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Morgenausgabe this? C\ md

Nr. 97 A 49

45. Jahrgang

Böchentlich 70 Bfg.. monatlich 8,-

im noraus zahlbar, Boftbezug 8,72 2 einscht Bestellgelb, Auslandsabonne ment 5,50 m pro Monat.

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Der Borwärts" erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend, Illustrierte Beilagen Bol und Zeit" und Kinderfreund" Ferner Unterhaltung und Bissen"." Frauen ftimme". Technit". Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts".

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Sonntag

26. Februar 1928

Groß- Berlin 15 Pt. Auswärts 20 Pf.

Die einipaltige Ronpareillezeile 80 Pfennig Reflamezeile 5.- Reichss mart Aletne Anzeigen" das fettge. brudte Wort 25 Biennig( zuläffig met fettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 12 Bfennig Stellengefuche das erfte Bort 15 Brennig. jedes weitere Bort 10 Bfennig Borte über 15 Buchstaben gablen für zmes Worte Arbeitsmartt Beile 60 Bfennig Familianzeigen für Abonnenten Zeile 40 Biennig Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden ftraße 3 wochentägl von 8 bis 17 Uhe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Tönhofi 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts: Berlag G. m. b. H.

Moskau hilft Baldwin.

Kommunistisches Eingreifen im englischen Wahlkampf.

H

Daß die unmittelbare Folge dieses Beschlusses ist, die Rüdtehr einer neuen tonservativen Regierung in England zu ermöglichen, darum fümmert man sich hier nicht. Als der direkte Feind wird nicht Baldwin, fondern macdonald betrachtet."

Man muß bei den Kommunisten und ihrem fanatischen| tonservativen Regierung Baldwin- Churchill Haß gegen die Sozialdemokratie auf alles gefaßt sein. Was Chamberlain gegen die Arbeiterpartei. Der Moskauer   Be­aber die Erefutine der fommunistischen Internationale richterstatter des. ,, Manchester Guardian", Arthur Ran im Hinblid auf die kommenden englischen Wahlen foeben be fome, der seit Jahren in Moskau   ansässig und durchaus schlossen hat und worüber ein besonderer Artifel unseres sowjetfreundlich ist, drahtet seinem Blatte: Londoner   Korrespondenten an anderer Stelle des Blattes ausführlich unterrichtet, übertrifft an selbst mörderi ( her Dummheit und an bewußter hilfe Leitung für die Reaktion alles bisher Dagewesene. Die Mostauer Erefutive verlangt von den englischen Kommunisten, daß sie in fünfzig Wahlkreisen eigene Kandidaten aufstellen. Sie weiß, daß die KP. Eng- falls eine internationale: Methode. Sie ist mit durch Ist das nicht glatter Wahnsinn? Es ist jeden lands mit ihren rund 5000 Mitgliedern bedeutungslos und schlagendem Erfolg in Deutschland   ausprobiert worden, ohnmächtig ist. Ein einziges Mal ist es ihr im Dezember als der Transportarbeiter" Thälmann   bei der Reichs­1923 in einem einzigen von insgesamt 617 Wahlkreisen präsidentenwahl dem Kandidaten der Rechtsparteien Hin gelungen, ein Mandat selbständig zu erobern. Das war in benburg zum Siege verhalf. Bei den letzten Wahlen in Motherwell   in Schottland  ; aber inzwischen ist auch dieses Desterreich haben die Kommunisten mit ihrer Absplitte­Mandat wieder verlorengegangen. Angenommen, die fom- rungstaftif den Chriftlich- Sozialen zu zwei Mandaten in der munistische Bewegung hätte seitdem wieder Fortschritte ge- Wiener Gemeindevertretung und im niederösterreichischen macht, zum Beispiel dank der Streifunterstützungsgelder der Landtag auf Kosten der Sozialdemokraten verholfen. Für russischen Gewerkschaften( das heißt der Sometregierung) und den kommenden Wahlkampf in Frankreich   haben die es wäre ihr gelungen, die Zahl ihrer Mitläufer an einigen Kommunisten beschlossen, ihre Kandidaturen bei der Stich Drten zu erhöhen was übrigens kaum der Fall sein dürfte, weil seit dem Generalstreif vom Mai 1926 die KP. Englands wahl auch dort aufrechtzuerhalten, wo sie selbst teine Aussicht ein Drittel ihrer Mitgliederzahl eingebüßt hat, so würde haben: nur um den Sieg der Sozialisten zu verhindern, das das gerade noch reichen, um vielleicht höchstens drei bis pier und in Deutschland   befämpfen die Kommunisten nur das gerade noch reichen, um vielleicht höchstens drei bis vier heißt den Sieg der Boincaristen zu ermöglichen. Mandate zu gewinnen. bie Sozialdemokratie, in der Hoffnung, eine Linksregierung zu verhindern und die arbeiterfeindliche Herrschaft des Bürgerblods zu verewigen.

