VormerSiag 2. Kebruar 192S
Unterhaltung unö ÄVissen
Beilage des Vorwärts
Armer Kittauge. Bon Erich Snfar. ' Da« Ziahr war schon mst vor uttd Starl Dobbas hatte wenig Aassicht, daß er noch einen Bau finden würde, auf dem es Arbeit für ihn gab. So wollte er beim ohne besonderes Ziel durch die Gegend. Sprach da und dort, wo das helle Gerotter der NtethüM' mer Ihm d!« Wh« einer Fabrik verriet» bei Kollegen vor und war zufrieden, nmm er wenigstens von einer neaen Baustell« erfuhr, «ruf hex das Frage- und Antwortfpick von neuem beginnen tonnte. So kam er in die Gegend von Halle. Er mochte einen grohen Bogen um das Ssunomert, das wie eine Hölle stank, und kam in die Stadt. Besah sich den Roland am Markt. Und den roten Turm. Kam zun, Soaleufer und sah. daß mennigrote Tröger über den hellen Fluß sich spannten. Eo war Mittag. Der Bau lag still. Rur die Feldschmteden rauchten. Cr fragt« einen Nietmjungei. der auf einer Werkzeugkist« fast, wo er den Monteur finden könne. Der ist in die Stadt gegangen. Und die anderen? Sitzen im goldenen WrrfelHaken. Der Goldene Winkelhaken war nicht weit. Schon schaukelt« sein verschnörkeltes Aushängeschild vor Karl Dobbas im Wind«. Der Dust leckerer Erbsensuppe kroch bis auf die«trage. Ein niederer Flur. Ein« Tür, hinter der rauh« Stimmen lärmen. Grad solch« Stimmen, wie die Brückenbauer sie haben, die immer glauben, dah sie ein Dutzend ratter rder Niethämmer und kreischender Bohrwinden übertönen müssen. Und die keiner versteht, der nicht selbst vom Bau ist. Karl Dobbas tritt«n. In der düsteren Wirtsstube sicht er sich im. Dick wie ein Biersah hockt der Wirt hinter seinein Schont- tisch und läht sein« Augen über die Tische gleiten, di« mit essenden „nd schwatzenden Männern besetzt sind. Wo er ein leeres Bierglas ficht, wirst er einen Blick wie eine Frag« hin unb ehe noch sin Nicken ihm Antwort gibt, läht er das schäumende Getränk aus dem Kranen sprudeln. Kart Dobbas steht an ihm vorbei. Dann, als habe er getundsn. was er suchte, macht er drei schnelle Schritte quer durch den Raum und bleibt vor einem stchen, der an nichts als seine Erbsen denkt und fährt ihn mit hellem 5)alse an: Tag. Schorsch! Dom bleibt vor Staunen der Löffel im Hatse stecken, als er di« bekannte Stimme hört. Und ehe er herausbringt: 3a. Mensch, Karl, wie kommst denn du hierher? ist ihm der Lössel in den Brei gefallen, dah die Erbsen dick und gelb über den Tisch spritzen. Dann ,'nit beiden Händen ihn begrüßend, steht er-ms. guckt den Ein- getretenen von oben bis unten an und tragt: Aber nun sag' bloß. Karl, was du hier in dieser Gegend willst. 