde erklärt, daß es sich nicht, wie in manchen Bariser Meldungen behauptet werde, um ein amerikanisches Angebot eines Antifriegsvertrages handele. Ein solcher Borschlag sei zwar von Briand getommen, und das Staatsbeparte ment habe nach längerem Zögern feinen guten Willen badurch be fundet, daß es einen Entwurf formulierte. ber das Magimum bessen darstelle, was die Bereinigten Staaten zugestehen tönnten. Benn Frankreich das nicht genüge, fo fet es ebenfalls dem amerikanischen Senat ebenso recht, wenn fein Bertrag gefchloffen würde, denn die Bereinigten Staaten gewannen nichts durch solche Berträge, sondern sie legten sich vielmehr lediglich Bindungen auf, deren Tragweite größer sein tönnte, als jezt vorauszusehen sei. Das Problem sei also zurzeit nicht die Annahme des amerikanischen An­gebots, fondern das Bescheiden Frankreichs mit einem Schiedspertrag, der auch auf das übrige Europa paffe. Bon einem besonderen Freundschaftsvertrag mit Frankreich fönne teine Rede sein.

London möchte auch einen Bertrag haben.

London , 3. Januar.

Der diplomatische Korrespondent des Daily Telegraph " er­innert im Zusammenhang mit den französisch- amerikanischen Ber tragsverhandlungen daran, daß auch zwischen Großbritannien und den Bereinigten Staaten ein Schiedsvertrag bestehe, der die Einfezung von Kommissionen für die Untersuchung und Beilegung Dan möglichen Streitigtelten amischen beiden Ländern porfehe.. Auch Großbritannien würde den Abschluß eines Antifriegsvertrages mit ben Bereinigten Staaten begrüßen. Der amerikanische Botschafter in London habe einen solchen englisch - amerikanischen Baft vor etwa einem Jahre vorgeschlagen.

Die Besorgnisse des Schuldners.

Paris , 3. Januar. Die Berhandlungen zwischen Frankreich und den Bereinigten Staaten über den Abschluß eines emigen Friedenspattes beschäftigen die französische Deffentlichkeit auf das lebhaftefte. Man will in diefen Berhandlungen in gewiffem Sinn einen Vorläufer für eine günstige Regelung der französischen Kriegsschulden an die Bereinigten Staaten erbliden.

Bainville in der Biberté" bemerkt, daß sich Frankreich gegen. über den Bereinigten Staaten allenfalls in einer helflen Situation

I

begonnen hatte, so endete sie auch. Als Stöcker im Jahre 1909 So wie die Stöckerbewegung mit einem Mißerfolg starb, war er langit aus der Konservativen Partei ausge schieden, und die von ihm begründete Christlichsoziale Bartei hatte ganze drei Mann im Reichstag fizen, unter ihnen den jezigen deutschnationalen Abgeordneten Behrens. So war das Experiment Stöckers nach beiden Seiten gescheitert. Einmal sollte es die Sozialdemokratie ablösen, daraus wurde nichts, denn nach einigen mehr lauten als heftigen Kämpfen überwand die Sozialdemokratie den neuen Gegner spielend. Zum anderen sollte es die Konservativen modernisieren, ihnen etwas Berständnis für soziale Pro­bleme beibringen und ihnen Eingang bei den Arbeitermassen verschaffen, deren Bedeutung angesichts der zunehmenden Industrialisierung des Landes immer sichtbarer wurde. Auch dies mißlang gründlich. Es mußte mißlingen, weil jedes ernsthaft soziale Streben an die Wurzeln der Junterherrschaft rührte, und so mußte das, was der Bemegung an Tiefe, fehlte, durch antisemitischen Rabau erfekt werden, ber gmar einem Teil des Kleinbürgertums gefiel, aber in bent Arbeitermassen fein Echo fand.

A

Einige wenige, die es mit bem Gehalt der neuen Be. megung ernster nahmen, fanben in ihr selbst teine Befriedi gung, fondern gingen meiter nach links, so friedrich Rau­befinde, de Brantreid, dan Bereinigten Staaten Gelb ichulbe mann, Helmut n. Gerlach und Hans Beuß. Die Bereinigten Staaten beftünden auf ihrer Socherung der Beift für die deutschnationale Bresse heute nicht piel mehr als Die Erinnerung an die berühmte Eistellerversammlung zahlung dieser Schuld genau so wie Frankreich die Reparationseine Totenflage oder eine Kranznieberlegung am Grabe zahlungen von Deutschland fordere Man fönnte unter folden einer Hoffnung. Die Deutschnationale Bartet, wie fich bie Umständen nidt vorcusfagen, ob sich nicht dieser Schuldenfonflift Konservative Partei heute nennt, ist mehr denn je eine land­fpäter einmal zu einem politischen Konflikt zwischen den beiden wirtschaftliche und industrielle Arbeitgeberpartet: Staaten entwidein würde und die Bereinigten Staaten nicht einfach vorhandene chriftlich foglale Refte haben nur die Wahl, ent­von den Antillen Befig ergriffen, die für die Zuder. meber still unterzutauchen oder sich wieder wie zu Stöckers verforgung Frantrelds eine mefentliche Rolle spielen. Der Batt Ausgangszeit als eine hoffnungslose Splitterpartei zu kon­Briand Kellogg würte Frankreich gegen eine berartige Belegung, die ftituieren. 3um mintesten von diesem Standpunft eus wäre daher der Ab der französischen Besetzung des Ruhrgebietes gleichfomme, schützen. schluß eines ewigen Friedenspaltes zwischen Frankreich und den Bereinigten Staaten begrüßenswert. Bereinigten Staaten begrüßenswert.

