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Nr. 20
B10
45. Jahrgang
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Beeliner Boltsblatt
Donnerstag
12. Januar 1928
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Steine hinter Trozzfi!
Bie die„ Rote Fahne" die Verschidung der alten
Revolutionsführer begründet.
Millionenbetrug in den Leunawerfen
Die„, Rote Fahne", die gestern noch die Nachricht von der Beteiligung von Direktionsmitgliedern!
zwangsweisen Berfchidung der alten bolichemistischen Revolu tionsführer als„ Sensationslüge" abtat, ist heute schon davon überzeugt, nicht nur, daß die Verschickung tatsächlich stattfindet, fondern natürlich auch, daß fie wohlgetan ist. Was die ,, Rote Jahne" schreibt, fei ausführlich wiedergegeben, um zu zeigen, was heute noch deutschen Arbeitern zugemutet wird:
Die flaffenbewußte Arbeiterschaft wird vorbehaltlos das Recht und die Pflicht des parlamentarischen Staates, der gegen eine Welt von Feinden fämpft,
mit allen staatlichen Mitteln die inneren Jeinde niederzufchlagca,
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anerkennen. Die liberalen Börsenjournalisten, die Sozialdemo fraten Nostes und ihre Koalitionsfreunde aus dem Lager Maslows tun so, als ob sie zum ersten Male erfahren, daß in Rußland die Dittatur des Proletariats herrscht. Und diese Diktatur besteht man höre und staune eben auch darin, daß die Untertrüdung der fonterrevolutionären Bourgeoisie und all ihrer Helfershelfer nicht mit dem Mantel der Demokratie zugedeckt, sondern offen, vor den Augen der ganzen Welt, vollzogen wird. Wenn deshalb der Somjetstaat beispielsweise die Anhänger der Gruppe Sa pronom, die auf dem Parteitage der Kommunistischen Bartel der Sowjetunion als tonterrevolutionäre Gruppe caratterifiert wurde,
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mit allen Mitteln der Staatsgewalt verfolgt, genau fo wie in den Jahren 1918 und 1919 die Menschewiti und Sozialrevolutionäre, die bewaffnete Aufstände gegen die proletorische Diftatur organisierten, so tut er nicht mehr wie seine proletarij he Pflicht. Die Gruppe Trogfis befindet sich zwar noch nicht in der Lage der Anhänger Sapronows, aber eine Borilegung ihrer Politik vor dem Parteitage der PSU, die Organisierung von Straßendemonstrationen gegen die Sowjetregierung und die Partei, eine somjetfeindlicze Propaganda unter den parteilojen Arbeitern, eine Berbindung mit weißgardistischen Elementen fann fie auf den Weg der Sapronom- Gruppe führen.
Die Sowjetregierung fut sicherlich recht daran, wenn sie alles tut, um die Trotzfiften non diesem Wege abzuhalten. Wenn die Sometregierung also den Irogristen, die es verwirft haben, an der Leitung des proletarischen Staates mitzuarbeiten. Gelegenheit gibt, zu beweifen, daß sie nicht den Weg der offenen Konterrevolution gehen wollen, indem sie fle in den unteren Organen des Staates arbeiten läßt, so temeljt fie eine revolutionäre Großmut, deren die Trogliffen eigentlich gar nicht wert sind.
In weiteren Ausführungen wird dargelegt, daß Sibirien auch eine ganz schöne Gegend ist, und zum Schluß wird dann gesagt:
Se enger fió die liberalen, die sozialdemokratischen und Ste maslomitischen Feinde des revolutionären Sowjetstaates umarmen, de to cher wird die Arbeiterschaft ihren wahren Charakter erkennen. Mögen fie weiter über„ Berbannung nach Sibirien brüllen. Die
Sowjetunion wird sich durch ihr heiseres Geffrei in ihrer Plücht der Verteidigung gegen ihre Feinde nicht stören lassen."
Daß ein Organ der russischen Regierung unter den gegebenen Umständen nicht anders schreiben fenn, läßt sich zur Not verstehen. Aber daß sich dieses Organ als deutsches ,, Arbeiterblatt" ausgeben fann, ist eine Schande.
