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Beilage

Donnerstag, 23, Februar 1928

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Der Abrno

Spalausgabe des Vorwärts

So wird aus Blut Gold gemacht!

Der Aufstieg des Hauses Rothschild.

Wieviel beim Soldatenhandel verdient wurde.

Rothschild   ist mehr als ein Name für eine reiche Familie oder eine Banffirmaer ist seit vielen Jahrzehnten ein Symbol, das die Gemüter der Menschen bewegt wie irgend­eine Gestalt aus Sage und Märchen. Rothschild   ist das Wahrzeichen für den Glanz des Reichtums, die Kunst des Verdienens, für die unbegrenzte Machtfülle, die großes Kapital gewährt. Den Werdegang dieses Hauses zu beschreiben, mochte schon lange Historiker und Nationalökonomen loden.

Die ,, Judengasse" in Frankfurt  .

Es gehört jedoch zu den besonderen Lebensbedingungen des Finanzkapitals, daß es seine Wege und Künste nicht gern verrät und seine Kreise im Verborgenen zieht. Erst jezt, über hundert Jahre, nachdem das Bankhaus Rothschild   be reits zu historischer Bedeutung erwuchs, erscheint eine sorg fältig zusammengestellte, geschlossene Darstellung der Ent­wicklungsgeschichte der interessanten Familie, die wenigstens bis zum Jahre 1830 reicht.( Der Aufstieg des Hauses Rothschild 1770-1830" Don Cafar Conte Corti im Insel- Verlag zu Leipzig  .) Nicht nur der Wirtschafts­theoretiker, auch der Kulturhistoriker findet darin eine Fülle von Material, das die Beziehungen von Politik und Geschäft in der Zeit des emporstrebenden Kapitalismus treffend be­leuchtet.

Der Ahnherr des Hauses.

Als Ahnherr des Bankhauses ist der 1744 geborene Meyer Amschel Rothschild   anzusehen, insofern als er es ver­stand, für die Unternehmungen der Familie jene feste Grund­lage zu schaffen, die die ersten Geschäfte großen Umfangs er­möglichte. Die Ahnenreihe der Familie kann man allerdings in Frankfurt   selbst bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts 3'irückverfolgen. Den Namen leitet man von einem roten Schild ab, der das Haus der Familie in der Judengasse schmückte. Die Rothschilds beschäftigten sich jedoch bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts zum größten Teil mit Klein­marenhandel aller Art und nur wenig mit Wuchergeschäften. Meyer   Amschel war der erste der Familie, der sich aus giebiger mit dem Geldhandel als solchen zu beschäftigen be gann. Und zwar wurde feine spätere Rolle als Banfier durch einen zufälligen Umstand vorbereitet, der sehr charakte ristisch ist für das Werden des Kapitalismus  . Deutschland  war damals in zahllose kleine Fürstentümer zerrissen, die alle ein eigenes Münzregal hatten. Ohne die Inanspruch nahme des Geldwechslers fonnte nicht einmal eine fleine Reise unternommen werden. Mit den Tausch- und Wechsel­geschäften, die sich nun selbst beim fleinen Warenhandel der Familie ergaben, wurde Meyer   Amschel betraut..

Die erfte und wichtigste Beziehung fand er zu einem General des hessischen Fürstenhauses, der selbst Münzen­sammler war und durch den er Einblick in ein für ihn sehr michtiges Gebiet gewann. Das hessische Fürstenhaus gehörte zu den reichsten Herrschergeschlechtern Deutschlands  . Es war verwandt mit dem englischen Königshaus. Auf diesem Um­meg mündet die Entwicklungsgeschichte der Familie Roth­ schild   in eines der trübsten Kapitel der deutschen   Geschichte: den Schacher mit deutschen   Söldnern, deffen sich damals mehrere deutsche   Fürsten   befleißigten. Der Abnehmer auf diesem Sklavenmarkt war England, das vor allem für seine amerikanischen Kolonien immer neues Menschenmaterial be­nötigte. Und das Haus Hessen   fühlte sich schon durch seine verwandtschaftlichen Interessen bewogen, England bei diesen Unternehmungen zu unterstüßen, was ein gutes Stüd Geld für den Landesherrn abwarf. Schon Landgraf Friedrich von Heffen, der Bater des späteren Rurfürsten Wilhelm, der der

