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Sonntag 6. Januar 1926

Unterhaltung unö ÄVissen

Beilage des Vorwärts

Oer Notar. Von Barbusse. Mit kleinen Schritten überquerte Herr du Rofier den gepflasterten, abichüssigeu Platz, der, hoch und eng wie ein Hof, zwifchcn der Koihedrale und dem Eingang zu seiner Kanzlei lag. Der Notar harte ein rosiges, lächelndes Gesicht; es war von einem silbergraueu Backenbart umrahmt, der steif und feierlich aus einem breiten Kragen ruht«. Bon der Rue Frontispice angefangen, wo sein eisenbeinerner Stock auf das rötlichbraun« Pflaster ausschlug, bis zur Eingangstüre, wo seine Augen die Lichtreflex« aus dem Türschild auffingen, die das Abendlicht dort aufflamunen ließ, begegnete er drei Menschen, die ihn aufs Ehrerbietigste grüßten: Einem galligen, zugektlöpften Bcamteii, einem schüchternen Bäuerlein mit roten Händen, dessen mageres Antlitz ein dünnes, aschgraues Bärtchen verzierte, �chheßlich einer rundlichen, fetten, freuMichen Dam« in einem reich gefältelten Kleide; ihr Kopf war von einem ungeheuer großen, lächerlich wirkenden Kapothut gekrönt. Der behäbige Notar schritt nun auf seine Kanzlei zu. Im weißen Lorraum mit dem Fliesenfußboden öffnete der Diener Florimond laurlcs eine Tür und du Rasier betrat das Arbeitszimmeri Sobald er allein war, hört« er zu lächeln auf. Einige Augen» blick« später verzog er das Gesicht beinahe zu einer Fratze. War es ein Gichtanfall? Nein denn er begann auf und ab zu gehen. Nun drückte er die Stirn an eine der grünlich schimmern- den Fensterscheiben und- betrachtete den Garten. Am Ende der Nasenfläche erhob sich eine efeubewachsene Mauer, vor der eine Reche riesiger, hundertjähriger Ulmen zum Himmel ragte. Plötzlich wurde es im Garten lobendig. Seine Tochter Hoetenfe und sein« Gattin Adele erschienen auf der Bildfläch«. Es war eine reizende Gruppe. Angesichts des dämmerigen, dunkelblauen Abend- Himmel» schien es fast, als feien die beiden nur ein einziges, von einer hellen Schärpe umflattertes Wesen. Ein letzter Sonnenstrahl siel auf ihre Schultern und nackten Arm«. Hortense glich völlig dem ovalen Pastellbildnis über dem Schreibtisch, dem Porträt ihrer Mutier als Braut. Der wohlhabende Hüter der Gesetz« lächelte beim Anblick der beiden, seinem Herzen so nahestehenden Frauen. Dann aber ver- zerrten sich seine Züge aufs neue. Sein Antlitz glich aufs Haar den Gesichtern, wie sie die Maler fo gerne den Opfern des Teufels verleihen. Nein; die Gicht hatte nichts damit zu tun Schuld daran war nur. daß er dem äußeren Anschein zum Trotz ruiniert war. Jawohl, er. der hochangefehen«, erste Notar der Stadt, der bei allen Menschen als reich galt, war zu dieser Stunde«in Bettler.... Eine Tage, würde, wie aus dem Theater, plötzlich die grauen- hafte Wahrheit durchbrechen und einem Lauffeuer gleich zu allen Bürgern der Stadt dringen... Du Rosier stöhnt unb seufzt.... Jetzt bemertt er, daß'Adele und Hortense in ihre Schals gehüllt der ... AbsndeinladuNg der Gräfin B. folgen. In feinem Kutsch ermautet geht nun auch Florimond vorüber, der ihren Wagen lenken wird. Im zarten, leichten Dämmerlicht sieht er vom Fenster aus ganz ' deutlich fein« Schreiber der Hintertür zustreben. In einem viel zu weiten Gewand, ein« hohe Mütze aus dem Kops, folgt ihnen der klein« Nudolf Er eilt