lehrer mit seiner mutigen Offenheit, seiner fenntnisreichen Darstellung der jungen Persönlichkeit, die ihm anvertraut mar, und leuchtend war trop all ihrer Schwächen das Elternpaar Kranz, die dem Sohn vielleicht gerade dadurch so viel gaben, daß fie nichts geben wollten, als Liebe.
Die große Lehre des Prozesses für die Schule ist, daß die Menschen nicht mit ihrem 19. Geburtstag erwachsen werden, daß man das Schußalter für Jugendliche mindestens um zwei Jahre hinaufrüden muß. Es ist tein Gegenargument, daß es neben solchen Jünglingen wie des spätreifen Kranz vielleicht eine ebenso große Zahl frühreifer Jünglinge gibt. Auch ihnen fann eine etwas feiner pfychologisch begründete Behandlung nur nügen!
Umgekehrt müssen wir aber sagen, daß die neun Jahre höherer Schule für unsere Jugend zu lang sind. Gewiß, wenn mir daran glauben könnten, daß alle unsere Schulen elastisch, beweglich, lebensnah genug werden könnten, um den jungen Menschen die volle Betätigung und Auswirkung ihrer Kräfte zu gestatten, dann käme es auf ein Jahr mehr oder weniger nicht an. Der pflichtbewußte Unterrichtsbeamte wird sich vorläufig in Deutschland neben dem gottbegnadeten Lehrer noch immer in der Ueberzahl halten. Und die Schüler können froh sein, wenn bei aller mangelnden Kenntnis ihres feelischen Lebens doch immerhin so viel Güte und Sympathie ihnen entgegenkommt, wie Kranz sie genossen hat. Aber bei der heutigen Schulform schafft die Tatsache des Schülerfeins starte Minderwertigkeitsgefühle, die sich gerade im sexuellen und erotischen Leben dieser Jugendjahre fürchterlich auswirken. Die Hauptforge um unsere Schüler fragt nicht: Sind die Schüler überbürdet? die Hauptfrage ist: Wie schafft man ihnen eine Lebensform, die ein stolzes und freies Selbstgefühl zur Entfaltung bringt? Das tut die Schule nicht. Sie muß deswegen spätestens im 18. Jahr den Schüler entlassen, wenn nicht dauernder Schaden angerichtet werden soll.
Tiefer noch als Gericht und Schule ist in diesem Prozeß das Elternhaus in seinem Ansehen geschädigt. Weber die liebevollen Eltern Krang' noch das Elternhaus der Scheller war auch nur im mindesten imstande, erzieherisch richtig einzuwirken. Den Wissenden war das immer befannt. Aber es muß heute besonders betont werden, weil sonst eine wichtige Gelegenheit verpaßt würde, um den Unsinn nachzuweisen, den wir fast schon gemacht hätten, wenn wir, wie es die bisherigen Schulgefeßentwürfe wollen, unsere Schulform und unseren Schulaufbau auf de zufällige Entscheidung der jeweiligen Schulkindereltern begründen wollten. Eltern als solche sind für diese Entscheidung nicht vorbereitet, sie haben gar feine Distance zu ihren Kindern, sind nicht imftande, all gemeine Grundfragen der Boltserziehung mit den Einzelmünschen für ihre Kinder in Eintlang zu bringen. Sie zum entscheidenden Faftor zu machen, bedeutet die gefährlichste Durchbrechung der Demokratie, die es gibt.
Bielleicht gelingt es, im allgemeinen eine größere psychologifche Schulung, ein feineres Aufmerten auf das Wesen der Mitmenschen, etwas mehr Einfühlung der Erwachsenen in das Wesen der Jugend zu einem Bestandteil der deutschen Ruttur zu machen. Den Eltern dazu zu helfen, ist die Pflicht aller öffentlichen Erziehungsorgane. Aber bis dahin wird noch manches Jahrzehnt vergehen. Bir tönnen bis dahin den Eltern ihre Rinber nicht allein überlassen.
Eine völlige Umorientierung unserer Reichsschulgesetzgebung ist nötig das ist die Hauptlehre des KranzBrozesses'
Schrei nach der Zensur.
In fatholischen Kreisen verstärkt sich die Tendenz, nichtfatholische Meinungen und Werturteile als Staatsverbrechen anzusehen. Die Demokratie gibt der fatholischen Kirche Freiheit, für ihre Anschauugen zu werben und zu fämpfen- fie gibt aber auch ihren Gegnern die gleiche Freiheit.
Es ist Mode geworden in fatholischen Kreisen, gegen antifatholische Meinungen nach Zenfur und Staatsanwalt zu rufen. Hohe katholische Geiftliche haben gegen die Aufführung des Luther- Films von Hans Kyfer in Berlin protestiert, sie fordern von der preußischen Staatsregierung Widerruf der Genehmigung des Films. Also Zensur.
