Morgenausgabe
Rr. 7
A4
45. Jahrgang
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Der Kinderfreund Jugend- Bor märts Blid in die Bücherwelt, Kulturarbeit“ und Technit
erfcheint wochentäglich ameimal Sonntags und Montegs einmal
Donnerstag
5. Januar 1928
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Unschuldig hingerichtet!
Der Vater wegen Mordes an seinem Kinde enthauptet!
Großmutter die Täterschaft!
Später gesteht die
Bor einiger Zeit murde die deutsche Deffentlichkeit es zum Berhängnis, daß er nicht anzugeben vermochte, wo er fich mit einem Justizverfahren befanntgemacht, bas den dringen in der fraglichen halben Stunde aufgehalten habe. den Verdacht der hinrichtung eines Unschuldigen Der Hauptbelastungszeuge war ein Schwachsinniger, der nicht mahrscheinlich machte. Es handelt sich um einen polnischen einmal in der Cage war, fein Alter anzugeben und den das Gericht Arbeiter Jafubomsti, der von einem Emmingerschen wegen Verstandesschwäche nicht zu vereidigen vermochte! Allein Schwurgericht zum Tode verurteilt und am 26. Februar 1926 diefer Beuge hatte betundet, daß er den Angeflagten an dem frag hingerichtet murde.. lichen Tage mit seinem Rinde in der Richtung auf die Heide habe zugehen sehen. Dieser Zeuge ist inzwischen vollständiger Geistes frankheit verfallen und befindet sich in der Irrenanstalt.
Dazu wurden von dem Sekretär der Liga für Menschen rechte, urt Großmann, im Februar vorigen Jahres im Barwärts" folgende Einzelheiten mitgeteilt:
In Ballingen, einem Bauerndorf in der Heide im Bande Rageburg( Medlenburg- Strelig), verswindet im November des Jahres 1924 der vier Jahre alte uneheliche Sohn des Verurteilten Jakubowski und wird wenige Bachen später von einem Ur. beiter in der Heibe in einem Kaninchenloch tot aufgefunden. Der Obduktionsbefund ergibt, daß das Kind erdrosselt wurde. Der Berdacht lenkte sich alsbald auf den Berurteilten, der trag seiner Unschuldsbeteuerungen als des Mordes an seinem unehelichen Kinde für überführt erachtet wurde. Die Berurteilung gründet sich einmal darauf, daß Jakubowfti über die Zeit des Berschwindens feines Kindes widerspruchsvolle Angaben gemacht habe. Jakubowski hatte in der Verhandlung vor dem Schwurgericht gebeten, ihm einen Dolmetscher zu stellen, damit er sich verständlich machen könne. Diese Bitte wurde vom Borsigenden abgelehnt. Tatsächlich sprach der Berurteilte zwar deutsch, aber so gebrochen, daß die Möglichkeit eines Mißverständnisses feineswegs ausge faloffen war. Eine wesentliche Rolle in der Berhandlung spielte der Nachweis des Alibis. Von der Bevölkerung aus wurde der Berbaht auf ein Individuum gelenkt, das nach seinem ganzen Borleben weit eher als Täter in Frage tam als Jatubowski. Als dieser Berdächtige außerstande war anzugeben, wo er sich an dem Mordtage in der fraglichen Zeit aufgehalten habe, erklärte der Borfigende leichthin, daß man auf 3eitangaben auf dem Bande nicht viel geben tönne. Dem Angeklagten indessen wurde
Friedensvorschläge an Frankreich . Schiedsvertrag für Paris - Friedenspaft für alle. Paris, 4. Januar. Der Temps" glaubt die hinsichtlich der französisch. amerikanischen Verhandlungen bestehenden Unklarheiten bahin aufklären zu können, daß man zwischen zwei völ. lig voneinander unabhängigen Verhand. Iungsgegenständen unterscheiden müsse. Zunächst werde über die Erneuerung des französisch- amerikanischen Schiedsgerichtsvertrages verhandelt. In die Bräambel werde die feierliche Bekräftigung auf genommen, daß die beiden Länder etwa zwischen ihnen auftauchende Differenzen nicht durch einen Appell an die Waffen regeln wollen. Diese Präambel bilde ge. wissermaßen eine Einleitung für den zweiten zur Verhandlung stehenden Akt, nämlich einen internatio. nalen Vertrag zwischen den Großmächten, in dem Diese fich verpflichten, nicht zum Kriege zu schreiten.
