Morgenausgabe
Nr. 73
45. Jahrgang.
A 37 MIDI STA!
Böchentlich 0 Stennig, manatlic 8 Reichsmart im aoraus zahlbar. Unter Streifband im In- und Aus land 5.50 Reichsmart pro Monat
De Borwärts' mtf Bet tuftrier ten Sonntagsbeilage Bolt und Zeit fowie den Beilagen Unterhaltung und Biffen Aus der Filmwelt Stadtbeilage Frauenftimme",
Der Kinderfreund Jugend- Bor warts Blid in die Bücherwelt, Kulturarbeit und Technit erfcheint wochentäglich zweimal Sonntags und Montags einmal
19
Sonntag 12. Februar 1928
Groß- Berlin 15 Pt. Auswärts 20 Pf.
Die etatpettige Ronpareillezetle 80 Pfennig Reflamezeile 5- Reichs mart Rletne Anzeigen" das fettge. brudte Bort 25 Pfennig( zulaifig zwe fettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig Stellengesuche das erste Bort 15 Biennig, tedes meitere Bort 10 Pfennig Borte über 15 Buchstaben gablen für zwei Borte Arbeitsmarkt Beile 60 Bfennig, amtlianzeigen für bonnenten Zeite 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden Braße& wochentagl von 8%, bis 17 Uhr
Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.
Fernsprecher: Tönhoft 292-297 Telegramm- Adr: Sozialdemokrat Berlin
ம
Löbe über den Anschluß.
Die Neue Zürcher Zeitung " veröffentlichte vor| Besiegten, sondern aus gleichberechtigten Gliedern des Bölferfurzem einen Aufsatz des legtjährigen Präsidenten des bundes sich zusammensetzen. Ballverbandes der Bölkerbundsgesellschaften Brofessor Aulard gegen den Anschluß Desterreichs an Deutsch land. Ihm erwidert an der gleichen Stelle Reichstags präsident 25 be, der als Borsitzender des österreichisch deutschen Boltsbundes und Ehrenmitglied der Deutschen Liga für Böllerbund zu dieser Entgegnung doppelt berufen scheint.
Wir betrachten als eine unerschütterliche Basis unserer Forderung des Zusammenschlusses der beiden Staaten das Selbstbestimmungsrecht der Völfer, wie es in den Grundsägen Wilsons vor dem Waffenstillstand als Grundlage des Friedens und der neuen Weltgestaltung gerade von unseren ehemaligen Kriegsgegnern in die Welt gerufen und gegenüber anderen Nationen auch durchzuführen versucht wurde. Herr Profeffor Aulart macht nun den mertwürdigen Einwand, dieses Selbstbestimmungsrecht schließe nicht das Recht eines Boltes in sich, seine Unabhängigkeit aufzugeben und sich mit einer anderen Nation" zu ver einigen. Wie aber fann Herr Professor Aulard zu der An schauung kommen, es handle sich in Deutsch - Desterreich un ein anderes Bolt als in Deutschland , um eine fremde Nation. Davon fann doch gar keine Rede sein. In Wien wie in Berlin wohnt das deutsche Bolt. Cs handelt sich gar nicht um den Anschluß an eine andere Nation, sondern um die durch fremde Gemalt verhinderte Heimkehr Deutscher ins Mutterland. Sprache, Sitte, Stultur, Geschichte, Blut an der Donau sind so deutsch wie am Rhein und an der Elbe . So ist der Ausgangspunkt, bei dem die Beweisführung des Herrn Profeffor Aulard einfegt, ein durchaus irrtümlicher. So wenig man zweifeln fonnte, daß die Bewohner von Galizien , von Krakau und Lemberg Bolen waren, so wenig man sie gehindert hat, sich dem polnischen Staat, also ihrer eigenen Nation anzuschließen, so wenig ist das erstere bei den Deutschen in Desterreich fraglich. Selbst verständlich gilt das Gleiche für eine etwaige Bereinigung der Belgier französischen Blutes mit Frankreich , was Herr Professor Aulard als zwar nicht praktischen Fall vergleichsmeise heranzieht. Würden sowohl Frankreich als auch die Belgier dieses Verlangen stellen, so unzweifelhaft als es bei den Deutschen in Deutschland und Desterreich der Fall ist, dann würde man es sich in Paris und Brüssel verbitten, menn Deutschland dazwischentreten und einen solchen Schritt bekämpfen oder gar hindern wollte. Nein, was jetzt uns gegenüber ,, Recht" ist, ist nur das Recht, des Siegers gegen über dem Besiegten, aber die Welt soll doch auch nach Ansicht des Herrn Professor Aulard nicht ewig aus Siegern und
Krank- Prozeß und Presse.
