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Asquith der Mann.

Ein Porträt.

Die fterblichen leberreste 2ord Orfords ( Asquith ) wurden am Montag bem Wunsche des Verstorbenen entsprechend auf dem ländlichen Friedhof von Sutton Courtney, wo er feit 60 Jahren seinen Wohnsiz hatte, zu Grabe getragen.

E. W. Condon, 16. Februar,

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Sein war nicht die Flötenstimme Lloyd Georges, die be­zaubert und verführt, nicht Ramsay Macdonalds melodisches Organ, dessen musikalische Spannweite von lyrischer Weiche zu trompetengleicher Bucht im Unterhaus seinesgleichen sucht, nicht Baldwins verhaltene Nüchternheit mit ihrem Untertone von Gefühl und Leidenschaft. Er war ein Redner im alten Sinne des Bortes. Gewiß nicht pompos, mit fontinentalen Maßstäben be trachtet. Aber mit einem pompösen Einschlag an der rednerischen Tradition des Unterhauses, dieses ersten Klubs der Welt" gemessen. Er besaß feine natürliche Phantasie; was auf den ersten Blick so scheinen modhte, war nichts als das Spiel eines ausgezeichnet geordneten Advokatenintellettes, der alle Register nach Bedarf zu ziehen vermochte. Asquith , der Redner, war in erster Linie ein eis­talt logischer politischer Rechner, der überdies einen Teil seiner parlamentarischen Triumphe dadurch erzielte, daß er stets, bewußt oder unbewußt, den Eindruck erweckte, er halte mit seinem besten Wissen zurück, habe mehr zu sagen, als er auszusprechen für gut hielte.

Asquith war kein Schauspieler, aber er hatte sich doch auch eine Maste zurechtgelegt, die feiner Karriere in diesem Lande des siegreichen äußeren Anscheines unendlich zugute tam: er unter­strich das Gebietende, Autoritative, mit dem thm die Natur äußerlich beschenkt hatte, stilisierte sich selbst ins Klassische, trug bewußt seinen römischen Kopf wie ein Protonsul der Republik Roms hoch über dem Getümmel. Ein Bild aus der Zeit der Kämpfe um die Beschneidung der Macht des Hauses der Lords hält ihn in dieser Bose für alle Zeiten feft: vorne die wütenden, tobenden Bänke der Konservativen, die ihn durch einen in der Geschichte der Mutter der Parlamente" einzig dastehenden Klamaut( eine volle Stunde lang!) am Weitersprechen hinderten Im Hintergrunde, groß, gebietend, unerschüttert der Ministerpräsident Asquith , unfähig zwar, seine Gegner zum Schwei­gen zu bringen, aber hoch über dem Getümmel entfesselter Leiden­schaften.

Daß diese Geste, die Asquith durch eine beinahe fünfzigjährige politische Karriere hindurch aufrechterhalten, nicht durchweg imerer Stärke entsprach, zeigt das lehte Jahrzehnt feine: politis hen Karriere, die nach einem bis ins fechste Jahrzehnt seines Lebens reichenden ständigen Aufstieg, währenddessen alles zu gelingen schien, im Zeichen tragischen Mißlingens stand. Gewiß, im Kampfe um die Borherrschaft des Unterhauses hatte er sich in schweren parlamentarischen Kämpfen als Sieger erwiesen. Aber später, nachdem er die Nation in den Krieg geführt, ermies er fich nicht mehr als der Mann der Stunde. Ihm fehlte die magnetische Kraft der Persönlichkeit, die Großbritannien wie ein Stimulang stets

in schidsalsschweren Augenbliden erwartet, und fein Sturz, äußer lich gesehen, nichts als das Spiel schmuziger politischer Intrigen,

