Morgenausgabe
Nr. 13 A7
abe pinoli 190
45. Jahrgang
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8. Januar 1928 Groß- Berlin 15 Pt. Auswärts 20 Pf.
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Paris , 7. Januar. ( Eigenbericht.) Der Quat d'Orsay hat am Sonnabend die von dem franzöfifchen Botschafter in Washington dem Staatsfefretär Kellogg überreichte Antwort Briands auf die amerikanischen Pattvorschläge veröffentlicht. Die Ueberraschung der furzen Note, deren fachlicher Inhalt bekannt war, besteht darin, daß fie fich ausschließlich auf den Antifriegspatt bezieht und den Schiedsvertrag zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten überhaupt nicht erwähnt. Nach einem Rüdblid auf die bisherigen Verhandlungen erklärt Briand feine Uebereinstimmung mit den amerikanifchen Gegenvorschlägen und gibt der Meinung Ausdrud, daß es von großem Borteil wäre, den Patt zwischen den Bereinigten Staaten and Frankreich sogleich zu unterzeichnen. Weiter heißt es dann in der Untwort:
an einer Institution, die den nichtfriegerischen Ausgleich aller Konflitte ohne Ausnahme vorfieht. Es müssen Instanzen vorhanden und anerkannt sein, die einen für die Parteien bindenden Spruch in allen auf diplomatischem Wege nicht zu bereinigenden internationalen Meinungsverschiedenheiten fällen. Es dürften also in dieser Beziehung die politischen Streitfragen nicht von den juristischen gefchieden werden, und es find des weiteren auch teine auf das foge nannte Souveränitätsrecht des einzelnen Staates gegründeten Aus. nahmen zu geftatten, wie die, die sich auf Ehre", die Lebensinteressen und auf die ausschließliche Zuständigkeit" eines der Beteiligten beziehen.
Notwendig ist zweitens: die internationale Verständigung über diejenigen Mittel, die gegen einen Staat angewendet werden, der troß feiner Zustimmungserflärung zum Krieg schreitet oder sich Ich bin ermächtigt, Ihnen mitzuteilen, daß die Regierung weigert, den vorgeschriebenen Weg der Kriegsverhütung zu gehen. Richtig ist, daß weber der Bölferbundspalt noch die große Mehr. der Republik bereit ist, gemeinsam mit der Regierung der Berzahl der geltenden Schiedsverträge die angeführten Bedingungen einigten Staaten allen Rationen einen zwischen Frant- restlos erfüllen. Aber weder die eine auf Amerika und Frank reich und der Union gefchloffenen Paft zur Annahme vorzulegen, reich begrenzte Friedenssicherung bezwedende Anregung Briands wodurch die vertragschließenden Parteien jeden Angriffs- noch der universelle Borschlag Kelloggs fönnen diese Mängel des frieg bannen und erklären würden, zur Beilegung aller Kongegenwärtig herrschenden Zustandes beseitigen. Der gangbarfte Weg flifte, welcher Art sie auch immer sein tönnten, alle friedlichen zu diesem Ziel scheint mir der Ausbau der Vorschriften Mittel anzuwenden. Die hohen Vertragsparteien würden fich verdes Bölferbundsstatuts zu sein, verbunden mit dem Be pflichten, diesen Baft allen Staaten zur Kenntnis zu bringen und mühen, eine Blattform zu schaffen, auf die die Bereinigten fie zum Beitritt dazu aufzufordern." Staaten von Amerita treten fönnen, selbst wenn sie den Anschluß an den Bölferbund als solchen nicht vollziehen.
