Morgentusgabe.
Nr. 41
A 21
45. Jahrgang
Böchentlich Biennis monaffid 3. Reichsmart im voraus zebibes. Unter Streifband Jn unb Aus land 5.50 Reichsmart pre Monat
Der Bormårts mit der luftrter ten Sonntagsbeilage Boll und Zeit fowie den Beilagen Unterhaltung und Biffen Aus der Filmwelt", Stadtbeilage.Frauenftimme Der Kinderfreund Jugend- Bor wärts" Blid in die Büchermelt", Kulturarbeit" und Technit erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal
Mittwoch 25. Januar 1928
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Zu einer Sensation gestaltete sich der Zusammenbruch der Berufungsverhandlung in einem Beleidigungsprozeß, bei dem der Großagrarier Dr. Josef Limbourg aus Bitburg sich gegen den Vorwurf separatistischer Umtriebe zu reinigen versucht hatte.. Im Oktober vorigen Jahres hatte die erste Instanz den Schriftleiter des Kölnischen Stadtanzeigers Dr. Franz Rodens von der Anklage der Beleidigung freigesprochen, der behauptet hatte, Libourg habe mit feparatistischen Kreisen Umgang gepflogen und sei auch nicht von seinem Bruder abgerückt, obwohl dieser für Zwecke der Sonderbündelei 5000 Franten geopfert hat. Der FreiSpruch hatte politische Bedeutung.
Josef Limbourg galt und bekannte fich als rechtsgerichteter Manni. Es erregte berechtigtes Aufsehen, daß er sich nicht nur in den Bro vinziallandtag der Rheinproving wählen ließ, sondern auch sonst das Bestreben zeigte, eine politische Rolle in der deutschen Republik zu spielen, die er nach den Anschuldigungen der Kölner Preffe früher preisgegeben hatte. Für seine politische Parteistellung spricht auch die Tatsache, daß er sich die bekannten deutschnationalen Anwälte Sad und Hahn bei der Berufungsverhandlung zu Berteidigern verschrieben hatte.
Seit dem letzten Mittwoch, also eine volle Boche, ging die Verhandlung, die zahlreiche interessante Momente aus der Zeit der großen Unruhe und Besorgnisse des Rheinlandes im Kampf gegen die von den Franzosen unterstüßten Separatistenumtriebe zutage brachte, jedoch die entscheidenden Punkte der gegen Limbourg er hobenen Beschuldigungen nicht gänzlich zu flären vermochte. Gestern, am sechsten Berhandlungstage nun erfolgte die Bernehmung des Bruders Limbourgs, Peter, der trop der vorangegangenen belastenden Aussagen jeden Berkehr mit Dr. Dorten abzuftreiten versuchte. Obwohl er auf die Bedeutung feines Eides aufmerksam gemacht worden war, erklärte Peter Limbourg selbst nach Borhalt eines Briefes, der 1919 an Dorten geschrieben worden war und seine Unterschrift trug, daß er von diesem Briefe nichts wisse. Er ver neinte weiter die bestimmte Anfrage, ob er auch später nicht an den Separatistenhäuptling Dorten geschrieben habe. Unter großer Spannung verlas nun der Berteidiger folgenden Brief Peter Limbourgs, der mit der Hand geschrieben ist und noch heute
ein Dokument für die Zusammenarbeit der Separatisten mit den
theinisten Sonderbündlern ist:
Hansa Hotel Wiesbaden, den 1. 11. 23.
Sehr geehrter Herr Dorten!
Bergeblich habe ich heute versucht, Sie zu sprechen. Bei uns Im Kreise Bitburg find Zustände, die auf die Dauer nicht haltbar sind. Wie sie sich persönlich im Jahre 1919 überzeugt haben, war danials die Stimmung unter der Landbevölkerung und den MittelStädten vorzüglich, und ich behaupte nicht zu viel, wenn ich sage, der Kreis Bitburg war der Musterkreis.
