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Nr. 67 45. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Die Hausbesitzer sind zufrieden!

Geständnis der Wirtschaftspartei im Reichstag.

Der Reichstag fegte gestern die zweite Beratung des Ent­wurfs zur Aenderung des Mieterschuhgefeges fort. Abg. Höllein( Komm): Die Feinde der Wohnungszwangswirtschaft benutzen Drohungen und Korruption zur Durchsetzung ihrer Zwede. Sie haben fogar Abgeordneten 500 mart für einen Bortrag in ihrem Sinne geboten.( Hört! hört!)

Abg. Dr. Jörissen( Wirtsch. Vgg.) ist zufrieden. Die Borlage ist eine Verbesserug der Stellung der Hausbesizer. Der Regierung fehle aber leider der Mut, mit der, bolfchemistisch beeinflußten" Wohnungszwangswirtschaft Schluß zu machen.

Abg. Winnefeld( D. Bp.) wendet sich zunächst gegen den 20bg. Jöriffen. Die Wohnungszwangswirtschaft tönne nicht mit einem Schlage aufgehoben werden, wenn ihre Lockerung auch notwendig sei. Der vorliegende Entwurf fomme den Bedürfnissen der Hausbefizer entgegen,

aber ein bescheidener Mieterschuh sei erforderlich, um Ruhe und Ordnung im Reiche aufrecht zu erhalten.

Wenn Dr. Jöriffen im Grundbesitz" die Haltung der Regierungs­parteien im Ausschuß scharf angriff, so habe er wohl vergessen, daß er selbst den meisten Anträgen dieser Parteien zugestimmt hat.( Hört! hört!) Der preußische Landesverband der Haus- und Grundbesitzer habe leider seine Neutralität aufgegeben zugunsten der Wirtschafts­partei. Der Redner wünscht eine Befristung des Gesezes nur bis 1929. Die Wohnungsämter sollten vollständig beseitigt werden. Der deutsche Mittelstand würde Selbstmord begehen, wenn er die Wirtschaftspartei zu seiner Bertreterin machen würde.

Abg. Schirmer- Franken( Bayer. Bp.) ist die energische Haltumg des Genossen Lipinski unangenehm. Früher hätten alle Parteien im Wohnungsausschuß fachlich zusammengearbeitet. Erst als der Radikalinski Lipinski hineinfam, sei der Wohnungsausschuß zum Standal- Ausschuß geworden. Die freie Wohnungswirtschaft sei heute noch unmöglich, denn sie würde bei der bestehenden Wohnungsknapp heit zu unerträglichen Mietssteigerungen führen.

Reichsjustizminister Hergt weist darauf hin, daß nach der preußi­fchen Verordnung der Mieterschutz bestehen bleibe für die Ateliers Don Künstlern, die Teile der Wohnung sind. Es werde aber weiter geprüft werden, wie jede Gefährdung der Künstler durch solche Ber­ordnungen verhindert werden könne. Ebenso sei ein Schuß für die­jenigen Inhaber größerer Wohnungen beabsichtigt, die auf die Unter­vermietung als einzige Einnahmequelle angewiesen sind. Bei der bevorstehenden Wohnungstonferenz würden diese Fragen mit den Ländervertretern und den Hausbesiger verbänden besprochen werden. Nach einer noch im Reichsrat liegenden Vorlage sollen auch die Fürsorgeverbände einge. schaltet werden zugunsten derjenigen Mieter, die sonst eine Miet­erhöhung nicht aufbringen könnten.

Abg. Schlecht( linker Komm.): Nur durch scharfe Beschlagnahme des Grund und Bodens und der Wohnungen sowie durch Verteilung des Wohnraums streng nach der Kopfzahl läßt sich die Wohnungsnot beseitigen.( Buruf: Wie in Rußland !)

Ja, in Rußland ist man leider von den proletarischen Grund­iäsen abgewichen( Stürmisches Hört! hört! im ganzen Hause.) and hat sich dem Opportunismus in die Arme geworfen, wie hier die Sozialdemokraten. Wir fordern Kommunalisierung des Wohnungs­mesens, Mieterlaß für Arbeitslose, Kriegsopfer und Sozialrentner, sowie Beschränkung des Wohnraums nach der Kopfzahl.

Abg. Tremmel( 3.) weift den Vorwurf zurück, das Zentrum habe mit den anderen Regierungsparteien gemeinsam die Debatte im Ausschuß beschränkt. Im übrigen hätten gerade die Sozial­demokraten feinen Anlaß, das Zentrum anzugreifen, denn die in der Berliner Stadtverordnetenversammlung herrschenden Sozial­demokraten trügen 3. B. die Schuld daran, daß in Berlin achttausend Wohnungen nicht gebaut wurden. Den Bersuch, die Zentrumspartei in den Schmutz und Kot zu ziehen, werde die Partei mit blanker Waffe und reinem Schild zurückweisen. Der Redner schließt, zu den Sozialdemokraten gewendet: Wenn Sie den Kampf gut, Sie sollen ihn haben!( Beifall im Zentrum.)

wollen,

Abg. Frid( Natfoz.) lehnt jede Loderung des Mieterschutes ab. Damit schließt die allgemeine Aussprache.

