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BERLIN tione

Mittwoch,

22. Februar

Der Abend

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Nr. 90

B 45 45. Jahrgang.

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Der König aus dem Morgenlande

Empfang auf dem Bahnhof.

Hindenburg in 3ylinder und Rod.

Alle monarchistischen Herzen können höher schlagen: Wir haben seit heute mittag einen richtigen Emir in Berlin , Amanullah von Afghanistan! Empfangen mit roten Läufern, mit der vorgeschriebenen Anzahl von Kanonenschlägen des alten Königsfaluts, mit einem Flaggen­schmud, wie er großzügiger nicht gedacht werden kann. Der Emir erschien mit seinem Gefolge in einer Uniform, die so bunt und so ordenübersät war, wie sie selbst unser verflossener Wilhelm nicht getragen hat. Demgegenüber fann festgestellt werden, daß der Reichspräsident, als Repräsentant der deutschen Republik, im schwarzen Rod und Zylinder ohne jeden Ordensschmud auf dem Empfangsbahnsteig des Lehrter Bahnhofs erschienen war.

Seit den frühen Morgenstunden schien ein, wenn auch nur fleiner Teil des unbeschäftigten Berlin auf den Kopf gestellt zu sein. Schon zwei Stunden vor dem Eintreffen des Sonderzuges war es schwer, durch die Anfahrtstraßen hindurchzukommen, und eine Stunde später half fein Ausweis der Reichsregierung mehr, so waren die Straßen erfüllt von Neugierigen, Schupo und Reichs wehr. Bei der Ausschmüdung wäre vielleicht weni­ger mehr gewesen. Auf dem Borplatz des Lehrter Bahnhofs mar ein großes afghanisches Nationalwappen, umfränzt von Tannenguirlanden, ausgespannt zwischen zwei Flaggenmasten, die das schwarze Banner Afghanistans und die schwarzrotgoldene Flagge zeigten. Der Borplay war auch in seinem weiteren Rund festlich aus geschmückt. Wenn man bedenkt, daß Hindenburg und der König sich im ganzen höchstens zehn Minuten vor dem Lehrter Bahnhof aufhielten der Empfang von der Einfahrt des Zuges bis zur Ab. fahrt der Automobile, der übrigens auf die Minute flappte, dauerte 25 Minuten, dann dürften auch geringere Kosten genügt haben. In der Bahnhofshalle hingen nicht weniger als zweiund­zwanzig mit Tannenguirlanden umwundene lange Fahnen Deutsch lands und Afghanistans . Tausende von Menschen umfäumten den Plaz, die Schutzpolizei hatte Mühe, für Ordnung zu sorgen, wurde ihrer Aufgabe aber im allgemeinen mit Taft gerecht. Auch die Anfahrtsstraßen find festlich geschmückt.

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Bon allen Regierungsgebäuden wehen Fahnen der beiden Län der. Die Gesandtschaften haben die Hoheitszeichen ihres Staates

Der afghanische Ordenssegen.

In einer Berliner Juwelentirma sind ,, hohe Orden" angefertigt und ausgestellt, die Aman Ullah an deutsche Würdenträger verteilen will. Er weiss nicht, daß in Deutschland die Annahme von Orden durch die Verfassung verboten ist.

Schicksal des Soldaten Humpmair.

( Bericht in der Beilage).

gehißt. Mächtige Pylone zieren den Platz vor dem Brandenburger Tor . Die Strede vom Tor bis zur Wilhelmstraße ist besonders reich deforiert.

Kurz vor 11 Uhr trifft der Reichs präsident, von Staats­

40 Opfer beim ,, Norge " Untergang?

Ein neuer Schiffsuntergang an der englischen Küste.

Der Untergang des norwegischen Küftendampfers für Pasfagler| chaften noch nicht genau feftgestellt, da man iricht weiß, wieviel und Frachtverkehr, Norge", über den wir berichteten, hat er heblich mehr Menschenleben getoftet, als man zunächst annahm. Aus Kopenhagen wird berichtet:

Wie bereits gemeldet, erfolgte das Unglüd in der Nacht zum Dienstag furz vor 12 Uhr. Das Schiff war in einen ftarten Schneesturm geraten, als der Steuermann eine Viertelstunde nach dem Verlassen des Hafens Haugesund einem Motorboot aus­weichen mußte. Es hat den Anschein, als ob der Steuermann dabei die Schären außer acht gelaffen hat, die mit ihren felfigen Unter. wafferklippen dem Fjord vorgelagert find. Mit großer Fahrt lief der Dampfer auf die Schäre Trolsholmen, wobei der ganze Schiffsboden aufgeriffen wurde, Das Schiff begann fofort zu finden und hat fich nur wenige Minute über Waffer gehalten. Die paffagiere, etwa 20 an der Zahl, lagen in ihren Kajüten in tiefstem Schlaf. Bei dem harten Unprall find alle erwacht und schreiend an Ded gestürzt. Die Besatzung versuchte in aller Eile die Rettungsboote flarzumachen, was jedoch bei dem schnellen Sinken nicht gelang. Die Mehrzahl der Passagiere hat sich darauf ins Meer geftürzt, wohin thnen von der Befahung Rettungsringe nachgeworfen wurden. Die meisten Passagiere sind von dem Motorboot, das den ganzen Borgang be­obachtete, aufgenommen worden. Bisher wurden von den Bassa­gieren drei Mann für tot erklärt. Weiterhin sind der Kapitän Ostar Knudsen, ein Coffe, zwei Kajütenfrauen, zwei Mann der Besatzung und ein Strafgefangener, den man nicht rechtzeitig aus der Zelle hat befreien fönnen, ertrunken. Die Norge" wat einer der größten Routendampfer, die den Küstendienst versehen. Nach den letzten Meldungen ist die Zahl der bei dem Unier gang der Norge" ums Leben gefommenen Baffogiere unb Mann