Condon, 4. Januar. ( Eigenbericht.) Die bewaffnete 3ntervention der Vereinigten Staaben in Nilaragua nimmt nach den hier vorliegenden Meldungen von Tag zu Tag heftigere Formen an. Amerikanische Marineäroplane haben in den letzten 24 Stunden die Truppen des fogenannten liberalen Generals Sandino ftundenlang mit Bomben belegt. Die Angriffe wurden von den Aufständischen mit Ma. schinengewehrfeuer beantwortet.
As Resultat einer Konferenz zwischen Präsident Coolidge und bem amerikanischen Marineminister Wilfur werden, wie eine halb amfliche Meldung aus Washington besagt, 1000 weitere marinesoldaten nach Mitaragua entjandt werden. Der Krieg ift nach Pressestimmen in Amerita teineswegs popular. Die Zeitungen greifen die Regierung heftig an und bezeichnen es als eine 3rreführung der Oeffentlichkeit, die Aufständlichen als Banditen hinzuftellen.
Indische Kritik an Labour.
Loudon, 4 Januar. ( Eigenbericht.) Der trabische liberale Politifer und frühere indische Minifter C. Chintamani hat dem Bertreter des Indi. fchen Bressedienstes in Bomban eine polemische Ertid zung gegen Ramsay Macdonalds Feststellungen hinsicht ber indischen Verfassungstommiffion übergeben
Noch niemals, so muß zur Ehre der deutschen Justiz gefagt werden, ift ein Mensch auf Grund eines so schwachen und teilweise haltlojen Indizienbeweises zum Tode verurteilt worden. Keine Fest stellung findet man in dem Urteil, bei der man sagen tönnte, daß fie als Beweis für die Täterschaft gewertet werden könnte. Nichts als allgemeine Erwägungen, nichts als Anhaltspunkte, die genau so auf jeden anderen Täter hätten zutreffen können. Man bedente, daß man diesem Menschen die zuziehung eines Dolmetschers verweigert hat, in einem Falle, wo es um Leben und Lob ging, und daß man dann feine widerspruchsvollen Angaben als Indizien gegen ihn gewertet hat.
Bie nun aus Hamburg telegraphiert wird, ist in dem Dertchen Böhl bei Wismar von der Großmutter Nogens auf dem Sterbebette ein Geständnis abgelegt worden, daß sie den kleinen Ewald Nogens getötet habe.
Wenn auch nähere Einzelheiten über den Umfang des Geständnisses noch fehlen, so steht doch jetzt bereits fest, daß man es hier mit einem etlatanten Justizirrium zu tun hat, der eindeutig beweist, daß die Todesstrafe die Wiedergutmachung eines Fehlurteils ausschließt. Der Rechtsausschuß des Reichstages hat mit Hilfe deutsch nationaler Frauen die Todesstrafe im Gesetz bestehen lassen. Will er auch nach diesem neuesten Fall schlimmsten Juſtizirrtums seinen Beschluß aufrecht erhalten?
Chintamani, der zum gemäßigten Flügel der öffentlichen Meinung Indiens gehört, protestiert in feiner Erklärung gegen die imperialistische Haltung der britischen Arbeiterpartei unter Ramsay Macdonalds Führung".
Beim Lügen ertappt.
Dolen erklärt, Horthy- Ungarn schwindelt.
Warschau , 4. Januar. ( Eigenbericht.) Die polnische Regierung teilt offiziell mit, die von der ungarischen Regierung aufgestellte Behauptung, daß die von Stalien abgesandten und nach Ungarn gehenden Waffensendungen für eine polnische Adresse bestimmt gewesen wären, sei frei erfunden.