Diesen Erfolg hatten wir hauptsächlich durch die intensive Arbeit der Ortsbauernräte unter Leitung von Herrn Pfarrer Bormann, der ein wahrer rheinischer Patriot ist. Da Herr Bormann, mein Bruder und ich nun nicht im Sinne von Berlin arbeiteten, sondern im Interesse unserer rheinischen Heimat, wurden wir von den Berliner Mugnießern bekämpft. Diese Leute stehen im Bunde mit den Herren Adenauer und Kaas. Herr Adenauer hat von Herrn Stresemann den Auftrag, die sogenannte„ legale Republik " aus zurufen, d. h. eine bolichemistische von Berlins Gnaden. Herr Bierbrauereibefizer Joseph Simon, der stellvertretender Landrat ist, hat Herrn J. P Well in Bitburg erklärt, daß er nur auf die Berliner legale Republik warten würde. Der jezige Bürgermeister Meferidh, Notar Wolff, Dr. Wäsche, Kreistierarzt Broll und Abgeordneter Nenses sind diejenigen, die die rheinische Bewegung im Kreise Bit burg immer bekämpft haben und von Herrn Kaas geleitet werden. Diese Leute warten nur darauf, bis Berlin die sogenannte legale Republit ausruft, um uns dann in den Rüden zu fallen. Dieje Leute sind auch diejenigen, die, als Sie, hochverehrter Herr Dorten, in Bitburg sprechen sollten, mit Hilfe von Herrn Landrat Graf Adelmann, dafür sorgten, daß Sie verhaftet werden sollten.
Dies sehe ich mich verpflichtet, Ihnen mitzuteilen. Mit treuem rheinischen Gruß
Ihr ergebener P. Limbourg.
Die Rückseite des Briefes trägt folgenden Bermert: Regierung Trier mit der Bitte um Kenntnis nahme und weiterer Verwertung.
Es dürfen nur durchaus zuverlässige Anhänger an der Spiße der Kreise stehen. Eventuell ist das Erforderliche durch eine militärische Operation zu erzwingen.
Selbstverständlich ist vorher mit den zuständigen Delegierten Rücksprache zu nehmen. B. 2. 11. 23.
Der Generalbevollmächtigte Süd Dorfen.
( Dazu folgender Stempel): Die Oberleitung Süd. Service de Protection de Rhénanie. La
Bauer in Not!
Ein paar Ausschnitte aus der Praxis. Bon H. Tempel Leer, M. d. R.
Bauer in Not- seit nahezu einem halben Jahrhundert hören wir unablässig diesen Schrei. Kein Wunder, daß man dagegen taub zu werden beginnt. Das grollende Schweigen der Millionen Erwerbsloser ist eindringlicher und lauter als der Paukenschlag der Agrarpresse.
Trogdem: Bauerndemonstrationen, Streifdrohungen und 3wangsvollstreckungen an allen Ecken und Enden geben in diesen Tagen dem gewohnten Lärm einen Klang von Echtheit, der aufhorchen läßt. Was ist daran? Bluff oder Not? Rattenfängermelodien der Landbunddemagogen oder Hilferufe der werftätigen Bauernmassen? Ein paar typische Fälle mögen Antwort geben.
