Morgenausgabe
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45. Jahrgang
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Donnerstag 26. Januar 1928
Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.
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Bayern- ein warnendes Beispiel! Auf abschüffiger Bahn.
schen Landtag bei den Beratungen zum Kultusetat Gegenstand heftiger Auseinandersegungen. Der Unwille über die schlimmen Auswirkungen des Konkordats macht sich auch bei den bürgerlichen Rednern immer deutlicher bemerkbar.
Die führerlose Finanzpolitit.
Das Agitationsbedürfnis der Deutschnationalen droht zu einer Staatsgefahr zu werden. Durch eine monateund tobt nun, weil die uferlosen Forderungen nicht erfüllt lange Agitation ist die Landbevölkerung aufgehezt worden werden können. Die Gewissenlosigkeit der Deutschnationalen fchen 3eitung" ruft der ehemalig fönigliche Landrat" Im Hauptausschuß des Reichstages hat der Bauernbündler von Herzberg die Bauern auf, auf die Straße zu gehen. Kling dasselbe getan und mit dem Sturm auf die Finanzämter gedroht. Der pommersche Landbundführer I andrey erklärte, die Lunte liege schon am Pulverfaß und die Sozialdemokraten hätten die Revolution nicht allein in Erbpacht genommen. Selbstverständlich fehlt auch
Der Bildungsausschuß des Reichstages befchäftigte sich Das vor vier Jahren abgeschloffene Kontorbat des baye auch gestern mit der Koſtenfrage des Reichsschulgesetzes. Reichs rischen Staates mit der römischen Kirche ist zurzeit im Bayeri finanzminister Köhler weist darauf hin, daß die Erklärung Keudells und des Landbundes kennt feine Grenzen. In der Deut teine Ressorterklärung, sondern eine Erklärung des Gesamt tabinetts gewesen sei, das sich durchaus einmütig auf den Standpunkt der Erklärung gestellt habe. Bei der Neuregelung der finanziellen Berhältnisse zwischen Reich und Län dern, die den Laftenausgleich in sich schließe, werde man in den Jahren nach Einführung des Reichsschulgesetzes und wenn die fi nanziellen Auswirkungen des Willens der Erziehungsberechtigten tatsächlich zu übersehen seien, selbstverständlich auf diese neuen Berhältnisse Rücksicht zu nehmen haben.
Der sozialdemokratische Mitberichterstatter Dr. Högner stellte fest, daß auch der stärkste Bessimist beim Inkrafttreten des Konkordats nicht annehmen konnte, daß sich die Auswirkungen so bald schon zeigen würden, und daß die Kirchenbehörden so untlug sein würden, den Bogen vorzeitig zu überspannen!„ Der Bolfsschullehrer ist bereits vollständig dem Willen der kirchlichen Oberbehörden ausgeliefert. Der Staat macht sich zum Handlanger der Kirenfürsten, anstatt sich schützend vor seine Beamten zu stellen. Es ist beispielsweise den katholischen Lehrern an einer bayerischen Bekenntnisschule unmöglich, fich ein zweites Mal zu verheiraten, wenn seine geschiedene erste Frau noch lebt; auch dann nicht, wenn er unschuldig geschieden ist, wenn 3. B. seine Frau unheilbar geiftestrant ift." Högner wies an Hand von Zusammenstellungen des bayerischen Lehrervereins ferner auf eine Reihe von Fällen hin, bei denen Bolksschullehrer, weil sie eine zweite Ehe eingegangen waren, auf Befehl der Kirchenbehörden durch die Regierung vom Dienste dispensiert wurden. Ein Lehrer wurde vom Dienste enthoben, weil er ein hiftorisches Buch über den Bauernfrieg verfaßt hatte, in dem naturgemäß die Fehler der damaligen Kirche aufgezeigt wurden. Ein Pfarramt ging sogar so meit, eine Lehrerin zu verweisen, weil sie als Gruß das Grüß Gott!" anstatt des fatholischen„ Gelobt sei Jesus Christ us" eingeführt hatte; Grüß Gott fel tein fatholischer, sondern ein simultaner
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Gruß!!
Angesichts solcher Fälle bedeuten die Sicherungen, die das Nonforbat enthält, nur noch ein Fetzen Papier , denn die Kirche wird auch fünftig nicht gewillt sein, auch nur eine Handbreit von den so leicht gewonnenen Rechten abzutreten. Selbst der Redner der Bayerischen Volkspartei mußte zugeben, daß die angegebenen Fälle zwar schon vor dem Konkordat die Möglichkeit zum Einschreiten gegen die Lehrer gegeben hätten, daß aber das konkordat dem Staate
das Einschreiten zur Pflicht mache.
Der Reichsbahn- Luther.
Er mucht noch auf, statt zu verschwinden. Der frühere Reichskanzler Luther , der sich von seinem Böstchen beider Reichsbahnverwaltung absolut nicht trennen will, verschickt jetzt durch die Nachrichtenbureaus eine lange Erklärung, die in seiner bekannten Kaltschnäuzig feit auf die Meinung hinausläuft: 3hr fönnt mir den Buckel naufsteigen!"