Bentrumsftimme gegen Tresckow - lrteil Das noch nicht vertrustete Westdeuische Bolksblatt", das Organ der christlichen Arbeiter in M.- Gladbach, schreibt zum zweiten Trescom- Prozeß u. a. folgendes:
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So hat Herr v. Tresdom feinen Ehrenschuh gefunden. Der ist eben schwer zu finden, wenigstens nach der Auffassung des früheren Justizministers Marg. Es wird ihm als Bertrauensbruch angerechnet, daß er Butschpläne, von denen er völlig überzeugt war, zur Kenntnis des Reichswehrministertums und das mit der Regierung bra tie. Das ist immerhin eine traurige Sache, ganz abgesehen von dem gesellschaftlichen Schaden, den Trescow auf sich nehmen mußte.
So geht die gesellschaftliche Acchtung Tresdows wetter. Die Butscher sind nach wie vor gead tet, und der Freund des Staates ist geätet. Statt ihn als guten Patrioten zu feiern, macht ihm die Urteilsbegründung Vorwürfe. Es bleibt defn Volk überlassen, sein Urteil zu fällen und zu begründen, ob es Tresdows Pflicht war, dem Volt und der Verfassung zu dienen und den Bürgerkrieg zu bekämpfen oder aber den Kastengesetzen des reaktionären oft deutschen Adels treulich zu gehor hen. Bas schadef's, Reubell ist vorläufig gerettet und fann meiter vor feinen meterhohen Stößen unerledigter Aften verzagen!"
Ja, Keudell ist vorläufig gerettet und Marr auch Der reaktionäre oftdeutsche Abel hat vorläufig gefiegi" und Marauch! Man darf aufrichtig gratulieren!
Beteiligung von Direktionsmitgliedern!- Fingierte Rechnungen!- Wer nicht schmierte, bekam keinen Auftrag!
ber die Berte um Beträge von mehreren Millionen geschädigt wurIn den Leuna werfen spielt eine Betrugsangelegenheit, bei den. Gegen einen Ingenieur Stod und eine Reihe von Beamten wurde die Boruntersuchung eröffnet.
oder weniger untergeordnete Beamte der Abteilung Holzwerkstätten Ueber den bisherigen Rahmen hinaus, der immerhin nur mehr umfaßte, richtet sich der Berdacht jetzt auch gegen
zwei Mitglieder des Leuna - Direktoriums
und zwar vor allem gegen den Erbauer des Werkes, den Dber baurat Schönberger, der der Direktion angehörte, fomie gegen ein Mitglied der juristischen Abteilung des Direktoriums. Gegen Schönberger, der vor einigen Tagen ganz plötzlich seinen Bosten im Leunawert aufgegeben hat, und nach Ludwigshafen , dem Hauptsiz des Konzerns, verzogen ist, hat der Untersuchungsrichter des Landgerichts Halle , Landgerichtsrat Jacobi, bereits die Boruntersuchung eingeleitet, eine Tatsache, die weit über Mitteldeutsch land hinaus außerordentliches Aufsehen erregt. Der Berdacht gegen ihn und ein weiteres Direktionsmitglied foll sich in der Hauptsache darauf beziehen, daß die Herren aus Gründen, die noch näher unterjucht werden müssen, die Aufdeckung der Millionenbetrügereien des Leipziger Unternehmers Schönfeld und der mit ihm in Berbindung stehenden Beamten der Holzwerkstätten der Leunawerte verhindert haben. Bekanntlich ist es Schönfeld gelungen, durch seine Schwindefeien, insbesondere durch die
Aufwertung fingierler Rechnungen
den Spisnamen der fleine Stinnes". Bon seinen durch die fortlaufende Einreichung fingierter Rechnungen erhaltenen Summen gab er etwa 25 Proz. an seine Helfershelfer im Leunawert selbst, an Ingenieur Stocks, fomte an die Beamten Schleeooigt und Hechenberg ab. Bei dieser Belegenheit wird übrigens aus haben, darauf hingewiesen, daß bei dem dort herrschenden System Kreisen der Firmen, die Arbeiten in den Leunawerfen auszuführen ohne tüchtige Schmiergelder überhaupt fein Auftrag zu erhallen fei. Für die dortigen Zustände ist es auch charakteristisch, daß die Summe Don 11 Millionen Marf, die Schönfeld noch immer eintlagt, sich auf ganz einfache Anstriche von Mauer- und Eisenwerk bezieht.
