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Morgenausgabe

r. 63

45. Jahrgang

A 32

hentlich Brennte monatlic 3.- Reichsmart im voraus zablbas Unter Streifband im In- und Aus land 5.50 Reichsmart prs Monat *

Der Borwarts mit Bet tuftrier ten Sonntagsbeilage Bolt und Zeit towie den Beilagen Unterhaltung und Biffen Aus der Filmwelt. .Stadtbeilage.Frauenftimme, Der Kinderfreund Jugend- Bor märts" Blid in die Bücherwelt", Kulturarbeit" und Technit erfcheint wochentäglich zweimal Sonntags und Montags einmal

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Dienstag

7. Februar 1928

Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.

Die et nipelttge Ronpareillezetts 80 Pfennig Retlamezeile 5.- Reichs. mart Aletne Anzeigen" das fettge. brudte Wort 25 Pfennig( zuläffig zwet fettgedrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig Stellengefuche das erste Mort 15 Blennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig Borte über 15 Buchstaben Arbeitsmarkt gablen für gwet Worte Beile 60 Bfennig Familianzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Lindén. Straße 3. wochentagl von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Boetei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin

Der bedrohte Mieterschutz.

Zu den heutigen Beratungen des Reichstags.

In einer start besuchten Versammlung, die von dem Verband Berlin des Reichsbundes deutscher Mie ter E. B. und von den Orts ausschüssen der freien Gewerkschaften am gestrigen Abend im Großen Saale des Gewerkschaftshauses veranstaltet wurde, nahmen die Mitglieder der genannten Organisationen Stellung gegen den von der Reichsregierung geplanten Abbau des Mieter­schutzgesetzes.

Als erster Referent ergriff der Vorsitzende des Reichsbundes deutser Mieter, Dzieŋck, das Wort, der daran erinnerte, daß die Mieterschutzgesetzgebung in, ihren, Anfängen eine Kriegsmaßnahme war, die langsam alle Bevölkerungsfreise erfaßte. Abgesehen von den zu einer Kompromißlösung neigenden Demokraten stehen heute alle bürgerlichen Parteien dem geseglichen Mieter , ut ablehnend gegenüber Gegenwärtig fehlen in Berlin 165 000 Wohnungen, ein Zustand, der unge­heuerliche Wohnverhältnisse zur Folge hat. Vor dem Kriege bestand ein alljährlicher Bedarf von 200 000 Wohnungen, durch die Ein­stellung aller Bauten in der Kriegszeit fehlt auf dem Wohnungs­mark cine Million Wohnungen.

Bei der heutigen Beratung im plenum des Reichstages über das Mieterschutzgeseh geht es um den gesetzlich gesicherten Anspruch des Mieters auf die Wohnung gegenüber dem Vermieter, dem die Reichsregierung ein weitgehendes Kündigungsrecht in die Hand geben will. Nach Ab­Lehrung eines dahingehenden Vorschlages durch den Reichsrat haben jezt die Rechtsparteien der Verlängerung des Mieterschußes um ein balbes Jahr zugestimmt, nachdem sie den Antrag der Linksparteien auf eine mehrjährige Verlängerung abgelehnt hatten. Leider stehen die Mieter vor der Tatsache, daß der Reichsrat den

neuen Vorschlägen der Regierung zustimmen wird. Der Gefahr, die daraus für die Mieterschaft entsteht, gilt es im letzten Moment zu begegnen. Die Regierung will den von ihr vor­geschlagenen Mieterschutz auf zwei Jahre verlängern. Wenn es bei der Wahl nicht gelingt, die Macht der Rechtsparteien zu brechen, wird das Jahr 1930 noch größeres Unglück über die Mieter bringen.

Boftichedkonto: Berlin 37 536- Bankkonto: Bank der Arbeiter. Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitentasse Lindenstr 8

Demokratie und Einheitsstaat.

Bon Hermann Wendel .

Unser Süden wird seiner Ultramontanen, der Norden seines Junkertums dann erst völlig Meister werden, wenn die gesammelte Kraft des deutschen Staates gegen diese Mächte ins Feld geführt wird. Treitschte( 1864).