Zentrumsanfrage im Sinne Mumms.
Im Preußischen Landtag ist eine Kleine Anfrage Dr. Faßbender ( Zentrum) eingegangen, in der um Auskunft ersucht wird, was geschehen solle, um eine die Boltssittlichkeit in schlimmster Weise gefährdende Berichterstattung der Presse über Prozeffe mit einem das Geschlechtsleben berührenden Inhalt zu verhüten, wie wir sie zurzeit in einem Teil der deutschen Presse über den Prozeß Kranz erleben".
Es tommt also unferes Erachtens nur auf den eigenen, frei verkündeten, unzweifelhaften Billen der beteiligten Be völferung an. Ueber ihn Klarheit zu gewinnen, schlagen wir allen Zweiflern eine Abstimmung in Desterreich vor, sind auch mit einer solchen in Deutschland einverstanden, wenn da 3weifel gehegt werden. Eine Abstimmung genau so, wie sie in der Erwartung für uns ungünstiger Resultate in Schleswig , Ostpreußen und Oberschlesien angesetzt wurde. Wir verlangen auch hier nur das gleiche Recht.
Solange man Desterreich das verweigert, erstens eine flare Befundung dieses Willens, zweitens die Bollziehung dieses Willens, solange verlegt man meines Erachtens allerdings einen Grundjazz des Bölkerrechts, nämlich das Selbstbeftimmungsrecht. Denn Desterreichs ll nabhängig feit" ist nicht frei gewählt, wie etwa die der Schweiz und Belgiens , fondern sie ist ihm aufgezwungen, wider seinen Willen, wider die Beschlüsse seiner Nationalversammlung, gegen alle Resultate der Abstimmungen in Tirol und Salzburg .
Der Zusammenschluß Desterreichs und Deutschlands würde weder die Sicherheit Italiens noch der Tschechowürde weder die Sicherheit Italiens noch der Tschecho slowakei bebrohen, denn gerade die Friedensbestrebungen in Groß- Deutschland erhalten durch den Zutritt der beiden friedlichen Bartelen in Desterreich, der Sozialdemokraten und der Chriftlich- Sozialen eine ausschlaggebende Stärkung. Wir mehren uns aber überhaupt dagegen, daß man in Fragen des Bölkerrechts auch heute immer nur in Refruten und Bataillonen denten tann, während wir doch das Recht gegenüber dem Machtprinzip zum ausschlaggeben den Einfluß bringen wollen. Wir wehren uns auch dagegen, als sei die Wiedervereinigung nur eine Forderung oder Folge österreichischer Not. Diese Not kann den Willen und die Sehnsucht zur Heimkehr steigern, sie ist aber allein nicht ausschlaggebend. Ausschlaggebend ist das nationale. Recht eines Boltes.
Drum überrascht es uns, daß Herr Professor Aulard den Antrag der österreichischen Delegation in der Völkerbundliga als eine ,, fenfationelle lleberraschung" erklärt, denn in feinem Stadium der Existenz des erzwungenen Staates Desterreichs, von der Verfassunggebenden Nationalversammlung bis zum heutigen Tage, ist der Wille Desterreichs zweifelhaft gewesen. Desterreichs Bevölkerung. die deutsch ist, will zur deutschen Ginheitsrepublik. Diese Stimme wird der Völkerbund eines Tages erhören müssen und aus dem Grundsatz des Rechtes heraus sollten die Bölkerbundsligen die hohe Aufgabe anfassen, die Erfüllung dieses Rechtes vorzubereiten.
Serualtragödien bei der Jugend abzutöten. Im Dunkeln gedeiht etwas ganz anderes als gesundes Leben.
Wir warnen dringend davor, aus der gegenwärtigen Prozeßführung in Moabit neue Fesseln für die Presse schmieden zu wollen. Gerade die Bresse , die man damit treffen will, ift gewandt genug, Schlüpfrigkeiten statt ernster Berichterstattung einzuschmuggeln. Der ernste, ihrer Verantwortung vor der Gegen wart und der Zukunft bewußte Zeitungsdienst am Bolte aber darf wart und der nicht mucerischen Tagesmeinungen ausgeliefert werden.
-
Postichedkonto: Berlin 37 536 Bankkonto: Banf der Arbeiter. Angestellten und Beamten Wallstr. 65 Diskonto- Gesellschaft. Depofitenkaffe. Lindenstr. 3
-
Um den„ liberalen
Mantel" der Volkspartei.
