Morgenausgabe
Nr. 45
A 23
45. Jahrgang
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Vorwärts
Freitag 27. Januar 1928
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Der Skandal um Dr. Luther.
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Bergebliche Vernebelungsversuche.- Die Bezüge des Dr. Luther.
Die Presse der Rechten fucht den Standal Luther weiter totzu. schweigen mit Ausnahme der Deutschen Allgemeinen Zeitung", die pflichtgemäß den Versuch gemacht hat, den Standal zu vernebeln. Zur Entlastung des Herrn Dr. Luther hat die„ DAZ." in ihrer Nr. 40 behauptet, der Feldzug gegen Luther werde von der Linken ,, nicht ohne Spekulation auf die Volksleidenschaft des Neides" fo dargestellt, als ob die Lösung des Streitfalles nur oder hauptsächlich baran scheitere, daß Reichstanzler a. D. Luther nicht auf die Ein nahmen aus seiner Tätigkeit im Berwaltungsrat verzichten wolle". Sie fährt dann fort:„ Sie verschweigt aber dabei, daß diese Bezüge Herrn Dr. Luther auf seine Reichstanzler penfion angerechnet werden!"
Diese Bemerkung scheint nicht ohne Spekulation auf die Unfenntnis des Publikums mit dem geltenden Pensionsrecht entstanden
zu sein. Sie sucht die Dinge so darzustellen, als ob Herr Luther dus reinster Selbstlosigkeit auf seinem Poften bei der Reichsbahn beharre, ohne einen materiellen Borteil davon zu haben. Diese Bemerkung täuscht die Oeffentlichkeit über die wahren Verhältnisse
hinweg.
Die Stellung des Herrn Dr. Luther im Verwaltungs. rat der Reichsbahn garantiert ihm also bis zum Jahre 1931 das volle Gehalt, das er bei seinem Ausscheiden als Reichskanzler bezogen hat.
Er bezieht also jetzt 13 635 Mart mehr als vor seiner Berufung in den Berwaltungsrat der Reichsbahn. Die Darstellung der Deutschen Allgemeinen Zeitung" hat die Bezüge Dr. Luthers als Verwaltungsrat der Reichsbahn vollständig verschwinden laffen. Die Deffentlichkeit erkennt jegt, wie die Dinge finanziell liegen: Herrn Dr. Luther ist auf sechs Jahre sein Gehalt garantiert worden Roften des Rechtes Preußens. Dr. Luther ist auf sechs Jahre sein Gehalt garantiert worden
Dem Verdienst die Medaille!
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auf
Der am Donnerstag in Breslau abgehaltene 9. Schlesische Landbundtag hatte sich als Hauptreferenten den ehemaligen Reichskanzler Dr. Luther erforen. Vor Eintritt in die Tagesord nung wurde ihm unter dem Hinweis darauf, daß während seiner Regierungszeit wenigstens einmal eine Art Dittatur
geherrscht hat,
die Berdienstmedaille des Schlesischen Landbundes überreicht. Dann legte Luther los. Er zeterte trop feines 700- Millionen Geschents an die Industrie nicht nur gegen die mangelnde Sparsam teit der Behörden, sondern auch gegen die soziale Fürsorge Anschließend eiferte ihm der Vorsitzende des Schlesischen Landbundes, retberr v. Richthofen, nach. Er wünschte, daß teine neuen Schulpaläfte entstehen, und forderte ebenfalls, daß die Ueberfülle von Berpflichtungen aus der Sozialgefeßgebung endlich aufhöre. Bon der Arbeitslosenunterstützung sprach er als von einer perversen Blage, die nur geeignet sei, den Arbeitswillen weiter schwächen. Außer der Sozialdemokratie wurde auch der klein bauernbund in der übelften Weise beschimpft.
Herr Dr. Luther bezog vor seiner Ernennung zum Verwaltungsratsmitglied der Reichsbahn als Reichstanzler a. D. eine Pension pon jährlich 23 115 Reichsmart. Bon der Reichsbahn be zieht er jährlich 24 000 Reichsmart, zusammen also 47 15 2. Da aber die Einnahme aus der Reichsbahn ein Bezug aus öffent fichen Mitteln ist, so darf sie nach§ 57 des Reichsbeamtengefeßes zufammen mit der Pension das Dienfteintommen nicht übersteigen, das dem Reichskanzler am Tage seines Ausscheidens zustand. Dieses Diensteinkommen Dr. Luthers betrug am 13. Mai 1926, dem Tag feines Sturzes über den schwarzweißroten Flaggen- au ffandal, 36 750 m.
Dr. Luther bezieht jeßt nicht mehr 23 115 Reichsmart Benfion, fondern nur noch 12 750 M., dazu aber ungefürzt die Bezüge als Berwaltungsrat der Reichsbahn, zusammen 36 750 Mart.