Es gibt immer noch viel zu viel Zenfur in Deutschland . Mißbrauch der Zenfur im Dienste einer religiösen Anschaus ung das wäre sehr undemokratisch, sehr mittelalterlich und sehr untlug.;
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Die Tägliche Rundschau" protestiert vom evangelischen Standpunkt aus sehr heftig gegen diesen Schrei nach der Sensur :
,, Es ist nur natürlich, daß, um das Wert Luthers und seinen Kampf gegen die römische Bapstherrschaft über das deutsche Volk perständlich erscheinen zu laffen, die historisch belegbaren Mißstände der fatholischen Kirche zu Luthers Zeit tlar beleuchtet werden mußten. Historische Tatsachen lassen sich doch nicht einfach auslöschen, weil sie einem Teile der Bevölkerung nicht angenehm find; aber daß dem anderen Teil die Erinnerung an sie verboten werden soll, ist doch ein startes Stüd." Diefe Abwehr ließe sich Wort für Wort auf das staatsanwaltliche Vorgehen gegen Friedrich Wendels ,, Die Kirche in der Karifatur übertragen. Hier sollen historische Zatfachen nicht durch Zensur, sondern gerichtlich unterbrückt werden.
Es muß den Duntelmännern auf die Finger gesehen werden!
So sind sie!
Spiegel für Kommunisten.
Ein stocreaktionäres Berliner Mittagsblatt, der Berliner Mittag", schreibt zum Hamburger Wahlergebnis:„ Erfreulich ist immerhin unseres Erachtens die Tatsache, daß die Kommunisten im roten Lager Erfolge erzielen. Hoffentlich geht das so meiter."
Schicksal der Arbeitslosen.
Leber 100 000 Ausgesteuerte.- Die Reinigungsaktion und ihre Opfer.- Was geschieht am 31. März?
Die Zahl der unterſtügungsberechtigten Arbeitslosen ist erheb| Einführung der Krisenunterstützung für Arbeitslose nur solche Unterlich niedriger als die Zahl derer, die Arbeit fuchen. Nach den ftützung erhalten dürfen, die zu den Berufsgruppen: Gärtnerei, legten Beröffentlichungen im Reichsarbeitsblatt betrug die Zahl Metallverarbeitung und Industrie der Maschinen, Lederindustrie, der Arbeitsuchenden 1926 012, davon erhielten nur 1390 765 Unter Holz- und Schnißftoffgewerbe. Bekleidungsgewerbe und Angestellte stützungen. zählen. Alle anderen Unterstützungsempfänger sind auszufcheiden. Das dürfte inzwischen geschehen sein. Im lezten Reichs- Arbeitsmartt- Anzeiger" wird erwähnt,
Die Zahl der Arbeitsuchenden ist also um 535 247 höher als die Zahl der Unterstützten. Mindestens 95 Proz. dieser 500 000 find arbeitslos, ohne von der Arbeitslosenunterstügung erfaßt zu werden! Diese Hunderttausende müssen der Wohlfahrtspflege zur Last fallen wenn sie für hilfsbedürftig anerkannt werden.
Ausgesteuert!
Aus der Arbeitslosenunterstützung sind in den letzten Monaten unter Berücksichtigung des Neuzuganges vom 15. Februar über 100 000 Empfänger von Arbeislosenunterstügung infolge Ablaufs ihrer Unterstützungsdauer ausgeschieden worden. Von diesen 100 000 erhält nur ein Teil die Krisenunterstüßung, da der Reichsarbeitsminifter im September 1927 die Höchstbezugs dauer von 39 Wochen in der alten Erwerbslosenfürsorge auf die folgenden Berufe beschränkt hat: Gärtnerei, Metallverarbeitung und Maschinenindustrie, Lederindustrie, Holz- und Schnitzstoffgewerbe, Bekleidungsgewerbe und Angestellte. Nur aus diesen Gruppen ist eine Ueberführung in die Krisenunterstützung möglich. Diese Berufsgruppen machen etwa 25 Broz. der Arbeitsuchenden aus. Die übrigen 75 Broz, viele Zehntausende, verschwinden aus den Ausweisen über die Unterstütungsempfänger.
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Sie sind und bleiben arbeitslos. Wie sollten sie leben? Es bleibt ihnen nur als letzte Rettung die öffentliche Wohlfahrtspflege, immer vorausgesetzt, daß fie als hilfsbedürftig anerkannt werden.
Die Opfer der Reinigungsaktion.