mar, objettin genommen, ohne 3meifel der Ausdrud einer Stimmung der Mehrheit der Nation. Als nach dem Kriege, im Gefolge der Roalitionspolitit Bond Georges, die alle Grenzen zwischen Liberalen ind Storifernativen zeitweise verwischt und den britischen Biberalis mus von oben bis unten gespalten hatte, Asquiths Bartei guzer fallen begann auch da persagte fein persönlicher Appell zur Eint gung. Grft als der Hauptschuldige an dem Zusammenbruch, Lloyd George felbft, mit seiner größeren Beidenschaft fidh an die Einigung machie, began bie zerbrochene Partei wieder neu zu leben. ar es versagende Kraft, die sich in diesem legten Lebensjahrzehnt in falden Niederlagen auswirfte, war es Ungirift übermächtiger äuße rer Berhältnisse, Asquith felbft hat hei aller tiefen inneren, von feiner nätysten llingebung ftändig geschürbex Erbitterung gegen Lloyd George , bie er nicht ganz zu verbergen ver­mohte, die Schuld nie auf Bersonen geschoben. 2onal gegen seine Freunde, hat er feine innere Bornehmheit auch seinen Feinden gegenüber bewiesen, Gleiches mit Gleichem nie vergolten und schließ lich mit ruhiger Würde den Zufammenbruch seiner Eriftenz ge­tragen. Im Jahre 1924 schließlich von einem verhältnismäßig un bekannten Abgeordneten der Arbeiterpartei geschlagen, fand feine politische Gristena, someit fie an das Unterhaus gefnüpft war, ihren Abschluß. Und es ist nicht ohne tragische Ironie, daß der Mann, der mie fein anderer Politiker der letzten fünfzig Jahre für die Ober­herrschaft des Unterhauses gefämpft hatte, die letzten Jahre feines Lebens als Mitglied des Hauses der Lords verbrachte. Asquith war gewiß fein bewußter Gegner der Arbeiterschaft, hatte er doch selbst zu lange, gestützt auf Arbeiterstimmen, die höchste politische Würde seines Landes be fleidet. Aber er war nicht nur seiner Herkunft nach, sondern in feiner ganzen Einstellung durch und durch bürgerlich. Je be wußter sich die Arbeiterschaft ihrer eigenen Wünsche und ihrer eigenen Sendung wurde, um so tiefer wurde die Kluft. Auch als er die Arbeiterpartei 1924 in den Sattel sejte, da geschah es meniger, um der Arbeiterpartei eine Chance zu geben", wie er behauptete, sondern um ihr Gelegenheit zu gewähren, unter den ungünstigsten parlamentarischen Machtverhältnissen abzuwirtschaften. Der Sturz der Arbeiterregierung riß aber seine eigene Partei in den Abgrund, und während die unterliegende Labour Party mur eine Einbuße an Stimmen erlitt, wurden die Liberalen in den Neu­wahlen völlig aufgerieben. Es ist für seine Stellung zur Arbeiterbewegung am Abend seines Lebens beinahe symbolisch, daß die letzte Gelegenheit, bei der er im Mittelpunkt einer öffentlichen Diskussion stand, der Generalstreif war; damals schlug er fich in einer öffentlichen Kundgebung, in der er die Aeußerungen notorischer Arbeiterfresser übertrumpfte, auf seiten der Re gierung. So endete eine poltische Laufbahn, die beim Rabitalis mus begonnen hatte, in einer offenen Kriegserklärung an die Arbeiterschaft.

Asquith war der letzte in der Reihe der Politiker des 19. Jahr Hunderts, die man in England mit einer Mischung aus Hochachtung und Ironie die großen Barlamentarier" nennt, der Männer, die die parlamentarische Etikette, den parlamentarischen Redestil, den

Not Die Not mit dem Notprogramm.

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Der Cavell Film verboten.

Eine englische Friedensgefte.

London , 20. Februar.

Die Filmzenfurbehörde hat die Genehmigung zur Vorführung des Cavell Films verweigert.

in London

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Man muß zu dieser Entscheidung die britische Film­behörde beglückwünschen, denn die Aufführung dieses Films hätte zweifellos die Kriegsleidenschaften im Bolte aufs neue ganz überflüssigerweise aufgemühlt. Auch dem deutschen Auswärtigen Amte fönnte man zu dem Erfolg seiner Borstellungen gratulieren, aber bie von ihm bei dieser Gelegenheit entfaltete Attivität sticht mertlich ab von der Passivität, die die Reichs regierung gegenüber deutschen patriotischen" Filmen bisher gezeigt hat. Es ist uns nicht befannt, daß rührt hat, um die nationalistische Filmfeuche im die Reichsregierung bisher auch nur einen Finger ge eigenen Lande zu befämpfen. Der Bhoebus Stand af beweist jogar, daß amtliche Stellen im Gegenteil Instinkte bes Bublifums zu fördern, alfo legten Endes ge beftrebt waren ,,, nationale" Filme und damit die friegerischen rade dasselbe zu tun, was man durch den Londoner Proteft­fchritt gegen den Cavell Film bei den anderen verhindern wollte und verhindert hat.