Personen sich in Haugesund an Bord begeben haben. Gerüchte mni sprechen Donos aus sind eb mo 40 ertranfenen Personen.

Mit dem Schiff sind Postfachen im Werte von 11 000 kronen unter­Mit dem Schiff find Postfachen im Werte von 11 000 Stronen unter gegangen. Ein Taucher, der gestern versuchte, das Schiff zu unter­fuchen, hat noch nicht die Bost herauffchaffen fönnen. Die ,, Norge " war für eine halbe Million Kronen versichert.

Die Eisschollen- Fischer gerettet.

Der starte Frost in den finnländischen Gewässern hat bewirkt, daß 40 der 100 auf den Eisschollen umhertreibenden finnländischen Fischer das Land haben erreichen können. Die übrigen treiben weiter auf den fich immer weiter verteilenden Eisschollen nach Südosten. Die Fischer befinden sich in größter Lebensgefahr. Acht Flugzeuge, die Lebensmittel mit sich führten, haben Erkundungsflüge über dem Meerbusen unternommen. Nach den legten eingetroffenen Mitteilungen haben die Nachforschungen des Eisbrechers Taras" fein Ergebnis gehabt. Das Schiff hat gestern bei Einbruch der Dunkelheit seine Versuche einstellen müssen und wird heute versuchen, die Fischer zu bergen.

Acht Opfer an der englischen Küste.

London , 22. Februar.

In Grimsby traf geffern die Nachricht ein, daß der englische Fischdampfer Pefinia" bei der Doggerbant infolge 3u­fammenstoßes mit einem schwedischen Dampfer gefunten ist. ein Mann der Bejahung wurde gerettet, at erfranten

sekretär Meißner und dem Major v. Hindenburg begleitet, auf dem Lehrter Bahnhof ein. Die Vertreter des Reiches, der preußi­schen Regierung, des Reichstags und der städtischen Behörden folgen. Auf die Sefunde 11 Uhr 15 Min. fährt langsam

der Sonderzug in die Halle,

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die offizielle Begrüßung nimmt ihren Anfang. Staatssekretär Meiß­ner überreicht der schönen orientalischen Königin Suruga sie hat ja auch Zeit und Geld, sich zu pflegen einen riesigen Blumen­strauß. Draußen auf dem Vorplay hat sich die afghanische Rolonie aufgebaut, die der König begrüßt. Eine junge afgha­nische Studentin drängt sich vor, um dem König eine riesige berreichen, Schachtel Pralinen zu überreichen, der sie mit liebens würdigem Dant annimmt.

Es folgten das Abschreiten der Ehrenkompagnie unter den Klän­gen der melancholisch getragenen afghanischen National­hymne, die vorerwähnten Böllerschüsse und die Abfahrt in den Autos durch die Via triumphalis", wie die Rechtspreffe so schön fagt.

Das militärische Gepränge nahm seinen Fortgang vor dem Prinz- Albreht Palais, vor dem die Eskorte turz vor 12 Uhr eintraf. Die Trommeln wirbelten, die Kompagnie präſen­tierte, die Kapelle intonierte die afghanische Hymne. An der Schwelle des Hauses begrüßte der republikanische 3eremonien­meister Geheimer Legationsrat Ko efter den Emir und seine Frau.

Allzuviel des Guten!

Selbstverständlich ist es, daß auch eine Republit Repräsentations­pflichten hat, die fein Staat umgehen kann. Besucht uns ein aus­ländisches Staatsoberhaupt, so ist es würdig zu empfangen, aber etwas mehr Bescheidenheit, etwas mehr Einschränkung wäre wohl doch am Blaze bei einem Lande, in dem weiteste Boltskreise schmere wirtschaftliche Not leiden. Aufwand allein ist noch feine Würde, und bei zukünftigen Empfängen von Staatsoberhäuptern möge man des­halb ruhig die Pflöde etwas zurücsteden. Zudem sind heute die Staatslenter gar nicht mehr alle auf wilhelminisches Gepränge ein­geftellt. Was würden beispielsweise die bescheidenen Präsidenten Deutschösterreichs und der Tschechoslowakei , Hainisch und Maffaryt, fagen, wenn man sie nach dem Muster des heutigen Tages einholen würde? Was aber tönnen sie sagen, wenn sie nicht ebenso prunts voll empfangen würden wie ihr Kollege aus Afghanistan ?__