Bon Zeit zu Zeit wird große Auslese unter den Empfängern von Krisenunterstützung gehalten. Die letzte große Auslese entsprang rechtlichen Erwägungen. Bis zum Januar hatte man die Uebergangsbestimmungen in der Arbeitslosenversicherung richtig ausgelegt. Diese sollten sicherstellen, daß die bei Inkrafttreten der Arbeitslosenversicherung vorhandenen Ünter ftügungsempfänger ihre Unterstützung bis zum 31. März nach altem Recht weitererhalten. Durch die Anordnung des ReichsDurch die Anordnung des Reichs arbeitsministers vom 7. September v. 3. über die Höchstbezugsdauer in der Erwerbslosenfürsorge wurde der Neuzugang in die Krijen fürsorge auf die bereits ermähnten Berufsgruppen beschränft Stellt diese Maßnahme bereits einen Abbau des Arbeitslosen fuges bar, so fonnte eigentlich darüber fein Zweifel bestehen, daß die bereits in der Krisenfürsorge befindlichen Unterstügungs. empfänger aller Berufsgruppen durch die Uebergangsbestimmungen geschützt werden sollten. Jetzt wird erklärt, daß auf Grund der Anordnung des Reichsarbeitsministers vom 28. September über
daß einer Anzahl Krisenunterstützter die Unterstütung entzogen werden mußte, da sie die Krisenunterstütung nach den bestehenden gesehlichen Bestimmungen zu Unrecht erhalten.
Die Zahl wird nicht angegeben, sie geht nach unserer Schätzung in die Zehntausende. Also auch hier: Zehntausende verschwinden aus den Ausweisen über die Unterstüßungsempfänger, nicht weil sie Arbeit gefunden haben, sondern weil sie feine Unterstützung erhalten.
Ein fritischer Termin.
Am 31. März läuft der Schutz auf Grund der Uebergangsa bestimmungen ab, bis zu diesem Tage gilt auch mit die Anordnung über Einführung der Krifenunterstützung für Arbeitslose. Dazu tommen die bereits gefchilderten Mängel in der Durchführung des Arbeitslosenschutzes, auch der Ablauf der Unterstützungsdauer von 26 Wochen nach den Vorschriften der Arbeitslosenversicherung rückt für Zehntausende in bedrohliche Nähe. Es müssen deshalb underzüglich die erforderlichen Maßnahmen zum Schutze dieser in die Hunderttausende gehenden Arbeitslosen getroffen werden.
Was geschehen muß.
Das Gefeh fieht vor, daß der Berwaltungsrat der Reichsanstalt die Höchstdauer der Arbeitslosenunterstützung bei besonders ungünftigem Arbeitsmarkt auf 39 Wochen ausdehnen kann. Diese Voraussetzung ist nach der eingangs gefhilderten Lage des Arbeitsmarties gegeben; es darf deshalb mit der Berlängerung der Unterstützungsdauer nicht mehr gezögert werden.
Die Gewährung der Arbeitslosenunterstühung als risen. unterstüßung muß der Reichsarbeitsminister in Zeiten au. dauernd besonders ungünstiger Arbeitsmartflage 3 ulaisen. Auch diese Voraussetzung liegt vor. Es genügt jedoch nicht, die Anordnung über Einführung der krisenunterstützung für Arbeitslose über den 31. März zu verlängern, fie muß vor allen Dingen auf fämtliche Berufsgruppen ausgedehnt werden. Außerdem bedarf auch die Verordnung über die Krisenfürsorge selbst einer Lenderung, vor allen Dingen hinsichtlich der Unterstühungsdauer
Es muß Vorsorge getroffen werden, daß ohne Rüdsicht auf die Dauer der Arbeitslosigkeit die Unterstühung gemährleiftet bleibt, jo. lange angemessene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werben faun. Nur jo fönnen die Gefahren vermieden werden, die aus dem Ablauf der Uebergangsbelfimmungen am 31. März entstehen
Wie lange will der Reichsarbeitsminister noch zögern, diese Maßnahmen durchzuführen?
Freigabegesetz endlich angenommen
Auch vom Senat.- Deutsches Eigentum wird zurückgegeben.
Washington , 20. Februar. Der Senat hat die Freigabe bill ohne namentliche Abstimmung angenommen.
Damit ist ein jahrelanger Kampf glücklich beendet, der fich vor allem hinter den Kulissen des amerikanischen Barlamentes abgespielt tiert hat. Vor einem Jahre war die Erledigung der Vorlage an und von dem die internationale Börsenfpetulation profi. dem Widerstand eines Teils des Senats gescheitert. Der Entwurf mußte etwas abgeändert werben und hat nun endlich beide parla
mentarische Körperschaften passiert.
Das jetzt beschlossene Gesez sieht eine sofortige Zahlung der Ansprüche a meritanischer Bürger gegen Deutschland bis zu 100 000 Dollar vor. Der Rest soll in Raten gezahlt
Unanständig!
