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Morgenausgabe

Tr. 105

A 53

45. Jahrgang

Böchentlich 70 Big., monatlich 3,- im noraus zahlbar, Bostbezug 3,72 02 einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne ment 5,50 m. pro Monat.

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Der Borwärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, bie Abenbausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Boff und Zeit" und Kinderfreund" Ferner Unterhaltung und Wiffen"," Frauen ftimme". Technif". Blid in bie Bücherwelt" und Jugend- Borwärts.

Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Freitag

2. März 1928 Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.

Dte etato altige Ronpareillegefta 80 Pfennig Reflamezetle 5- Reichs mart Kieme Anzeigen" das fettge brudt ort 25 Pfennig zufällig get tettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Bfennig Stellengeiuche das erste Bort 15 Blennig jedes weitere Bort 10 Brennia Borte über 15 Buchstaben zählen in zwei Worte Arbeitsmark Beile 60 Biennig Familianzeigen für Abonnenten Zeite 40 Biennig Anzeigen. onnahme im Hauptgeschäft Linden traße 3 wochentägl von 8 bis 17 Ube

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Vertuschung des Phoebusberichts! Der Wahlkampf in Polen  .

Das Reichskabinett lehnt die Veröffentlichung ab.

Amtlich wird mitgeteilt: Das Reichskabinett hat sich in seiner heutigen Sigung mit dem in der Phoebus. Angelegenheit gefaßten Beschluß des Haus haltsausschusses beschäftigt. Der Reichswehr. minister ist ermächtigt worden, in der morgigen Sigung des Haushaltsausschusses außerhalb der Tages. ordnung eine Erklärung hierzu abzugeben.

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Hinter dieser formellen, sachlich inhaltslosen Mitteilung verbirgt sich die Absicht, den Saemisch- Bericht über den Phoebus- Standal nicht zu veröffentlichen. Reichskanzler Mary will im Laufe der nächsten Woche lediglich den Frcktionsführern vertrauliche Mitteilungen

über den Bericht geben.

Die Reichsregierung nimmt einen ernsten Konflikt mit dem Hauptausschuß auf sich. Der Ausschuß, das Organ des Reichstags, der über den Reichsetat zu machen hat, fordert von der Regierung die Vorlegung eines Berichtes über die Verwendung öffentlicher Mittel. Die Regierung

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ist verpflichtet, diesem Beschluß nachzukommen aus Achtung vor dem Etatsrecht des Reichstages.

Welche Gründe können sie bewegen, einen solchen Konflikt heraufzubeschwören und den Phoebus- Standal por Barlament und Deffentlichkeit zu vertuschen?

Es läßt sich auf die Dauer nicht vertuschen. Jeder Tag bringt neue Enthüllungen über die Geschäfte der See transportabteilung des Reichsmarineamts, deren Leiter Kapitän Lohmann war, und für die der Leiter des Reichsmarineamts, Admiral 3 enfer, verantwortlich ist. Jeder kommende Tag fann Enthüllungen darüber bringen, daß die Liste dieser ungesetzlichen Unternehmungen, Phoebus, Navis, Trajag, Caspar, Berliner Bankverein, Severa, Dtwi, Hansa, Bacon   längst nicht vollständig ist.

Die Reichsregierung riskiert bei ihrer Bertuschungs­taktit, daß sie jeden Tag vor neuen Standalen zittern muß, daß die Deffentlichkeit in größter Unruhe nach den politi­schen Hintergründen dieser Massengründungen der

Seetransportabteilung fragt.

Warum nimmt sie dies Risiko auf sich? Meint ste, es müßten unverantwortliche politische Spiele reien von Offizieren aus dem Reichsmarineamt gedeckt woerden, meint sie, politische Einbildungen dieser Leute ernst nehmen zu müssen?

Oder will sie vermeiden, daß noch andere Be teiligte außer Lohmann und deffen Borgesezte tompromittiert werden? Sind denn die Herrschaften, die die Schuld an diesem Gründungsfieber à la Phoebus tragen, so wichtig oder so mächtig, daß die Reichsregierung um ihret willen einen ernsten etatrechtlichen Konflikt und einen Dauer­standal in Rauf nimmt?

