Freitag 21. Januar 1928
Unterhaltung unö
fett
Vellage des Vorwärts
Genosse Ltschakow. Von 71. W. Korpoff. La, wir sind miteinander in der Bierhall« bekannt geworden." erzählte der beschäftigungslose Kapellmeister Fusajkin seiner Ehe- Hälfte Tatjanka,„er setzt sich einfach zu meinem Tisch und blinzelt schweigend nach allen Seiten. Zuerst trinkt er einige Glas Bier, — dann trinkt er es unmittelbar aus den Flaschen. Er trinkt und wird immer trauriger. Aha— denke ich mir— ich weiß schon. ivas du für ein Bogel bist. Du Host Angst, daß man dich hier sehen könnte. Für die„Bkrontworllichen", für die ganz„Großen" ist es nämlich mit dem Trinken nicht ganz geheuer, denn wird er Heim Trinken erwischt, kann er zu leicht das„Fliegen" erlernen. Auch dieser da war ein solcher Politiker. Zuerst schwieg er, dann nieinte er bloß, er sei in der Fabrik zur„Roten Flamme" an- . gestellt. In welcher Eigenschaft er dort angestellt sei, wollte er nicht verraten. Aber dann, als ihm das Bier zu Kopf gestiegen war, da legte er doch los:„Ich— sagt« er— bin der erste in unserer Fabrik. Ich— sagt« er— kann sogar auf den Direktor von oben hinabspucken— sagt« er. Wie oft— sagte er— sagt der Direktor zu mir: Mein Lieber, fahre mit dem Automobil— aber ich— sagte er— mache mir nichts daraus— ich fahr' mit dem Rad— warum, weil ich ein einfacher Mann bin..." Wie ich das so gehört habe, da dachte ich mir gleich: Aha, das wird schon so ein „Borfabkom"(Vorsitzender des kommunistischen Fabrikkomitees) oder ein„Berpob"(Verpslegungsobmann) sein. Den— dachte ich mir— mußt du dir warm hasten.— Und gleich fing ich an, mit ihm poli- tisch zu reden,— von wegen der Organisation eines Fabrikorchestsrs. Er war für die Idee sofort begeistert:„Ah— so ein Fabrikorchester — das ist mir das liebste— ohne ein Orchester ist eine Fabrik keine Fabrik.". Wie ich das gehört habe, habe ich ihn gleich eingeladen. uns zu besuchen, und ich habe ihm das Wort abgenommen, daß er bestimme kommen wird. Morgen um drei Uhr kommt er. So, jetzt weißt du alles, Tatjanka— und nun sckau zu, daß du für Morgen eine■ Schüssel voll Maullaschen, Bier und Schnaps besorgst." „Du bist wohl betrunken?" unterbrach ihn seine Tatjanka ärger- lichi„Schon den zweiten Monat verdienst du nicht«ine Kopeke, und ich soll da deine Freunde großmächtig bewirten!..." „Rede nicht so dumm daher," herrschte sie Fusajkin an,„du verstehst nicht, was für einen feinen Plan ich mir da ausgedacht habe. Er kann bestimmt anordnen, daß mir die Organisation des Fabrikorchestsrs übertragen wird,— für den Einkauf der Instru- nient« werden mindestens zweihundert Rubel bewilligt werden, und da kannst du dich schon auf mich verlosten, daß davon fünfzig Rubel in meiner Tasche hängen bleiben werden." „Ach Gott — dann könnte ich mir endlich die Strickmaschin« kaufen, aber weißt du, die mst dem Stopfapparot— lch glaube, es ist'Nr. 5fi. Und Sascha könnte einen Mantel bekommen und Walja ein Paar neue Schuh«..." :::»Du. kannst mit dem Geld« machen, was du willst— aber ich muß unbedingt einen neuen An-ug haben, denn wenn ich dann fcinaisrjnJoU, kann ich doch nicht in diesem geflickten Rock austreten." Sonntag in aller Frühe ging das Ehepaar