Chriftliche Klage über religiöse Neutralität.
Im Deutschen , der Zeitung der christlichen Gewerkschaften, bezichtigt ein chriftlicher Gewertschaftler aus Halberstadt die Sozialdemokratie und die freien Gewerkschaften lebhafter, verantwortungsloser, demagogischer, schäbiger Agitation, Er bemüht fich, die sozialdemokratische Bresse der„ Berlegung des Gefühls aller Anständigen" au beschuldigen.
Was regt den Mann auf? Er schreibt:
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werden, außer bei Entschädigungen für Tod oder Körperverlegungen, die sofort voll zahlbar sind. Die Borlage enthält ferner die so for tige Zahlung von 80 Prozent des deutschen Privateigentums, dessen Rest erst später zahlbar sein soll, sowie die sofortige Zahlung von 50 Prozent der Entschädigung für deutsche, Shiffe, Die Restzahlung dieser Batente und Radiostationen. Entschädigung, die 100 Millionen Dollar nicht übersteigen darf, soll ratenweise erfolgen. Die Forderungen des amerikanischen Staates an Deutschland ( 60 Millionen) werden erst nach der Erledigung aller beiderseitigen privaten Ansprüche geltend gemacht.
Die einzige wesentliche vom Senat vorgenommene Aenderung befteht darin, daß ehemals regierende deutsche Fürst enfamia tien, soweit fie Beteiligung an deutschen Reedereien hatten, baraus Entschädigungsansprüche nicht geltend machen dürfen.
Die Zeitung aber, die so unbewiesene allgemeine Verdächtigungen und Beschimpfungen wiedergibt, hat diese mildernden Umstände nicht.
Bange Ahnungen.
Wie geht es dem Notprogramm?
Amtlich wird gemeldet: Das Reichsfabinett befaßte fich geftern erneut mit dem Arbeitsnotprogramm und insbesondere der Borbereitung und Sicherstellung seiner parlamentarischen Er lebigung.
Die„ Tägliche Rundschau" schreibt: Man tann natürlich nicht wissen, ob das Notprogramm ungefährdet die parlamenta
,, Borgegangen wird so strupellos mie noch nie. In vorwiegend fatholischen Gebieten hängt man fich das Mäntelchen der religiösen Neutralität um und ist angst lich bemüht, bie religiösen Gefühle ja nicht zu perlegen. 3ft man aber unter sich waschechten Gerische Beratung passieren wird. Gegenwärtig besteht aber fein noffen, tann man Reden über Religion, Kirche und Geiftliche Anlaß, die Strifengefahr besonders an die Wand zu malen." hören, die in ihrer alles gemein herunterziehenden Weise nicht Gegenwärtig! Bie fie das sagt! wiedergegeben werden können."
Die Erregung dieses Mannes kommt daher. daß freie Gewerfschaften und Sozialdemokraten religiöse Neutralität wahren und sich bemühen, fogar ängstlich bemühen, religiöse Gefühle nicht zu verlegen. Er mürbe vermutlich eine tulturtampferische Haltung der Sozialbemotratie lieber sehen meil für ihn bequemer und weil dann unangenehme soziale Tat fachen unter dem Geschrei über die, religionsfeindliche Sozialdemwtratic nerborgen werden tönnen. So bleibt ihm nur die Ver leumbung: unter fich tegern sie Woher weiß es das, und menn es wahr märe mas ginge es ihn an?
Danzig , 20. februar. Dem Boltstag ist folgender Amnestie- Gesezentwurf des Senats zur Beschlußfaffung zugegangen:
Alle wegen der vor dem 11 Januar 1928 begangenen politischen Verbrechen und Bergehen erfannten Freiheits-, Gelda und Nebenstrafen merben erlaffen und die wegen solcher Berbrechen und Bergehen schmebanden Untersuchungen niedergeschlagen. Oft für
Der Mann hat mildernde Umstände. Er ist christlicher Tabat- folche strafbaren Handlungen eine Untersuchung noch nicht eingeleitet, Die„ Brow do" schreibt zur Bürgerblodtrije: Die deutschen arbetter, jeine Erregung rührt daher, daß die chriftlichen Labai Sozialbemofraten haben ihre Pflicht gegenüber dem Bürgertum gearbeiter nach der Aussperrung über das Berhältnis zwischen Wort tan und für das Budget zu stimmen beschlossen." christentum der Ausbeuter und Scharfmachergesinnung nachzudenten Gefogen, mie nur die Branda" lügen tann! beginnen.
jo wird Straffretheit gewährt. Ob eine Untersuchung niederzus schlagen, ist von Ants wegen in jeder Phase des Verfahrens zu prüfen. Der Beschuldigte ist vor der Entscheidung zu hären,