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Ein Pachthof an der Nordsee. Massiver Bau, langgestreckt wie die endlose Linie des Deiches. 50 Hektar allerbesten Marschlandes. Gediegenheit, die nichts von Proletarierlos und Erwerbslosenelend weiß. Trotzdem blickt der hagere friesische Bauer in Sorge über die Unendlichkeit der Marsch hinweg. Wasser, soweit sein Auge sieht. Seit Jahren schon fämpft er gegen Ueberflutung und Versumpfung. Die Flußregulierungen haben Stromversehungen in den Seewatten bewirkt. Die Siele die Ausfallstore der Entmässerungstanäle aus dem Binnenland- öffnen sich nur noch turze Zeit oder stecken gar im Schlick fest. Das Land versumpft und wird jauer. Binsen verdrängen die Futtergräser. Die Regenmassen können und können nicht ablaufen. Die Erschließung der Hochmoore bringt neuen Zufluß faurer Wassermengen. Die Ländereien bester after entwerten rapide. Kulturboden
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Dabei sind die Pachtlasten teilweise unerträglich schwer, und es gibt gerade in den Küstenstrichen viele Bachthöfe. Berdoppelte Pachten gegenüber den Vorkriegsfäßen sind nicht felten. Wenn solch ein Unglücksmann zudem nach Naturalwert( Roggen oder Butterpreis) gepachtet hat, der heute doppelt so hoch ist wie bei Antritt der Pachtung, gibt es nichts zu lachen. Dann spürt er ebenso deutlich wie der Industrieproletarier, was es heißt, ausgebeutet zu werden. Das Bodenkapital weiß seine Rente nicht minder unbarmherzig einzufordern als das
Die Bertering Des Briefes to the direction générale Emp3( Der Bächter föreit nach Hilfe. Troh Mufferwirtſchaft
Die Berlesung des Briefes löfte im Gerichtssaal helle Empö rung aus. Während Peter Limbourg die. Richtigkeit des Briefes zugab, aber bestritt, sich an die Absendung erinnern zu können, erflärte nun Josef Limbourg, er hätte den Prozeß nicht geführt, wenn er von diefer Korrespondenz Kenntnis gehabt hätte. Rechtsanwalt Sad teilte dann nicht ohne die Berteidigung vorher scharf angegriffen zu haben griffen zu haben im Auftrage seines Mandanten mit, daß die Be rufungsflage zurüdgezogen sei.
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Damit endete dieser sensationelle Prozeß, der für Peter Lim bourg noch ein böses Nachspiel haben wird. Dieser wurde unter dringendem Meineidsverdacht sofort verhaftet und abgeführt.
Im Abgeordnetenhause gab der Stellvertreter des noch immer franken Ministerpräsidenten Svehla, Monsignore Schramet, eine Erklärung über die St.- Gottharder Affäre ab: Es ist festgestellt, daß die Sendung für die Tschechoslowakei nicht bestimmt ist und daß die Speditionsfirma Brüder Bertowig Eigentum ungarischer Bürger madjarischer Nationalität mit dem Size in dem madjarischen Teile von Slovenste Nove Mesto, genonnt Satoralja- Ujhely, ist. Die polnische Regierung hat den diplomatischen Vertretern der Kleinen Entente am 7. Januar kategorisch erklärt, daß die Sendung überhaupt nicht für Polen bestimmt war. Die Frage alio, für wen die Sendung unter falscher Deklaration bestimmt war, blieb ungeflärt. In Anbetracht dieser Feststellung ist der natürliche Berdacht aufgetaucht, daß es sich um Konterbande nach Ungarn handelte, dem die Einfuhr von Waffen und Munition aus dem Auslande nerboten ist.
rung vorläufig nicht auf einen bestimmten Artikel des Bölkerbund: pattes, da sie der Ansicht ist, daß es sich hier um
eine selbstverständliche Pflicht des Bölferbundrats handelt, und daß es genügt, auf die zum Vorschein verdächtigte Tatfache hinzuweisen.
Dem Völkerbundrat wird gewiß daran gelegen sein, daß jeder Verdacht im Interesse des guten Zusammenlebens der Böller von Mitteleuropa schnell verschwinde. Uns selbst ist daran gelegen, daß es in dieser Angelegenheit nicht zu einem Konflikt oder Mißverständnis zwischen den interessierten Staaten vor dem internationalen Forum tomme. Die Entscheidung über das weitere Vorgehen wird munmehr beim Völkerbundrat liegen.
Die Fraktion ist bereit!
