Mittwoch 4. Januar 192S
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Beilage des Vorwärts
Oevotionalien. Novelle von Max Aernardt. Davojer war Inhaber der Devotionalienhondlung S. SLendls Witwe. Nach außen hm wenigsten». Innerhalb der mit Heiligen- bildern geschmückten Ladenwönde, der winkeligen Stuben, war er freilich nur der angeheiratete arme Teufel von Holzschnitzer, der nicht» sein eigen nennen konnte als sein bißchen Kunsthandwert und ein paar gute Geschäftsverbindungen zu seinen Landsleuten, Grödner Holzschnitzern. Seit einem halben Jahrhundert bald handelten die Wendischen mit christlichem Hausschmuck. Das Hauptlager bestand aus Oeldrucken von Marienbildnissen. Aposteln, Heiligen, dem„Heiligen Abendmahl". der Kreuzigung Christi und dem Heiland mit der Dornen- frone. Fromme Wandsprüche traten noch hinzu. Weihwasserkesiel, Rosenkränze und Kruzifixe. Als Wallojer mit der verwitweten Wendl in den Thestand trat, ergänzt« er den christlichen Lagerbestand noch mit Schnitzereien seiner Landsleute, die ihn zweimal im Jahre geschnitzte Engel, Ma- bannen und gekreuzigte Christuss« ins Haus stellten. Die christliche Konfektion der Ware erhielt ein künstlerisch individuelles Gepräge. Ein Bole aus dem Grödner Tale stand in dem dämmerigen Laden und besah sich die farbenprächtigen Oeldruck«. „Ah. Dio— a schöne Madonna—* entzückt« er sich in seinem ladinischen Krautwelsch,„aber'» Jesuskind! ist nit guet." Wallojer Ueß ihn reden. Er sprach überhaupt nicht viel. Immer mehr entfernt« er sich von seiner Umgebung. „Was ist eigentlich mit euren Kindern.' welschte der Grödner gesprächig weiter, J)abt viel Unglück immer mit Kindern— oerament — wie geht's der Witwe Wendl, der Frau Wallojer? den— den? ah, der eisern« Heiland aus St. Christof hängt auch noch inimer da." Wallojer hört« gar nicht hin. Kunterbunt sang der Grödner in dem seltenen Idiom, ohne aus Antwort zu rechnen. Wallojer war bestrebt, nachdem er ihm allerhand Bestellungen für die Weihnacht». zeit ausgegeben hatte, den Lästigen loszuwerden. ..Riz— ich mach bald Schluß, es dunkelt. Du wirst wohl drüben beim Wirt Unterkommen finden für die Nacht obei willst epper noch weiter? Sonst probier e» einmal bei den Kapuzinern." Der Bote zögerte. Dielleicht hatte er gehoist. daß ihn sein Landsmann über Nacht behalten würde. „Ah— ist gleich. Stesio. stesio. Ich wert»', ja, ich werd' noch ein Stück laufen." Und dann verabschiedete er sich herzlich, nicht ohne einen guten Wunsch für» Geschäft und für die Wendisch« Witwe. Das einstöckige Haus, In welchem der Wendlsche Laden lag, war alt, brüchig und muffig wie sein« Insassen. Wallojer hatte vor bald einem Jahrzehnt da» Haus samt dem frommen Geschäft und der Witwe Wendl geheiratet. Er war viel in der Welt herum- gestoßen worden, nachdem er sich frühzeitig mV seiner Schnitztunst. dem großen Dermächtnis seines grödnerischen Heimallales, auf die Socken gemacht hatte. Aber er hatte nichts erreicht, seine naiven Engel und Madonnen wollte da draußen niemand haben, noch interessiert« man sich sonderlich für seine Handwerkskunst. Irgend- wo über dem Wasser drüben merkte er, daß ihn das Aller anpackte. Eine unbezähmbare Sehnsucht müder Amerikawandercr brachte auch ihn wieder zurück. Bald war er in der Heimat, wo man ihn still unter sich litt. Er schnitzte wieder im Akkord. Spekulierte aber schlau nach dem Ruheplatz, noch dem sein Alter lechzte. Und es gelang ihm. unweit seiner engeren Heimat in das verlotterte Ge- schöft der Witwe Wendl einzuheiraten. Er war«in tüchtiger Krämer geworden. MV Sorgfalt, Fleiß und angeborener Schlauhell verstand er das Geschäft zu heben. Die Witwe Wendl, seine Frau, stöhnte des Tages mit ihrer .Körpersülle einigemal« durch den Loden, kümmerte sich aber.