Fufajkin zum Ein- kauf, und sie kehrten nach einiger Zeit mst vielen Paketen schwer beladen hetm. Der Mittogetstch war mit allerlei schmackhaften Eß- waren beladen, und tn der Mltte thronte ein« ansehnlich« Bier- und Schnapsbatterie. „Er versprach um drei Uhr zu kommen," sagte der Kapell- meister neroös. Cr gab mix sein Wort— ich habe ihn mindestens fünfmal gebeten— sogar die Adresse schrieb ich ihm auf«in Stück Papier auf. Vielleicht sollte man die Maustaschen etwas auf- wärmen?" „Zuletzt kmmnt er überhaupt nicht." sprach seufzend Tatjanka, „und wir haben soviel Gell» für dieses Zeug ausgegeben. Das chtrz blutet mir, wenn ich bedenke..." „Aber die fünfzig Rubel, nicht wahr?" meinte Fufajkin, sein« mißmutige Ehehälft« besänftigend.„Rur keine Angst— et kommt — ich werde doch wissen, wie man sich an solche„Verantwortliche" heranmachen muh." Endlich kam der ersehnt« Gast. Er begrüßte ein wenig fchüch- tern die Gastgeber und setzt« sich gleich zum Tisch. Die Lederfack« legte er gar nicht ab. Fufajkin war die Liebenswürdigkeit selbst. Er gab sich Mühe, den lieben Gast angenehm zu unterhalten, füllte nur zu oft dessen Glas, doch der Gast saß schweigsam und murmelte bloß zeitweise: �Vielen Dank.— Rein, es ist wirklich genug," oder: „Bemühen Sie sich doch nicht." Erst nach der dritten Flasche Schnaps löste sich seine Zunge: „In unserer Fabrik, hin, da kennt mich«in jeder.— ich bin doch sozusagen der erste dort— dm"— dos oftmalige Aufstoßen er- fchwerte ihm ein wenig das Sprechen—,„ich bin— hm— mehr als ein Direktor,— ich bin— ich kann— hm— auf den Direktor von oben herunterspucken— hm—* Nach der sechsten Flasche war er fertig,— ganz betrunken. Er frank Bruderschaft mit der Frau und wollt« sich in ganz unzwei- deutiger Weis« an sie heranmachen. Da hielt sie es im Zimmer nicht länger aus und eilte hinaus in die Küche. Ihr Mann suchte sie zu beschwichtigen. „Rein, ich gehe nicht mehr zurück,— bleib' du nur allein mit diesem Schwein. Wie er bloß die Augen verdreht, wie ein Rad« nach dem Käse." „Du mußt«e erdulden, mein Schatz," meint« Fufajkin auf- seufzend,„bedenke doch, fünfzig Rubel findet man nicht auf der Straße." Endlich begann der ganz betrunkene Gast sich zu verabschieden. Er wollte der Hausfrau unbedingt noch einen Kuß geben und warf dabei den Tisch mit den Gläsern um." „Bruderherz hm, komme morgen zu mir— hm— in die Fabrik. Frage nach dem Genossen Uschakow— hm—. jeder Arbeiter kennt mich dort." » Montag früh war Fusajkin beim Fabriktor. Er wendete sich an den ersten vorbeigehenden Arbeiter: „Genosse, du kennst doch gewiß den Genossen Uschalow. So ein roter Mann— was ist er eigentlich? Ein„Borfabkoin"— oder gar „Berpob?" „Uschakow ?" fragte neugierig der Arbeiter.„Die sagtest du. ein roter Mann? Ja. wir hoben einen Uschakow , geh' nur einmal binaus zur Kanzlei de? Direktors, dort steht er immer vor der Tür,— er ist fonifagen Türöfiner." Fufajkin drückte mst einer düsteren Miene die Mütze tiefer in die Augen und mochte, daß er Westert am. (Wm btm Skffifch-» Tb-.rwige- tt»»«t«
