Einzelbild herunterladen
 
  

Morgenausgabe

Nr. 9

A5

obrgang

45. Jahrgang

Böchentlich fennig monatlic 3.- Reichsmart tm noraus zahlbar. Unter Streifband im In- und Aus land 5.50 Reichsmart pro Monat

Der Bormårts mit Dez tluftrier. ten Sonntagsbeilage Bolf und Bett fowie den Beilagen Unterhaltung und Biffen Aus der Filmweit Stadtbeilage.Frauenstimme",

Der Kinderfreund Jugend- Bor warts" Blid in die Bücherwelt". Rulturarbeit und.Technit

erfcheint wochentaglia weimal

Sonntags und Montags einmal

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Freitag 6. Januar 1928

Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.

Die et nipalttge Nonpareillegeile 80 Pfennig Reflamezeile 5.- Reichs mart Kleine Anzeigen" bas fettge brudte Bort 25 Pfennig( zuläffig zwet fettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Blennig Stellengefuche das erfte Bort 15 Biennig jedes weitere Bort 10 Blennig Borte über 15 Buchstaben zählen für zwet Worte Arbeitsmarkt Beile 60 Biennig Familianzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden. traße 3. mochentägt von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Soztaldemokrat Berlin

Bostichedkonto: Berlin 37 536

Bankkonto: Banf der Arbeiter, Angestellten

und Beamten Wallstr. 65 Dislonto- Gesellschaft, Depofitentasse Lindenstr. 8

17 Todesopfer!

Ursache der Explosionskatastrophe noch nicht festgestellt.

Die furchtbare Explosionstatastrophe im Hause Lands| Bolizeibeamte nahmen zwei zweifelhafte Burschen fest und bra hten berger Allee 115/16 hat eine größere 3ahl von Opfern ge­fordert, als man zunächst erwarten fonnte. Sie hat einen Unifang angenommen, der sie zum schwersten Unglück dieser Art stempelt. Siebzehn Tote find bereits aufgefunden und noch ist nicht einwand­frei festzustellen, ob damit die Zahl der Opfer erschöpft ift.

Bis um 20 Uhr waren aus den Trümmermassen insgesamt 14 Ceichen geborgen, von denen fünf vier Erwachsene und ein Rind noch nicht identifiziert werden konnten. Im Berlauf des

-

Spätnachmittags, wurde unter den Trümmern ein vermutlich zu einer männlichen Leiche gehörender Arm geborgen. Die Leiche felbft tonnte indes no nicht gefunden werden. Man muß also bamit rechnen, daß bei der Katastrophe insgesamt 15 Menschen ums Beben gefommen find.

** Die Toten:

1. Wilhelm Scheithauer, 47 Jahre alt 2. Frau Berta Scheithauer, 33 Jahre alt.

3. Frau Luise Pietsch, 67 Jahre alt.

4. Frau Margarete Pösch, 34 Jahre alt

5. Fräulein Emilie Paetsch, 48 Jahre alt.

6. Oswald Kühne, 51 Jahre alt.

7. Frau Hedwig Kühne, 46 Jahre alt.

8. Gustav Hust( Untermieter), 23 Jahre alt.

fie in Gewahrsam. In den späten Abendstunden famen dann aber­mals zwei Hundertschaften der Schupo an, die die bis dahin tätigen Retter während des ersten Teils der Nacht ablösten. Ob es gelingen wird, bis zum Freitagmorgen die Schuttmassen restlos fortzuräumen, ist noch sehr zweifelhaft.

Gegen 10 Uhr abends wurden bei den weiteren Aufräumungs­

arbeiten auf der Trümmerstätte des Grundstücs, Landsberger Allee 116, noch zwei weitere Tote ein Mann und eine Frau geborgen, so daß jetzt die Gesamtzahl der zutage geförderten Leichen sechzehn beträgt. Dazu kommt der abgeriffene Arm, zu dem noch der Körper fehlt, so daß die Gesamtzahl der Toten auf siebzehn gestiegen ist. Die Aufräumungsarbeiten werden von Feuerwehr und Schupo beim Schein der Azetylenlampen mit aller Energie fortgefeht.

Eine Erklärung der Gaswerfe.

9. Erna Scheithauer, 8 Jahre alt( im Krankenhaus gestorben). Sperrtopf frei, perrte durch Ueberfüllung mit Wasser 10-17. Noch nicht befannte Tote.