Neujahrskonzert, internationaler Eintracht".

Paris , 3. 3omuar.

demofratte ihres ersten Waffenganges mit dem ehe­Mit desto größerer Genugtuung darf sich die Sozial­maligen Hofprediger erinnern. Sie hat in dem halben Jahr hundert seitdem ganz anderen Stürmen getroit als dem Bersammlungsstürmchen im Eisteller. Ein paar Monate später brach das Sozialisten gefeß über sie herein. Dann kam die era Wilhelm II. , der Weltkrieg, die russisch­bolichemistische Welle. Und fünfzig Jahre nach ihrer rhetori rämpfe, für die ihr auch ihre Gegner neue große Erfolge prophezeien.

Der nationalsoziale Wunsch, die Sozialdemokratie abzu­lösen, scheiterte ebenso wie der christlichsoziale. Später famen die Nationalsozialisten" mit ihrem Hitler, tamen die Kommunisten mit ihrem Stöcker II. Aber das alles ist ent­weder schon vorbei, ober es geht vorbei. Die Sozial­demokratie besteht, wächst, marschiert

da wären mir längst en Schred gestorben. Aber da wir ge­Ja, wenn wir uns durch Gesch rei erichreden ließen, wohnt sind, weniger auf die großen Redensarten zu achten als auf das, war dahinter steckt, sind uns noch alle Kämpfe, die mir auszufechten hatten, ausgezeichnet bekommen.

lung por 50 Jahren auch heute noch mit großem Bergnügen. In diesem Sinn erinnern wir uns der Eisfellerpersamm­

Unter Hinweis auf die Ansprache des Präsidenten der Republitschen Bernichtung durch Adolf Stöcker geht sie in neue Wahl­Doumergue beim Neujahrsempfang des Diplomatischen Korps und die Antwort des Doyen Monsignore Maglione sowie auf die per­schiedenen Interviems Briands schreibt der Zemps" zum abgelaufe nen Jahre: Die bisher auf internationalem Gebiet erzielten Er gebnisse sind, wenn sie auch nicht all bem entsprechen, was man mit Recht nom Wirten des Bölferbundes und den wesentlichen Grund­fäßen, die die Politik von Locarno bestimmen, erwarten dürfte, immerhin berart, daß man mit einer gewiffen Seelenrube der neuen Etappe entgegensehen fann, die das Jahr 1928 bringen. wird. Der Temps" begrüßt es alsdann, daß aus dem Auslande tein mistlang in dem Konzert der internationalen Eintracht zu vernehmen fel. Er erwähnt die Neujahrsan Sprachen des Reichspräsidenten v. Hintenburg und des Reichs­tanglers Marg und fährt dann fort: Es ist ganz natürlich, daß vom deutschen Standpunkt aus die deutschen Führer immer darauf be­dacht sind, die Räumung deutschen Gebietes zu erreichen. Man begreift sehr wohl, daß dies das wesentliche Ziel ihrer Politif ift. nicht weniger natürlich aber ist es, daß die Alliierten in den Ber­zicht auf die Rechte, die sie für sich aus dem Friedensverireg herleiten, nur einwilligen tönnen gegen Bürgschaften, die jo­wohl in finanzieller Hinsicht als vom Standpunkte der Sicherheit des Westens aus zum mindesten gleichwertig find. Das Blatt erklärt sodann weiter: Es wird vor allem von Deutsch land und den von ihm zu machenden Vorschlägen abhängen, ob ble Frage der vorzeitigen Räumung der zweiten und britten Zone mugbringend erörtert werden kann. Aber die feit Locarno gemady. ten Erfahrungen und die feither erzielten Ergebnisse beweisen, daß die Besehung des Rheinlandes ebensowenig wie die ge naue Ausführung aller anderen Staufeln des Versailler Vertrages ein Hindernis für die Entwicklung einer aufrichtigen En ipannung und Berständigungspolitif im Geiste von Genf und auf der Grundlage der Respettierung der bestehenden Beriräge bildet, dieser ersten Bedingung jeder internationalen freundschaftlichen Zusammenarbeit und jeder Organisierung eines dauerhaften Friedens."

In dem damaligen fozialdemokratischen Parteiorgan für Berlin , versammlung ein Bericht, in dem Steeders Rede folgendermaßen der Berliner freien Presse", erschien über die Stoeder

[ lizziert wurde:

Der nachfolgende Redner war Herr Hofprediger Stoeder, ein hervorragendes Mitglied des neugebildeten Staatsfozialisten­fomitees. Derfelbe wird mit tautlofer Ruhe ange Zumutung an die Bersammlung stellte, deren Ueberwindung unseren hört, obwohl auch er im Berlauf seiner Rede manche, christliche" Genossen sicherlich nicht leicht wurde. Herr Stceder erkennt die jetzt bestehenden wirtschaftlichen Mißverhältnisse durchaus an, er weiß. ein Weitertreiben des heute beliebten ökonomischen Systems führt unfehlbar zum gänzlichen Ruin. Aber diese Uebelstände sind nicht zu beseitigen, wenn mir nicht innere Ein­fehr halten und uns ganz dem Christentum wieder anschließen. Da­neben soll der heutige Staat geachtet werden, der ja olles für das Bolt tue, ihm z. B. das allgemeine Stimmrecht freiwillig verliehen habe und gewiß noch mehr tun wird. Och bin nur ein Brebiger, ein Hofprediger. aber ein ehrlicher Mann. Selbst ein Kind des Volkes- mein Vater war Schmiedegeselle tenne ich seine Leiden