Direktor Schönberger,
der die Leunawerke zum wesentlichen Teil erbaut hat, leitete als Oberingenieur bis in die letzte Beit hinein die gesamte Bauabteilung der Leunawerke, in der ständig mehrere tausend Arbeiter beschäftigt find. Diese Bauabteilung umfaßt etwa 15-17 Interabteilungen, und zwar die Einkaufs- und Beschaffungsabteilung, Konstruktionsbureaus, ferner die Abteilungen für Bau, Bimmerei und Holzbearbei tung, Tischlerei, Malerei ufm. In einer besonderen Abteilung wurden die gesamten Abrechnungen der großen Bauabteilung erledigt. Berantwortlich für Zahlungseingänge und Ausgänge war als Chef der Bauabteilung Oberbaurnt Schönberger, dem das gesamte Material vorgelegt werden mußte. Direktor Schönberger hatte sich, nachdem er bereits einige Male von Staatsanwalt Jacobi in Halle vernommen morden war, nach Ludwigshafen begeben, um dort der Generaldiret tion Bericht zu erstatten. Nachdem jetzt das Cerfahren gegen ihn offiziell eingeleitet worden ist, erfolgte die fofortige Amtsniederlegung Schönbergers im Einverständnis mit den maßgebenden Stellen in Lubmisshafen.
für angeblich in den Inflationsfahren ausgeführte Malerarbeiten nach und nach geradezu phantastische Summen aus dem Leunawer? herauszuholen. Der Berdacht gegen ihn war bei den Leunawerfen in den zuständigen Kontrollabteilungen allgemein, doch traute sich niemand auch gegenüber dem Direktorium, pon den Mutmaßungen, daß hier nicht alles mit rechten Dingen zugehe, Mitteilung zu machen. zumal ein Malerpolier einer anderen Firma, der diese SchwindeLeien bereits aufgedeckt hatte, angeblich auf Betreiben des Oberbau| rais Schönberger fofort aus den Werken entfernt worden war. Schönfeld hat bisher rund 2% millionen Mark aus den Cennawerken herausgeholt, während eine von ihm angestrengte Klage auf 3ahlung von 11 Millionen Mart, die er in seiner Unverfrorenheit auf gefälschte Rechnungen und ähnliche Unterlagen ftigt. noch schwebt. In Leipzig , wo er früher Snhaber einer fleinen Maler firma gewesen war, gilt er als einer der reichsten Leute und führt| zuliegen scheint.
Wie wir weiter erfahren, hat die Staatsanwaltschaft auch das Berfahren gegen den Vorsteher der Rechtsabteilung im Beunawert, Dr. Botler, eingeleitet. Dr. Boller haite abzuschließende Berträge, zum Teil auch Lieferungsverträge zu prüfen, und es wird ihm dabei zum Borwurf gemacht, daß er nicht rechtzeitig erkannt habe, daß die vorgelegten und jetzt inkriminierten Scheinverträge mit den mirtlichen Tatsachen nicht übereinstimmen fonnten. Bie mir weiter hören, wird über den Kreis der bisher schon bekannten Personen des Ermittlungsverfahren auch noch auf andere Angestellte der Leunawerke aus den maßgebenden Abteilungen eingeleitet, da bei ihnen zum mindesten Fahrlässigkeit bei der Beobachtung ihrer Pflichten vor
Kapitulieren!
Die Bolfspartei soll sich dem Willen des Zentrums beugen.