Des Volkes Stimme. Es war am 27. Januar. Der Rentier Friedrich Wilhelm Bumkc wanderte durch die Straßen und ärgerte sich, daß kein Mensch schwarzweißrot geflaggt hatte. Er selber hatte auch nicht geflaggt, aber nur aus Vorsicht, denn er gehörte dem„Bunde der Aufrechten" an, und die nächsten Bundesmitglieder wohnten ziemlich weil entfernt, während die Gegend rings um feine Wohnung verdächtig republltanifch war.. Daß er nicht den Mut aufgebracht hatte, ärgerte ihn doppell. Aber da war nichts zu machen. Doch da geschah in Burnkes allernächster Nähe etwas, das seine volle Aufmerksamkeit fesselte. Ein kleines Mädchen- stand vor einer großen Pfütze, weinte und schrie immer wieder einen durch Schluchzen ziemlich unverständlichen Satz. Bumke aber verstand ihn. Das Kind schrie: Lck will mein'n Kaiser wiederhaben." „Dieses kleine Mädchen beschämt uns alle," wandte sich Bumke ernst und würdig an ein paar Umstehende.„Es spricht mutig aus, was wir Erwachsenen denken, aber aus Gestnnungslouhest nicht offen zu bekennen wagen." Und obwohl ein junger Mann in Arbeiter- kleidung ein deutliches Zeichen nach der Stirn n, achte, wandte sich Bumke freundlich dem Kinde zu, zückte einen Groschen aus der Tasche, ohne ihn freilich einstweilen loszulassen, und fragte: „Sage, meine liebe Kleine, warum willst du ihn wiederhaben?" „Na, wo ick ihm doch so jerne mag," heulle das Kind und schielte nach der Münze. „Sehr gut, ganz vortrefflich. Aber warum magst du ihn so gerne?" „Na. weil ick ihm jerne mag!" wiederholte zwei-, dreimal hart- näckig das Mädchen. Etwas anderes war nicht aus ihr heraus- zubringe, u „Dieses Kind vermag seine Gefühle noch nicht klar in Worte zu fassen," belehrte Bumke die Umstehenden.„Aber ich' will es dir aus- cinandcrsctzen: Du magst ihn gerne, weil er dich rückerinnert an jene herrlichen Zeiten, wo das Bolk im Ueberflüß lebte und die Kompottschüssel des Aermsten überlief. Stin»mt's?" Die Kleine nickte schweigend. „Aber nun will ich dir auch sagen, wer schuld daran ist, daß du ihn verloren hast und nicht wiederbekommst, obgleich du ihn so gerne magst. Daran sind die Roten schuld, die Sozis und die Republikaner , die ihn schnöde davongejagt haben." � Die Kleine glotzte Bumke verständnislos an. Schließlich sagte sie: „Ree doch— er is mir in de Pfütze jefallen." „Was— der Kaiser— in die Pfütze gefallen!" brauste Bumke auf. „Mein Käse," schluchzte die Kleine und heulle von neuem los: Lck will mein'n Käse wiederhaben." Da kehrte Bumke sich entrüstet ab. Und ließ den Groschen wieder in seiner Tasche verschwinden. Für seinen Kaiser hätte er ihn gegeben. für einen Käse— nie und ninuner! Dem, das konnte die wahre Stimme des Volkes nicht sein, die sich um ihr bißchen Essen und tägliche Notdurst mehr Sorge und
Das Gehirn von Anatole France Bekannttich lautete schon die schlagfertige Antwort der höheren Tochter in der Schule auf die Frage, wieso das männlich? Gehirn schwerer sei als das Jveibiiche:„Weil es beiin Gehirn nicht auf die Quantttät, sondern auf die Oualllät ankommt." In der Tot scheint, wie auch jetzt wieder die Untersuchungen des Gehirns von Anatole Franc« ergeben haben, die frühere Aui- sassung, daß geistige Größe mit dem Gewicht des Gehirns unmittelbar zusammachänge, nicht mehr zu Recht zu bestehen. Man war nämlich überrascht, als die Pariser Aerzte Louis und