zu seiner Mutter, die draußen in der Dorstadt einen Milchladen hat. Durch den Sartenausgang geht auch Melanie weg in ihrem hellen Kleid aus indischer Seide huscht sie gleich einem großen, fahlen Schatten vorbei. Nun sind sie alle fort. Ganz versunken sitzt du Rosier beim bleichen, trüben Lampenschein im Lehnstuhl. Er denkt an die Schicksalsschläge, �i« chn niederdrücken, an die furchtbare Bestürzung, die seine ahnungslosen Lieben bei der Nachricht von seinem Zusammenbruch empfinden werden. Er denkt auch an seine fernen, ehrwürdigen Eltern, an all« seine Amtsgenossen in der Provinz, ja selbst an den König, der einmal anläßlich einer Reise durch diesen Distrikt von ihm Kenntnis zu nehmen geruht hatte. Zwei hart« Töne klingen in die Nacht hinaus. Es ist der Tür- klopfer. Um sieben Uhr abends pocht jemand an seine Türe! Niemand ist da, um aufzuschließen. So muß er denn aufstehen und mit der Lampe in der Hand aus den Flur hinausgehen. Er öffnet den Riegel, stößt die Tür auf und hält die Lampe vor. 'Im dämmerigen Licht der Herbstnacht unterscheidet er mühsam einen spitzen Hut mit einer Schnalle, ein finsteres, maskenartiges Antlitz und«in« große Gestalt in einem weiten, vom Wind bewegten Mantel. Der späte Gast ruft aus:Ich bin es. Leonard!' Der Notar streckt die Arm« nach ihm aus. Es ist wirklich fein alter Freund, der reich« Schiffsreeder aus Havre. Sie treten«in. Ihr« Schatten scheinen im düsteren Vorraum zu tanzen. Beim Rampenlicht bemertt man, daß der Ankömmling staubbedeckt, außer Atem und von der Reis« erschöpft ist. Er kommt weit her; am Vorabend war er noch in Havre , heute morgens ist er schon in Rouen.Ich fahre gleich weiter,' sagt der Besucher. Er ist wie immer redselig, weitschweifig, ober gehetzt. Unstet flackern die Augen in seinem harten, sonnengebräunten Antlitz. Leonard erzählt, er sei während des Pferdewechsels rasch zu feinem Freunde geeilt, um diesem ein« sehr große Summe Geldes zu übergeben: 100 MV Taler, die ihm auf der Reise sehr lässig sind. Da hast du sie.' Sobald«r das Paket übergeben hat, umarmt er du Roster und schickt sich zum Fortgehen an.Den Empfangsschein?' Du Rofier soll ihn morgen nachsenden. Augenblicklich hat er kein« Zeit mehr zu warten: bis das Geld gezählt ist, die Wertpapiere nochgeprüft sind, würde der Postwagen mit feinem Insassen, einem sehr pressierten, reichen Engländer, längst weggefahren sein. Diese hastigen Reden bringen.den Notar zum Schweigen. Leonard eilt davon. Du Rosier will ihn hinausleuchten, aber der Wind verlöscht die Flamme. Er schließt die Tür. zündet die Lampe «nieder an, verwahrt das Paket mit den Geldwerten im Schreibtisch und denkt nach. x Mit bitterem Lache!» stellt er fest, daß sein Heim nun wieder «in Vermögen beherbergt, wie man es allgemein annimmt. Der Notar zieht die Schultern hoch, seufzt und bereitet die Bestätigung vor, die er ausfertigen will, um sie morgen seinem Freund« Leonard vachzusenden. Plötzlich hat er seufzend inne sein Gesicht verzieht sich schmerzlich. Er hat einen seltsamen Einsall. Was würde wohl geschehen, wenn er heute abend, noch vor dem Ausstelle der�Bestäsigung stürbe? Dos Geld würde dann noch dem Gesetz unaw'echibar seiner Frau und seiner Tochter gehören. fco wären wenigstens sie nicht dem Elend preisgegeben. L Er«ch»»* boshaft, 0 nein, er wird nicht sterben. Du Röster