Die Kontrolle Ungarns in dieser Hinsicht steht nach Abberufung Oslo , 24. Januar. ( Eigenbericht.) Der Kontrollkommission dem Bölkerb'und zu, der durch Stimmenmehrheit über die eventuelle Entsendung einer Investigations. Die norwegische Arbeiterpartei hat beschlossen, den tommission ents heldet. Die Tschechoslowatei hat sich in Ueberein ihr vom König angebotenen Auftrag zur Restimmung mit den anderen Nachbarn Ungarns , die zur Kleinen En gierungsbildung anzunehmen. Der Fraktionsvor. bente gehören, und das gleiche Intereffe an der Erhaltung der Friesitzende der Arbeiterpartei, Madsen, ist ermächtigt bensverhältnisse in Europa haben, entschlossen,' bie Aufmer! worden, dem König mitzuteilen, daß die Grundlage famkeit des Bölterbundrates auf den Vorfall von St. für eine Arbeiterregierung vorliege. Tie Partei will Gotthard zu lenten, da die Aufklärung dieses Vorfalles im allge- gegebenenfalls noch im Laufe des heutigen Abends die meinen Intereffe liegt und zur Zerstreuung aller Mißverständ- jenigen namhaft machen, welche der Regierung angehören xiffe beitragen wird. Daher beruft sich die ts hechoslomatische Regie. sollen.
schreit
( Herdbuch. Milchkontrolle, Saatauswahl, Düngungsberatung, felbstverständlich auch Besuch einer guten Landwirtschaftsschule) ein Rückgang!
und
Der Landbund ruft zu Demonstrationen auf. In Bom mern, in Holstein, in Oldenburg. in Friesland , in Schlesien . Taufende strömen zusammen. Bölkische Standalmacher vom Schlage der Weidenhöfer, Münchmeyer Henning finden tobenden Beifall. Die Republik hat schuld! An den Mißernten, am Bargeldmangel, am ewigen Regen und überhaupt an allem! Uralte Rezepte werden zum huna dertsten Male hervorgeholt: Kredite! Steuererlaß! Hochschutzzölle! Aber was versteht die Republik von dem allen?
Der Bauer fühlt sich als Märtyrer der neuen Staatsordnung. Daß der armselige Wattenfischer nebenan. der seit Monaten faum etwas gefangen hat, daß der Landarbeiter mit 9 oder 10 M. Erwerbslofenunterstützung wirkliche Not leidet, oft buchstäblich hungert, fommt ihm faum zu Bewußt sein. An politischem und fozialem Verständnis steht der Bauer fast möchte man sagen durchweg- weit hinter dem Arbeiter zurüď.
Mit Krediten und Zöllen ist hier nichts getan. Wasserregulierung und Bachtschutz sind awei Maßnahmen - neben anderen, die Abhilfe schaffen können.
Einen ausreichenden Schuh gegen Bachtwucher hat der Landbund selbst verhindert, indem er im legten Sommer im Reichstag unter Führung der großen Landbundbarone des Ostens alle dahin zielenden Anträge der Sozialdemokratie niederstimmte.
Das Tempo der Wasserregulierung wird nicht selten gehemmt durch buraufratische Schwerfälligkeit gewiffer Zentralund Mittelbehörden. die Jahre benötigen, wo Monate genügen sollten. Außerdem fehlt es an öffentlichen Mitteln auch für die dringendsten Projekte, deren Verwirklichung nicht nur eine immense Steigerung der landwirtschaftlichen Broduktionskraft, sondern zugleich Arbeitsgelegenheit für Tausende von Landarbeitern schaffen würde. Aufgabe der Regierungen, der Parlamente, der Berufsorganisationen.
Eine Kate irgendwo im Hochmoor. Beklemmende Dürftigkeit. Berzehrendes Ringen mit dem Boden. Ausgemergelte, Gesichter.
Rein Pfennig Bargeld im Hause. Der Torf ist nicht troden geworden; regennaß steht er noch jetzt im Moor, un verfäuflich. Die Stelle ift an sich zu klein für eine Familie. - und mehr nennen Taufende dieser Ein paar Hektar Land Landproletarier nicht ihr eigen reichen trog ihrer faft unglaublichen Bedürfnislosigkeit eben nicht aus. Dazu niedrige
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