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Morgenausgabe sabe

Nr. 29 A15

45. Jahrgang

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Rulturarbeit"

Sonntags und Montags einmal

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Mittwoch

18. Januar 1928

Die

Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.

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Die Krise im Zentrum.

Rebellion der Arbeiter in allen bürgerlichen Parteien gegen scheinheilige Arbeitnehmerfreundlichkeit".

Der Vorstand der Zentrumsfraktion des Reichstags hält heute Sigung. Er wird sich außer mit der Frage der Nach folgerschaft Geẞlers auch mit der schweren Partei. trije beschäftigen müssen, die in den letzten Tagen zum offenen Ausbruch gekommen ist. Stegerwald hat zwar, wie schon gestern abend hier mitgeteilt wurde, sein Amt als Borsigender der Fraktion nicht niedergelegt, doch hat er einem Schreiben zum Ausdrud gebracht, daß er die Funktion des stellvertretenden Borsigenden der Reichstagsfraktion folange nicht ausüben fönne, bis die zwischen ihm und dem Reichskanzler vorhandenen Differenzen bereinigt worden feien.

Der Kampf, der jezt im Zentrum ausgebrochen ist, geht tief. Er geht nicht nur um tattische Fragen der Koalitions politit, um den Bürgerblod, er reicht an die tiefsten Wurzeln, an die Klassengegenfäße.

In einem Leitartikel, der ein wahres Dokument der Beitgeschichte ist, spricht der Deutsche  ", das Organ der chriftlichen Gewerkschaften, von der Erbitterung der Arbeiter und Angestellten, die bisher den bürgerlichen Barteien Heer folge geleistet haben. Die Arbeitnehmer sind empört über ihre Aschenbrödelrolle, die mit völliger Ausnutzung und gleichzeitiger Geringschäzung verbunden ist". Wohl tue das gleiche Wahlrecht äußerlich seine Wirkung. auch habe es an Der inneren Gesinnung der in jenen Parteien herrschen Den Schichten nichts geändert. Nach dem Deutschen  " steht Die Sache jo:

Arbeitnehmerfreundlichkeit entgegenbringen, hinreichend unterrichtet. Sie brauchen nur bei den nächsten Wahlen die Folgerungen ziehen. Dann werden fie regieren!

Arbeitnehmerschicht. Es ist noch gar nicht so lange her, da hat selbst| warum die bürgerlichen Parteien ihnen eine scheinheilige ein Industrieführer erklärt, es seit heute unmöglich, gegen die Ar­beitnehmerschaft zu regieren. Diese Binsenwahrheit haben an scheinend nur wenige begriffen. Den anderen muß fie beigebracht werden. Doch ist es damit nicht genug, daß nicht gegen die Arbeit nehmer regiert wird, die Arbeitnehmer selbst wollen mifregieren. Wer einsichtslos genug ist, sich dem zu widersetzen, wird es gewiß nicht ungestraft tun.

Die Arbeiter und Angestellten sind nun über die Gründe,

Der Vorstand und der Reichsausschuß der Zentrums. partei find zu einer Sigung am 29. Januar nach Berlin   ein­berufen worden.

Untersuchung gegen Ungarn  .

Wegen der Waffenschiebung.

Genf  , 17. Januar.

Im Böllerbund verdichtet sich der Eindruck, daß mit einem bevorstehenden Schritt der Kleinen Entente   in der Affäre von Szent Gotthard zu rechnen sei. Man meint, daß die Kleine Entente   durch einen ihrer Bölferbundsdelegierten, voraussichtlich durch den tschechoslowatischen Gesandten, eine Note überreichen wird, in der die Aufmerksamkeit des Rates auf den Waffentransport gelenft und auf Grund des vom Rat im Dezember 1926 angenommenen Investigationsverfahrens eine Untersuchung gegen Ungarn   beantragt wird, zu­nächst wegen dieses Einzelfalles.

Nach einer Belgrader   Meldung des Berliner   Lage blatts" soll die Anrufung des Bölferbundes durch die

Was man politisch für notwendig hält, find nicht die ArKleine Entente beschloffen sein. beitnehmer, sondern ihre Wahlstimmen. Und um dieser Wahlstimmen willen macht man ein freundliches Gesicht und spricht schöne Worte, obschon es innerlich ganz anders aus schaut und insgeheim, in bestimmten 3irfeln, ganz andere Töne laut werden. Und hier wird auch

gegen die Arbeiter- und Gewerkschaftssekretäre gewettert, die als selbständiger Willensausdruck der Arbeitnehmer recht un­beliebt sind.

Und weil diese geheimen Reden gar nicht so selten sind, deshalb wird die Wendung von den Gewerkschaftssekretären" und deren un­fachliches Streben gewohnheitsgemäß auch dort mal angewandt, wo es tattisch" unflug ist. Derartiges passiert gewiß nicht nur dem Reichskanzler Marg; das ist vor ihm schon vielen anderen passiert und sehr wahrscheinlich wird zukünftig noch erst recht von den Gewerkschaftssekretären geredet werden. Sicher nicht nur in der Zentrumspartei  . Denn auch darüber wollen wir gar feinen Zweifel auffommen laffen: es find nicht nur die Arbeitnehmer in der Sentrumspartei unzufrieden.