Britischer Diplomatenwechsel.

Tyrrell geht nach Paris , Lindsay nach London .

Im englischen diplomatischen Dienst find zwei wichtige Bera änderungen eingetreten: zum Botschafter in Paris ist der bisherige Staatsjefretär im Auswärtigen Amt Sir William Tyrrell ernannt worden, während der bisherige Botschafter in Berlin , Sir Ronald Lindsay , Tyrrells Bosten in London einnehmen wird.

Sir William Tyrrell hat in den letzten Jahren eine führende Rolle in der britischen Außenpolitik gespielt, da er, ohne die politische Berantwortung vor dem Parlament zu tragen, als Staatssetretär den diplomatischen Beamtenapparat in der Hand hatte. Es läßt sich nicht gerade behaupten, daß die Außenpolitik Großbritanniens seit der Rückkehr der Konservativen zur Macyt fortschrittlich und friedensfördernd war. Im Gegenteil: wo auch in Europa faschistische Regierungen am Ruber waren, erfreuten sie sich des britischen Wohl wollens, was für sie von ungeheurem Vorteil war und zugleich eine indirekte Ermutigung zur dauernden Beunruhigung ihrer Nachbarn bildete: fiehe Italien , Ungarn , Bulgarien , Litauen . Dagegen spikte fich der Gegensatz zwischen England und Sowjetrußland ständig zu, modurch die allgemeine Unruhe in Europa bedeutend verschärft wurde. Es wird versichert, daß die treibende Kraft dieses reaktionären Kurses gerade Sir William Tyrrell war, der als Be herrscher der diplomatischen Bureaukratie auf seinen Minister Cham­

Seipels Kotau vor Mussolini .

Einmütiger Protest Nordtirols .

Innsbrud, 20. Februar,

Die Innsbrucker Blätter sämtlicher Barteirichtungen, auch die chriftlich sozialen Barteiorgane, find mit den jüngsten Aeußerungen des Bundeskanzlers Dr. Seipel über die Südtiroler Frage nicht einverstanden und verlangen eine energische Ber tretung der Interessen der Deutschen südlich des Brenners. In diesem Zusammenhang bringt die sozialdemokratische ,, Bolkszeitung" die Mitteilung von einem Schritt der italienischen Re.

berlain den maßgebenden Einfluß ausübte. Im übrigen war Tyrrell als getreuer Angehöriger der katholischen. Kirche bestrebt, möglichst viele Glaubensgenossen an einflußreiche Stellen in der Londoner Zentrale und im Außendienst zu setzen..

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Es läßt sich nicht vorausschen, ob Tyrrells Berseßung nach Baris und seine Ersehung durch Lindsay den fünftigen allgemeinen Kurs der britischen Außenpolitik wesentlich beeinflussen wird. 3u wün­schen wäre eine solche Kursänderung jedenfalls, denn die Sache des Friedens hat trot Locarno - feit der Machtergreifung durch die Konservativen im Herbst 1924 feine Fortschritte gemacht. Biel­mehr trifft die Kennzeichnung zu, die der New Beader", bas Wochenblatt der Unabhängigen Arbeiterpartei Englands, vor einigen Tagen in einer Parodie auf die Thronrebe von der briti schen Außenpolitik gab:

Meine Lords und meine Herren Unterhausmitglieder! Meine Beziehungen zu den fremben Mächten( mit Ausnahme von Ruß­ land , Indien und anderen Ländern) find weiter freund. ihaftlich, obwohl ich meine Minister die größte Muhe geben, das Band in schwierige Situationen überall in Europa zu Dermideln, und obwohl sie durch ihr widerfinniges Berlangen nach einer alleinigen Beherrschung der Meere gespannte Beziehun gen zu den Bereinigten Staaten von Amerifa geschaffen haben. Es ist ber bauernde Wunsch meines Bolles, Daß die Regierung im Zusammenmirfen mit dem Bölferbund auf die Beilegung von internationalen Streitigteiten und auf die Sicherung des Friedens bebatt sein sollte. Leider ist aber mein Auswärtiges Amt total unfähig, etwas anderes zu machen, als Un ruhe auf dem Rontinent zu verursachen und alle fonstruftipen Borschläge für die friebliche Beilegung der Schwierigfeifen in Europa und in der Welt abzulehnen. Ich bedaure, daß eg nicht in meiner Macht lag. meine Regierung daran zu hindern, das Prestige Großbritanniens im Rat des Bölkerbundes herabzulegen.