Damit zieht Briand ohne jede Begründung, ja ohne auch nur ben Unjhein eines Widerspruchs zu den amerikanischen Borschlägen zu erweden, die Beschränkung des Antikriegspattes auf die jogenannten Angriffs friege in die Berhandlungen hinein. Nicht weniger schwerwiegend ist die Tatsache, daß er anstatt des von Washington beantragten Verhandlungen über einen Bertrag zwischen den Hauptmächten jogleich ein blommen zwischen Frankreich und den Bereinigten Staaten schließen möchte, dem belzutreten die übrigen Böller eingeladen werden follen. 00
Die Sonnabend- Abendblätter beschränken sich darauf, Meldungen ans Washington abzudruden, wonach die Aufnahme der Note in Amerita durchaus ablehnend sein soll. Das foll auch in einer binnen furzem zu erwartenden Antwort des Staats. departements zum Ausdrud tommen.
Die Entwicklung dieses diplomatischen Spiels zwischen Paris und Bashington erinnert an die Tragikomödie, die sich im Sep. tember v. J. in Genf abspielte: Auch damals wurde von Polen eine große Attion unternommen, um eine feierliche gegenseitige Ber pflichtung aller Böllerbundsstaaten, auf den Krieg zu verzichten, herbeizuführen. Infolge vor allem des britischen Einspruchs wurde die ursprüngliche Formel immer mehr verwässert und schließlich blieb nur eine dürftige, nichtssagende Rundgebung der Bollversammlung gegen den Angriffstrieg".
Als ob es jemals in der Vergangenheit für die Regierungen etwas anderes gegeben hätte als Berteidigungstriege" und als ob jemals in der Zukunft eine Regierung zugeben würde, daß sie einen Angriffstrieg" führe! Sobald man aber versucht, den Begriff des Angriffstrieges völferrechtlich zu präzisieren, da erhebt sich von den verschiedensten Seiten dagegen ein großes Geschrei.
Briand steht zwar auf dem Standpunkt, daß sogar solche verwässerten Rundgebungen gegen den Angriffstrieg einen mora. fifch propagandistischen Wert befißen. Doch je häufiger sich dieses Spiel wiederholt und aus Bersuchen, den Krieg schlechthin zu verdammen, eine bloße Geste gegen den Angriffs. frieg" übrig bleibt, desto mehr verlieren diese Kundgebungen an Bert und werden so beinahe zur Farce
Breitscheide Kritif an den Paftvorschlägen. Genoffe Dr. Breitscheib hat dem New Dort Herald", ber ihm um eine Meinungsäußerung über die im Gang befindlichen französisch- amerikanischen Friedenspaktverhandlungen ersuchte, das Folgende gefchrieben:
„ lleber die auf eine weitere Ausdehnung der Kriegsverhütungsmaßregelung abzielenden Verhandlungen zwischen Paris und Washington wird sich etwas Abschließendes erst jagen lassen, wenn die gewechselten Noten im Wortlaut vorliegen. Einstweilen möchte ich nur kurz das Folgende bemerken:
Die Idee, den Krieg durch eine feierliche Erklärung der Regierungen zu verfemen, ist an sich ausgezeichnet und muß von Jedem Freund des internationalen Friedens begrüßt werden. Aber man darf nicht vergessen, daß eine folche allgemeine Berpflichtung ungefähr diefelbe Bedeutung hat wie die Erklärung der Menschen und Bürgerrechte, d. h. daß fie prattischen Wert erst erhält, menn ihr Ausführungsgefeße und bestimmungen folgen. Durch die Bersicherung, man werde nicht zum Kriege fchreiten, find weder die Kriegs ursachen aus der Welt zu schaffen, noch ist burch sie die Bahn zu einer friedlichen Regelung der auf tauchenden Streitfragen geöffnet. Die Bazifizierung der Welt ist nicht nur eine Frage des guten Willens, fondern auch eine folche der tenisen Organisation.
Rotwendig ist also erstens: die Beteiligung after machte
Ein Urteil, das für die Sache nichts bedeutet.