>« dicker und äller sie wurde, immer weniger um das Geschäft. Nur blankes Geld wollte sie sehen, erraffen, besitzen. Der Geiz mll allen Geschwüren saß ihr im Leibe. Kinder hatten sie selbst nicht. Aber die Witwe Wendl, wie sie noch immer genannt wurde, nahm Kinder an. Und noch eine neue Passion fuhr in dos alternde Weib. Weiß der Teufel— vielleicht hing es mit ihren Pfleglingen zusammen. Da waren die Fremden, die jährlich ein paar Wochen auf dem schönen Erdenfleck zubrachten. Zu der Zeit stand die Wendlsche im Laden, ratschte mV den vor- nehmen, ausländischen Herrschasten und bemühte sich gar sehr um sie. Manchmal schickte sie sogar ihren Mann aus der Stube. Und da. eines Tages, sandte man ihr mll einer seinen Zofe ein Kind. Ein ganz junges, hilfloses Kind, in Seide und Brüsseler Spitzen gehüllt. Sie war zärtlich, koste und küßte es und spielt« die Mutter. Aber das Kind war kränklich, selbst die gute Bergluft tonnte es nicht gesund machen. Nach ein paar Monaten starb es. Es war noch kein Jahr oergangen, als die Witwe Wendl wieder die geschnitzte Wiege mit den gemalten, flackernden Herzen in die Stube rückte. Doch das Bübchen, das man ihr brachte, holte sich bald eine Lungenentzündung und ging zu den Engelein ein. Wallojer, der das frische Kindchen lieb gewonnen hatte, stierte damals oer- zweifelten Herzens dem Meßner nach, der den kleinen schwarzen Kindersarg, gleich einem Biolinkasten, unterm Arm aus der Woh- liung schleppte. Als nach längerer Zelt seine Frau ein neues Kind entgegen- nehmen wollte, krallte er sich mit den Händen vorn In seine Brust wie der Judas im Bilds des Heiligen Abendmahls und rief, Verzweiflung im Antlitz: „Weib— was tust? Willst noch mehr Engel im Hausl' „Scher dich zu deinen hölzernen Engeln, misch dich nicht dreln in mein Unglück, wenn du dein Essen an meinem Tisch haben willst," zischte sie ihn aus sprühenden Augen an.„Du weißt, wer du bist— Wallojer!" Sie drohte. Cr halle sie scharf getroffen, an der wund'sien Stell«. Aber er war zu schwach und zu feig« gewesen. Halle den Kopf zwischen die Schultern genommen, sich zurückgezogen. Aber sell der Zeit waren keine Kinder mehr ms Hau» gekommen. Erst ietzt, in den letzten Wochen, sprach st« wieder von einem kleinen ungarischen Mädchen, da» sie in Pflege nehmen wollte. Wallojer zog sich immer mehr von dem Weib zurück. Duckt« sich immer mehr vor jeidem Aller und vor den graujamen, drohenden Augen der alten Wendl. Je mehr er die verstaubt«, kirchlich« Lust de» stammen Loden» atmete, desto mehr gewann in ihm eine abgeklärt« Resigniertheit gegenüber allen Geschehen» die Oberhand. Jahr und Tag stapelt« er Heiligenbilder, rollte Rosenkränze durch die Finger, packte Weih- Wasserbehälter und geschnitzte KruzssiZt In Stroh. Wille:los unterordnete er sich einer Macht, die in den dämmerigen Räumen gleich erner oufgeblaseneu, giftigen Spinne Fangnetz« webte.