Die Bertuschungstaftif muß geradezu wie eine Er mutigung auf jene Kreise der Reichsmarine wirken, die ein Eigenleben im Staate führten trotz der etatrechtlichen Bin bungen. Sie entwertet alle Versprechungen, daß Ordnung geschafft werden soll. Sie ruft in der Deffentlich feit den Eindrud hervor, daß außer den wirtschaftlichen Dingen noch andere schwerwiegende Dinge vertuscht werden follen.

Die Marinesfandale werden nicht zur Ruhe kommen, wenn nicht volle Klarheit geschaffen wird und alle Schul­digen zur Berantwortung gezogen werden!

Reichsrat und Phoebus.Skandal.

Der Reichsrat hat sich gestern mit der Phoebus- Ange­legenheit beschäftigt. Der Berichterstatter für den Nachtrags­etat trug die Stellungnahme der Ausschüsse vor:

Die Arbeit der Sozialisten.

Der Reichsrat ersucht die Reichsregierung noch jehf zu prüfen, ob es sich nicht durch eine andere Form der Abwidlung der Phoebus- Angelegenheit ein günstigeres Ergebnis für das Reich erzielen läßt, in dem auch die anderen Gläubiger der Phoebus A.-G. an dem Schaden teil. nehmen und nicht durch das Reich voll befriedigt werden." Im übrigen empfehlen die Ausschüsse die etatsrechtliche Seite der Phoebus- Angelegenheit durch folgende Resolution abzustellen. Er regierte, ehne sich vor irgendeiner Körperschaft

schließen:

Th. L. Warschau, Ende Februar. Das Wahljahr 1928 wird durch die polnische Parla mentswahl eingeleitet, am 4. März wird der Sejm  , am 11. der Senat gewählt; 1922 mar die vorige Wahl, 1926 der erfolgreiche Militäraufstand Pilsudskis. Die Unfähigkeit des 1922 gewählten Parlaments, begründet auch in dem Gleich­gewicht der Rechts- und Linkskräfte, gab dem neuen Macht­haber die Möglichkeit, unter Hinweis auf das Unvermögen der beiden Kammern Gesetzgebung und Vollzugsgewalt in feiner Hand zu vereinen und das Parlament völlig faltzu­periode im November 1927 zwang ihn, der auf Innehaltung verantwortlich zu fühlen und erst der Ablauf der Wahl­der äußeren Verfassungsvorschriften genau achtete, während Neuwahl. Ihrem Ergebnis bleibt es vorbehalten, die poli­er deren Sinn täglich vergewaltigte, zur Ausschreibung der tischen Kräfteverschiebungen im Laufe der letzten Jahre auf­zuzeigen, während der Maiumfturz lediglich eine individuelle von illegaler Selbständigkeit nicht mehr mehr vorkommen Tat und feine Massenbewegung darstellte. Immerhin ent­werden. Abgesehen von den nötigen zugesagten strengeren kontrollmaß- sprach der Umsturz in einer Beziehung der allgemeinen nahmen zur Vermeidung von Gesetzeswidrigkeiten ersucht der Reichs- Boltsstimmung: er gab der Rechten den letzten Stoß, und rat die Reichsregierung dafür zu sorgen, daß Fragen der inhalt- ein. Sie ist auch während der legten zwei Jahre auf par­lichen Einflußnahme auf deutsche Filme, ein­schließlich der Behandlung von Auftragsfilmen zu Aufklärungs. lamentarischem Gebiet wie im öffentlichen Leben fonfequent zweden nicht von jedem Ministerium felbständig für fen Sachgebiet, 444 Abgeordneten stärkste Gejmpartei der chauvinistischen an die Wand gedrückt worden und die vordem mit 100 von fondern vom Reichsministerium des Jnnern in tech­Nationaldemokraten dürfte in das neue Parla nischer, geschäftlicher und innerpolitischer Hinsicht einheitlich für alle ment faum 50 Mandate hinüberretten. Ministerien bearbeitet werden."

Der Reichsrat bedauert, daß es zu den das Reich Verhandlungen des Reichswehr­verpflichtenden minifteriums mit der Phoebus A.-G. hat lommen fönnen. Er nimmt mit Befriedigung davon kennin's, daß der Reichswehr­minister in seiner Erklärung vor dem Haushaltsausschuß des Reichs­tags die Garantie dafür übernommen hat, daß derartige Fälle

Der Reichsrat bemüht sich, für das Reich finanziell zu retten, was zu retten ist. Gegen die von ihm geforderte lleberprüfung der Abwidlung fehen sich jedoch die anderen Gläubiger zur Behr. In parlamentarischen Kreisen wurde gestern behauptet, daß der Geschäftsinhaber der Disconto Gesellschaft, Urbig, erklärt habe, die Ber­ liner   Stempelvereinigung würde der Reichswehr   alle Ronten perren, menn sie die von Lohmann im Namen des Reichswehrministeriums übernommenen Verpflichtungen als unregelmäßig anfechten sollte.