3ch denk«, du bist hinten in Rotterdam und läht dir's gut sein. Dar ich. Schorsch. War ich. Aber jetzt bin ich hier. Und habe Kohldampf. Und wenn dein Monteur Arbelt für mich hat.?ch kann welche brauchen. Natürlich krrsgst du Arbeit. Aber erst s-tz dich auf deine vi« Buchstaben, ih«inen Teller Erbsen mit und fchütt' dir einen Schstick Bier in den Hals. Und nachher gehst du mst zum Monteur. Hab« grab' wieder welche den Sack gehauen. Weiht du, so Muttersöhnchen hier aus der Gegend. Di« reinen Mehlwürmer, die kein zölliges Niet von«nem Dreivierteldorn unterscheiden können. Die holten so nichts ob. Ist ja auch kein Kinderspiel, die Moloch« hier. Ab« dafür sind wir fchkiehvch Brückenbauer, daß wir. wenn's fein muh. zum Teufel in die HSV « geh«, und ihm den Roft blank kratzen. Genug davon. Erzähl' erst mal, wie du hierher kamst. 3ch denke. ibr habt noch eine Ewigtest in Holland zu tun und nun läufst du Speckjäger schon wieder aus der Landstraße herum. Und was macht Kittauge? Du bist doch damals zusammen mst ihm fort. Den haben die Schellfische gefressen. Oder die Hering«. Bist verrückt, sagte Schorsch und nahm die Mütze vom Kopf«. tvi« er während des Essens aufbehalten. Er ist abgestürzt, erzählte Karl Dobbas weiter. Direkt vor meinen Augen. Mann, Schorsch. ich mein', ich Hab' zuviel gekriegt. wie Ich das Hab' sehen müssen und Hab' ihm nicht helfen könne«. Kittaug« abgestürzt? Das ist schwer zu glauben. Er kletterte doch wie«in Asse. Früher, als er sein Auge noch hatte. Aber seit ihm damals der Döpper ins Auge gesplittert ist, war das anders. Da gab's schon mal Augenblicke, wo Mtouge mich nicht onf der Höh« war. Er hat sich das nicht immer so merken lassen, ober wenn w'r ollein waren, sprach« wohl davon. Mensch. Karl, sagt' er mal zu mir. manchmal da ist es nckr. als ob ich reineweg blind wär. Nur so einen Augenblick, weiht d«. so als ob dir«wer mit einem Handtuchzippen Ins Auge kommt oder der Wind weht dir Dreck hinein. Ich habe das leicht genommen. Weiht du, solange dn zwei ?luzen hast, kannst du dir nicht vorstellen, wie das ist, wenn du dich «ist einem beHelsen muht und das versagt. Do brauchst du nur mal einen Krampf im Sehnerv zu krieg«, und du bist blind wie ein« neugeborene Katze. Und du meinst, so wäre das mst Kittauge gekommen? Genau so. Aber nun sag' mst bloh, warum bist du nicht aus der Bau. stell« geblieben? Ich war' damals gern mst euch nach Holland gegangen- Lieber als dah ich mich hier herumdrücke. Und gut verdient hast du doch auch da unten? Was das Berdienen angeht, kannst du es so leicht nicht besser kriegen. Aber weiht du. wie dem mit Ksttauge passiert war, Hab' ich'« nicht mehr ousgehalten da unten. Das versteh» ich nicht. Ich verstehe es manchmal selber nicht. Aber ich kann mir nicht helfen. Wir waren doch schon im fünften Monat in Roster- dam. Der erste Bogen stand. Für den zweiten bauten die Jim- vnerleute schon da« Gerüst. Cr sollte noch-vor dem Winter fertig werden. Kittaug« und ich waren dabei, die Buckelplatten auszu» legen. Ein« nach der anderen schleppte-, wir über die Fahrbahn und paßten sie ein. Nun muht du wissen, daß wir welter kein Gerüst mehr unter der Fahrbahn Hatten. Die Zanmerleut« hasten uns das Holz unterm Hintern weggeholt und es für das neue De- rüst verbraucht. Wie ich zum Wen sag«, wie leicht da mal was passier«, könne, sagt« er nun Lungen,, hastet euch Zugang«. Wenn ihr bis Sonntag fertig seid, schreibe ich jedem zehn Stunden extra on. Na. du weiht sa selbst, was du nicht olles für ein paar Stun- den tust, die du bezahlt kriegst, ohne dah du dich schinden muht dafür. Na. und wenn er uns nichts versprochen Hchlc. Hilf« hätte,, wir so nicht brauchen kmmm bei unserer Arbeit. Als der Alt« fort P. sage ich ZU Kistaug« Mensch, sag« ich. wenn der Monteur Wort Hält, gehen«tr Sonntag rüde? s» die