,, Doch auch hier, wie überhaupt, tommt es anders als man glaubt." Es gab schon ein vernehmliches Gefnurre, als der Reichspräsident ungeachtet aller beschwörenden Mahnungen der deutschnationalen Presse den General Groener zum Reichswehrminister ernannte. Jetzt ist die Rebellion da, und die Partei, die auf ihre Fahne die Stärkung der Stellung des Reichsprfidenten" geschrieben hat, kündigt dem Retter offen den Gehorsam. Offen, öffentlich, offiziös und offiziell verkünden die Deutschnationalen folgendes:
Nach
In der Bresse find unflarheiten über Sinn und Abficht des Briefes des Herrn Reichspräsidenten hervorgetreten. deutschnationaler Auffassung trifft es nicht zu, daß in dem Brief der Erledigung des Schulgesetzes eine geringere Bedentung beigelegt werde als den sonstigen vom Herrn Reichspräsidenten genannten Aufgaben. Bielmehr geht die Mahnung des Herrn Reichspräsidenten an die Parteien in erster Linie dahin, fich über das Schulgefetz zu einigen. Nur dadurch würde auch eine wirksame Borausfegung für die Erledigung der anderen Aufgaben geschaffen werden. Die Deutschnationale Bollspartei ist jedenfalls gewillt, alles zu tun, um das Schulgeset unter Dach zu bringen und damit die politische und psychologische Voraussetzung für die, dem Wunsch des Herrn Reichspräsidenten entsprechende Erledigung der sonstigen Aufgaben einschließlich des Strafgesetzbuches für den weiteren Bestand der jezigen Regierungstoalition bis zum verfaffungsmäßigen Endtermin der Legislaturperiode zu schaffen. Die Deutschnationalen fehen es also als die erste Aufgabe an, alles zu tun, was in ihren Kräften steht um die Schwierigkeiten zu beseitigen, die einer Einigung über das Schulgejez entgegenstehen."
alfo
Wer Augen hat, zu lesen, der weiß, daß im Brief des Reichspräsidenten das gerade Gegenteil von dem steht, was hier behauptet wird. Mit ganz flaren, gar nicht umzudeutenden Worten hat der Reichspräsident den Munich ausgeiprochen, man möge zunächst alle anderen schwebenden Aufgaben der Gesetzgebung lösen, bevor man die bestehende Roalition wegen des Schulgesetzes vor die Existenzfrage stelle. Die Parteien haben selbstverständlich das Recht. sich einem nationalen beschränken sich jedoch nicht darauf, dies zu tun, Wunsche des Reichspräsidenten zu versagen. Die Deutschsie erklären außerdem noch öffentlich, daß der Reichspräsident
gar nicht das gemeint hätte, was er gesagt habe.
Sie fügen damit zum Widerspruch den Hohn.
Warum verstehen die Deutschnationalen Hindenburg absichtlich falsch? Weil die Voltspartei ihn richtig verstanden hat. Das zeigt nicht nur ihre Presse, sondern noch viel mehr eine Entschließung, die von ihrer Reichstagsfraktion am Sonnabend nachmittag gefaßt wurde. Diese Entschließung lautet:
„ Die Reichstagsfraktion der Deutschen Bolkspartei hat sich anläßlich des Schreibens des Herrn Reichspräsidenten an den Herrn Reichskanzler mit der dadurch geschaffenen Gesamtlage befaßt. Sie ist der Auffassung, daß im Hinblick auf die dringenden, von der Reichspolitik- Berabschiedung des Etats, Abwendung der Not der Koalition übernommenen, noch der Lösung harrenden Aufgaben der Landwirtschaft, Kriegsschäden- Schlußgesez, Kleinrentner- Versorgungsgefeß, Sicherung des Wohnungsbaues für 1928, Reform des Strafgefegbuches u. a. m. eine vorzeitige Auflösung des Reichstags vermieden werden muß, auch wenn das Reichsschulgesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden sollte. Die Frattion wird sich deshalb der Aufforderung des Herrn Reichspräsidenten nicht entziehen."
Es wird in der Anfrage gefordert, daß die Gerichte bei ihren Leichter Rückgang der Arbeitslosigkeit. gebungsperiode, zu retten.