Das Urteil in dem Beleidigungsprozeß des tschechisch- agrarischen Abgeordneten Dubicty gegen den Wirtschaftsbefizer Spa. robity ist anders ausgefallen, als bei ber Bragis der von den Agrariern beherrschten Gerichtshöfe zu erwarten war Der Ange flagte wurde zu drei Wochen Arrest verurteilt, weil es ihm nicht gelungen sei, den Beweis dafür zu erbringen, daß Dubicky von Restaüterbewerbern Geld für seine Person angenommen hat. Die Frage, ob Dubicky Geld für den agrarischen Bartelfonds angenommen hat, stellte das Gericht außer Bes weis, da Svarovsky diese Anschuldigung nicht erhoben hatte. Aus den Zeugenaussagen ging flar hervor, daß Dubicky sehr hohe Beträge als Entlohnung für die Zuteilung von Reftgütern der Bodenreform empfangen hat. Zweifelhaft blieb tatsächlich nur, ob Bodenreform empfangen hat. 3weifelhaft blieb tatsächlich nur, ob er das Geld für sich oder für seine Bartei verwendete. Obwohl das Urteil also eine formell richtige Begründung hat, wird es nach Urteil also eine formell richtige Begründung hat, wird es nach diesem Prozeß hier taum jemand geben, der die von den Sozial demokraten gegen ihn erhobenen Befchuldigungen für falsch hält. Bezeichnend ist, daß ein Richter als Beuge aussagte, in dem erften Beleidigungsprozeß, den Dubicky führte, habe dieser den Ber fuch gemacht, die Richter zu beeinflussen.
Roch schärfere Reaktion gefordert!
Sofla, 7. Januar. ( Eigenbericht.) Ein Teil der Regierungspreffe, die bisher hartnädig jebe Meldung von einer bevorstehenden Regierungsumbildung demen tierte, tündigt jetzt an, daß ber Ruf nach einer gefunden Regie rung berücksichtigt und das Kabinett in Kürze durch eine Teil refonstruttion verstärkt werden würde. Es ist ein offenes Geheimnis, daß fich der heftigste Streit um das Innen minifterium abspielt, bas jetzt Ministerpräsident Lia ptfcheff verwaltet. Die Faschisten wünschen die Polizeigewalt in sichere Hände und zwar in die 3antoffs oder General Ruffeffs gelegt. Sie sind mit der Liaptscheff- Barole mit Ruhe und mit Gutem" gegen über den Linksparteien maßlos unzufrieden. Ihr Ruf nach der soge nannten starten hand wird beshalb immer dringender.
Sowjetguthaben beschlagnahmt. Zum Schadenersatz für plöhliche Vertragaufhebung. Paris , 7. Januar. ( Eigenbericht.)
Die spanische Bank Armus in Barcelona hat burch Gerichtsurteil die Guthaben der russischen Handelsvertretung in Baris bei jämt lichen franzöfifchen Banken bis zur Höhe von 20 Millionen Franfen befchlagnahmen lassen. Die Bant hat nämlich vom russischen Naphthasyndikat das Monopol für die Ausfuhr tautafischen Betroleums nach Spanien erhalten und habe mit der Durchführung des Bertrages begonnen. Plöglich fündigte aber das Naphtha syndikat den Bertrag und zwar ohne jebe Frist. Der Bant entftanden dadurch schwere Schaben, die durch Beschlagnahme ruffischer Werte auf spanischem Gebiet nicht voll ausgeglichen werden fonnten.
Bersplitterung ftatt Einheit- Konservatismus flatt Fortschritt.