Als zweiter Referent des Abends nahm Landtagsabgeordneter Genosse Drügemüller das Wort, um über das Problem der Hauszinssteuer zu sprechen, die sich nicht nur als eine Vermögenssteuer für den Hausbesig, sondern auch als eine Befristen, ein Unfug, daß, während schon die Einheit Europas befizz hat aus der Hauszinssteuer ungeheure Summen heras­steuerung der Mieter darstellt. Allein der preußische Hau gezogen. Die Erhebung der Stadt Kiel und mehrerer anderer Großstädte hat ergeben, daß die Veranlagung des Hausbesizes zur Hauszinssteuer auf der Grundlage der vorläufigen Steuer zum Hauszinssteuer auf der Grundlage der vorläufigen Steuer zum Grundvermögen

zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Hansbefizes auf Kosten der Allgemeinheit führt.

Nach vorsichtigen Schägungen werden auf diese Weise allein in Berlin jährlich mindestens 80 Millionen Reichsmart dem Wohnungsbau entzogen. Am Schlusse seiner Ausführungen for derte der Redner vom Reichsarbeitsministerium planmäßiges Vor­gehen auf dem Gebiete des Wohnungsbaues.

Die Versammlung, die die Ausführungen der Referenten durch demonstrativen Beifall unterstrich, nahm am Schluß der Kundgebungen zwei Entschließungen an, in denen Protest gegen die Politik des Bürgerblocs erhoben und allen mieter feindlichen Parteien die schärfste Gegnerschaft im Wahlkampf angesagt wird.

Kommunisten für Reaktionsfieg.

Parole: Lieber Poincaré als Blum!

Paris , 6. Februar.( Eigenbericht.) wird eine von einer Reihe namhafter Vorfämpferinnen des Frauen. Der Kommunistische Parteitag hat beschlossen, wahlrechts unterzeichnete Adresse überreicht werden, in der auf die bosschewistischen Kandidaturen im zweiten Wahlgang die Tatsache aufmerksam gemacht wird, daß noch immer 3 Millio. auch dann aufrechtzuerhalten, wenn ein Sozialist nen Frauen über 21 Jahre des elementarsten Rechts eines Staats­gegen einen Reaktionären in die Stichwahl bürgers, des Stimmrechts" beraubt seien.( Das Wahlrecht der Täme. Nur in einzelnen Fällen soll die Partei- Männer beginnt mit dem 21. Lebensjahr, das der Frauen bisher zentrale das Recht haben, Ausnahmen zu gestatten. Als erst mit dem 30. Red. d. V.") Begründung wird mitgeteilt, daß durch die Regierung See nationalen Einigung ein Unterschied zwischen Re­cftionären und Linksparteien in Frankreich nicht mehr bestehe.

Die Krise des Arbeitsamts. Was wird aus dem Washingtoner Abkommen? Paris , 6. Februar.( Eigenbericht.) Die sozialistische Kammerfraktion hat eine Interpellation über

Da haben wir wieder den Bolschewismus in Reinfultur! Lieber soll der Sieg der Nationalisten und Reaktionäre er­möglicht werden, als daß man den über alles verhaßten So- die Ratifizierung des Washingtoner Abkommens eingebracht. In zialisten zu Erfolgen verhilft. Selbst in Deutschland haben die Kommunisten längst eingesehen, daß die unter Ruth Fischers glorreicher Führung beschlossene Aufrechterhaltung der Kan­Bidatur Thälmanns, die den Sieg Hindenburgs ermöglichte, eine verfehlte, arbeiterschädliche Maßnahme war. Aber in Frankreich wollen die Kommunisten drei Jahre später in zahlreichen Fällen den gleichen Liebesdienst der Reaktion beisten: Sowjetstern und Hakenkreuz ins Französische übersetzt!