B re u i l- Chambardei, wie die„Deutsche Aerzte-Zeitung" mitteilt, dieler Tage der medizinischen Zlkademie berichteten, daß das Gehirn von Anatole France , eines der genialsten Männer des Jahrhunderts, nur 1017 Gramm wog, wahrend dos Durchschnittsgewicht bei einem Nornwlmenschcn um 350 Gramm höher zu sein pflegt. Selbst An- -gehörige von bestimmten primitiven Völkern, wie-z. L. Fidschi-In- sulaner und Papaw-Neger, haben ein Gchirn gewicht von 900 bis 1000 Gramm. Di« bisherigen Ersahrungen lehrten, daß die Ge- Hirne genialer Männer fast ausnahmslos«in dos Normalgewicht stark übertreffendes Gewicht zeigten, so z. B. das Gehirn Goethes, das des Anatomen Cuvier und chaeckels. Dagegen' stellten die Pariser Aerzte fest, daß das von ihnen be- gutachtete Gehirn von Analole France eine überaus große Flächen- auslegung der grauen Hirnsubstanz aufweise, und daß diese graue Substanz eine so prachtvolle Form des Gehirns zeige, wie sie die beiden Gelehrten not, niemals gesehen hätten. Sie bezeichneten sie geradezu als ein Kunstwerk der Natur. — Jedenfalls bestätigen die Erörterungen über den Befund, die die Aer.ztc in.ihren B«- richten niederlegten, von neuem, daß eine schwere Kehirnmosse nicht imbedingt das physiologisct»? Merkmal der Genialität sei, sondern daß die Gehirne gemoler Menschen wahrscheinlich durch die Flächenausdehnung der grauen Hirnsubstanz sowie durch die Zahl und die Form der Gehirnwindungen sich von denen gewöhnlicher Sterblicher unterscheiden. Uebrigens hat ein unbekannter Mäzei, für das Gehirn von Anatole France , das die Witwe seinerzeit der französischen Nation geschenkt hatte, ein« prachtvolle Kassette aus masfivem Gold gestiftet, deren Wände mst Smaragden und Rubii«n geschmückt sind und deren Deckel«i!« Glaskuppel bildet. Dr. R. K.
Die well wird täglich größer, insofern nämlich, als ständig neue Gebiet« der Kultur erschlossen werden. Bisher galt der westliche Teil von Mexiko , der zwischen den Sierren und dem Stillen Ozean liegt, als äbes unirumtbares Land. Es ist eigentlich die Fortsetzung Kali- forniens, dos noch vor hundert Iahren eine Wüste war und heute als das Paradies der Vereinigten Staaten gilt. Dieselbe Umwand- lung vollzieht sich jetzt in Westmexiko, und zwar infolge der Bewosse- rung und der Fortsührung der Eisenbahnlinien in jenes Gebiet. Die Provinz Sannora, die an den Süden der Vereinigten Staaten grenzt, und die Provinzen Sinaloa und Rayarit sind 1900 Kilometer lang und umsassen eine Fläche, die etwa halb so groß ist wie Deutschland . Dieses ganze Gebiet weist erst 700 000 Einwohner auf, während die südlichen Provin,zcn mehr als fünf Millionen zählen. Die Verlängerung der Southern-Pacisic-Bahn stellt jetzt den Anschluß mit dem mexikanischen Eisenbahnnetz her. Mit Hilse der vorhandenen Flüsse und der geplanten Stauweiher kann man
Schmerzen machte.als. um den armen Verbannten in-Doörn.-? noch.Millionen Hektar Land der Mt'ir erschließen. Man will Mt. O x t � 1 5 S~{*i: 4-f u,-....V'-W-. n i