Gönner Rothschilds   werden sollte, hatte nach und nach| Kuriere, hatte das Haus seine größten Börsenerfolge zu ver­12 000 Mann hessischer Truppen an England verkauft. danken. Wilhelm nahm sich dieses Geschäftszweiges besonders an, ließ seine Truppen in Gamaschendienst und Baraden bis zum äußersten drillen und erzielte aus dem Verkauf eines einzigen Regiments 1776 3 500 000 Mart Reingewinn.

Bom Münzenhändler zum Banfier.

Meyer   Amschel bahnte sich einen Weg zum Landgrafen wilhelm selbst, indem er ihm Münzen und Medaillen zu buigen Preisen anbot. Seine Absicht ging dahin, den Sjandel mit den englischen wechseln und Geldsorten in die Hand zu bekommen, die in die Kasse des Fürsten   einflossen Er mußte lange zusehen, wie glücklichere konkurrenten damit betraut wurden. Schließlich gelang es ihm durch Bestechung des Vermögensverwalters des Kurfürsten, Karl Friedrich von Geldern, sein angestrebtes Ziel zu erreichen. Er war in der Zwischenzeit zum ,, Hoffaftor" was etwa dem Titel eines Hoflieferanten entspricht ernannt worden. Er wurde immer mehr der geschäftliche Vertrauensmann des Fürsten  , der auch die Anlage der Gelder zu besorgen hatte. Als die Französische   Revolution ausbrach mit allen ihren Kriegs­wirren, die zu weiteren tomplizierten Geldgeschäften Ber anlassung boten, befand er sich bereits in der Verfassung, die Gelegenheit auf das fräftigste auszunüßen. Die Napoleoni­schen Kriege bilden die zweite Etappe beim Aufstieg der Familie Rothschild  .

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Der Landgraf von Hessen   spielte selbst als Geldverleiher, dant den Barkapitalien, die er angesammelt hatte, eine große Rolle. Selbst der deutsche   Kaiser mußte sich an ihn um seine Hilfe wenden. Geld- und Lieferungsgeschäfte aller Art hielten feine Hoffattoren in Atem. Und Meŋer Amschel wurde mit der Zeit der finanzielle Mittelsmann zwischen Landgraf und Kaiser. Sein Vermögen war in der Zwischenzeit sprunghaft gewachsen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wird es bereits auf eine Million Gulden geschätzt. Meyer   Amschel war in feinen fünf Söhnen eine mächtige Hilfe erwachsen, da er für die Art der Geschäfte, die er betrieb, absolut zuverlässige. Vertrauensmänner brauchte. Zuerst wird eine Filiale in London   errichtet, dann in Paris   und Madrid  . Aus dem Kleinwarenhandel ist eine Banfmacht geworden, die sich für das große Geschäft in Staatsanleihen spezialisiert und die Börsenkurse diftiert.

Die Geheimnisse der Post.

Ein Grundpfeiler der Machtstellung der Familie wurde dadurch geschaffen, daß sie auf verschiedene Weise die elenden Verkehrsverhältnisse der Zeit auszunüßen verstand. Für die sichere Uebermittlung von Geldern wurden damals noch hohe Binsen gezahlt. Die Poſt war in den Händen der fürstlichen Familie Thurn und Taris, deren Unternehmen ganz Mittel­ europa   umspannte. Die Zentrale befand sich in Frankfurt  . Es bestand damals die Gepflogenheit, die anvertrauten Briefe

Amschel Meyer von Rothschild.

zu erbrechen und von den aufgegriffenen Nachrichten zu ge­schäftlichen und politischen Zwecken Gebrauch zu machen. Schon Meyer   Amschel hatte es verstanden, durch allerhand Gefälligkeiten das Haus Thurn und Taris für sich zu ge­winnen, so daß er bald an den kostbaren Geheimnissen der Bost teilnehmen durfte. Daneben richteten sich die Roth  childs einen eigenen Kurierdienst ein, der allmählich ganz Europa   umspannte, non Neapel   bis London  . Diesem Nach richtendienst, der verläßlicher funktionierte als die amtlichen