steht auf betrachtet sich im Spiegel. Seine Gesundheit ist eine vor­zügliche. Ja, selbst sein Gichtleiden hat er seit einiger Zeit nur vorgeschützt, um sich den gesellschaftlichen Verpflichtungen zu ent- ziehen, seinen trüben Gedanken nachhängen zu können. Rein, so bald wird er nicht sterben. Er streckt die Hand nach einem gestempelten Blatt au », um das Empfangsformular a-uszufüllen. Doch nun gleitet fem Blick zum Fenster. Do draußen sieht es ganz gespenstisch aus; daran ist wohl der Mondschein schuld. Im Garten, wo vorhin die beiden Frauen aus- und abgejchntten waren, erstrahlt ein silbernes Leuchten, ein keuscher Lichtschein, noch reiner als die Sonne.... Gebieterisch zieht es ihn zur Fenfcherscheib« hin. Wie in einem Traume sieht er Adele und Hortense auf dem moti ddeglänzten Rasen lustwandeln. Das Trugbild zeigt sie deutlich in gleicher Schönheit, denn sie ähneln einander und find von einer gemeinsamen Freude erregt. Mein GoftI Diese geschwisterlich« Glückseligkeit wird nur zu bald in Scherben gehen.... Ach, welch' furchtbare Straf«, welche Sühne verdient er,«r, der dieses groß« Glück insgeheim zerstört hat! Und während er daran denkt, wie schön doch das Leben ist, ballt er vor seinem Antlitz die Fäuste. Am nächsten Morgen fand Florimond im Arbeitszimmer den entseelten Körper des Notars. Meister du Rosters Schläfe war von einer Kugel durchbohrt. Di« Pistole hiett er noch m der Hand. Auf dem Schreibsisch lag ein amtliches Formular. Der Selbstmörder hatte darauf geschrieben:Ich bin todkrank, vergebt mir mein« Tat.. Cluwrigert« llebersetzunz oan Adele

Wilhelm Dusch. 3a seinem 20. Todestag am 9. Januar. Es gibt Leute, die den Lerfasser desMar und Moritz' zu den deutschen Klassikern zählen. Er hat vor den Klassikern sogar etwas voraus: feine Werke werden nicht nur in den Familienbibliotheken der deutschen Bürgerhäuser ausbewahrt, sondern sie werden auch gelesen. Aber die Aesthetiker, Kritiker und Geschichtsschreiber der zeitgenössischen Kunst haben sich mit Wilhelm Busch wenig beschäs- tigt. Gab es doch an ihm nichts zu em decken, denn er genoß von seinem ersten Auftreten an ein« allseitige Popularität. Es gab auch nicht viel zu erklären in seinen Werten, denn die Eigenart seiner Kunst enthüllt sich jedem, der auch nur zehn Zeilen oder zwei Zeich- nunge» von ihm kennt. Scheinbare Unbeholfenhett und Naivität des Ausdrucks ist das hervorragendste Merkmal dieses künstlerischen Stils. Wie ein Kind, das seine ersten Zeichenoersuche macht, gibt auch Busch nur das Augenfälligste der Erscheinungen wieder. Ein Stamm, zwei Aeste und vier Blätter bedeuten einen Baum, drei Bäume bilden den Wald. Das im einzelnen Fall Wichtigste wird in anscheinend naiver Weise täppisch hervorgehoben und dick unterstrichen: die Fliege, die sich aus die Nase des Kindes setzt, hat die Größe einer Faust, das verhängnisvolle Rasiermesser wird zum Schlachtschwert usw. In dieser. Selbstverspottung seiner malerischen Ausdrucks- mittel liegt ein besonderer Reiz von Büschs Zeichenkunst. Ein außer- ordentliches Raffinement wird dabei entwickelt. Kein Punkt, keine Linie ist zuviel, und jede Linie und jeder Punkt haben etwas zu sagen. Das scheinbar sinnlose Krickelkrackel ist mtt großer Dirtno- sttät und peinlicher Sorgsalt entworfen und ausgeführt. Wer Originalblötter von Büschs Hand gesehen hat, weiß, wie vorsichtig imd weise diese anscheinend so leicht hingeworfenen Strich« und Kleckse alle mit dem Bleistift vorgezeichnet sind. Und ähnlich dem Stil seiner Zeichnungen ist die Eigenart seiner Verse. Auch hier wird die gesuchte Unbeholfenheit im poetischen Ausdruck zum Hebel des komischen Effekts. Verknöcherte Phrasen- wendungm werden angewendet, um triviale Weishett zum Ausdruck