Benn man mit einem beliebigen deutschen Staatsbürger ein Examen über die Zusammensehung des Deutschen Reiches veranstalten würde, so würde er kläglich versagen. Wer ver mag, ohne zu ſtocken, die 18 deutschen Länder hintereinander aufzuzählen, wer vermag ihre geographische Lage und die Lage ihrer zerstreuten Landesteile auch nur einigermaßen genau anzugeben? Wer die Karte Deutschlands überblickt und sich vor Augen hält, daß vor acht Jahren das deutsche Volk die Grundlagen seines staatlichen Lebens neu geordnet hat, muß den Kopf schütteln sofern er nicht in jenem Konservatis mus befangen ist, der die Gliederung Deutschlands ein für allemal als gegeben hinnimmt, und das historische Recht der Länder über alle Erwägungen der Zweckmäßigkeit stellt. Es sind nur wenige Länder, die offen auf das historische Recht pochen und ein System daraus gemacht haben, aber der Geist des Traditionalismus und Konservatismus hat fich in allen Ländern fest in den Verwaltungen eingefressen und vermag sich eine zweckmäßige Neugliederung Deutsch lands nicht anders vorzustellen, als den Untergang der Welt. Die Grundlage der heutigen Gliederung Deutschlands war die Hausmachtpolitit der ehemaligen Dynastien, oder nach einem treffenden Worte, die Größe des Landesverrats, den die Rheinbundfürsten im Intereffe Napoleons begangen haben. Es ist eine Grotesfe, solche historischen Rechte in einer demokratischen Republit zu verteidigen!
Wie sieht Deutschland aus? Es hat 18 Länder mit rund 63 Millionen Einwohnern und 474 804 Quadratkilometer Fläche. Davon entfallen auf Preußen allein 38 Millionen Einwohner mit 294 995 Quadratkilometer Fläche. Von den übrigen Ländern sind drei Stadtstaaten, Hamburg , Bremen und Lübed, weitere acht ausgesprochene Kleinftaaten mit weniger als einer Million Einwohner. Es sind die folgenden Länder:
25
Medlenburg- Schwerin
Oldenburg
Anhalt
Einwohner 674 411 545 172
Quadratkilometer 13 126
6424
501 755
3672
351 485
2.299
163 577
1215
110 371
2929
55 750
1056
48 044
340
31 061
Walded
2 450 565
Diefe acht Länder haben zusammen rund eineinhalb Millionen weniger Einwohner als die Großstadt Berlin . Dafür haben sie zusammen 23 Minister und jedes Land hat einen eigenen Landtag. Sie sind mit wenigen Ausnahmen selbständig in allen Kulturfragen und in der Justizverwaltung. Ihre Grenzen schneiden sich in unübersichtlichem Wirr warr mit den Grenzen der Berwaltungsbezirke der Reichsbehörden. Die Gliederung der Verwaltung von unten nach oben ist in jedem Lande anders. Es ergibt sich ein Berwaltungswirrwarr, den fein Mensch mehr durchdringen tann. Der Zustand schreit nach Reform schon unter dem Gesichtspuntt der Rationalisierung der Berwaltung. fed& logo
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Diese Kleinstaatenwirtschaft begünstigt die Erhaltung des bureaukratischen Zopfes. Die fleinstaatlichen Verwaltungen bewahren treulich Haltung und Methoden und feierliches Beremoniell von Hoheitsverwaltungen von Großstaaten. Bureaukratischer Größenwahn muß gezüchtet werden, wenn Ländchen, die nur noch lebensfähig sind, weil sie Reichsfubventionen erhalten, durch die Aufrechterhaltung ihrer staatlichen Selbständigkeit drüber hinwegzutäuschen suchen, daß fie in Wahrheit nur Kommunalverwaltungen sind. Obgleich fie räumlich ziemlich nahe beeinanderliegen, sind sie verwal tungstechnisch so weit von einander entfernt wie etwa Norwegen und Spanien Der badische Ministerpräsident hat fürzlich geschildert, was geschieht, wenn das badische Innenministerium dem fächsischen Innenministerium eine Mitteilung machen will. Da genügt fein Telephongespräch und feine Boftfarte. Die Mitteilung geht vom badischen Innenministerium an das badische Gesamtministerium, von da an die sächsische Gesandtschaft nach München , von München an das fächsische Gesamtministerium in Dresden , und vom sächsischen Gesamtministerium an das sächsische Innenminifterium. Wieviel Stationen über Abteilungsleiter und Expedienten sie dabei durchläuft, läßt sich gar nicht überbliden.
Wir haben gar feine Ursache, von der Höhe unseres Fortschrittes aus über den Unfug der Duodesstaaten in Deutschland zu Beginn des vorigen Jahrhunderts zu spotten!
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