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Die ärztliche Wissenschost hat festgestellt, daß 60 Progent samt- llcher in Deutschland zur Well kommenden Kinder rachitisch sind, d. h. von Anfang an in ihren Lebensbedingungen behindert oder zum frühen Sterben bestimmt. Wenn man mit dieser Tatsache die andere Feststellung verbinde!, daß ein großer Teil der Infektionskrankheiten der Jugendlichen, wie Scharlach, Masern, Lungenentzündung, Tuber- kulose in einem rachitischen Körper ihren empfänglichsten Boden finden, oder mit anderen Worten, daß rachitische Kinder am leichtesten ihnen versallen, dann wird klar, mit welch einer verheerenden Stolks- seuche wir es hier zu tun haben. Die Kinderheilkunde hat denn auch frühzeitig erkannt, daß der Kampf gegen die Rachiiis ein Kampf um die Hebung der Dolkegefunddeit und der Lolkskraft ist. Wer kennt nicht jene erbarmungswürdigen kleinen Menschen mit dünnen Aermchen, dünnen und verbogenen Beinchcn, jene armseligen Krüppelchen mit eingefallener Brust, verbogenem Rückgrat und gelb- lich blasser Hautfarbe! Es steht leider in der Erinnerung vieler Hundcrttausender, wie die ersten Jahre ihrer Krankheit ihnen ver- gällt und verbittert worden sind, weil man sie in G r a d h o l t e r undSchienensteckenmußtc.um den schwachen Knochen, die von selbst keinen Holt hatten, den nötigen Halt zu geben. Erst seit die Wissenschaft etwas von der Wirkung der ultra- violetten Strahlen weiß, die wir im Sonnenlicht haben, oder— in unserer nördlicheren Zone eine unbedingte Notwendigkeit— künstlich herstellen können, ist da» Bekämpfungsmittel gegen Rachitk» gefunden. Denn Lebertran tut's allein nicht. Die Erfolge, die bei Bestrahlung mit ultraviolettem Licht erziell werden, sind denn auch überraschend günstig. Nach wenig Wochen verkalken die schwindenden Knochen, der zusammengeschrumpft« Körper strafst sich, die kleinen Pattenten blühen auf. Die Schattenseite dieser Heilmethode ist aber die, daß sie nicht nur fahr teuer ist. daß nicht nur die Zahl der Kinder, die der Bestrahlung zugeführt werden können,«in« beschränkte Ist. die Bestrahlung selbst. der Hin- und Hertransport bedeutet für die erkrankten Säuglinge eine Qual. Einem Amerikaner, Alfred ließ, verdankt die Menschheit«ine zweite, billigere, ebenso erfolgreiche und einfach« Lösung der Frage: wie befreien wir unser« Kinder von dem Tyrannen, der st« in fugend- lichstem Alter zerbricht? Alfred Heß. hat entdeckt, daß das sogenannt« Vitamin D isoliert dargestellt werden kann, und daß die gleichen Erfolge, wie sie durch die direkte Bestrahlung des kranken Körpers erziell werde» kann, auch dann«inireten, wenn man dem Kranken bestrahlte Nahrungsmittel mit jenem Vitamin reicht. Hierfür kommt vor ollem und in der Hauptsach« die Milch in Frage. Di« Statistik hat nachgewiesen, daß Kinder, di« mst bestrahlterMilch genährt werden, ebenso gründlich geheilt werden können, wie wenn man sie unter di« Quarzlampe legt. Aber auch dies« Methode hat ihr« Nach- teile. Die Milch wird, weil sie selbst Sauerstoff enthält und in Per- bindung mit Luft bestrahlt wird, bei dieser Behondlunggcruchlich und geschmacklich verändert, und zwar in einem solchen Maß«, daß die kleinen Patienten st« nur mtt dem allergrößten Widerwillen zu sich nehmen. Es ist ohne weiteres klar, welche schädigenden Wirkungen