Nachdem Wolloser hinter dem Grödner Boten die Türe ge- schlössen hatte, beschäftigte er sich in Muße weiter mit der Zusammen- stellung einer Musterkollektion für ein kirchliches Institut im Unterland. Ein Jesus , eine Maria, ein paar Heilige, ein Abendmahl— da» Stück zu einem Taler. Er überlegt», od er auch noch die neue Kreuzigung Christt beipacken sollte. Es war schon bald dunkel, al» es am Hinteren Eingang pochte Verwundert, wohl auch etwas ärgerlich über die Störung nach Ladenschluß, öffnete er. Stand das Breitebirer Mädele, die kleine Tochter des Poftamtsgehilfen Breitedner, in der Türe. _(Schluß folgt) Raubtier Mensch. Do«<Zrua Aüsing. Baß die Erde in der Zell ihre» Bestehens»erschieden« Ge- sichter Halle und Menschen, Tiere und Pfanzen infolge ihrer Erd- gebunderchoit von anderer Gestoll waren und ander« Verbreitung?- bezirke hatten, ist allgemein bekannt. War doch das Renntier , das bekanntlich als Fleisch-, Fell- und Milchlieserant. sowie als Zug- und Reittier den Palarväkkern das Leben ermöglicht, einst auch über Mitteleuropa verbreitet, und zwar zur älteren Steinzeit. Dies« wird daher auch Renntier , zeit genannt. Di« liegt natürlich well, weit zurück. Doch lassen die Menschen, denen der Natur- und Tterschutzgedank« fernliegt, bis in die Zetztzeit hinein, Tier« aussterben. So ist der Brillen- all, der zur Familie der Möwenvögel gehört«, gl) Zentimeter lang wurde und eine gewisse Achnlichkell mit den Pia- aumen hatte, seit 1844 ausgestorben. Ebenso Ist die Dronte. ein stugunsähiger Bogel, größer als der Schwan, von der Erde oer- schwunden. End« de» 17. Jahrhunderts starb die Dronte aus Mau- ritius uus und von ihrem nahen Verwandten, dem gansgroßsn Einsiedler, sind End« de» 18, Jahrhunderts die letzten Exemplar« auf der Insel Rodriguez gesehen worden. Auch in unserer Zell »st ein fast unflugfähiger Bogel, und zwar der Nachtpapagei, der zu den Eulenpapageien gehört, vom Aussterben bedroht. Der .liachtpapagei. ein reines Lodentier, dos wie die Eulen lange Gesichtssedern hat. die einen Schleier bilden, lebt noch in spärlichen Ueberresten aus Neuseeland . Für den Schutz der Reiher treten, wie bekannt, viele Tierfreunde temperamentvoll ein. In Deutsch- taü) wurden u. a. die Tiere durch di« Reiherbeize(bei der man mll Fallen die Reiher sogt«) stark vermindert. Diesem Jagd- vergniiaen ist steilich ein Hall geboten,»eil die Ret Herst änd«. der Bogel lebt regelrecht in Kolonien in Nestern aus Bäumen, geschützt sind. Ferner hat die Sucht, die Reiherfedem als Schmuck zu oer- werten, gar manchem Vogel den Garaus gemacht. Besonders schlimm erging es den Paradiesvögeln, die, ob, zwar sie zur Familie der Sperlingsvögel gehören, wellberühmt sind wegen ihres präch- tigen Gefieders. Sie wanderten als Schmuck auf die Damenhüte und waren, sowohl her Göttervogel, die Paradieselster und der Fadenhopf, der Ausrottung nahe. Dorum erließ Engtonb, das. wenn es sich zu Tierschutzmaßnahmen bequemt, sehr energijch vor- zugehen versteht, für seinen Teil von Neuguinea ein Abschuß, und Aussuhrverbot. Ebenso besteht ein Einfuhrverbot für England und Australien . Aus dem Aussterbeetat steht ferner eine eidechsensörmige, altertümliche. Reptilienart, nämlich die ungefähr MSi. Fuß lo>z. werdende Brückenechse. Sie ist ein setzt nur noch sehr seltener Bewohner Neuseeland ». Doch auch der bi» einen Meter lang werdende Riesenialamarrder ist in seinem Bestände schwer bedroht, Er lebt in den Gebirgsbächen Chinas und Japans , und da sein Fleisch gern gegessen wird, stellt man ihm übereifrig mich. Japan sah sich berells oeranlaßt, diesen Lurch unter Schutz zu stellen.