Die Zumutungen, die die Bürgerblockfollegen der Volks: partei machen, sind noch größer, als es nach dem Kompromiß antrag zum§ 16 des Schulgejeges den Anschein hat. Die Bürgerblöckler haben es wohlweislich unterlassen, neben dem Kompromiß zur Kirchenaufsicht über den Religionsunterricht auch die Bereinbarungen über den§ 14( Aufstellung der Lehrpläne und Einrichtung der Schule und Lehc= bücher für den Religionsunterricht) bekanntzugeben. Nun man der Kirche einmal somelt entgegengekommen ist, möchte sie den Religionsunterricht auch gleich ganz beherrschen. Sie verlangt, daß die Regelung der Lehrpläne und Schulbücher nur im Einvernehmen mit den Religionsgesellschaften geschieht, d. h. daß an die Stelle des Staates fünftig die Kirche tritt. Das 3entrum ist damit natürlich durchaus einverstanden, und die Deutsch nationalen machen aus Angst vor den Wahlen mit. Das ist der Volkspartei denn doch ein wenig zu viel. Sie schlägt eine Fassung vor, nach der die Schulbehörden lediglich angewiesen sind, sich mit den Kirchen infianzen ins Benehmen zu fegen, oder, wenn die Fassung der Kirchenfreunde durchgehen sollte, wenigstens dem Staat die legte Entscheidung zu geben. Zentrum und Deutschnationale haben selbst das hohnlachend zurückgewiesen und man darf neugierig fein, wie die Bertreter der Boltspartei in den Ausschußverhandlungen operieren werden.
Eleibt noch die Frage der Simultanschule. Hier ist eine Einigung, wie schon berichtet, noch nicht in Sicht. Zentrum und Deutschnationale haben sich vorläufig vor einer Entscheidung gedrückt, indem sie die interfraktionellen Berhandlungen einfach auf unbestimmte Zeit vertagten. Die Tägliche Rundschau" weiß darüber folgendes mitzuteilen:
werden soll, während das Zentrum nur eine fünf oder zehnjährige Schonfrift zugestehen will, nach deren Ablauf die Simultanschule dann durch Antrag der Erziehungsberechtigten umgewandelt werden tann. Die beiden Bartelen find gestern bei ihrer Auffassung verblieben, und es ist auch keine Möglichkeit sichtbar geworden, die gegenteiligen Auffaffungen auszugleichen.
Das klingt sehr mannhaft. Aber ähnliche Tönchen hörte man toochenlang aus dem Mund der voltspartellichen Offiziösen, ehe die Fraktion der Volkspartei in der Frage der firchlichen Aufsicht des Religionsunterrichts zufammenklappte. Das Zentrum jedenfalls fennt seine Pappenheimer. Es glaubt der Volkspartei jetzt alles zumuten zu können. Die Germania " schreibt zum§ 20:
So sehr das Zentrum bestrebt ift, an einer geeigneten Lösung auf dem Wege der Berständigung mitzumirfen, ebenso ist klar, daß es für das Zentrum eine Grenze gibt, die nicht überschritten merden kann und wird. Im Entgegenkommen anderen Anschauungen gegen. über können und dürfen weder Grundsäße verlegt, noch uns verbürgte Rechte gefchmälert oder etwa aufgegeben werden. Die Ber treter des Zentrums haben von dieser ihrer Auffoffung tlar Renni nis gegeben.
Das ist die Sprache eines Dittators und nicht die eines Koalitionsgenossen. Das Zentrum verlangt die vol. lige Unterwerfung der Bolkspartei. Was wird die Partei der liberalen Grundfäße tun? Den Namen Luther findet man zwar in ihren Reihen, ein Luther ist aber sicherlich nicht unter ihnen.
Der Bilbungsausschuß des Reichstags trat heute zum erstenmal nach der Weihnachtspause wieder zusammen, um die Beratung des Reichsschulgeleges beim§ 13, der die Schulausfich: und Schulverwaltung behandelt, fortzusetzen.
Abg. D. Mumm( Dnat.) sprach als Borsigender die Hoffnung aus, daß das große Wert zu einem balbigen guten Abschlus geführt werden möge.
Die Auseinandersetzungen über den§ 20, Simultanschule, haben nicht zu einer Annäherung geführt. Die Deutsche Bolkspartei hält ihre Forderung aufrecht, daß der Simultanschule dort, Abg. Dr. Lowenstein( Soz.) führte aus, es jel nicht angängig. wo fie geschichtlich geworden ist, ein unbegrenzter Schutz zuteil| wenn bei einer fiarten Minderheit von Kindern einer Religions