Stadt unb heben uns ordentlich einen. Und Meisjes müssen an unseren Tisch. Zwei Stück für jeden. Wir wollen doch wissen. wofür wir leben. Mso, denn wollen wir mal wiedor, sogt Kittauge nur und packt sich di« Platte, die wir uns schon zurechtgelegt hatten. Ich schnappe mir das ander« Ende, ein Ruck und wir hasten die Platte aus dem Ast und zottelton los. Es war Mittag. Bon den Wersten tutet's, u-ch die Boote mst den Arbeitern flitzten über die Maas . Wir wollen Schluh machen, sagte ich. Diese eine Platte noch, sogt Kittauge und Hot sie schon in der Hand. Du weiht ja. wie er war. Sonntags voll und bei der Arbeit toll Ich sagt« nichts, sondern schnappe mir mein Ende und tapse langsam hinter ihm her. Wie wir aus Brückenmitte sind, kein« zehn Meter von der Stelle, wo unsere Plaste hin sollt«, spüre ich plötzlich«inen Ruck, der die Plaste nach unten reiht. Da saust sie mir auch schon von der Schulter, ohne dah ich sie hallen kann. Ich wollt« fortspringen, da höre Ich ksttauge schreien, und ehe ich nur begriffen hatte, dah«« hier nicht um meine Schienbein«, sondern um Kittauges Leben ging, sah ich ihn schon unter mir im Wasser verschwinden. Ich schrie so laut ich konnte um Hilfe und rannte von der Brüche. Der Monteur hast« schon gesehen, was w« war und den Wasserschntz alarmiert. Zwei Tage haben sie mst drei Booten nach ihm gesucht und alles abgefischt, aber von Ksttauge hat keiner mehr einen Fin- ger gesehen. Die Maas fließt schnell bei Rotterdam . Und das Wasser ist st es da unten. Vielleicht haben die Schiffe ihn in die See verschleppt. Der Monteur fluchte wie toll Cr jammerte über Kittauge, ober er meinte lue Protokolle. Er schrie die Leute an. sie sollten besser aufpassen, aber ich muhte, dah di« fehlenden Gerüst« ihn quöllen. Doch als erst alles aufgeschrieben und berichtet war, war er ruhiger. Der Fall war erledigt. Du weiht ja, wie das in der Fremd« geht. Wer kümemrt sich da darum, wenn einer über Bord geht. Ich aber hatte kein« Ruhe. So lange die Rettungsboote noch draußen lagen und ich hoffen konnte, daß sie ihn wenigsten, finden würden, hiest ich mich aufrecht. Dann aber brachte schon der Wind. der in den Streben heulte, mich zum Verzweifeln. Sah ich auf einem Träger oder kroch ich im Windverband hermn. hörte ich Kitt- auge schneien. Fiel mir«ine Schraube ins Wasser und ich sah ihr nach, war es der untergehende Kittauge, um den herum die Wellen. ringe sich bildeten. Ich kam nicht los davon. Jede Welle zog meinen Blick hinter sich her, bis die ganze Brücke forifegelte mst mir in di« weite See. die sich öffnete und mir auf ihrem Grund Kittauge zeigte, der fein Glasauge aufriß und es auf mich gerichtet hiest wie tn jenem Augenblick, da ich ihn stürzen sah. Dah ich damals nicht gleich hiimbgefpamgen mar, um ihn rauf. zuholen aus dem Wasser, das quälte mich fetzt. Nicht, dah ich mich