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Aber der Beschluß Mostaus lautet ausdrücklich: eigene Kandidaturen nicht nur, in solchen Kreisen, wo man irgend welche Aussichten hat, sondern insbesondere in den Wahl= freifen, wo die ,, reformistischen" Führer der Labour Party  aufgestellt sind. Gegen diese Führer richtet sich die besondere Kraftanstrengung der Reaktion bei den Wahlen. Groß­ britanniens   per altetes Bahlrecht beruht bekanntlich auf dem. Einmänerwahltreis mit nur einem Wahlgang. Die relative Mehrheit genügt. Eine geringe Absplitterung der Arbeiterstimmen fann genügen, um dem reaktionären Kand daten zum Siege zu verhelfen.

Das weiß Mostau. Und gerade deshalb ist der Beschluß der Kominfern erfolgt. Die Sowjetregierung läßt sich den Spaß rund 300 000 bis 400 000 m. fosten. Sie über­nimmt somit freiwillig einen Teil der Wahlkosten der

Also Arbeiterperrat auf der ganzen Linie, in allen Ländern. Bon allen Beispielen diefer kommunistischen  Taftit ist der neue Moskauer   Beschluß für die britischen  Wahlen der blödsinnigste. Er wird sich zwar hoffent­lich doch ganz anders auswirken, als es sich die bornierten Fanatifer in Mostau gedacht haben, denn selbst die dem Bolschewismus zuneigenden englischen Arbeiter sind politisch viel zu intelligent, als daß jemals sie auf Befehl Moskaus  das Spiel der politischen Reaktionäre und industriellen Scharfmacher treiben werden. Aber die Absicht bleibt bestehen. Und diese Absicht werden sich auch die deutschen  Arbeiter im kommenden Wahlkampf merken.

Mussolini   fordert Bericht aus Wien  

Dazu mußte der Gesandte nach Rom  .

Wien  , 25. Februar.( Eigenbericht.).

Die Meldung von der Abberufung des italienischen Ge­fandten hat sich nicht bewahrheitet. Es entspricht jedoch den Tat fachen, daß er nach Rom   berufen wurde, um dort persönlich über die Südtiroler   Debatte im Nationalrat   Bericht zu erstatten. Das

Auswärtige Amt wurde davon unterrichtet.

Entschiedene Worte der Seipel- Partei. Wien  . 25. Februar. Ueber das Echo der Südtiroldebatte schreibt die Reichspoſt": Es darf als ein großer Erfolg der Reden im Nationalrat über Südtirol   gebucht werden, daß die öffentliche Meinung der ganzen Welt gezwungen ist, sich mit den Vorgängen in Südtirol   zu beschäftigen. Das war ja der 3 med der Reden, sich das Gehör der großen Welt und ihrer Machthaber zu verschaffen, um so vielleicht durch die Ohren sich einen Weg zu den Herzen zu bahnen. Denn es hieße den Glauben an die Menschheit verlieren, wollte man daran verzweifeln, ihr Gewissen aufrütteln zu tönnen, wenn sie nur erst von den