Erwägungen über die Ausschließung der Deffentlichkeit für Gerichtsverhandlungen sich in erster Linie von der Rücksicht auf sittliche und vaterländische Belange leiten laffen sollten, da ja auch das Ausland durch eine Berichterstattung nach Art der gerügten ein unerhört verzerrtes Bild der sittlichen Zustände in Deutschland gewinnen würde. Die Anfrage ist ganz im Stile des Antrages Mumm gehalten, den in der gestrigen Reichstagsfizung schon Genoffe Dittmann zutreffend gekennzeichnet hat. Wenn der Prozeß Kranz ein so außer ordentliches Interesse auslöft, fo hauptsächlich deshalb, weil hier in ein bisher so gut wie gar nicht erforschtes Gebiet hineingeleuchtet wird: in das Geschlechts- und Seelenleben einer Jugend, die in der Kriegs- und Nachkriegszeit unter ganz anderen äußeren Bedingungen heranwachst als die Generation, aus der die Mumm und Genossen femmen. Un der Kenntnis dieser Dinge haben nicht nur der Staatsanmalt, Gericht und Berteidiger, sondern alle Leute ein Intereffe, die die Welt nicht wieder zurüdschrauben wollen auf den Zustand vor fünfzig Jahren.
-
Bei den Frauen noch Zunahme.
3n der Zeit vom 15. bis 31. Januar ist die Zahl der männlichen Hauptunterſtühungsempfänger in der Arbeitslosenversicherung von rund 1 200 500 auf 1 155 500, das ist um 45000 oder um 3,8 Bro3. gefun ken, während bei den Frauen noch eine Zunahme um 7000( von 170 500 auf 177 500) oder um 4,1 Proz. zu verzeichnen war.
Für die Gesamtzahl der Hauptunterstützungsempfänger er gibt sich daher nur eine Abnahme um 38000( von 1371 000 auf 1333 000) oder um 2,8 Pro3. Stärker ist der Rüdgang in der rijenfürforge. Hier ist die Gesamtzahl der Hauptunterffügungsempfänger von rund 228 000 auf 215 000, das ist um 13 000 oder um 5,9 Proz zurüdgegangen.
Der Rüdgang ist bei den Frauen verhältnismäßig größer als Abel den Männern. Er betrug bei den Männern 11 000( von 191 000 auf 180 000) oder 5,8 Proz.; bei den Frauen 2000( von 37 000 auf 35 000) oder 6,4 Proz.
Zugegeben, daß hier und dort die Presseberichte über das Maß bas ändert des durch Taft Gebotenen hinaus geschilbert feien nichts an der Tatsache, daß gerade die Bermummerei dieser Dinge viel gefährlich er ist als offene und vertrauensvolle Aussprache. Man bilde fich doch nicht ein, baß die Anwendung der Dunkel temmer im Gerichtssaale geignet fei, alle auftommenden
Die Zahl der Notandsarbeiter in der Arbeitslosenverficherung und in der Krisenfürforge zufammen ist im Zusammenhang mit der milden Wifferung von rund 31 000 auf 47 000, das ist um 16000 gefliegen
Die Bolkspartei geht also freudwillig auf den Vorschlag eln, den Bürgerblock durch Bertagung der Schulvorlage für absehbare Zeit, mindestens bis zum Ablauf dieser Gesetzgebungsperiode, zu retten. Die Deutschnationalen hätten wahrscheinlich gern das Gleiche getan und das Schulgefeß über Bord geworfen, wenn sie Aussicht gehabt hätten, mit diefer Taftit beim Zentrum durchzudringen. Sie haben fich davon überzeugen müssen, daß das nicht möglich ist. Darum haben sie sich entschlossen, gemeinsam mit dem Zentrum auf eine schleunige Lösung des Schulstreits zu drängen und die Volkspartei unter Druck zu sehen. Damit ist das Gegenteil von dem geschehen, was der Reichspräsident gewollt hat: alles soll auf diese Karte gesetzt werden, und wenn fie nicht sticht, sollen Regierung und Reichstag ver spielt fein.
Im interfraktionellen Ausschuß hat am Freitag. wie erst jetzt bekanntgegeben wird, Herr v. Guérard die Boltspartei aufgeforber, ihre Minister dus der Regierung zurüdzuztehen. Die Banerische Volkspartei hat sich diesem Vorgehen angeschlossen. Da bei wird folgendermaßen argumentiert: Die Bürgerblod. parteien haben sich gegenseitig verpflichtet, während der Dauer ihrer Koalition feine Anträge um Aenderung der Berfaffung einzubringen. Nun ist der volksparteiliche Simultanschulantrag nach den Erflärungen des Staats fetretärs 3 meigert verfaffungsändernd. Also haben dis