schuldig fühlte on seinem Ende. Wenn ich vernünftig war, über» legte ich mir genau, was ich getan und daß ich nichts anderes hätte tun können, um ihm zu helfe«, als ich getan. Aber wir hatten ixas zu gut gekannt, als daß das ein Trost gewesen wäre. Auf zwanzig großen Montagen waren wir zusammen gewesen, wir hatten Ba- tavia und Spanten geseh'n und die schöne Schweiz , wie es m un- jerem Liebe heißt, und nun ritz das Schicksal uns auseinander. Das war es, was so schwer mich traf: Daß ich sein End« sah und an meines denken muhte. Und well ich nicht loskam von diesem Spinn. ging ich zum Monteur und sagte ihm. daß ich weg wollte. Mach' keinen Quatsch, sagte der zu mir. Monteur, sag' ich nochmal. gib mir meine Papiere oder du muht mich bald suchen lassen wi« Kittauge. Kerl, du spinnst, sagt er und gibt mir einen Gulden. Da. sauf' dir einen an und komm' wieder, wenn du nüchtern bist. Aber Fahr- geld kriegst du nicht. Ist schon schlimm genug, dah Ksttauge durch die Dämpe ist. Also gut, sage ich. wenn ich Sein Fahrgeld krieg«, gch' ich zu Fuß. Mach mein« Flippen fertig. Na. dann geh' zum Teufel, sogt der Alle. Ader das sage ich dir: Auf meiner Baustell« brauchst du deiner Lebtage nicht mehr um Arbeit fragen. Du Spötenkieker. Er gab mir meinen Lohn, aber mit den Extrustunden war's aus. Ich ging noch Amsterdam , trieb mich acht Tage mst Chinesen und Negern. Matrosen und Weibern in den Kneipen ruin und legte mein Geld in Genever on, bi» ich blank war. Ja. und dann habe ich mich so durchgeschlagen. Verdammt noch mal, sagte Schorsch. Der arm« Kittauge. Aber so geht'» uns allen noch mal. Den einen trifst's auf der Land straß« und der ander« fährt mst dem Kopp noch unten vom Gerüst ob. Herr Wirt, bringen Sie noch zwei Große für uns. Ich lzabe |o'n tranigen Geschmack im Hals. Und du meinst, daß dein Monteur Arbest für mich hat? sagte Karl Dobbas und wischte sich das Maul ab. Die hat er. Komm, trink-- aus. Wir wollen gleich zu ihm gehen.____ 2716 lebende Sprachen. Weih man, wieviel Sprachen zurzeit auf dem Erdenrund geiprochen werden? Di« Statistik liefen zu dieser Frage Zahlen, dl« nach den geographischen und ethnographischen Kenntnissen der Stattstiker schwanken und vor allem von der Bedeutung abhängen, di« man bei der olloemeinen Einorbmmg den einzelnen Idiomen beimißt. Nach den Perechnimgen. di« als zuverlässig gelten dürfen, gibt e» augenblicklich Z7W lebende Sprachen, di« dies« Bezeichmmg verdienen. Di« 860 hauptsächlichste,, Sprachen verteilen sich solgendennahen: Europa 48, Asien 4531 Afrika 118, Nord und Südamerika zusammen<24, Ozeanien 117� E» bedarf keines besonderen Beweises, dah die Linguistik noch groß« Aufgaben zu lösen Hot.
Nachtschwärmer. Von Dr. W. Wächter.