Auch in den anderen bürgerlichen Parteien sind die Arbeit. nehmer, d. h. auch die Angestellten geladen". Nur fehlt hier zum Teil noch die Stoßkraft und der direkte Anlaß zum Krach", so wie etwa der bekannte, Brief des Reichskanzlers Marr   das Signal zum Angriff für die Zentrumsarbeiterschaft ist. Um dieses Briefes willen allein regte sich die Zentrumsarbeiterschaft gewiß nicht so auf. Gie sieht in ihm nur ein bezeichnendes Symptom für die verherrschende Stimmung in der Partei, die in den letzten Jahren sich stark zuungunsten der Arbeitnehmer ge­

ändert hat.

Mit materiellen Zugeständnissen allein, so sagt der Deutsche  " weiter, ist die Unzufriedenheit nicht zu bannen.

Denn:

Was die Arbeitnehmer in den Parteien empört, ist das Fehlen einer wahren sozialen Boltsgesinnung. Sie find unwillig, weil sie immer noch als Menschen minderen Wertes an­gesehen werden,

sie hassen die in allen Parteien übliche scheinheilige Arbeit­nehmerfreundlichkeit um der Wahlstimmen willen,

fie find empört, daß diese Gesellschaft", wie sie sich ausdrückten, feine wahre Gemeinschaft mit den Arbeitnehmern will. Das ist der tiefste Grund der großen Unzufriedenheit der Arbeitnehmer in den Parteien. Und in der Zentrumspartei   kommt sie deshalb am schärfsten zum Ausdrud, weil heute die Arbeitnehmerschaft dieser Partei die Lebensbasis gibt. Und tas wissen die Arbeitnehmer Die Parteien außerhalb des Zentrums aber tun gut baran, für die Ent. fernung ihres Explosionsstoffes rechtzeitig Sorge zu tragen. Täusche sich feine über den Ernst der Situation, vergesse feine in falscher Schadenfreude über die Schwierigkeiten der einen Bartei Die eigenen Sorgen und Notwendigkeiten. Die Zeit, wo die Arbeit­nehmer sich mit schönen Gesten zufrieden gaben, ist endgültig vorbei.

Gegen die Zutellung der Aschenbrödelrolle in der Partei und im Staate werden sich die Arbeitnehmer mit aller Energie zur Wehr sehen.

Bir reden nicht der Gleichmacherei das Wort, aber wir machen Front gegen eine tastenmäßige Abgeschloffenheit der oberen gegen die unteren Bolfsschichten; wir en heben Einspruch gegen die Niederhaltung der aufstrebenden, fähigen

Gegen Deutschösterreich sind sie scharf!

Wien  , 17. Januar( Cigenbericht).

Die liquidierende Militärkontrolle in Deutschösterreich soll mit dem 31. Januar aufhören. Die Botschaftertonferenz hat deshalb ver langt, daß Desterreich bis zu diesem Zeitpunkt ein Gesez über das Verbot der Erzeugung und der Ein- und Aus. fuhr von Kriegsgeräten verabschiedet. Dem hat der Na­ tionalrat   am Dienstag entsprochen.

In der Debatte stellte Genoffe Dr. Ellenbogen feft, daß Defterreich, obwohl es den Friedensvertrag Ional erfülle, ge­zwungen sei, abzurüsten, während die Siegermächte ruhig zufähen, mie Ungarn   rüfte. Es liege geradezu eine Berschwörung Italiens   mit Ungarn   gegen den europäischen   Frieden vor.

Otto Braun   über den Einheitsstaat.

Die Länderkonferenz ohne Ergebnis.

Die Länderkonferenz deskutierte gestern über die Referate| union, die sich zwischen der preußischen Regierung, zwischen der und hörte dann ein weiteres Referat des preußischen Finanz­ministers Dr. Höpter- schoff.

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Das einzig pofitive Ergebnis dieser Konferenz sind die Reden, die in ihrem Berlaufe gehalten wurden. Sie lassen erkennen, daß von dieser Konferenz feine Förderung des Einheitsstaatsgedankens ausgehen wird es sei denn, daß die Empörung über die reaktionär- fonservativen Darlegungen der partikularistischen Kirchturmspolitiker aus Bayern   und Württemberg   den Eifer der Freunde des Einheitsstaates anfacht.