zu bringen. Es ist in Wirklichkeit hölzernste und hausbackenste Prosa, die, mtt klingenden Reimen oe riehen, im Gewand der Poesie austritt. Also auch hier, wie in den Zeichnungen eine Verspottung des künstlerischen Ausdrucksmittels, die neben dem lustigen Inhalt noch einen besonderen humoristischen Reiz ausübt. Busch war in erster Linie Satiriker. Seme Satire wandte sich vornehmlich gegen das selbstzufriedene Philistertum, gegen ehr- pusselige Spießbürgerei. Fast cüle_seme nichtpolitischen Werke haben diese Tendenz. Die Gestalten der Wttwe Volte, des Schneiders Bäck in ,Max und Moritz ', des Onkel Rotte in derFrommen Helene ', des Tobias Knopp, des Balduin Bählamm, des Papa Fittich inPlisch und Pttim' sind satirisch gezeichnete Philister- iypen. Dabei beobachtete Busch bewußt oder unbewußt die Taktik, seine Figuren in Geist und Gewand einer vergangenen Epoche erscheinen zu lassen. Nicht augenfällige Auswüchse der Gegenwort wurden von seinem Spott heimgesucht, sondern über die Biedermeier einer scheinbar überwundenen Zeit schwang er die Pettsche. Dieses oltoöterlichc Milieu, in das Busch seine Gestalten innerlich und äußerlich hineiusetzte, hat wahrscheinlich viel zu seiner Volkstümlichkett beigetragen. Der beschränkteste Philister fühtt sich durch diese Satire ebenso ergötzt, wi« er über die Naivität seiner Großeltern oder über eine Mode von vorgestern überlegen lacht. Wo Busch dieses Gebiet oerließ und sich einer eigentlich aktuellen Satirc zuwandte, wie er es imPater Filucius" und imGeburts- tag' getan hat, da zeigt sich, daß er selbst über die Anschauungen des Philistertums, wenigstens in politifchen Dingen, nicht sehr ipch erhaben war. Bezeichnend ist übrigens, daß diejenigen Werke, in denen der Denker und Poet Busch am höchsten steht, die herrlichc GedichtsamnüungKritik des Herzens ' und die beiden Prosawerke Eduards Traum' undDer Schmetterling', dem deutschen Pubtt- kum am wenigsten bekannt sind. Und doch gehören sie zu den an Lebensweisheit reichsteu und tiefsten und zugleich künstlerisch voll- endetsten Werken unserer Ltteratur. Ueber seinen äußeren Lebensgang berichtete Busch selber gelegentlich seines 70. Geburtstages folgendes:Ich wurde geboren 1832 In Wiedenstchl. Im Herbst 1847 kam ich auf die Polytechnische in Hannover . Zu Zlnsang der fünfziger Jahre war ich im Antiken- saal in Düsseldorf und in der Antwerpener Malschnle. Darauf ging ich nach München , arbettete für dieFliegenden", zeichnete meine Bilderbogen und machte mitMax und Moritz ' den Anfang der längeren Bildergeschichten. Daß sie zunächst gezeichnet und dann erst geschrieben wurden, also die Anschaulichkeit, mag wohl eine von den Unsachen ihrer weiten Verbreitung sein.' Je wetter sich der Ruhm Wilhelm Büschs ausbrettete, desto stiller wurde es um feine Person herum. Er verbrachte die letzten Jahre seines Lebens