Die Verletzten:

1. Günther Stephan, 22 Jahre alt( Geficht- u. Beinverletzungen). 2. Karl Alisch, 21 Jahre alt( leichte Gesichtsverlegungen). 3. Otto Ceffing. 21 Jahre alt( Gesicht, Beinverletzungen und Nervenfchod).

4. Friedrich Hannemann, 40 Jahre alt( Nervenschod). 5. Frau Emma Hannemann, 35 Jahre alt( Nervenfchod). 6. Herbert Hannemann, 7 Jahre alt( leichte Abschürfungen). 7. Frau Anna Hoffmann, 57 Jahre alt( Hartabschürfungen). 8. Else Hoffmann, 25 Jahre alt( Nervenfchod).

9. Ruth Hoffmann, 16 Jahre alt( Haut- und Knieverlegungen). 10. Auguft Pietsch), 69 Jahre alt( Quetschungen, Unterschenkel­bruch).

11. Frau Hedwig Buffin, 52 Jahre alt( Kopfverletzungen). 12. Frau Käte Pusch, 65 Jahre alt( Kopfverlegungen). 13. Otto Pösch, 40 Jahre alt( Hautabschürfungen). 14. Friedrich Höd, 34 Jahre alt( Armverletzungen).

Der größte Teil der Berlegten, die zunächst durch Wagen des Städtischen Rettungsamts in das Krankenhaus am Friedrichshain übergeführt wurden, konnten im Laufe des gestrigen Tages bis auf August Biets, Frau Kussin, Frau Busch und Otto Les fing entlassen werden. Ihr Befinden gibt zu irgendwelchen Be­forgniffen jedoch feinen Anlaß.

Die achtjährige Erna Scheithauer, das Kind des tödlich Derunglückten Ehepaares, das gestern früh noch lebend geborgen werden konnte, ist im Laufe des Nachmittags an den Folgen feiner fchweren Berletzungen im Krankenhaus am Friedrichshain gestorben. Bis in die Nachtstunden hinein wurden die Bergungs- und Auf­räumungsarbeiten unausgesetzt weiter betrieben. Noch immer wer­den Personen vermißt. Es ist leider damit zu rechnen, daß sie gleichfalls den Tod gefunden haben. Die bei den Aufräumungs­arbeiten geborgenen Kleidungsstücke, Wertgegenstände usw. wurden bei Einbruch der Dunkelheit unter sichere Bewachung gestellt.

-

I

Aufgaben des Reichsbanners.

Bon Johannes Gtelling,

Gauvorsitzender des Reichsbanners, Gau Berlin Brandenburg.

4

In der gestrigen Sitzung des Berliner Gauvorstandes des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold wurde an Stelle des Landrats Genossen Siering, der wegen Arbeitsüberlastung zurüdtrat, der Reichstagsabgeordnete Gencffe J. Stel­ling zum Bauvorfizenden gewählt. Wir haben Genossen Stelling gebeten, seine Ansicht über die Aufgaben des Reichsbanners im Borwärts" zu entwickeln.

Der Weg der jungen deutschen Republik ist gedungt mit dem Blute zahlloser Kämpfer für die neue Staatsform. grund haltenden Feinden der Republik , feuerten ihre Schüsse Morbbuben, angestiftet und verleitet von feige sich im Hinter­gegen Gareis, Erzberger und Rathenau ab. Sie wollten damit die Republik ins Herz treffen, hofften ihr den Garaus benteurertruppen in Gemeinschaft mit den sonstigen Hafen­machen zu können. Escherichs Einwohnerwehren, Roßbachs freuzler- und sogenannten vaterländischen Organisationen beherrichten die Straßen. Republikaner waren Freiwild. Da entstand im Frühjahr 1924, aus der Taufe gehoben von den republikanischen Parteien, das Reichsbanner Schwarz Rot Gold". Seine Gründung war eine fchloffen sie sich der jungen Organisation an, bereit und ge­Tat. Die Republikaner atmeten auf, in großen Massen millt, wenn es sein mußte, mit ihrem Blute gegen die Wider­facher von rechts und links die Republit zu verteidigen. Sn jener Zeit hat das Reichsbanner schon allein durch sein Vor­handensein der Republik außerordentlich gedient. In Ge­meinschaft mit den republikanischen Barteien insbesondere cber unserer Genossen in der preußischen Regierung, hat es das deutsche Bolt vor Putschen, vor dem Bürgerriege, bewahrt.

