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Morgenausgabe sada najsi

Nr. 25

A13

45. Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonntag 15. Januar 1928

Groß- Berlin 15 Pt. Auswärts 20 Pf.

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Abschiedsdementi.

Der Fall Canaris .

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Ein Reichswehrdementi und eine Antwort.

Canaris mit den Vaterländischen Verbänden, dem Biting- Bund usw. in Kiel hat der Reichswehrminister Geßler jezt offiziell geantwortet. Der Wehrminister hat danach folgendes festzustellen:

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Auf die im Untersuchungsausschuß des Reichstags der Organisation Consul in der fraglichen Zeit, auf dessen ( 4. Unterausschuß) abgegebene Erklärung des Ab Aussagen laut ,, Weltbühne die Kenntnis der ganzen Bor­geordneten Dr. Moses über die Zusammenarbeit gänge beruht. zwischen dem Marinesachverständigen, Korvettenkapitän Herr Geßler hatte leider beim Abfassen dieses Ab schiedsdementis es dürfte wohl sein letztes Dementi als Behrminister sein vergessen, wie es um diesen Rittmeister a. D. Lieder und seine Beziehungen zur Marineſtation Oft see in Wirklichkeit bestellt war. Es ist gerade ein Jahr her, daß Dr. Geßler in einem Schreiben an ein Mitglied der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion auf einen Artikel, der sich mit denselben Dingen befaßte, folgendes mitteilte: Ein Leutnant 3. S. a. D. Klintsch ist seit 1. Mai 1926 als Ersaß für den am gleichen Tage enflaffenen Riffmeister a. D. Cieder bei der Marinestation Ostsee als zivile Hilfstraft beschäftigt."

1. Storvettentapitän Canaris hat weder in seiner Stellung als erster Offizier des Kreuzers" Berlin ", noch in einer anderen Stellung auf irgendeinem Bege dem Führer oder Leiter der Dr ganisation Consul Geld, Waffen oder Uniformen zur Verfügung

gestellt.

2. Ein Zusammenhang zwischen dem Attentats­verjuch gegen Generaloberst v. Seedt und Korvettenfapitän Canaris besteht nicht.

folgt

Ueber Lieders Tätigkeit als Führer des aus der Organi 3. Eine Finanzierung der Baterländischen Verbände von auch über die Person dieses ehemaligen Marineleutnants sation Consul hervorgegangenen Bifing- Bundes, wie Schleswig- Holstein einschließlich des Wifingbundes ist nicht er. Klintsch, der ebenfalls einer der übelberüchtigten Wiking­4. Da nach vorstehendem die nach seiner Verwendung als Leute und noch früher Organisator der Sturm= Sachverständiger gegen die Person des Rorvettenfapitans Canarius truppen Hitlers im Jahre 1923 gewesen ist, besteht fein Zweifel. Gegen Lieder schwebt jetzt ein hoch in der Deffentlichkeit erhobenen Anschuldigungen in allen Bunt verratsverfahren. Sie sind beide unter Protektion ten unwahr sind, famen Bedenken gegen seine Verwendung des Kapitans Ehrhardt in diese Stelle gekommen. für den erwähnten Dienst nicht in Frage. 3. Die derzeitigen Beröffentlichungen in der Weltbühne find Schon daraus ist ersichtlich, was von Dr. Geßlers Dementi, bisher unwidersprochen geblieben, da ich auf Nachrichten in Blätenanzierung der Baterländischen Berbände von tern vort her Art der Belthühne" grundfäglich nicht zu reagieren pflege

Mit dem Ausdrud meiner Hochachtung

gez. Geßler.

Es muß der ,, Weltbühne ", auf deren Aeußerungen sich die Erklärung des Genossen Moses stüßte, überlassen bleiben,| im einzelnen ihre Angaben über die Zusammenarbeit zwischen Canaris , der Organisation Consul und den Vaterländischen Berbänden in Schleswig- Holstein zu erhärten. In Kiel dürfte jedenfalls nach unserer Kenntnis der Dinge großes Staunen über die Feststellungen" des Wehr­ministers anheben. Jedes Kind weiß dort von dieser Zusammenarbeit. Die Kieler Bolkszeitung" hat seinerzeit die Dinge ausführlich mitgeteilt. Am erstauntesten dürfte aber der Rittmeister a. D. Lieder selbst sein, der Führer

Wohnungsbau Nebensache.

Auslandsanleihe für Kirche und ein Mädchenpensionat. Das Bistum sildesheim erhält eine Auslands anleihe von 450 000 holländischen Gulden für den Bau einer Kirche und eines Mädcheninternats.

Für den Wohnungsbau erlaubt Herr Schacht keine Auslandsanleihen. Der Wohnungsbau ist unproduktiv.

Auch Belgien rüstet.

Motorisierung der Artillerie.

Brüffel, 14. Januar. Kriegsminister de Brocqueville hat beschlossen, einen Teil der Artillerie mit Motorbespannung auszurüsten. Die Reform wird zunächst bei dem in Brüffel liegenden 14. Artillerieregiment durch geführt und nach und nach auf die schwere und halbschwere Artillerie ausgedehnt werden. Zum Ankauf der erforderlichen Traf: toren soll im Mai ein Wettbewerb veranstaltet werden, der teils in Brüssel , teils in den Uebungslagern von Beverloc und Elsen­ born

durchgeführt wird.