im hannoverschen Kirchdorf Mechtshausen bei Seeseu. Seine völlige Zurückgezogenheit hatte zur Folge, daßMber ihn die settsamsten Gerüchte in Umlauf kamen. Ihm selber muß wähl derartiges zu Ohren gekommen sein, denn in seiner kleinen SelbstbiographieDon mir über mich' sagte er:Man hat den Autor für einen Bücherwurm und Absonderling gehalten. Das erster« mit Unrecht. Zwar liest er u. a. die Bibel, die großen Dra- matiker; die Bekenntnisse des Augustin, den Pickwick und Don Ouirote und hätt die Odyssee für das schönste der Märchenbücher, aber ein Bücherwurm ist doch ein Tierchen mtt ganz anderen Manierchen. Ein Sonderling dürste er schon eher sein. Für die Gesellschaft, außer der unter vier bis sechs Augen, schwärmt er nicht sehr. Ver- heiratet ist er auch nicht. Cr denkt gelegentlich eine Steuer zu bean­tragen auf alle Ehemänner, die nicht nachweisen können, daß sie sich lediglich im Hinblick aus das Wobl des Vaterlandes vermähtt haben. Wer eine hübsche und gescheite Frau hat, die ihre Dienstboten grtt behandelt, zahlt das Doppelte. Den Ertrag kriegen die atten Jung- gesellen, damit sie doch auch«ine Freud' Habeft.' l_ John Schitowski Die sibirische Eiswüste. Noch den neueren russischen Wissenschaft- lichen Untersuchungen erstreckt sich d« Eisdecke in Sibirien auf ein Gebiet von 5 Millionen Quadratkilometer, also eine Fläche, die halb so groß ist wie Europa . Bei Quellenbohrungen in Iatutsk stieß man erst in«iner Tiefe von 130 Meter aus Erdboden.

Oer brave Soldat Gchwejk spricht

Lieber militärischen Aachwuchs.

.Für den Nachwuchs zu sorgen,' setzte Schwejk den Umstehende» auseinander,ist ein« verdienstliche Sache und besonders wichtig beim Militär, well daß es aussterben muß, wenn es nicht auf Ver- mehrung bedacht ist. Und«s dies oft ein mühevolles Geschäft, aber auch sehr befriedigend, denn man dient domtt seinem Vaterland«. Deswegen ist der Nachwuchs für die deutsche Reichswehr«ine große Sorge. Es wird aber nicht seder Nachwuchs so, wie man ihn haben möchte. Da kannt ich den Bauern Kratochoiel aus Dobrechowig, der hat die Gicht gehabt und außerdem«in SBetb mtt starten Hüsten , das hat Ludmilla geheißen. Und wie sehr sich der Kratochoiel ge- plagt hat, es hat kein Nachwuchs kommen wollen, bis daß er einmal einen Großknecht eingestellt hat. der war blond und hat Fraittisek geheißen. Danach hat die Ludmilla jedes Jahr einen Knaben zur Welt gebracht, und sie sind oll« blond gewesen und haben aus- geschaut, wie dem Frantisek aus dem Gesicht geschnitten. Doch dem Kratochoiel hat es gewurmt, weil feine Haar« schwarz gewesen sind, aber er hat nichts sagen dürfen, denn es hätten ihn die Leute aus- gelacht. So geht es zu auf der Wett. Der Herr Reichswehrminister Geßler ist ein Republikaner, und er bemüht sich um Nachwuchs in der Reichswehr , aber es werden meistens Monarchisten, obwohl doch der Republikaner Geßler der Bater von der Reichswehr ist. Aber er sagt nichts dazu, sondern er läßt si« einen Eid schwören aus die Verfassung, und dann sind sie Republikaner geworden. Und was die Kinder von der Ludmilla angeht, so hoben sie alle den Name« Kratochoiel bekommen, und sie sind in den Standesamtsliftcn feine rechtmäßigen Söhne gewesen. So gehen auch schwierige Dinge in Ordnung, man muß sich nur zu Helsen wissen. Deswegen sage ich. der