Ein einziger Redner hat in großem Stile von staats­politischen Gesichtspunkten aus das Problem, feine Größe und Schwierigkeiten gezeigt der preußische Minister präsident Otto Braun  . Seine wahrhaft staatsmännische Rede läßt den mangelnden Führungswillen der Reichs­regierung, Ideenlosigkeit und Beschränktheit der reaktionären Regierungen um so schärfer hervortreten.

preußischen Spiße und der Spizze der Reichsregierung ergaben. In Weimar   hat man diese Grundlage verlassen. Man hat einen Schritt zum unitaristis hen Staat, zur größeren Vereinheitlichung unseres Staatswesens getan, ist aber diesen Schritt nicht zu Ende gegangen und

aus dieser Halbheit ergibt sich die ganze Unhaltbarkeit des heutigen Zustandes.

Den Ländern ist die Staatshoheit mit ihrer Verantwor tung überlassen; es ist ihnen aber das Rückgrat jeder Staatshoheit, das heißt die Finanzhoheit, im wesentlichen genommen. Da liegt die Wurzel des ganzen Uebels, und das wird immer schlim­mer, je mehr die Reichsgesetzgebung den Ländern weitere Auf­gaben mit weiteren Belastungen und weiteren Kosten zuweisen muß, ohne für die Finanzierung, ohne für eine finanziell befrie­digende Regelung Gorge tragen zu fönnen. Solange unsere staats­rechtlichen Verhältnisse diesen unbefriedigenden, sagen wir einmal Die großzügige Rede Otto Brauns wurde am Monfaft labilen Zustand haben, so lange werden wir auch nicht zu einer tag nachmittag gehalten. Die Reichspresse stelle, präzisen Regelung des Finanzausgleichs zwischen Reich und Län­die die Berichterstattung übernommen hatte, ließ den Bericht bern gelangen fönnen. der Berliner   Presse am Dienstag abend zwischen 7 und 10 Uhr zugehen.

Hätte Otto Braun   diese Rede am Vormittag im Reichstag gehalten, so hätten die Berliner   sie eine Stunde später in allen Zeitungen lesen fönnen. Es scheint, daß Die Reichspressestelle beweisen wollte, daß Beamte feine Journalisten sind.

Die Rede Otto Brauns.

Auf der Länderkonferenz führte der preußische Minister präsident, Genoffe Otto Braun  , am Montag aus:

feit

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Ich habe das, was ich zum Einheitsstaat zu sagen habe, pro­grammatisch bereits vor einiger Zeit in einem Bortrag gefagt. Dieser Vortrag ist schon vor einem Jahre im Drud erschienen. Zu meiner Freude tann ih fonstatieren, daß eine Einmütig­und das ist in der jezigen Zeit immer schon etwas zwi fchen allen Herren, sei es im föderativen, sei es im unitazistis hen Lager, darüber besteht, daß die augenblicklichen staatsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Verhältnisse in Deutschland   unbefriedi gend und demgemäß auf die Dauer unhaltbar find, und zwar unhaltbar aus finanziellen wie aus allgemeinen staats­politischen Erwägungen.

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Ich lege dabei das möchte ich vorweg bemerken auf die finanzielle Seite tein so großes Gewicht. Ich lege das Shmer. gewicht auf die staatspolitifhen Berhältnisse, die meiner Meinung nach in dem alten Reiche nur erträglich waren durch die Hegemonie Preußens und der Berjonat.

Damit komme ich auf eine Frage, die hier ja sehr eingehend erörtert worden ist: ob es notwendig und auch finanziell zwed­mäßig ist, alle heutigen innerstaatlichen Gebilde aufrechtzuerhalten. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß fleine Länder, die den Willen und die Kraft zur Eigenstaatlichkeit haben, gegen ihren Willen nicht gezwungen werden können, ihre Elgenstaatlichkeit aufzugeben. Wenn mir rein egoistisch- preußisch denken, ist jeder derartige Anschluß für uns fein Gewinn. Denn, meine Herren, die solventen Länder kommen ja nicht, es fommen ja nur die bankrotten! Ich habe fürzlich bei mir eine Zusammenstellung der Gemeinschaftsver­träge zwischen Preußen und anderen Ländern machen lassen, und es ist festgestellt worden, daß Preußen zurzeit 389 derartige Berträge mit einzelnen benachbarten Ländern auf den verschie densten Gebieten hat.

Wir werden sehr bald dahin kommen müssen, gewisse En- und Erklaven der kleinen Länder aufzusaugen". Ich mache jedoch fein Hehl daraus, daß das Berschwinden dieser Enklaven und das Ber­schwinden der kleinen Länder nichts weiter als einige Schönheits­febler beseitigen wird, ohne das Grundübel irgendwie an der Wurzel anzufassen. Herr Staatspräsident Bazille glaubt, der Einfluß Preußens im Reichsrat sei noch viel zu start, und müsse noch wesent­lich geschwächt werden. Wie das über das jetzt schon beliebte Maß hinaus möglich Tein soll, ist mir nicht recht verständlich.

Wenn mun Herr Staatspräsident Bazille meint: Ja, bie Breußen sind heute doch noch gar zu start bevorrechtet, denn bie wählen ja zu zwei Dritteln den Reichspräsidenten und zu zwei Dritteln ben Reichstag, lo nehmen Ele