Sir Ronald Lindsay , der übrigens mehr als zehn Jahre jünger ist als der bisherige Staatssekretär, ist, politijd betrachtet, ein unbeschriebenes Blatt. Er fam im Herbst 1926 als Nach folger von Lord d'Abernon nach Berlin und befleißigte sich einer auffallenden Zurückhaltung, die von der außerordentlichen Rührig feit seines Borgängers auf diplomatischem und gesellschaftlichem Ge biete sehr abstach. Es ist zu hoffen, daß Sir Ronald Lindsay , der mehr in der Welt herumgekommen ist als Tyrrell, einen günstigeren Einfluß auf die britische Außenpolitik ausüben wird, als es unter letzterem der Fall war. Es kann jedenfalls für das deutsche Bolk nur von Bortei! sein, wenn auf dem verantwortlichen Bosten des Staatssekretärs in London ein Mann steht, der immerhin Deutsch land und dessen führende Persönlichkeiten fennengelernt hat, mährend Tyrrells entschiedene Frankophilie sich bei vielen Gelegen. heiten, insbesondere in der Zeit der Ruhrbesetzung, sehr ungünstig ausgewirkt hat.

Ueber die Person des Nachfolgers Lindsays in Berlin ist die Entscheidung noch nicht gefallen.

während der Dienststunden rauchen dürfe. Zum erstemmal seit längerer Zeit erklärten sich die Schreibdamen mit einer Dienst­porschrift einverstanden. Inzwischen hat diese Vorschrift das Interesse eines Pariser Blattes erregt. Es zog Erfundigungen ein und teilte zum Kummer der Stenotypistinnen des Marineamts mit, daß die Dienstvorschriften zwar aus einem Marineminifterium stammen, aber nicht aus dem französischen, sondern aus dem nords amerikanischen.

St. Bureaukratius auch in Frankreich .

Paris , 20. Februar.( Eigenbericht.)

,, Geift des Hauses zu einer Religion erhoben hatten und in der gierung im Wiener Außenminifterium wegen angeblicher für Unfällen in einer Weise einzuschreiten, die den Tatbestand ver

Bolitik eine Art von höherem Sport, bei dem es im Grunde nicht darauf ankommt, bei welcher Mannschaft man steht:

Die Ankunft der Arbeiterpartei hat dieser Form von Politik in England ein Ende gemacht. Seither flang Asquiths Stimme fremd in einer fremden Welt. Sein Scheiden hinterläßt keine Lüde er war ein lebender Anachronismus geworden.

Die Waffenzerstörung in S3f. Gotthard ist bestritten worden, fie ftimmt aber; man läßt den Waffen den Charakter des Kriegs­materials nehmen, d. h. fie merden verschrottet, um am

d.

nicht meldet,

Italien unfreundlicher Reden einiger Tiroler Landtagsabge ordneten, die während der Debatte über die Schaffung einer Tiroler Landesgedenkmünze für die Berteidiger Tirols im Weltkrieg gehalten worden sein.

Enttäuschte Zippdamen. Gefälschte Raucherlaubnis im franzöfifchen Marineamt. Paris , 20. februar.( Eigenbericht.)

Die Beamtinnen des Marineministeriums waren fürzlich des Lobes voll über ihre vorgefekte Behörde. Ein Spaßongal hatte im

Eine Polizeivorschrift verbietet heute noch Privatpersonen, bei ändern könnte". In Brest hat sich nun am Sonntag ein Marine­offizier im Bart an einem Baum erhängt. 3wei Frauen, die ihn beobachtet hatten, holten, anstatt selbst einzugreifen, einen Polizisten herbei. Ms der Bertreter der öffentlichen Ordnung dann im Sturmschritt am Tatort erschien, war der Selbstmörder bereits tot. Er hatte turz vorher schon einmal versucht, sich auf­zufnüpfen. Es hatte ihn aber ein Student abgeschnitten, bei dem er sich mit groben Beschimpfungen bebantte. Ob der Student mun noch megen eines Berfuchs, den Tatbestand zu ändern", be= ftraft wird?

Die brifische Simons- Sommiffiou fand fich in Staltutta bei ihrer

24. b. m. versteigert zu werden, da fich ein Empfänger ministerium die Nachricht verbreitet, daß die Beamtenschaft fünftig Antunft einer Fahne gegenüber, die sie zur Abreise auffordering