Der Mann hat die Stirn, sich auf einen Rechtsstand punti" zu stellen und es gar noch als harte politisch moralische Pflicht" anzusprechen, wenn er auf seinem ufur pierten 24 000- Mart- Posten ausharrt! Er folgert so: Der Staatsgerichtshof hat nicht gesagt, daß einer gehen soll, er hat nicht gesagt, daß ich gehen muß, deshalb muß ich bleiben, bis Preußen in einem neuen Prozeß vom Staatsgerichtshof genauen Bescheid erhält. Einstweilen halte ich mein Amt auf sechs Jahre fest und kein Reichskanzler kann mich zu anderer Haltung umstimmen!
Tatsächlich liegt die Sache so flar, daß keine juristische Deutungskunst sie verdunkeln fann: Als Geheimrat Arnhold starb, der bisher als preußischer Vertreter ernannt war, wurde Luther gegen den Widerspruch Preußens zu seinem Nachfolger gemacht. Diese Ernennung erkannte Breußen nicht an, sondern flag te um sein Recht beim Staatsgerichtshof. Während der Prozeß schwebte, wurde Luther ausgelost, aber schleunigst wieder ernannt. Diese Ernennung war ein ganz gewollter Borstoß gegen die Abmachungen mit Preußen. Der Staatsgerichtshof hat wegen dieser Ernennung sein Urteil gefällt.
Aber der Luther, der eine Zeitlang Reichskanzler spielen durfte, bis ihn die Empörung der Republikaner hinwegjagte, stellt sich lächelnd hin: Der Staatsgerichtshof ist nichts, die Industrie ist alles! Das Recht muß schwinden, menn die Wirtschaft" herrschen will!
Abg. Biester( Soz.) hält die Ausführungen des Reichsfinanz ministers für überraschend und wendet sich der Kritik der Kostenregelung im einzelnen zu. Die Koften, die den Gemeinden aus dem Schulgeseß erwüchsen, seien geradezu ungeheuerlich. Ministerialdirektor Kästner- Preußen erklärt, es müsse mit allem Ernst betont werden, daß es bei der Kostenfrage um die Existenz des gesamten preußischen Volksschulwefens gehe. Dabei sei noch zu berücksichtigen, daß sich Preußen bei der Kostenberechnung stärkste Zurückhaltung bei Annahme einer einprozentigen Absplitterung auf erlegt habe. Jedenfalls feien 30 millionen im Vergleich zu den zu erwartenden Kosten tein Aequivalent. Ministerialdirektor Dr. Poetsch Sachsen erklärt, daß allein für Sachsen durch die Ausführung des Reichsschulgefeßes eine Gesamttapitalbelastung von rund 100 millionen entstehen würde. Die vom Reich geplante Kostenregelung bedeute nichts anderes als eine Aushöhlung der Finanzkraft der Länder. Dem müsse beim endgültigen Finanzausgleich Rechnung getragen
merden.
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Bürgermeister Spitta- Bremen erflärt, daß die Kostenberech mungen Bremens auf das genaueste vorgenommen worden seien. Ein besonders erschwerendes Moment jei, daß in Bremen sich eine große Zahl von Lehrern weigern werde, Religionsunterricht zu
erteilen.
Abg. Schulz( Soz.) unterstützt die Ausführungen des Vorredners und beschäftigt sich mit der Erklärung des Reichsfinanzministers. Bis dato seien Schulgesetze stets an der Kostenfrage gescheitert. Mit der Abfindungssumme von 30 Millionen wolle sich diesmal das Reich loskaufen von all den Kosten, die aus der Durch führung des Schulgesetes erwachsen müßten. Darin liege die große Gefahr für die künftige Entwidlung des
Schulwesens.
Die nächste Sigung findet am Donnerstag statt.
die Drohung mit dem Produktionsstreit der Landwirtschaft nicht.
Was tut dagegen die Reichsregierung? Daß der Reichsernährungsminister Schiele, selber ein Landbundführer, wenn er auch nicht alle Aeußerungen billigen mag, hinter dieser Heze steht und die unerfüllbaren Forde= rungen vertritt, ist selbstverständlich. Etwas anderes aber sollte man von dem Reichsfinanzminister Dr. Köhler er warten, dem die ungeheuer schwierige Aufgabe obliegt, die Reichsfinanzen in Ordnung zu halten, neue Steuerlasten zu vermeiden und unerfüllbaren Wünschen entgegenzutreten. Auf steuerlichem Gebiet haben die Agrarier die Uebernahme der Rentenbankgrundschuldzinsen in Höhe von 75 Millionen auf die Reichskaffe verlangt. Der Interfraktionelle Ausschuß hat diesen Plan fallen gelassen, weil ihm wesentliche reparationspolitische Bedenken entgegenstehen. Statt deffen hat man die Zustimmung des Reichsfinanzministers zu einer Reihe anderer steuerlicher Maßnahmen erreicht. Die Richtfäße für die Einkommen und Umja z ft euer für die nicht buchführenden Landwirte sollen bei den Abschluß- und Vorauszahlungen der Abfazlage angepaßt werden. Die Zinsen für die Steuerrückstände will man niederschlagen. Mit diesen Plänen könnte man sich einverstanden erklären. Die buchführenden Landwirte, also die Großgrundbefizer, zahlen ohnedies nur in den seltensten Fällen Einkommensteuer. Das neue Zugeständnis kommt also im wesentlichen den Klein- und Mittelbauern zugute, bei denen mit Recht eine große Empörung herrscht, weil sie durch die bisherige Gesetzgebung steuerlich wesentlich stärker belastet wurden als die Großgrundbesizer. Da der Gesamtertrag der Einkommensteuer, die die Landwirtschaft zahlt, wesentlich unter hundert Millionen bleibt, so ist die Anpassung der Richtfäße auch finanziell von nicht allzu großer Bedeutung.