Man kann wirklich sagen:.Dreimal Wehe dem Tier, dessen Fell und Fleisch der Mensch schätzt." So wurde der Pferde-, Schimmelaittilope in Inner- und Südafrika derartig nachgestellt. daß sie schon für ausgestorben gilt. Di« Elche, die in sumpfigen Gegenden zu Haus« sind, werden bei fortschreitender Kultivierung des Bodens naturgemäß verdrängt. Um in Deutschland noch ein Paar dieser Tiere zu erhalten, werden in den ostpreußischen Ober- sörstereien Ibenhorft, Tawellningken und Nemonien 300 Stück gehegt. Fast unglaublich hat der amerikanische Bussel, der Bison. unter menschlicher Mordlust zu leiden gehabt. So wurden im Mai 1832 bei Fort Pierre(Missouri ) nach den Auszeichnungen von G. Callin von Indianern 1400 frische Büsseizungen abgeliefert. wofür die Mörder vier Quart Brannttvein dekamen, die sie sofort versoffen. Das Fell dieser aus Uebcrmut getöteten Büffel war um dies« Zeit nicht zu gebrauchen, ebenso waren in den Lagern Fleischvorräte übergenug. Kein Wunder, daß die«normen Wild- tinderherden ausgerieben wurden. Heute steht der Buffalo unter dem Schutz der amerikanischen und kanadischen Regierung. Eins der traurigsten Kapitel ist die Robbenschlägerei. Die Rodben werden wegen ihre» Felles verfolgt. Um sie vor gönz- sicher Ausrottung zu schützen, dürfen sie an bestimmten Stelle» des Beringmeeres nicht gefangen werden, ebenso ist für gewisse Fang- orte dl« Anwendung von Feuerwaffen, Netzen und Sprengstosfen verboten. Dem Elefanten kst wegen de» Elfenbein» in übertriebenem Maß« nachgestellt worden. Die Stoßzähne, die das Elfenbein liefern, können bis 70 Kilogramm schwer werden, Uebrigens ist der Elefant nicht der einzig« Elfenbeinlieserant. man gewinnt dos Elfenbein auch von RUpferts- und Walloßzähnen. Elefanten stehen setzt auch verschiedenllich unter Schutz. Zudem ist der Elefant, ein liebe rbleibsel aus vergangenen Zeiten, das Tier, das sich am lang- samsten fortpflanzt. Ein Elefantenweibchen ist 80 Jahr« fori pflanzungsfähig, kann aber mährend dieser Zell höchstens 6 Junge zur Well bringen. Ebenfall» sst der Wal ein Tierkoloß, Ihm gegenüber Hot sich der Mensch als Raubtier ganz großen Formats erwiesen. Segel- ten doch 1660—1768 allein aus Holland 14 000 Schifte aus Wal- ftschfang nach Spitzbergen . In diesem Zeitraum sind SOOOO große Wale zur Streck« gebracht worden. W, Kükenthal , der viele Wale beobachtete und zur Naturgeschichte dieser Tierorupp« aufschluß reiche Beiträge lieferte, schätzt den Wert eines Grönlandwals am 50 000 M. Da ist es kein Wunder, wenn die niedrigsten Instinkt« des Menschen erwachten. Ietzt siiifo Grönlandwol und Nordkaper um Spitzbergen und Osigrönland so gut wie verschwunden,
Die Sage von der Sinksluk bei den Zndianerw Bei vielen uordamerikamschen Indlanerstämmen findet sich eine Sag«, die der biblischen Geschichte von der Sinftlut gleicht. Di« alte Legende berichtet, wie Rooh sich reticie, als die Erde zerstört wurde. Der Ncrm« Nocchs verwandelt sich in ihrer Geschichte in Wisaka. Er war der Sohn der suugfräusichen Tochter der alten Großmutter Erde und selbst-in Gott . Lang« Zeit war die Großmutter Erde allein auf der Welt, bis ihr auf irgend«ine geheimnisvoll« Weist eine Tochter geboren wurde. Als die Zeit erfüllet war, wurde die Tochter Wifakas Mutter. Die bösen Geister aber wurden eifersüchtig aus Wftakas Macht und Weisheit und zerstörten die Erde. Wisaka jedoch machte aus Luft eine groß« Blast, in die er sich mll allen Arten von lebenden Tieren und Menschen rettete. � Als die neue Erde sich bildete, lamen.,sie wieder herunter, und Wisaka lehrte die Erdenbewohner alle ihre Sitten und Gebräuche? Obgleich er ein Gott mar. besaß Wikaka Meirschengestalt. Bald daraus zog er sich nach Norden.zurück, wo er nun lebt. Eine? Tages aber, denken die Indianer, wird cr zurückkehren und all« seine Onkels und Tanten(die Indianer) von dem Joche der Bloh- gesichter befreien.