Europas   Namen schändenden Leiden der Südtiroler  erfährt. Das Echo aus Italien   flingt vorläufig etwas unfreundlich. Es wäre denkbar, daß die Antworten der italienischen Blätter unter dem ersten Eindrud ungenauer und mißverständlicher Meldungen entstanden sind. Dann wird gutem Willen in den nächsten Tagen schon die Möglichkeit gegeben sein, die voreiligen Unfreund­Lichkeiten zu korrigieren. Da für die nächste Woche eine Antwort Mussolinis angefündigt ist, so wird man ja bald vernehmen, wie sich Stalten zu den Südtiroler   Klagen stellt. Die faschistische Inter pellation beruft sich unter wenig freundlichen Wendungen auf bie bestehenden italienischen Geseze, die dem österreichi Ichen Parlament perwehrten, sich in Südtiroler   Berhält uiffe einzumischen. Aber wenn die italienischen Geseze so beschaffen

wären, daß man mit ihrer Hilfe ein schuldloses Bolf in der vom Abg. Profeffor. Kolb geschilderten Weise völlig entrechten und ent­nationalisieren fann, die klagerufe der Gepeinigten, die Hilferufe ihrer Brüder können sie nicht verhindern, folange nicht der letzte Rest von Freiheit aus Europa   verschwunden ift. Auf teine antere Beise tönnen die so ungern gehörten Appelle an das Weltgewissen zum Verstummen gebracht werden als dadurch, daß die Südtiroler   Anlässe aus der Welt geschafft werden.

Presseknebelung in Polen  .

Eine Woche vor dem Wahltag!

Warschau  , 24. Februar.

In der Nacht auf Freitag wurde die Gazeta Warszawska" ( nat. dem.) nicht weniger als dreimal beschlagnahmt: zuerst die Abendausgabe von 9 Uhr, darauf die Ausgabe von 3 Uhr morgens und zuletzt die um 5 Uhr morgens erscheinende Frühausgabe. Das Blatt erschien am Morgen aber doch, und zwar in einer Ausgabe, ganz aus unbedruckten weißen Blättern

die

bestand...

Drangfalierung der Minderheitsvölfer.

Warschau  , 25. Februar.

Der Führer der Weißruffen in Polen  , der ehemalige Gejmabg. eremitsch ist verhaftet worden; Begründung ist nicht erfolgt. Während einer Wahlversammlung in der Nähe von Lem. berg verhaftete die Polizei den protestantischen Pfarrer Ba1. lisch, der von den Deutschen   als Parlamentskandidat ausgestellt ist. Im Kreise Dubno   wurden über 100 utrainische Bolt sleleballen gefchloffen, sie sollen staatsfeindliche Propaganda getrieben haben.

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Banffonto: Bank der Arbeiter. Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft. Depofitentafie Lindenstr 3

Letzter Aft.

Die Schlußtagung des sterbenden Reichstage beginnt. Morgen gehen die Reichstagsabgeordneten der weiland Bürgerblockparteien mit Seufzen wieder an die Arbeit. Als fie vor einer Woche nach Hause fuhren, hatten sie eine Woche

Schonfrist vor sich. Ein tröstlicher Gedanke für eine Kooli­tion, die politisch fümmerlich von der Hand in den Mund lebt, und nicht weiß, was der kommende Tag bringen wird. Eine ganze Woche Schonfrist wenn auch mit der Fleiß­aufgabe in der Tasche

Die Woche ist vorüber. Der Batient die sterbende Koalition-ist apathisch geworden, sein Zustand hat sich nicht gebessert. Das. Erzitationsstadium des letzten Wochenendes, in dem der Patient Selbstmord begehen wollte, ist besänftigt worden aber wer fann wiffen, wann der meiden lassen, daß der Patient etwas aufgeregt wird, auf die Erregungszustand aufs neue eintritt. Es wird sich nicht ver­Gefahr hin, daß die Aufregung die Auflösung beschleunigt.