Die Direktion der Berliner Städtischen Gaswerke A.-G. teilt zu dem Unglüd folgendes mit: Unsere zuständige Dienststelle erhielt gestern nacht die erste Mitteilung von dem Explosionsunglüd in der Landsberger Allee durch die Feuerwehr. Infolge der Explosion mar der am Haus befindliche Hinweis auf dem bsperrtopf fortgerissen und die Stelle, an der der Absperrtopf sich befindet, durch Schutt verdeckt. Eine sofort abgefandte Kolonne machte den Ab­die Gaszufuhr ab und brachte damit das Feuer zum Ber­löschen. Das zum Grundstüd führende Anschlußgasrohr war in­folge der Explosion aufgerissen. Die Ursache der Explosion tonnten mir bisher nicht feststellen. Wir haben nur Schon bei den Wahlen im Mai 1924 trat das Reichs­sich nicht nur unter dem Borderhaus, sondern auch unter dem Hof den vorhergehenden Jahren ait vielen Orten faum möglich Während es in ermittelt, daß sich in den gesamten Kellerräumen des Grundstücks, die banner michungsvoll in die Erscheinung. und dem Hintergebände ausbreiten, eine Stühlanlage einer Fleischerci mar. öffentliche Berjammlungen ungestört durchzuführen, genossenschaft befindet, die mit Ammoniat betrieben wird. So- forgten jezt die Reichsbannerkameraden dafür, daß den weit die Unglücksstelle eine Uebersicht erlaubt, scheint der Herd der herufsmäßigen Bersammlungsstörern und Sprengern das Explosion in dem unter dem Hof und dem Hintergebäude liegenden Handwerk gelegt werden konnte. Das Bersammlung sleben Keller gemesen zu sein, wo der Standort der Kühlaniage gemejen nahm wieder ruhige Formen an. Der Zweck der Bersamm war. Hierfür spricht die Tatsache, daß der Hoffeller ebenfalls ein­gestürzt und die auf dieser Seite des Hauses freistehende Giebel- lungen, aufklärend und belehrend zu wirken, fonnte wieder wand eingefallen ist, nachdem die nach dem unbebauten Nachbar- erreicht werden. Wenn das Reichsbanner meiter nichts er­grundstück hinliegende Kellermauer durch die Explosion herausgezielt hätte, dann wäre diese seine Tätigkeit schon hoch genug drückt war. Die Mitteilung, daß die Explosion auf die Undichtigkeit einzuschäzen. eines Gasrohres zurückzuführen ist, das in den legten Tagen neu in das Haus hineingelegt wurde, ist jedenfalls unrichtig; denn dieses Gasrohr ist bisher noch nicht in Betrieb genommen worden, und liegt, wie die sofort heute morgen vorgenommene Untersuchung er­geben hat, noch jetzt völlig geschlossen und intakt da. Weitere Unter­fuchungen werden erst nach Abräumung der Unglücksstelle möglich sein.

Ammoniak und Explosionsgefahr. Angesichts der Beunruhigung, die über die Möglichkeit einer Ammoniaferplosion in den Streisen der zahlreichen Ammoniafver­braucher hervorgerufen worden ist, wird von sachverständiger Seite nachdrücklich darauf hingewiesen, daß Ammoniak vollständig ungefährlich ist, sofern es den bestehenden Vorschriften entsprechend aufbewahrt wird. Diese Vorschriften be­stimmen, daß die mit wasserfreiem Ammoniat gefüllten Stahlflaschen in einem möglichst kühlen Raum zu lagern find und der unmittelbaren Einwirkung der Sonnenstrahlen oder anderer Wärmequellen nicht ausgefeht werden dürfen. Werden diese Vorschriften beachtet, so ist eine Explosions­gefahr völlig ausgeschlossen. Wenn also wirklich eine Ammoniat explosion die Ursache des Unglücks in der Landsberger Allee gewesen fein sollte, so muß eine vollständige vorschriftswidrige Behandlung des in der fraglichen Kühlanlage verwandten Ammoniaks stattge­funden haben.

Washingtons Krieg in Mittelamerika . Marinestreitkräfte nach Nikaragua

Die neuen Verstärkungen.

New York , 5. Januar. Die für Nikaragua bestimmten Berstärkungen drei Kompag­nien Infanterie sowie Maschinengewehr- und Artillerieabteilungen, im ganzen 500 Mann werden nach Anordnungen aus Washington Spätestens am 9. Januar an Bord des Transportschiffes Argonne" New York verlassen. Gleichzeitig werden 400 Marine­foldaten nach Schanghai und Tientsin abgehen.