Die erste Nummer der„Times", noch heute das angesehenst« Blatt Englands, erschien am 1. Januar 17 88. Sie enthielt zahlreiche Nachrichten aus dem Ausland, zwei aus Paris und Rotterdam vom 2S. Dezember, also nach 7 Tagen, eine Nachricht aus Frankfurt vom IS. Dezember, nach 18 Tagen, eine aus Warschau vom S. Dezember, nach 27 Tagen, und eine aus Konstaillmopel vom 10. November, nach 52 Tagen. Di« Schnelligkeit, mit der drei« ausländischen Korrespondenzen in der Zeitung erschienen, ftt bei dem damaligen Stand der DerteHrsmittel staunenswert. Damals war die„Times" als eine Zeitung der aussteigenden Klasse de» Bürgertums sorftchrittlich gesinnt und geriet dadurch mit den Mächten der Vergangenheit, die noch in England starken Ein- fluß hatten, in Widerstreit. Im zweiten Jahre ihres Erscheinens bracht« sie die Nachricht, der Kronprinz und sein Druder, der Herzog von Pork, führen einen derartigen Lebenswandel, daß sie vom König aus das Strengste getadelt worden seien. Der Herausgeber des Blattes, John Walter — seine Nachkommen sind heute noch an der Zeitung beteiligt— wurde, weil er es gewagt hatte, diesen Satz erscheinen zu lassen, zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Zeitung aber erschien weiter. In späterer Zeit gab sich das Ministerium Pitt Mühe, die„Times" dazu zu bringen. seine Ansichten zu oerbreiten. Als diese Beeinflussung nicht gelang, wurde versucht, das Blatt zu diskreditieren und zugrunde zu richten. Der auswärtige Nachrichtendienst der.Times" lvar inzwischen immer mehr ausgebaut worden. Das Ministerium gab Weisungen, die Sonderberichic der widerspenstigen Zellung in den englischen Häfen auszuhallen, damit die Nachrichten der regierungstreuen Zeitungen einen Dorzug hätten, John Walter, der sich auf dies« Weise von den allgemeinen Verkehrsmitteln ausgeschlossen sah, rief einen Sondernachrichtendienst ins Leben, stellte eigen« Schifte, Post- wagen und Kuriere in seinen Dienst, So gelang es ihm nicht nur, die g«gen seine Zellung gerichteten Maßnahmen der Rechexung unwirksam zu machen, es gelang ihm stgar, besser informiert zu sein al» di« Regierung, indem er als erster einen tegelmäßigen monat- lichen Nachrichtendienst zwischen Indien und England einrichtete. Mit der Entwicklung des Kapitalismus gelangt« die Bourgoiste zur Herrschast. Heut« ist di«.Times" als Organ der herrschenden Klassen Englands vor Anfechtungen der Regierung sicher. Sie ist kein Kampsblall mehr, ste oerteldigl das Bestehende sie nennt sich impolltssch, aber sie steht in Wirtsichkeit stets auf Seite der �lon- servativeN. Auch heute ist noch der größte Stolz der.Time» der Auslandsdepeschendienst, der sich auf zahlreich« Korrespondenten in den wichtigsten Orten der Erde stützt. Lord Beaconsfield. der berühmte englisch « konservative Staatsmann, sagte vor etwa 50 Iahren:„Wir haben zwei Gesandte in jeder Hauptstadt d« West. den Gesandten des Königs und den Korrespondenten der Time». Die.Times" scheute auch keine Kosten für diesen Auslands- dienst und gab manchmal mehr Geld au», als die cnalllche Diplmnaiie. Sie war daher auch oft besser informiert als dies«.