In der Einzelberatung begründet Abg. Nomad( Soz.) den

Antrag,

daß der Zustellung der Kündigung ein Sühnetermin voraus­gehen müsse.

Donnerstag. 9. Februar 1928

größte Zahl von Anträgen stellte die Kommunistische Partei , dicht hinter ihr folgen die Deutschnationalen; dann in großem Abstand die Deutsche Volkspartei und zum Schluß die größte Partei des Hauses, die Sozialdemokratic, die mit der Zahl ihrer Anträge weit unter der Hälfte der kommunistischen Anträge bleibt.

Im übrigen flagten in der Debatte abwechselnd die Bölki= schen und die Kommunisten, daß der Präsident ihren Schimpfereien nicht genügend weiten Spielraum lasse. Die große Mehrheit des Landtages lachte die Beschwerdeführer aus.

Am Donnerstag beginnt die Beratung des Wohlfahrtsetats.

Mangelnder Reformwille.

Fahrlässiger Falscheid soll strafbar bleiben.

Ferner beantragt er, daß die Kündigung nicht vom Gerichtsschreiber, sondern vom Amtsrichter felbft zugeschickt werden soll. Die Begründung des Entwurfs fordere geradezu die Hausbefizer auf, von dem neuen Kündigungsrecht möglichst umfangreich Gebrauch zu machen. Das widerspreche der geftrigen Ministerrebe, wonach am gegenwärtigen Zustand praktisch nichts geändert werde. Ferner bee Beratung der Eidesdelikte fort. Genosse Landsberg wies antragt der Redner, die Ersaßzustellung der Kündigung für unzulässig zu erklären. Eine Wohnung sei dody feine Bagatelle. Gestrichen werden müsse die Bestimmung, daß der Mieter den Be­weis für seine Schuldlosigkeit zu führen hat, wenn er die Einspruchs frist hat verstreichen lassen.

Ministerialdirektor Abegg bezeichnet die Gründe, die der Bor­redner geltend gemacht habe, nicht als durchschlagend. Eine Kündi­gung seitens des Vermieters erfolge aud) zurzeit nicht durch Urteil. Parallel stehe jetzt die Aufhebungsflage und die gerichtliche Zu­stellung des Kündigungsschreibens. Materiell werde also nichts ge­ändert. In einer ganzen Reihe von Vorschriften weiche der Ent­wurf zugunsten der Mieterschaft von den bestehenden Zuständen ab. Man könne nur zu dem Schlusse tommen, daß die Abweichungen im§ 1a dem Mieter überhaupt feinen Nachteil bringt.

Abg. Koenen( Komm.) wirft die Frage auf, welchen Sinn denn dieses Gesetz überhaupt noch habe, wenn es feine materielle Aende­rung bringe.

Hierauf wird die Beratung abgebrochen.

Nächste Sizung Donnerstag 14 Uhr: Fortsetzung der heutigen Tagesordnung. Schluß gegen Uhr.

Der Etat des Landtags.

Es wird fleißig im Parlament gearbeitet.

Die Dienstag- Sigung des Landtags war erst in der elften Nachtstunde zu Ende gegangen, nachdem sie über zehn Stunden gedauert hatte. Die Mittwoch- Sigung nahm nur drei Stunden in Anspruch.

Den Hauptteil der Verhandlungszeit sollte nämlich die Um gemeindungsvorlage im Ruhrrevier einnehmen, die Dortmund , Bochum und andere Städte wesentlich erweitert. Die Mehrheit des Zentrums will von diesem Gesetz nichts wissen, weil es nicht gleichzeitig eine Erweiterung des Stadtkreises Essen vorfieht. Hierfür sind aber die Pläne noch nicht fertig, und die Mehrheit des Ausschusses wollte das Notwendige nicht verzögern, bloß weil es nicht alles bringt, was man für wünschenswert halten fönnte. Das Zentrum beantragte daher Rüdverweisung an den Ausschuß und fand dafür Unterstützung bei den Deutsch nationalen und den Demokraten. Obwohl also heute das Zentrum feinen Willen durchgesezt hat, wird die Eingemeindungsvorlage für das Ruhrrevier, ebenso wie die für Frankfurt am Main und Breslau noch vor Ostern fertiggestellt werden.