Amerifas Friedensmanöver.
3mperialismus der doppelten Moral.
Die Großmachtsregierung von Washington sendet 1000 Mann Truppen nach Nikaragua . Sie sollen mit Gewalt eine Rebellion unterdrücken, die sich gegen das Washingtoner Werkzeug, die ,, Regierung" Diaz erhebt. Am gleichen Tage fast verkündet die gleiche Regierung, alle Großmächte der Welt für eine gemeinsame Berzichtserklärung auf den Krieg als Mittel nationaler Politit gewinnen" zu wollen. Die Regierung Coolidge wiederholt damit, was sie schon vor einem Jahre getan hat: Damals ließ sie ihre Truppen in Nikaragua einmarschieren und lud fast gleichzeitig die Seemächte zu einer Abrüftungskonferenz nach Genf ein.
Die Washingtoner Regierung treibt die Politit der doppelten Moral Gegenüber dem mittelamerikanischen Kleinstaat führt sie sich auf wie ein Polizeipräsident, der seine Schutzpolizei mobil macht. Die gleichberechtigten Großmächte aber will sie in einem allgemeinen Friedenspakt vereinen. Die herrschende republikanische Partei bereitet die Präsidentsschaftwahlen vor. Sie hat das Ohr am Boden der Bevölkerung. Die„ friegerischen Instinkte der Nation" werden durch die ungefährliche Smartneß gegen den mittelamerikanischen Ruhestörer, die pazifistischen Massen der Union mit friedlicher Völkerrechtspolitik befriedigt.
,, Die Trommel rührt zum Streite", die Trompete blöst
zum Frieden: Wahlmufit für den republikanischen NationalConvent, der Coolidges Nachfolger füren und der Nation präsentieren soll, eine Kazenmusit, die unsere Nationalen ebenfalls aufführen würden, wenn sie nur ein Nifaragua zum Erobern hätten.
Der Polizeiaftion gegen Nikaragua ist ein erfolgreiches Ende gewiß; fragt fich nur, mann und mit welchen Kosten es erreicht wird. Ob die Friedensaktion gegenüber den Mächten besser ausgehen wird als die gescheiterte Seeabrüstungskonferenz, steht noch dahin. Jene Frage wird einfach mit Gewalt durchhauen; dank der Monroedoktrin hat Eurova feinerlei Einfluß darauf. Mit dieser aber wird bald die Außenpolitik aller Großmächte zu tun haben. Ihre Be deutung reicht von Washington bis Paris , London , Rom , nach Berlin , ja bis Mostau.
Der innerpolitische aktuelle Anlaß für den Friedensschritt der Vereinigten Staaten liegt flar. Außenpolitisch vereinigen sich hier zwei verschiedene Tendenzen. Die eine ist seit genau 3 mei, die andere seit einem Jahrzehnt hervorgetreten. Frankreich versuchte am Ausgang des Weltkrieges gegen die deutsche Revanche einen Bündnisvertrag bei den Bereinigten Staaten durchzusetzen. Den Bündnis vertrag, den Clemenceau mit Wilson- ebenso wie mit Lloyd George abschloß, ratifizierte der amerikanische Senat nicht -Amerika tehrte zur Tradition der Isolierung zurück. Frankreich suchte und fand schließlich eine Art Ersay in Locarno ; an die Stelle des Bündnisses gegen trat die Berständigung mit Deutschland . Dennoch blieb bas nervöse Siche rungsbedürfnis Frankreichs unersättlich. Wenn schon keinen Bündnis, dann wenigstens einen Freundschaftsvers trag mit den Bereinigten Staaten, der für alle Zeiten, wie der Bertrag von Locarno , den Krieg zwischen den beiden Vertragsmächten ausschließt. Einen solchen Bertrag schlug Briand im Juni vor. Ihn lehnt jezt die eben veröffentlichte Note des amerikanischen Außenministers- des ,, Staatssetretars" Kellogg - vom 28. Dezember ab, mit beißend- ironi schem Hinweis auf die traditionelle Freundfchaft der beiden Mächte ,,, die glücklicherweise von dem Vorhandenseit jedweder Verpflichtung unabhängig ist". Frankreich hat einen Anbiederungs versuch gemacht. Amerita zeigt ihm die falte Schulter- indem Kellogg erflärt, er benuße die Gelegenheit, um im Namen des amerikanischen Volkes die freundschaftlichen Ge fühle, die das französische Volk durch Erzellenz Briand in dem Vertragsentwurf gezeigt hat, aufs wärmste zu er widern". Der von Poincaré und Briand entworfene Bertragsentwurf verschwindet in der Registratur des Washingtoner Staatssekretariats. Aus dem Extratanz, den sich die demokratische Partei mit Wilsons Bölkerbund geleistet hat, fehrt die republikanische Administration zu der Friedens politik früherer republikanischer Administrationen zurüc und entwickelt sie weiter.