Im Jahre 1882 bezahlte ein Korrespondent für eine Kabeldepesche aus Kolombo, di« eine Besch-eibung von Tonking enthielt, 32000 Mark. Im gleichen Jahre gab ein Speziaikorrefpondent aus Sllexanbrten 400000 Mark für Depeschen üb«r die Ereigmsse in Aegypten aus. Als sich End« des 18. Jahrhunderts beim plötzlichen Ausbruch einer RevÄurion in Argentinien ein Korrespondent der „Times" zufällig dort befand, gab er auf«igen« Faust für Depeschen über den Regierungswechsel in drei Togen 40 000 Mark aus. Di« Kosten für Depeschen, die über den Borerausstarid in China während einiger Wochen abgesandt wurden, betrugen 40 000 Mark. Die Auslondsnachrichien stehen derzeit regelmäßig auf der 8. und 10. Seite der„Times", die täglich 20seiiig ericheint. Auf der ersten Seite findet man in den ersten Spalten(jede Seit« hat 7 Spalten) Geburten, Hochzeiten, Todesfälle, der Rest der Seite ist ausschließlich für Annoncen und Reklameankündigimgen aller Art bestimmt, denen insgesamt 8 von den 20 Sellen eingeräumt sind. Ankündi- gungen unmoralischen oder auch zweiselhasten Inhaltes werden zurückgewiesen. Aus der 11. Seite stehen regelmäßig die Leit- artikei, die 14. Seit« ist, seitdem die meisten Leser die Nachrichten auch durch Photographien ergänzt wissen wollen, den Illustrationen fewidmet. Fast ein Siebentel der Zeitung, meist die 15., 16 und 7. Selle, ist den Börsen- und Handelskursen gewidmet, denn Allah der Kapitalismus, ist groß, und die„Times" ist sein Prophet. Aber auch dos englische Parlament wird incht vernachlässigt, und die Sitzungsfeeeichie des Unter- und Oberhauses werden vollständig ab- gedruckt Ueberdies erscheinen fast täglich mehrere Brief«, die von Staatsmännern, Wissenschastlern, Literaten an den Chefredakteur gerichtet werden, die zu den umstrittenen Tagessragen Stellung nehmen. Diese Briefe, auch heute noch vielfach mit der über- lieferten Formel„Ich bin, sehr geehrter Herr, Ihr sehr ergebener Diener" gefertigt, sind häufig sehr auftchlutzreich über einen großen Teil der öffentlichen Meinung Englands. Einen weiten Weg hol die„Times" in den 140 Jahren ihres Erscheinens zurückgelegt, aber sie hat ihre kämpferische Vergangenheit vergessen, so wie die Klasse, der sie dient, diese vergessen. Und wenn es in der ersten Nummer der.Times" programmatisch hieß: „Wir haben wie der römische Gott Ianus zwei Gesichter, eines lächelt stets den Freunden des allen England» zu. das ander« wird allezeit allen Feinden Englands die drohenden Brauen zeigen", fo verzichtet das neue, das werdende England auf das Lächeln, das den Freunden des asten England gilt. Dos neue England fürchtet auch nicht da» andere drohend« Gesicht- Bor sich steht dieses neue England das strahlend« Anlitz einer neuen Gesellschaftsordnung, strahlend, wenn auch heute noch oft von Kummer umwölkt. Dieses neue, dieses werdende, dieses sozialistische Engtand weiß, daß alles Dräuen der kapitalistischen Presse— und sei sie auch so ehrwürdig und alt- angesehen wie die.Times"— und alle Bedrückungen ihrer Herrm, der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, den Sieg de» Sozialismus nicht aufhatten kann. Sil.