Die französischen Arbeiter, die für die Tragweite solcher Beschlüsse ein besonders feines Empfinden haben, werden den Kommunisten die Quittung für diesen Verrat schon im ersten Wahlgang erteilen, und selbst ihre eigenen Anhänger werden sich bei der Sfich wahl um diese verrückte Parole größtenteils nicht kümmern, sondern so handeln, wie es ihr proletarisches Gewissen ihnen vorschreibt."

Im übrigen wird in der Praxis die kommunistische Intransigenz ganz anders aussehen: dort, wo Kommunisten bei der Stichwahl Aussicht auf den Sieg über den reaktio­nären Kandidaten haben, werden sie, wie das in den letzten Jahren mehrmals geschehen ist, nicht nur um die sozialisti schen, sondern auch um die linksbürgerlichen Stimmen förm­lich betteln!

10 Jahre Frauenwahlrecht in England.

Maffenaktion für völlige Gleichstellung.

London , 6. Februar.( Eigenbericht.) Der 7. Februar, der 10. Jahrestag ber Einführung des Frauenwahlrechts in England, wird durch eine besondere Attivität der Frauenwahlrechtsorganisationen Graßbritanniens gefennzeichnet. Sowohl dem Ministerpräsidenten als dem König

diesem Zusammenhang veröffentlicht Béon Blum im Popu laire" einen Alarmruf gegen die Haltung der englischen Regierung; fie habe fogar unter Berufung des Artikels 21 des Abkommens be stimmte Aenderungen verlangt. Das bedeute aber praktisch nichts anderes als die Sabotage des Abkommens. Das Genfer Arbeitsamt stehe nun an einem Wendepunkt in seiner Ge­schichte. Bon seiner Entscheidung hinsichtlich des Washingtoner Abkommens hänge nicht nur deffen Aufrechterhaltung, sondern auch die Existenzberechtigung des Arbeitsamtes ab.

Die Toryregierung muß sich verantworten.

London , 6. Februar.( Eigenbericht.) Fraktion und Parteivorstand der Arbeiterpartei haben be­

schloffen, die erste sich bietende Gelegenheit in der neuen Barlaments session zu benutzen, um eine Debatte über die Haltung der britischen Regierung gegenüber der Ratifkation der Washingtoner Konvention zu erzwingen. Die Sprecher der Arbeiterpartei werden der starten Erbitterung Ausdruck verleihen, welche die Genfer Erklärungen der tonfervativen Regierung in der englischen Arbeiter schaft hervorgerufen haben.

Litauisch - polnische Verhandlungen.

Die in Genf vereinbarten polnisch litauischen Ber. handlungen über die Wiederherstellung normaler Beziehungen zwischen Litauen und Polen sollen am 25. Februarin open hagen beginnen. Die Wahl der dänischen Hauptstadt ist auf den Borschlag der litauischen Regierung zurüdzuführen.

Die täglich anschwellende Bewegung für den deutschen Einheitsstaat pflegt in erster Reihe wirt­haftliche Gründe ins Treffen zu führen. In der Tat ist es ein Unding, daß, während in der Industrie längst der Groß­betrieb, der Riefenbetrieb herrscht, noch staatliche Klein­betriebe aus der Zeit der Postkutsche ihr färgliches Leben auf der Tagesordnung steht, wir uns mit Souveränitäten wie Anhalt, Waldeck und Schaumburg- Lippe herumschlagen, und eine Unmöglichkeit, daß Deutschland , das an dem von Ludendorff verlorenen Krieg finanziell noch lang zu fauen hat, sich den Lugus von insgesamt 74 Ministern, 18 Parlamenten und 2562 Abgeordneten leistet. Aber so einleuchtende Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sein mögen, so wenig sind sie für den Sozialdemokraten alles. Billige Regierung hieß ein fleinbürgerliches Schlagwort des Vormärz, und nach billigerer Verwaltung rufen auch heute die Hasser der Sozialgesetzgebung. Für uns muß in der Frage der Staatsgliederung nicht das Dekonomische, sondern das Politische im Vordergrund stehen, aber aud das bejaht mit Heftigkeit den Abbau des Mittelalters durch Schaffung des Einheitsstaates.