Ein Mörder als Seipel- Soldat. Eine Aufdeckung dank der parlamentarischen Heereskontrolle Wien , 4. Januar. ( Eigenbericht.) Der sozialdemokratische Abgeordnete Deutsch teilte am Mittwoch im Haushaltsausschuß des Parlaments mit, daß der frühere Feintechniker Rothstod, dessen Kugeln der Schriftsteller Hugo Bettauer zum Opfer fiel, fich unter den Bewerbern zur Aufnahme in ein Pionierbataillon befand, und die Polizeidirektion auf die Anfrage nach dem Leumund animortete:„ In moralischer und Staatsbürgerlicher Hinsicht liegt nichts Nachteiliges vor." Auch als die Militärbehörde nochmals anfragte, erteilte die Polizeidirektion die Auskunft, daß Strafen gegen Rothstod nicht vorliegen. Er ist nämlich wegen Unzurechnungsfähigkeit nicht bestraft worden. Daraufhin sollte Rothstock aufgenommen werden. Der Bundeskanzler, der inzwischen die Atten eingesehen hatte, Den Sonderpatt mit Frankreich lehnt Amerika also ab. mußte zum Schluß der Mittwochfißung des Haushaltsausschusses Mit Frankreich im besonderen ist Amerika nur bereit, den die Angaben des Abgeordneten Deutsch bestätigen. alten von Elihu Root geschlossenen Schiedsvertrag Er versuchte, die Polizeidirektion immerhin damit zu entschuldigen, von 1908, der eben abläuft, zu erneuern. Dem soll nur eine daß fie ein altes Formular un achtsam ausgefüllt habe. andere Einleitung vorgefeht werden, der die Enf Rothstock aber werde feinesfalls in das Heer aufgenommen In schlossenheit der beiden Länder feststellt, jeden Bruch in den bezug auf die Berdächtigung des Bundeskanzlers, daß der Interfeit so lange Zeit bestehenden freundschaftlichen Beziehungen pellant von dem Borfall durch irgendeinen untergeordneten untereinander zu vermeiden". Stärker will sich Amerita Beamten benachrichtigt worden sei, erwiderte Deutsch , er habe als gegenüber Frankreich nicht binden. parlamentarischer Kommissar im Heeresministerium Gelegenheit gehabt, die Aften über den Vorfall felbft einzusehen.
Die Maßnahmen gegen die Autonomiffenbewegung werden fort gelegt. Der Untersuchungsrichter von Mülhausen hat auf die am Dienstag erfolgte Berhaftung eines Etraßburger Schauspielers am Mittwoch eine weitere folgen laffen.
Aber die Rücksicht auf die Antikriegsstimmung breiter Massen treibt die Regierung Coolidge weiter. Im ver gangenen Herbst war als Folge der Genfer wochenlangen Beratungen über den ursprünglich polnischen Borschlag, den Angriffstrieg zu verbieten, in den Bereinigten Staaten eine lebhafte Propaganda in der gleichen Richtung entstanden. Ihr gegenüber hatte Anjang und Ende( 9. und