Es ist nun einmal das Wesen des Parlaments, daß über die Bildung von Mehrheiten und über Scheitern oder Ge­lingen von Vorlagen nicht in Kabinettssigungen, font­dern in den Ausschüssen und im Plenum des Reichs­tages entschieden wird. Das Notprogramm nicht aus der Not des Staates, sondern aus den

geboren

Möten einer zusammengebrochenen Parteienkoalition will in aller Deffentlichkeit begründet, verteidigt und durch­gesezt werden. Das ist etwas mehr, als eine bloße Ratifi­schlossenen Abmachung durch einfaches Erheben von Len zierung einer von Führern im stillen Kämmerlein be­Pläßen und Abstimmen. Denn das Volk hört nicht nur die offiziellen Begründungen zu diesem Programm der Nöte, sondern auch die Stimme der Opposition.

Diese Stimme ist für die beteiligten Parteien eine ständige Gewissensmahnung, eine Erinnerung an die Abrech nung, die der Erledigung der Fleißaufgabe des Blocks folgt. nung, die der Erledigung der Fleißaufgabe des Blocks folgt. Brauchbares herauszunehmen, Berwerfliches zu bekämpfen und zu verwerfen, das ist die selbstverständliche Taktik jeder parlamentarischen Opposition. Die Sorge für das Zusammen­halten der Regierungsmehrheit das ist nicht die Aufgabe der Opposition. Sie wird vielmehr danach streben, für das, was sie im Interesse des Volkes für nötig hält, unter Be­nutzung von sichtbaren Rissen in der Regierungsmehrheit Mehrheiten für ihre Ziele zu bilden.

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Der sterbende Blod fürchtet, daß er sich in der fommen den Tagung auseinanderreden und auseinanderstimmen fönnte, er macht sich deshalb von vornherein stark für ,, das einige und unteilbare Ganze" des Notprogramms. Nun, es ist Aufgabe und Absicht der Opposition, dies ,, einige und un­teilbare Ganze" nach Möglichkeit zu zerbrechen, ihm die Bürgerblockzähne auszuziehen. Wenn darüber ein neues Erzitationsstadium ds sterbenden Blocks eintritt um so schlimmer für ihn.

Diese Tagung des Reichstags wird alles andere fein als eine friedliche Liquidation eines Restprogramms vor Reichs­tagsschluß. Es sind Fragen von einschneidendem Charakter, die in vier Wochen entschieden werden sollen, von großer Bedeutung für die Verteilung des Volkseinkommens. Die Aufschrift st a atspolitische Notwendigkeit" deckt Bürgerblodkonterbande. Sie ist ebenso anmaßend und irre­führend wie das Wort vom staatsbürgerlichen" Bürgerblock. Erledigung von Etat und Nachtragsetat sind formell staats­politische Notwendigkeiten, damit die Bureaukratie nur nach festgebundenen Richtlinien über das Steueraufkommen ver­fügen kann der Inhalt des Etats aber hat mit dieser formellen Notwendigkeit nichts zu tun. Der Inhalt des Etats ist die Quintessenz der Reichspolitik, und wer wagt zu sagen, daß der Inhalt der Bürgerblockpolitik eine staatspolitische Notwendigkeit" sei!

Hilfe für die Landwirtschaft? Es kommt darauf an, was man unter dem Begriff die Landwirtschaft" ver­steht, es kommt darauf an, welche Maßnahmen man unter volkswirtschaftlichem Gesichtspunkt für heilsam und zweck­mäßig, unter dem Gesichtspunkt der Wohlfahrt des ganzen Boltes für erträglich und gerecht hält. Das, was die Block­parteien untereinander an landwirtschaftlichen Hilfsmaß­nahmen vereinbart haben, als staatspolitische Notwendigkeit" anzusehen, verbietet sich nach den Vorgängen der letzten Wochen von selbst. Das byfterische Geschrei des von den Deutschnationalen beeinflußten Landbundes   hat diesen Teil des Notprogramms" so start ins Agitatorische gerückt, daß die parteipolitische Zweckbestimmung jedem llar sein wird.