Poincaré wieder in Nöten. Konflikt mit dem Heeresausschuß.

Paris , 14. Januar. ( Eigenbericht.) Das Kabinett Poincaré geht schmeren Zeiten entgegen. Auf die stürmische Kammerdebatte über die Immunität der verurteilten fommunistischen Abgeordneten folgte am Freitag ein Zusammenstoß des Kriegsministers Painlevé mit dem Heeresausschuß in der Frage der einjährigen Dienstzeit. Die Dienstzeit ist durch das Re frutierungsgesetz, das in der nächsten Woche von der Kammer ver­abschiedet werden soll, so geregelt, daß die Jahrestlasse 1928, die bis Mai 1929 ihren Dienst antritt. ein Jahr darauf entlassen werden Joll. Das Gefeß macht dies aber abhängig davon, daß die Zahl der Berufsfoldaten vorher auf 106 000 gebrachyt ift. Kriegs­minister Bainlevé forberte nun im Heeresausschuß, daß die Herab. fegung ber Dienstzeit überhaupt nicht zeitlich festgesezt

erfolgt", zu halten ist.

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Dem ganzen Dementi seht aber die Schlußbemerkung, daß auf Nachrichten in Blättern von der Art der Welt bühne" grundsäglich nicht reagiert" wird, die Krone auf. Der Zufall wollte es, daß ausgerechnet am Tage vor diesem Dementi, am 20. Dezember, in dem Beleidigungs: prozeß der Reichswehr gegen die Weltbühne" das Urteil gegen die Schriftsteller Jacob und Ossiezky erging. Vielleicht erinnert sich der Reichswehrminister an diesen Fall, wenn er von der ihm zugesprochenen Befugnis der Urteils publikation in der Weltbühne" am gegebenen Zeitpunkt Gebrauch macht. Es gibt also doch Fälle, in denen von diesem grundsäglichen" Berhalten abgewichen wird. Höchst mert würdig, daß es ausgerechnet im Fall Canaris nicht geschah.

"

werbe, was jedoch fategorisch abgelehnt wurde. Hierauf erflärte der Minister, im Plenum der Kammer gegen die Aufrechterhaltung der Bestimmung die Vertrauensfrage zu stellen. Man kann sich also auf neue Schwierigteiten der Regierung der nationalen Eini­gung" gefaßt machen.

"

Die Entscheidung liegt auch in dieser Frage bei den Radikalen, und es wird sich das von Blum im heutigen Populaire" flar ge­stellte Problem von neuem erheben: Die parlamentarische Lage läßt fich nicht länger von der Position der Parteien im Wahlkampf trennen. Die Radikalen werden noch in dieser Kammer für oder gegen die nationale Union Stellung nehmen müssen."

Das Attentat von Skoplje . Was eine Sterbende ausgesagt haben soll.

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Belgrad , 14. Januar. ( Agentur Avala.)

Der Fall Geßler.

Der Mann der Gelbsttäuschung und des Dementis. Momentbild aus dem Leipziger Hochverratsprozeß von 1921 gegen die Rappisten v. Jagom, v. Wangenheim und Schiele: Nach Ministern, Generälen und Exzellenzen treten als Zeugen in die Schranken drei schlichte mustetiere, Angehörige der Brigade Ehrhardt , die sich gemeigert haben, den Marsch auf Berlin mitzumachen. Man horcht auf. Was ist aus den Braven geworden, welchen Lohn hat ihnen der Reichswehrminifter zuteil werden lassen? - Ehrhardt hat die drei megen Gehorsamsverweigerung" aus seiner Brigade hinausgeworfen, und der Reichswehr­minifter Geßler hat sie nicht wieder in die Reichswehr ein­gestellt! Fehlte ihm die Macht, fehlte ihm der Wille?

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der

Aber die andern, die den Butsch mitgemacht hatten, sie brauchten nicht zu flagen. Geschlossen wurden sie in die Reichsmarine übergeführt, und vierzehn Tage nach dem Butsch zahlte man ihnen zur eigenen Ueberraschung D.- C- Mann Manfred v. Killinger erzählt es hohnlachend auf Anordnung des Reichswehrministeriums für die Tage des Aufruhrs die Zulage aus, die Ehre versprochen hatte. hardt seinen Leuten als Lohn für Umsturz und Meuterei

Das ist in einem tonkreten Beispiel der Kern des Falles

Geßler.

Niemand wird dem häuslichen Unglück, das dem Reichs­mehrminister durch den Tod seiner beiden Söhne betroffen hat, das menschliche Mitgefühl versagen. Niemand wird es ihm verargen, wenn er den Wunsch hat, als ein von Schid. falsschlägen gebeugter Mann sich in die Stille zurückzu­

Aber das tragische Geschick des Privatmannes Geßler fann das Urteil über den Minister Geßler nicht ändern oder abschwächen. Der Minister Geßler hat den friedlichen Ab­gang, der dem Bripatmann zu gönnen ist, nicht verdient. Offen muß ausgesprochen werden, daß das achtjährige Walten Geßlers im Reichswehrministerium ein Unglüd für die Republit gewesen ist.