Will Demokratie zum Sieg vorstoßen, muß sie sich auf breiter Fläche entfalten. Soll europäischer Wind durd) Deutschland wehen, darf er nicht durch 18 Zwischenwände abgefangen werden. Die Große Revolution wußte, was sie tat, als sie an jenem 17. Januar 1790 die altüber­tommene Gliederung Frankreichs rücksichtslos zerbrach und das Land ohne jene Sentimentalität rein nach der Zwed­mäßigkeit neu einteilte. Vordem lagen auch dort die einzel­nen Provinzen, wie sie dynastische und feudale Zufälle zu= sammengefügt hatten, unorganisch nebeneinander, meist zoll­politisch gegeneinander abgeschlossen, mit Extrawürsten, mit Enklaven und den tausend Verwaltungsschwierigkeiten der Kleinstaaterei. Der 4. August 1789 aber beseitigte mit einem Federstrich alle Privilegien der einzelnen Gaue, und die rationalistische Departementseinteilung des folgenden Jahres brachte, mit dem bedeutenden Historiker der Revolution. Aulard, zu reden, die Zusammenfassung der insurgierten Gemeinden, um die Nation zu bilden", die Organisation der einzig lebendigen Elemente Frankreichs . Während früher Provencalen, Bretonen, Normannen und Pikarden, während bislang die Bewohner der Champagne , der Touraine , des Dauphiné und des Languedoc mit ihrer ,, bodenständigen Eigenart" aufgetrumpf hatten, wuchsen sie jetzt, ohne ihre wahre Eigenart einzubüßen, zu einem Rörper mit einer Seele zusammen, zu Franzosen , deren Elan die Söldner der europäischen Gegenrevolution bei Bolmy und Jemappes zu spüren befamen. In bald andert­halb Jahrhunderten voller Stürme und Umwälzungen ift diese Departementseinteilung die unerschütterliche Grundlage der französischen Einheit geblieben.

seine Teile stets nebeneinander lagen, ohne ein Ganzes zu Das schwarze Los Deutschlands aber war es, daß bilden. Pulverifiert zu 1800 3wergftaaten im achtzehnten, zerbrödelt in 34 Kleinstaaten im neunzehnten Jahrhundert, vermochte Deutschland nie die Kraft einer einmütigen Nation aufzubieten. Wo Franzosen und Engländer Nationalgefühl, Nationalbewußtsein, Nationalstolz zeigten, gedieh bei den Deutschen eine das Rückgrat verkrümmende Hoflakaien- und Hoflieferantengesinnung als Nährboden jenes schäbigen, mus, der in einem mitteldeutschen Kirchengesangbuch an­engherzigen, furastirnigen Partitularis stimmte:

Gib Regen, Herr, und Sonnenschein Für Schleiz und Greiz und Lobenstein ! Und woll'n die andern auch was ha'n, So mögen fie's dir selber sa'n!

Zu einem Fluch des deutschen Parlamentarismus wurde es, daß er nach 1815 in Kleinſtaaten ohne jede europäische Bedeutung zur Welt kam. Während die fran­ zösische Kammer und das englische Unterhaus Brennpunkte der politischen Leidenschaften eines großen Landes waren, verstrickten sich, dem Betrachter zum Gelächter, die Landtage zu Karlsruhe , zu Stuttgart , zu München , in allerhand Kräh­minfeleien und Eulenspiegeleien, und ebenso brachte das Jahr 1848 teine deutsche Revolution, sondern nacheinander, nebeneinander, zum Teil gegeneinander eine preußische, eine bayerische, eine fächsische, eine badische, eine schleiz- greiz - lobensteinische Revolution, eine verzettelte Be­megung, die, statt die gesamte Nation vom Bodensee bis zum Belt mächtig zu erfassen, sich fläglich in den Einzelstaaten totlief.

Wenn sich gleichwohl im Nachmärz ehrliche Demokrater süddeutscher Prägung die Einheit des Vaterlandes nur in