Die Tagung endete mit einer Entschließung gegen den Abschluß eines Handelsvertrages mit„ bem unterpalutarischen und fozial rüdständigen Bolen. Die Entschließung richtete fich offensichtlich gegen die Außenpolitit Stresemanns
Danzig , 26. Januar.( Eigenbericht.)
Im Namen der aus Sozialdemokraten, Deutschliberalen und Zentrum neugebildeten Regierung gab Senatspräsident Sahm eine Regierungserklärung ab. Als oberster Grundsatz wird die ver trauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bölkerbund bezeichnet. Die Regierung fieht ferner als ihre vornehmste Aufgabe an, einen Fortschritt in der Entwicklung des Verhältnisses zwischen der Freien Stadt Danzig und Polen herbeizuführen, damit den wirtschaftlichen Bedürfnissen beider Staaten genügt werden kann. Sie appelliert dabei an den Verständigungswillen Bo fens, der kürzlich durch Erklärungen des polnischen Außenministers unzweideutig zum Ausdrud gekommen sei, und stellt sich loyal auf den Boden der in Versailles geschaffenen Verhältnisse.
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Darüber hinaus soll die Erhaltung und der Ausbau der zwischen dem Deutschen Reich und der Freien Stadt Danzig bestehenden kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen für den Senat eine selbstverständliche Pflicht sein. Vor allem legt die Regierung auch Wert auf Teilnahme an den deutsch - polnischen Handelsvertragsverhandlungen, um ihre Interessen wahrnehmen zu können. Sie will ferner darauf bedacht sein, die alten Handelsbeziehungen mit Rußland und den davorliegenden Dststaaten wieder herzustellen. Angesichts der unsicheren Wirtschaftslage und der bestehenden Arbeitslosigkeit soll die Danziger Wirtschaft geschüßt und gefördert und insbesondere die Konkurrenzfähigkeit Danzigs als Handelsplay erhalten und gestärkt werden. Dabei wird der Ausbau des Danziger Hafens an erster Stelle stehen. Innenpolitisch beabsichtigt der Senat, dem Volkstag baldigst Gefeßesentwürfe zur Durchführung der Verfassungsänderun gen vorzulegen. Mit großer Sorgfalt foll an die Ordnung der Staatsfinanzen gegangen werden. Der bereits beschlossene Abbau von 800 Staatsbediensteten wird bis zum Ablauf des Jahres er. folgen, ferner ist eine Reform der Verwaltung vorgesehen. Die noch bestehende Einwohnerwehr wird schleunigst abgebaut.
Auf sozialem Gebiet vertritt die Regierung eine Ausgestaltung des Arbeitsrechtes im Anfluß an die Reichsgefeßgebung. Die foziale Fürsorge wird nach Möglichkeit ausgebaut. Einer Neuregelung bebarf die Beschäftigung der polnischen Saisonarbeiter. In'
Sabotage!
Wer führt in der deutschen Wirtschaftspolitik?
Im September vorigen Jahres stellte die Beratungs stelle für Auslandsanleihen die Genehmigung zur Aufnahme neuer Auslandsanleihen der öffentlichen Hand, im besonderen der Kommunen, auf Betreiben des Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht ein. Daß die Frage der Anleihepolitik gegenwärtig in Deutschland zu den entscheidenden Aufgaben der Wirtschaftspolitik gehört, daß auf die zur Erschütterung der Konjunktur und zu neuer MassenDauer die Drosselung des Kapitalzustroms aus dem Auslande arbeitslosigkeit führen muß, unterliegt feinem Zweifel Das Reich stabinett hat entsprechend der Bedeutung dieser Frage sich bald nach Ausbruch des Konflikts in gemeinsamer Aussprache mit dem Reichsbankpräsidenten mit dieser Kernfrage deutscher Wirtschaftspolitit beschäftigt. Das Ergebnis der Beratung vom 7. Oftober war eine Veröffentlichung, an deren Spize der Sazz stand:
der Schul politik wird der Senat die in der Verfassung festgelegten Sicherheiten ftreng einhalten und darauf bedacht sein, daß die Arbeit der Schule im Geiste des deutschen Volkstums und der Bölfer versöhnung erfolgt. versöhnung erfolgt. Die Besprechung der Regierungserklärung folgt Mitte nächster Boche.
Eine neue 3nsel.
,, Bei dieser Aussprache wurde eine völlige Einmütigkeit darüber erzielt, daß für Deutschland auch in der nächsten Zukunft nicht entbehrt werden könne und wirtschaftlich und finanzdie Aufnahme langfristiger Auslandsanleihen politisch durchaus berechtigt sei."