Es ist eine falsche Rückerinnerung, wenn viele glauben, daß Geßler die Reichswehr in einem bereits unheilbar mon­archistischen Zustand übernommen hätte. Gerade der Kapp- Butsch, der Geßler ins Reichswehrministerium brachte, hatte gezeigt, daß die Reichswehr in großen Teilen durch­aus nicht vom Geiste der Freikorps beseelt war. Fast die gesamte Marine hatte sich bei der ersten Nachricht vom Butsch auf den Boden der Republit gestellt und ihre zwei­deutig lavierenden Offiziere hinter Schloß und Riegel ge­unter dem Pseudonym Mann über den Kapp- Butsch be setzt. Dasselbe hatte ein thüringisches Bataillon getan. Der i richtende Adjutant Ehrhardts muß zugestehen, daß auch die Regimenter der Berliner Garnison durchaus nicht restlos für die Butschisten begeistert waren und zum Teil durch List oder Gewalt entwaffnet und in ihren Kasernen eingeschlossen wer den, mußten.

Jedenfalls war es um die Reichswehr damals nicht schlimmer bestellt, als um die preußische Schuh­polizei. Wie man aus dieser eine zuverlässige republi­kanische Macht schaffen fonnte, hat in den auf den Kapp­Butsch folgenden fünf Jahren Genoffe Karl Severing gezeigt. Es ftand Geßler frei, die damalige Reichswehr genau fo umzugestalten, wie die preußische Schußpolizei durch Se­ vering tatsächlich umgestaltet worden ist. Daß er es nicht tat, lag teils an mangelhafter Einsicht, teils an mangelhaftem Willen.

Selten hat sich jemand den Weg zur Reform selber so verbaut, wie Geßler gleich in den ersten Jahren seines Neue Einzelheiten werden jetzt aus Uestüb- Stoplje gemeldet Wirkens. Daß er die republikanischen Marinemannschaften über die Borgänge bei dem Anschlag auf den Gerichtsrat Pre- wegen ihrer Haltung im Kapp- Butsch als Meuterer" hinause litsch. Die Urheberin des Attentats, eine Frau Mara Buneff, warf und durch die wirklichen Meuterer der Brigade jagte sich im Augenblid, wo man sie verhaften wollte, eine Ehrhardt erfette, war nur der Anfang einer Kette von ver­Revolverfugel in die herz gegend. Nach dem Kranken- hängnisvollen Fehlgriffen. haus gebracht, wurde sie dort einem Berhör unterzogen und erklärte mit der Kugel in der Herzgegend!( Red. d. V.), sie habe von dem promazedonischen Komitee Befehl erhalten, sich nach Südferbien zu begeben, um dort Persönlichkeiten zu ermorden, deren Namen ihr später mitgeteilt worden seien. Aus der Untersuchung ergab sich, daß Frau Buneff mit einem aktiven Offizier der bulga­rischen Armee verheiratet ist. Die Zeitungen betonen, daß der er mordete Gerichtsrat ein Beamter von großer Zukunft war. Untersuchungen von großer Wichtigkeit waren ihm bei dem legten Spionageprozeß in Uestüb anvertraut worden. Nach den letzten Meldungen ist Mara Buneff ihren Berlegungen erlegen.

In seinem Referat auf dem sozialdemokratischen Landespartei tag für Slowenien hat Abg. Genosse Betejan taut Marburger Bolksflimme" von dem armen Mazedonien " gesprochen und den bort geübten maßlofen Wahlterror gegeißelt. Nach dieser füd­lamisch- fozialistischen Beurteilung muß auch in Südflawisch- Maze donien piel faul sein..

Geßlers persönliche republikanische Ueberzeugung soll nicht angezweifelt werden. nicht angezweifelt werden. Aber er hatte sich durch das Schlagwort der Entpolitisierung" der Reichswehr blenden laffen und begriff nicht. wollte nicht begreifen. daß diese Ent­politisierung in der Praris nichts war als eine Ent­re publifanisierung, eine Auskämmung der Re­ publikaner , eine monarchistische Uniformierung. Im Zeichen der Entpolitisierung schuf er das Reichs­wehrgeseh, das politische Organsationen in der Reichswehr untersagte In Wirklichkeit aber richtete sich dies Gefeß nicht gegen politische Vereine, sondern gegen den zwei Drittel der Reichswehrangehörigen umfassenden Reichswirtschaftsver­band Deutscher Berufsfoldaten", eine reine Wirtschaftsorgani fation, die sich aber bei den reaktionären Offizieren verhaßt gemacht hat, weil sie während des Kapp- Butsches ein Be.. fenntnis zur republikanischen Staatsform abgelegt hatte. Damit mar fie politisch" geworden und mußte vernichtet werden. Ein durch und durch reaktionärer Militär­anmärterverband bagegen durfte bestehen bleiben.