Fahneneid aus die Republik ist ein« vorzüglich« Einrichtung. denn so ihn der Soldat leistet, weiß ein jeder, woran er ist. Es steht aber zweierlei in dem Fahneneid: erstens nämlich, daß der Soldat das Deutsche Reich und seine verfassungsmäßigen Ein- richtungen schützen will, und Zweitens, daß er sich zu Gehorsam gegen seine Vorgesetzten verpflichtet. Wenn also«in Putsch von oben befohlen wird, so braucht sich der Soldat nicht lange zu über- legen, was er zu tun hat, sondern er gehorcht seinem vorgesetzten. Da war der Gastwirt ZawradU vomGrünen Rebstock', der hcu auch gesoffen, daß ihm die Adern auf der Stirn blau angeschwollen sind wie Thermometerröhren, und es haben dann alle vor ihm ge- zittert, denn er ist rm Rausch ein g«u>atttStiger Mensch gewesen. Und er hat auch einen Lehrjungen gehabt, den Wenzel. Und wie

der Zmvradil einen tüchtigen Zacken hat sitzen gehabt, hat er den Wenzel gezwungen, sich mtt dem blanken Hintern ins offene Fenster zu fetzen. Und es sind Leute vorbeigekommen und stehengeblieben. da hat der Wenzel tun müssen, was sonst nur im Verborgenen geschieht. Er hat es aber getan aus Furcht vor Schläge». Und das Gericht hat beide freigesprochen, den Wenzel, weil er aus unwider- stehlichem Zwang gehandelt und seinem Lehrmeister gehorcht hat. den Zawradil, wett daß er unzurechnungsfähig gewesen ist oder, wie man in Deutschland sogt, weil er den Schutz des§ 51 aus seiner Seite gehabt hat. Der Soldat aber muß gehorchen nach seinem Eid. Wenn der Vorgesetzte dem Soldaten befiehlt, seinen Marsch auf Bertin zu richten und kräftig auf die Republik zu schießen, dann muß der Soldat es genau so tun, wie ihm besohlen wird. Und das Gericht wird ihn freisprechen, weil er dem Vorgesetzten gehorcht hat, und der Vorgesetzte wird auch freigesprochen, well daß er beim Putsch den Schutz des Ludendorff aus seiner Seite gehabt hat. Das Schwierigste aber ist der Nachwuchs beim Offizier» k o r p s. Wie ich noch mtt Hunden gehandett habe, da Hab ich gewußt, daß jeder, der etwas Besseres für seinen Schutz oder für sein« Begleitung haben will, zuerst einen Stammbaum oerlangt. Und so Hab« ich zusammen mtt meinem Freund Vlahnek die Stamm­bäum« gefälscht. Und das Publikum hat es nicht gemerkt, wenn ich eine Kreuzung von Assenpinjcher und Lulldogg für«inen rassereinen Schäferhund verkaust Hab«. Unser Herr Reichs wehrministsr aber ist klüger als das Publikum, und er läßt sich nichts vormachen. Er nimmt seine Herren Offiziere aus dem Adel, da kann er den Stammbaum ganz genau im Gothaer Kalender nachlesen, und es besteht keine Gefahr, daß man ihm einen ungebildeten ehemaligen Korporal für einen Offizier andreht. Denn das würde gegen die Pflege der Tradition verstoßen, wie eine Republik sie braucht. Bei den Offizieren kommt eben alles auf die richtige Beförde- rung an. Und wett der Herr Reichswehrminister den Kapitän Kolbe vom Kreuzer.Berlin' nicht hat hinaus befördern dürfen, so hat er ihn hinaus befördert, weil dies etwas ganz Aehnliches ist. Und Herr Geßler wird weiter für Nachwuchs im Offizierkorps sorgen. und für den äußersten Notfall stehen auch noch viele beschäftigungs- lose junge Prinzen bereit. Ich würde es sehr begrüßen, wenn er dies« einstellt, sie sind der best« Nachwuchs, den es gibt, well sie Leute sind, die nie alle werden,' Jonathan.