Am Tag« schlaf« sie? erst die Dämmerung der hereinbrechen- den Nacht weckt sie auf. und dann flattern sie von Blume zu Blum«. deren berauschender Duft sie anzuziehen scheint. Hoben sie genug dc» süßen Honig» geschlürft, fangen die Vögel an zu Müschen, und «hebt sich di« Sanne mst ihrem blendenden Licht über den Horizont, dann werden sie müde und verkriechen sich, um zu schlafen. Hier sst natürlich nicht von menschlichen Nachtschwärmern unserer Großstädte die Rede, sondern von deren Vorbildern, den Nachtschmetterlingen, deren geheimnisvolles Leben von feher einen ganz besonderen Reiz für olle diejenigen gehabt hat. die den keuschen Mond der prallen Sonne mst ihrer erbarmungslosen Wahrheit»- sieb« vorziehen, also für Räuber, für Liebespaare, sentimental« Poeten und Wirtshauohvcker. Seitdem Konrad Sprengel, der lange verkannt« und später so berühmt« Naturforscher, di« Befruchtung der Blumen durch Insekten entdeckte: seitdem durch ihn ein neuer Zweig der botanischen Wissen- schast, di« Blütenbiologi«, begründet wurde, hoben sich Botaniker und Zoologen unausgesetzt mst der„Anpcisnng" des Körperbaues der Insekten on die Gestall der Blumen beschäftigt, und wkr wissen setzt so ziemlich sicher, welche Insekten die verschiedenen Blumen besuchen, ihnen den Nekiar rauben und dabei den Blütenstaub auf die Narben der Blüten bringen und so den Begattungsalt bat den Pflanzen vollziehen Groß« Schwierigkest bereitete der Forschung die Lösung der Frag«, ob die Insekten durch die Farbe oder den Dust der. Blüten angelockt werden. Man ist selbstverständlich immer geneigt, bei der Beurieilung tierischer physiologischer Prozesse menschliche Verhält- nisse zugrunde zu legen. So arbeiten die Pharmakologen, wenn si« die Wirkung eines neuen Arzneimittels studieren wollen, zu- nächst wtt Tieren, wi« allgemein bekannt ist. Das„Versuchs- kanutchtn" ist so populär geworden, dah viele Leute gor nicht mehr daran denken, wo« fem« Volkstümlichkeit eigentlich her hat. Die Gegner der.Vivisektion' haben nicht vermocht, den Tierversuch aus der Werkstatt de« wissenschaftlichen Mediziners zu verbannen, weil sich gezeigt hat. wie gerechtfertigt c» oft ist, vom Tier aus den Menschen zu schsiehen, soweit e» sich um rein physiologisch« Vorgänge handelt. Auch in beziig aus dos Seelenleben bestehen fraglos weit. gehende Ueberetnstiminmigen zwischen höheren Tieren und dem Menschen, und wenn man auch on den klugen Hans, das Kubik- wurzeln ziehend« Pferd, nicht gerade glaubt, so läht sich doch nicht daran zweifeln, daß so intelligent« Tiere, wie Pferd und Hund, sehr vieles mit dcm Menschen gemein haben, woraus sich ihre gegen- seitig« Zuneigung und Freundschait erklärt. Je weiter wir aber in der Ticrreibe hinuntergehen, um so vorsichtiger müsse» wir mit Analogieschlüssen sein. Man weih jetzt z. B., dah das Bienenauge farbenempfindlich ist, aber in ganz anderer Weis » als da» menschlich«. So können di« Lienen das ultraviolette Licht.sehen", do» sich uns nur durch feine Strahlen. Wirkung bemerkbar macht. Es lag also die Fmge nah«, ob die Nachtschwärmer in der Dunkelheit durch die Farbe der Blüten oder durch deren Dust angezogen werden. Man nahm bisher an, dah wohl beides der Fall fein müsse, denn wir kennen«ine Anzahl von stark duftenden Ptlenzen, die von Nachtschmetterlingen besucht werden, wie do» Geisbkatt oder L« länger, j« lieber". Andsrerselt» wissen wir, daß die Nachtfalter weih« oder hell« Blüten besuchen,