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Anders aber steht es mit der Absicht der Erleichterung der Vermögenssteuerzahlung bei der Landwirtschaft. Es wird daran gedacht, eine oder gar zwei Raten der Bermögenssteuer vollständig zu erlassen. Das würde einem Steuererlaß von etwa 50 Millionen gleichkommen, bei denen der wesentlich größere Teil dem Großgrundbesit London , 25. Januar. ( Eigenbericht.) zugute täme. 3u einem solchen allgemeinen Steuererlaß liegt Der britische Ministerrat hat die Grundzüge seines aber nicht die geringste Veranlassung vor. Es profitieren von Arbeitsprogramms für die nächste Session endgültig fest ihr nicht nur diejenigen Landwirte, die sich in unverschuldeter gelegt. Wie verlautet, wurde unter dem Druck der Unter- Notlage befinden, sondern alle Landwirte ohne Rücksicht auf nehmer die geplante Ratifizierung des Washing . ihre persönlichen Verhältnisse und ohne Rücksicht auf die Rentoner Abkommens und des Fabritgesetes Denn was der Landwirtschaft recht ist, das ist anderen Ere tabilität ihrer Unternehmungen. Das ist sachlich unberechtigt. fallen gelassen. Ferner kam man überein, das gewerbsständen billig, und wenn mit dem Abbau der Berplante Armengeset den Agrariera zuliebe eben mögenssteuer begonnen wird, dann wird es bald mit der falls auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben. Dagegen ganzen Vermögenssteuer vorbei sein. soll in der kommenden Parlamentssession der Geseų. entwurf über die Ausdehnung des weiblichen Wahlrechts auf sämtliche Frauen vom 21. Lebensfahre behandelt werden. Zweifelhaft ist jedoch, ob dieses Gesetz auch verabschiedet wird. odded
Gegenaktion der Gewerkschaften.
Der Generalrat der britischen Gewerkschaften beschloß, alles zu versuchen, um die Ratifizierung des Washingtoner Abkommens durchzu feßen. Der Vertreter der englischen Arbeitnehmer im Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes wurde beauftragt, die Frage der Ratifikation des Washingtoner Abkommens in der im März stattfinden den Sizung wieder zur Debatte zu stellen und mit allem Nachdruck eine beschleunigte Ratifizie rung zu fordern.
Der fommunistische Abgeordnete Marty murde in Boulogne verhaftet. Damit ist es der französischen Polizei gelungen, einen der brei verurteilten fommunistischen Abgeordneten, die es Dorgezogen haben, fich nach der Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität verborgen zu halten, anftatt freiwillig ins Gefängnis zurückzukehren, festzunehmen. Der Aufenthalt der Abgeordneten
Aber gerade mit diesem Plan scheint der Reichsfinanzminister Dr. Köhler einverstanden zu sein. Es verlautet nicht einmal etwas davon, daß er dagegen Widerstand geleistet 50 Millionen decken will. Herr Köhler scheint also vor der habe und wie er den dadurch entstandenen Ausfall von Agitation der Agrarier tampflos tapituliert zu haben. Wie anders stand er doch im Dezember da, als es sich um die Durchführung des gesetzlichen Anspruchs der Damals hat Herr Köhler nicht nachgegeben. Damals redete Lohnbezieher auf Ermäßigung der Lohnsteuer handelte! er von den leeren Kassen des Reiches. Damals zwang er die Regierungsparteien, die Ler Brüning zu mißachten und die Lohnsteuerbelastung zu erhöhen. Es handelte sich eben um Arbeiter, nicht um Agrarier.
Herr Köhler ist aber auch sonst ein schwacher Mann, wenn es sich um Wünsche seiner eigenen Regierungsparteien handelt. Sein Gefeßentwurf über die Schlußregelung der Liquidationsschäden ist nach den bisherigen Angaben der Reichsregierung das äußerste, was mit dem. Finanzintereffe des Reiches zu vereinbaren ist. Aber kaum maren die Regierungsparteien eine nach der anderen aufgeftanden und hatten weitergehende Forderungen zugunsten der großen Kapitalisten vertreten, da wurde Herr Köhler weich, und man rechnet bereits ziemlich sicher damit, daß er auch auf diesem Gebiete jezt plößlich zur Hergabe weiterer Reichsmittel bereit sei
Bon einer Führung in finanzpolitischen Dingen ist bei