-

Scharfe Kritik an dem Nifaragua- Borgehen. Washington, 5. Januar.

Die Regierungspolitif in Nifaragua wurde im Senat und im Repräsentantenhaufe von den Demotraten und den unab hängigen Republikanern heftig tritifiert. Das Repräsentantenhausmitglied Haddleston aus Alabama erklärte, es handle fich um einen Krieg der Regierung und nicht um einen folchen des amerikanischen Boltes. Im Senat wurde die Zurüc ziehung der Truppen beantragt.

Die Regierung bereitet trotz aller Kritik die Entsendung weiterer por. Mehrere leichte Kreuzer sind auf dem Wege nach nifaraguanischen Häfen.

Das Staatsdepartement dementiert die Behauptungen, daß in den letzten Monaten mehrere hundert amerikanische Marine­soldaten in Nikaragua getötet worden seien. Es gibt die amerikani­ schen Gesamtverluste mit sechzehn Toten und etwa vierzig Ber­mundeten an. Die Verluste der Streitkräfte des Generals Sandino , des Führers der Aufständischen, an Toten werden auf etwa 400 geschätzt.

Die lettische Krise.

Riga , 5. Januar. Die Verhandlungen, die der Führer der Rechtssozialisten Holzmanis zur Bildung einer neuen Lintstoalition aufge­nommen hatte, find ergebnislos verlaufen. Holzmanis hat darauf den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgegeben, die nunmehr dem Führer des demokratischen 3entrums über­geben werden dürfte. Diese Partei hat bisher die Bildung einer neuen Regierung unter deutschbürgerlicher oder sozialistischer Führung verhindert.

Seine Hauptaufgabe aber bestand darin, für den Gedanken der Republik unter den breiten indiffe­renten Maffen zu werben, die Jugend vertraut zu machen mit dem Inhalt der neuen Staatsform und den Feinden der Republit durch sein Auftreten ein scharfes Paroli zu bieten. Auch in diesem Kampfe um den republikanischen Staats­gedanken sind mancherlei Opfer gefallen. Ich erinnere nur an die Vorfälle in Berlin selbst und an Arensdorf. Trotzdem find die Kameraden mit frohem Mut, durchdrungen von innerster Ueberzeugung. hinausgezogen und haben ihre Werbetätigkeit für die Republik fortgesetzt.

Hat das Reichsbanner zweifellos der Republik und den republikanischen Parteien schäzenswerte Dienste geleistet, so nicht seine Mission erfüllt habe und deshalb verschwinden taucht jetzt hier und dort die Frage auf, ob das Reichsbanner tönne. Man beruft sich darauf, daß ja nicht nur die Deutsch­könne. Man beruft sich darauf, daß ja nicht nur die Deutsch­nationalen bedingt die Republik anerkennen, sondern daß auch die Führer unserer sogenannten Wirtschaft auf ihren Tagungen fich offen für die Republik ausgesprochen haben. Daraus wird die Schlußfolgerung gezogen, daß der Republik feine Gefahr mehr drohe und daß deshalb das Reichsbanner überflüssig geworden sei. Ich brauche den Lesern des, Vor­wärts" nicht auseinanderzusehen, wie man die Haltung der Deutschnationalen und der Wirtschaftskreise einzuschäzen hat. In der Regierung mimen die deutsch nationalen Minister den Republikaner , draußen im Lande und bei ihren Veranstaltungen schwören sie auf die Mon­archie!

"

Trozdem muß zugegeben werden, daß die Gefahren für die Republik als Staatsform heute wesentlich geringer find als vor einigen Jahren. Handelt es sich aber für uns nur um die Art der Staatsform? Haben wir nicht vielmehr die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die deutsche Republik fich nicht zu einer tapitalistischen Geldsadrepublit entwickelt? Unsere Aufgabe muß darin bestehen, daß wir unser Staatswesen immer mehr zu einem wirklich sozialen ausbauen und daß wahrgemacht werden jene Worte, die unser leider zu früh verstorbener erster Reichs­präsident Friedrich Ebert als Vertreter der Volks beauftragten im Februar 1919 an die Weimarer National­ versammlung richtete: Wir wollen errichten ein Reich der Freiheit und Gerechtigkeit, gegründet auf Gleichheit alles dessen, was Menschenantlig trägt."

Dieses Ziel zu erreichen, ist zweifellos in erster Linie Das Aufgabe der wirklich republikanischen Parteien. Reichsbanner aber fann und muß Helferin und Förderin sein. Es hat die Aufgabe, immer wieder vor­