die auch dem menschsichen Auge im Dunkeln leicht« sichtbar sind als rote oder blaue, die uns in der Nacht grau erscheinen und sich kaum»on dem Blattwerk abheben. Beobachtungen im Freien sind eben wegen der Dunkelheit schwer anzustellen, und so fehlte bisher der Nachwels, wieweit Farbe oder Dust hier wirksam sind. Jetzt veröffentlicht im letzten Hcft der Berichte der deutschen botanischen Ge- sellschost Professor K n o l l höchst lehrreiche Versuche, die von all- gemeinem Interesse sind. Ulster anderem arbeitete Knoll mit dem Weidenschwärmsr. In einem eigen» konstruierten Duntelzelt. das von außen mst einer ganz schwachen elektrischen Birne beleuchtet werden konnte, wurden Blüten einer meihblühenden Tabaksorte ausgestellt, die er bis zur Hälfte mst Zuckerwasser anfüllte. Als er sah, dah der Schmetterling dte Blüten aussuchte, stellte er zu den sre!-- stehenden Blumen eine zwischen zwei Glasplatten eingeschlossen« Blum«. Nun zeigte sich, dah der Schwärmer auch on diese Blüte heranzukommen suchte und zwar stürzt« er sich direkt mitten oui die Glasplatte, was on den sogenannten Rüsselspuren, die von dem mit Zuckerwasser befeuchteten Rüssel herrührten, zu sehen war. Ans diesen Rüsselspuren lieh sich mit Sicherheit schließen, dah es ledig- lich die Farbe war, die dos Tier anzog. Wäre hier der Duft aus- schlaggebend gewesen, so hatten sich auch Rüsselspuren an den Kanten der Glasplatte finden müssen, denn nur dort hätte der Schmetterling die Blüten riechen können.— Durch diesen Versuch ist natürlich nicht bewiesen, daß der Dufi überhaupt keine Rolle spielt, aber mau steht, daß die Farbe auch zur Anlockung genügt. Das wird noch weiter durch«Inen sehr hübschen und anschaulichen Versuch gezeigt. E» gibt eine Talmksorte, deren Blüten alle Uebergönge von Weiß bi» zu kräftigem Purpur zeigen. Knoll gewöhnt« nun d'e Schmetterlinge durch Verwendung der Blüten mit den flederg�ngssarben all- mählich an die purpurn gefärbten. Al» das geschehen war, wurde zwischen k« Glasplatten ein Stern au» blau-violeitem Pqpier ge schoben, und mir konnte wieder durch die Rüsselspuren gezeigt werden, daß der Folter auch persucht hatte, in die„Papierblume" einzudringen, die natürlich nicht duftete.— Dieser Versuch bestoiigt also einmal den«rstcn mst den weißen Blüten angestellten, zeigt aber außerdem, dah der Schmetterling im Dunkeln die Umwelt nicht grau in grau sieht, wenn sie violett ist, sondern dah er wirk' lich farbig steht, wo wtt nichts mehr sehen. Aber noch etwas anderes lehrt dieser Versuch. Die Tiare hatten sich an die violette Farbe so gewöhnt, dah sie die weihen Bluten, die man daneben stellte, nicht mehr sahen. Sie konnten aber jederzeit allmählich wioder an do» Weih gewöhnt werden, wenn man die Blüten mit den Uebergcngs- färben nunmehr rückwärts einschaltete. Dieses„Sich-an-die-Farben-gewöhnen" kennen wir auch brim Menschen. Der Philosoph Arthur Schopenhauer Hot als erster darauf hingewiesen, dah das farbig« Sehen«in sehr verwickelter Vor- gong Ist, der nicht lediglich physikalisch, sondern auch physiologisch erklärt werden muh. Später hat der berühmte Physiker Helmholtz die gleich« Ansicht ausgesprochen. Rur dadurch wird es begreiflich, dah wir seit Entdeckung der sogenannten Freikichtmolerei die Farben in der Rowr ganz ander- sehen al» die Menschen vor vierzig Jahren. Di« Freilichtmaler übertrieben natürlich anfangs, aber ohne es zu wollen, lernten auch die rlien Mal«, di« Feind« der damalige, Sezessionlsien, mst jinberen' Augen sehen, obwohl ihr« Augen als »physikalischer Apparat" dieselben gedfaden waren.