dieser Abscheu aus den geschwächten Organismus l>aben muß. Dem Dr. Scholl ist es zu verdanken, daß wir heule in der Lage sind, besttahits Milch herzustellen, die, was-Geruch und Geschmack anbe- langt, kaum von frischer Bollmilch zu unterscheiden ist. Er hat einen' Apparat konstruiert, der es erlaubt, die Bestrahlung der Milch unter Kohlensäureatmosphär« vorzunehmen. Beisuch«, die seit einem Jahr in der F r a n k s u r t« r ll n i v er s i t ä t s k l i n i k unter der Leitung eines sehr vorsichtigen, kühl und skeptisch abwägenden Arztes, des Prof. Dr. K. Sch«er, vorgenommen worden sind, haben geradezu verdlüffende Resuitale ergeben. Die so präparierte Milch hat auch tn den allerschwersten Fällen von Rachitis nicht versagt. Die Heilung vollzog sich innerhalb ganz weniger Wochen und war ebenso gründ- lich wie dauernd, wie sie bei direkier Behandlung beobachtet werden. kann. In jedem einzelnen Falle wurde der Heilungsprozeß systematisch durch Messung der großen Fontanelle, im Röntgenbild usw. verfolgt. Es vollzog sich eine absolute Wiederherstellung des gleichsam ausgesogenen Kinderkörpers. Patienten, die vor Beginn der Behandlung hinwelkten, waren nach wenig Wochen als durchaus geheilt anzusprechen Herr Prof. Dr. K. Scheer kann von einem Fall berichten, in dem ein» dieser armen Würmchen zudem von der Lungenentzündung befallen und von den Aerzte» ausgegeben wurde. Die bestrahlte Milch hat es gerettet. Ja, der bekannte Kinderheil- kundige glaubt feststellen zu können, daß die Bersuche, die er mährend eines Jähre» anstellte, zu der'Ueberzeugung berechtigen: i n m e n ig Jahren ist die RochitiseineunbekannteKrankheit. Ds Schollsche Verfahren har aber im Lcrgleich zu de» anderen den gar nicht hoch gcnug anzuschlagenden Vorteil, daß die ganze Pe- Handlung etwa 2 Mark kostet, und daß es fein Kind aus Erden gibt, an das sie nicht hcrangebrachl werden könnte. Man muß nur ein- mal überlegen, welche ungeheure»Summen auf diesem Wege bei den öffentlichen Krankenkassen frei werden, wieviel« Millionen erspart und für andere Zwecke ver- wendet werden können. Es leuchtet auch dem Laien ein, welche un-- meßbaren vottswirlfchastlichen Vorteile hinter dieser Tatsache stehen. Aber ebenso wichtig wie die Vehabdliing Erkrankter ist die Aorsorge. Bestrahlte Milch kann in jedem beliebigen Umfange für. ganz wenige Pfennige hergestellt werden. Sie kann auch in jedem Prozentsatz frischer Dallmllch beigefügt werden. Es leuchtet ein, von welchem Wert es ist, wenn Kindermilch künftighin nur noch mit einem 10- bis 20prszeniigen Zusatz von bestrahller Mich abgegeben wird.' Dann ist tatsächlich der Weg frei, um die Menschheit von diesem Bampyr Rachitis zu befreien. Aber eine Forderung muß erhoben werden: es muß Ausgab« der Kommunen sei», die.her- stellung und den Derrrieb der bestrahlten Milch selbst in die Hand zu nehmen damit sie nicht zu einem Objekt de« Kapitalismus wird, sondern bleibt, als was sie sich uns erwiesen fsttt: der'rettende Engel der Massen. Die städtischen Körperschaften müssen sich möglichst rasch und möglichst grüMich mtt.dieser Lrage beichäftigesj'. um�SLdu Tag,; der hier versäumt wird, ist es schade, um sedes kleine Menschenkind, dem die' Wahltät. von der Rachttig befreit zu werden, mwenthalten bleibt.