Amsterdam , 26. Januar. Drahtmeldungen aus Batavia zufolge ist heute morgen an der Stelle der Sundastraße( Niederländisch Indien), an der die unterseeischen Ausbrüche des Inselvulkans Krakatau erfolgen, eine neue Insel entstanden.
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19111
Zur Berhütung der Anleiheaufnahme für nicht dringliche oder unwirtschaftliche Ausgaben wurde eine Ausgestal tung der Beratungsstelle für Auslandsanleihen angekündigt. Ende Oktober wurden die neuen Richtlinien über die Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände festgestellt und von den Betei= ligten angenommen. Die Beratungsstelle nahm trotzdem ihre Arbeiten nicht wieder auf. Der Reichsbantpräsident hielt feine berühmte Hegrede gegen den Kommunalkredit. Aber anläßlich der sozialdemokratischen Interpellation über die Wirtschaftspolitif erklärte der Reichswirtschaftsminister Dr. Curtius am 1. Dezember im Reichstag, daß die Notwendigkeit der Aufnahme von Auslandsanleihen feststehe, und daß das Reichsfabinett unverändert auf dem Standpunkt der oben erwähnten Erklärung vom 7. Ottober stehe. Der Reichswirtschaftsminister erklärte weiter, daß die Beratungsstelle die Konsolidierung des furzfristigen Kommunaltredits mit dem Ziel der Aufstellung eines Anleihebedarfs planes der Kommunen in Angriff genommen habe, und daß auch der Reichsbankpräsident helfen wolle, eine ausreichende Auslandsanleihe für die Kommunen hereinzuholen.
Inzwischen beschäftigte sich die Beratungsstelle mit der Statistit der kurzfristigen Verschuldung der deutschen Städte.
Endlich, am 18. Januar, trat die Beratungsstelle wieder einmal zu einer Sigung zusammen. Die Statistik hatte ergeben, daß die Gesamtsumme der kurzfristigen zu tonfolidierenden Verschuldung rund 700 Millionen Mark betrage, eine Summe, die allerdings nur knapp die Hälfte der früher vom Reichsbankpräsidenten ausgesprochenen Schäzung ausmacht. Da inzwischen sich die Stimmung in Amerita ge beffert hat. da die Kurse der deutschen Anleihen in New York wieder gestiegen sind, und da die jüngste Emission der Ver einigten Elektrizitätswerke Westfalen in New York gute Aufnahme gefunden hat, fann von einem allgemeinen Fehlen der Aufnahmewilligkeit der ausländischen Märkte für deutsche Kommunalanleihen nicht mehr die Rede sein. Man durfte hoffen, daß nun endlich die Beratungsstelle aus einem statistischen Bureau sich wieder zurückverwandeln würde in eine Stelle zur Beratung und nicht zur Hemmung der deutschen Gemeinden. Aber es fam anders: Von dem Eintritt in die Beratung schwebender Anträge derjenigen Großstädte, deren Sonderkredit die Einbeziehung in eine allgemeine Sammelanleihe von vornherein unzweckmäßig erscheinen ließ, wurde abgesehen. Es verlautet, daß der Bertreter der Reichsbank Statistit erhob, und daß er eine Einbeziehung laufender in der Beratungsstelle Einwendungen gegen die Rassenvorschüsse, wie sie bei den Finanzverwaltungen der Gemeinden stets üblich und unvermeidlich sind, und die mit dem Ronfolidierungsbedarf gar nichts zu tun haben, forderte. Der Reichsbantpräsident hat dadurch sein Ziel wieder einmal erreicht. Die Beratungsstelle bleibt weiter mit Statistit beschäftigt, die Aufnahme von kommunalen Anleihen im Ausland wird weiter fabottert.
Es ist bekannt, daß dieser Sabotagepolitit gegen Auslandsanleihen beim Reichsbantpräsidenten ganz be stimmte Ideengänge zugrunde liegen, die einerseits auf Feind schaft gegen die öffentliche Wirtschaft und andererseits auf reparationspolitischen Illusionen beruhen. Das Reichsfabinett hat durch seine Erklärung vom 7. Oftober und durch die Rede des Reichswirtschaftsministers vom 1. Dezember fundgetan, daß es sich mit diesen Motiven des Reichsbant präsidenten nicht identifiziert. Es hat die Notwendigkeit und Nüßlichkeit der Aufnahme langfristiger Auslandsanleihen anerkannt und erklärt, daß es den Drosselungsversuchen gegenüber öffentlichen Unternehmungen fernstehe. Was aber bedeuten diese schönen Worte, menn in der Praris der Reichsfinanzminister, dem die Beratungsstelle untersteht, und der Reichswirtschaftsminister,