Außer diesem Gemeindegesetz stand auf der Tagesordnung nur der Etat des Landtages und des Staatsrates. Mit einer sehr interessanten Zusammenstellung bewies der Volks­parteiler Metz enthien, daß die in der Rechtspresse so häufigen Klagen über die ungeheuren Ausgaben und die zwecklose Schwägerei im Parlament völlig unbegründet sind.

Der Landtag der Republik hat weniger Plenarsizungen als das alte Dreiflassenparlament. Dagegen hat sich die Zahl der Ausschußsizungen nahezu verdoppelt, es wird also fleißig ge­arbeitet. Viel zu groß ist die Zahl der Initiativanträge und Resolutionen; es sind dreimal soviel als vor dem Krieg. Die

Der Strafgesegausschuß des Reichstags setzte gestern zur Begründung des sozialdemokratischen Antrages auf Streichung der Strafbarkeit des fahrlässigen Falscheides darauf hin, daß früher auch in vielen deutschen Ländern eine Strafbestimmung für den fahrlässigen Falscheid nicht bestanden habe. Auch England, Frankreich , Schweden , Holland , Italien , Norwegen und Japan fämen ohne solche Strafbestimmungen aus. Das Rechtsbewußtsein des Kulturmenschen erfordere also nicht die Strafbarkeit des fahrlässigen Falscheides. Die Regierung wolle offenbar an ihm nur deshalb festhalten, damit die Gerichte da, wo eine Berurteilung wegen Mein­eides zweifelhaft jei, wenigstens wegen fahrlässigen Falscheides per­urteilen fönnten. Im so notwendiger sei die Streichung des fahr­

lässigen Falscheides.

Abg. Bell( 3.) hob hervor, daß die sakrale Form des Eides die Bestrafung jeder, auch der fahrlässigen Eidesverlegung notwendig mache. Die Meineidsseuche müsse auf andere Weise be­| tämpft werden. Ministerialdirektor Bumfe wendete sich gegen den sozialdemokratischen Antrag. Die Regierung fönne sich nur damit einverstanden erklären, daß die Zahl der Fälle eingeschränkt werde, in denen Eide abgenommen würden. Werde aber die Eidespflicht auch nur fahrlässig verlegt, so müsse Bestrafung eintreten.

Genosse Rosenfeld erwiderte, daß die Frage aufgeworfen werden müsse, ob es überhaupt noch aufrecht erhalten werden könne, daß die Beugen teilweise mit, teilweise ohne Anrufung Bottes den Eid leifteten. Der zwiefache Eid dürfe nicht länger aufrecht erhalten werden. Wie sehr die Strafbarkeit des fahrlässigen Falscheides den Richtern als Eselsbrücke diene, um in zweifelhaften Fällen doch noch verurteilen zu fönnen, ergebe sich aus einem in Sondershausen geführten Prozeß, in dem drei Sozialdemokraten an= gefiagt waren, die nach bestem Wissen ausgesagt hatten, in erster Instanz aber doch wegen fahrlässigen Falsch­eides verurteilt wurden. Selbst Geheimrat Kahl jei schon im Jahre 1902 gegen den fahrlässigen Falscheid aufgetreten. Er erparte, daß Kahl seiner damaligen Stellung gemäß den sozialdemokratischen An­trag auf Streichung des fahrlässigen Falscheides unterstütze

Abg. Kahl( D. Bp.) erflärte, daß er sich diesem auf Grund seines früheren Vortrages an ihn gerichteten 2ppell nicht entziehen wolle. Er behalte sich für die zweite Lesung des Gefeßes Anträge auf Abschwächung der Bestimmungen über den fahrlässigen Falscheid vor.

Auf Antrag des Genossen Rosenfeld wurde die meitere Be­ratung einem Unterausschuß überwiesen.

3u§ 185, der die falsche Versicherung an Eidesstatt behandelt, begründete Genosse Saenger einen sozialdemokratischen Antrag, her den Verfuch der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung für straflos erklären wollte. Der sozialdemokratische Bertreter machte darauf aufmerksam, daß es genüge, die eidesstattliche Bersicherung, wenn sie falsch abgegeben werde, unter Strafe zu stellen. Auf die Verfolgung des bloßen Verfuchs könne man sehr gut verzichten. Die Vertreter der bürgerlichen Parteien erflärten sich gegen den sozial­demokratischen Antrag, der alsdann abgelehnt wurde.

§ 187, der die falsche uneidliche Aussage betrifft, murde dem Unterausschuß überwiesen.

Die anderen Bestimmungen des Gefeßentwurfes über die Eides delikte wurden unter Ablehnung sämtlicher fozial. demokratischer Berbesserungsanträge nach dem Regierungsentwurf angenommen.

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