In Paris   hatte sich von den fünf Brüdern James nieder­gelaffen. Die allgemeine Richtung der Politik des Hauses war eindeutig gegen die Interessen Napoleons   gerichtet. Der größte Teil der Subsidiengelder, die England seinen Ver­

Blauschild als Musterreiter.

bündeten während der Koalitionsfriege zukommen ließ, passierte die Kassen ihres Bankhauses. Trogdem gelang es ihm, sich auch in der Umgebung Napoleons   anzusiedeln. Die Kontinentalsperre, durch welche Napoleon   den Handel mit England unterbinden wollte, bot Gelegenheit zu ausgedehntem Schmuggel, der von den französischen   Behörden bald mit scharfen Strafen verfolgt, bald hingegen gefördert wurde, da das Festland unter der Sperre schließlich noch mehr litt als England. Das Zentrum des Schmuggelsystems war Frank­ furt  . Ein diplomatisches und geschäftliches Meisterstück ge­lang den Rothschilds, als es sich darum handelte, die englische Armee, die unter Wellington   in Spanien   gegen Napoleon  operierte, mit den nötigen Geldmitteln zu versehen.

Der Einzug in Paris  , von Rothschild   bezahlt.

Die Kaffen der Kriegführenden waren so leer, daß Ludwig XVIII. nach der Schlacht bei Leipzig   nur mit Hilfe von Rothschildschem Geld- 200 000 englische Pfund- seinen Einzug in Paris   halten fonnte. Die Ruhe Europas   wurde durch Napoleons   Rückkehr noch einmal erschüttert, eine Epi­sode, die dem Banthaus Gelegenheit zu neuen großen Spefu lationen gab. Der Börsencoup, der Nathan Rothschild   an der Londoner Börse am Tag nach der Schlacht bei Waterloo gelang, wedt noch heute den blaffen Neid aller Börsianer. Durch seinen eigenen Kurierdienst fonnte er die Nachricht von der Niederlage Napoleons   selbst einige Stunden früher als das englische Kriegsamt erfahren, so daß er sich ausgiebig an der Börse eindecken" konnte. Als Napoleon   endlich in die Berbannung ging, durften sich die Rothschilds sagen, daß ihre finanzielle Minierarbeit einen wesentlichen Teil zu seinem Zusammenbruch beigetragen hatten.

Das innige Zusammengehen mit den Monarchisten in Frankreich   brachte schließlich das Haus in große Gefahr. Kurz vor dem Aufflackern der Julirevolution hatten die Rothschilds nicht weniger als 80 Millionen Franken franzö­fische Rente übernommen. Ueberraschend traf sie der Auf­ruhr, der in Paris   nach der Veröffentlichung der Ordonnanzen durch Karl X.   ausbrach, durch welche die Kammer aufgelöſt und die Pressefreiheit eingeschränkt wurde. Bewegliche Klagen gegen die ,, elenden, bösen Baifiers" werden im Briefwechsel der Brüder vernehmlich. Durch den Aufstand in Brüssel   droht die Bewegung in Europa   weiterzugreifen. Ein allgemeiner Sturz der Renten an allen Börsen erschüttert selbst den stolzen Bau dieses Hauses, das seine Verluste auf 17 Millionen Gulden schäßt. Der ,, bewunderungswürdige Instinkt, der sie immer das Beste und zwischen zwei, Rechten immer das Beste wählen laßt", den Genz den Rothschilds nachsagt, scheint zu versagen. Wir erfahren jedoch noch, das es dem geschickten James gelingt, sich auch beim französischen Bürgerfönig Louis Philippe  , unter dessen Herrschaft die Finanzaristokratie zu besonderem Einfluß gelangen sollte, in Gunst zu setzen und mit beruhigtem Gefühl über das Schicksal der Geldmagnaten sehen wir den Vorhang über den ersten Aft ihres dramatischen Aufstiegs fallen.