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Borwärts mit dem Zollfrieden. Startes Anwachsen des deutsch  - polnischen Austausch verfehrs.

Der polnische Außenhandel hat sich im ganzen Jahre 1927 be­trächtlich erweitert Gegenüber dem Vorjahre ist die Gesamt einfuhr nach Polen   mit 1,68 gegen 0,90 Milliarden Goldfranken ganz erheblich gestiegen, und die Ausfuhr hat sich ebenfalls von 1,30 auf 1,46 Milliarden erhöht. Der deutsche Anteil an der polnischen Wareneinfuhr ift mit 428 gegenüber 211 Millionen Gold­franten mehr als verdoppelt, er ist prezentual von 23,6 auf 25,5 gestiegen. Polen   hat umgekehrt nach Deutschland   seine Ausfuhr von 331 auf 467 Millionen erhöht, was einer Steigerung von 25,3 auf 32 Pro 3. entspricht.

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Die Stelle der verdrängten Rechten soll nun, nach Pil­fubftis Absicht, der mit Mühe und Not zustandegekommene Regierungswahlblod einnehmen, bestehend aus den Bertretern der verschiedensten politischen, sozialen, wirt schaftlichen und religiösen Anschauungen, wobei jedoch das reaktionär fapitalistische Element bei weitem überwiegt. Dieser Blod hat sich allerdings in geringerem Umfang andere als bewährt, und obwohl ihm jetzt als Regierungs­- bei den Gemeindewahlen im vergangenen Jahr alles partei ganz andere Mittel zur Verfügung stehen, als den anderen Barteien, dürfte er faum mehr als 30 bis 40 Mandate erlangen. Um diese verhältnismäßig geringen Aus­sichten zu verbessern, schreckt der Regierungsblock selbst vor Terroratten nicht zurück und bedient sich hierbei des gesamten staatlichen Berwaltungsapparats. Tagtäglich wer den aus allen Landesteilen Fälle von geradezu unerhörtem Amtsmißbrauch der Beamten gegenüber der Opposition ge meldet. Verhaftungen von Kandidaten sind be fonders in den O ft gebieten, wo die Regierungspartei bei der überwiegend nichtpolnischen Bevölkerung geringe Aussichten hat, an der Tagesordnung, und haben u. a. auch dazu ge­führt, daß einzelne Parteien im Wahlkampf völlig führer. los dastehen, da ihre Führer sämtlich im Gefängnis gehalten werden. Kein einziger von den Führern der Unabhängigen Sozialisten ist in Freiheit und die ukrainische fulturelle Orga­nisation Broswita" mußte aufgelöst werden, weil ihr Bor stand und sämtliche leitenden Mitglieder verhaftet worden sind. Auch die Minderheiten werden auf diese Weise von der Re gierung an voller Entfaltung ihrer Wahltätigkeit gehindert und wiederholt meldete das offizielle Regierungsorgan Epota", daß diefer und jener Kandidat des Minderheiten­blocks verhaftet wurde aus teinem anderen Grunde, als weil er Wahlagitition für den Block getrieben hat! Die Starosten ( Dorfältesten) bedrohen die Bauern mit Strafen und beson­deren Steuern für den Fall, daß eine andere als die Re­gierungsliste fiegt...

Schon der ungeregelte Sollfriegszustand hat also eine erheb liche Verstärkung des deutsch  - polnischen Warenaustausch es noch zu gelassen, wobei sicher die größere prozentuale Zunahme der pal­nischen Ausfuhr noch Deutschland   durch geregelte Verhältniffe weniger fühlbar hätte werden können. Um wieviel günftiger müßte ein Handelsvertrag fich auswirken, der für die besonderen Ein- und Ausfuhrintereffen der beiden Länder abgestimmt wäre. Die jeji Troß allem offenen und geheimen Terror werden, die gen Balorisations. und Grenzzonenschwierigkeiten müffen alfo balsozialistischen Parteien aus der Wahl gestärkt hervor. digft überwunden werden, und zwar trotz des Befehls des Grafen West arp, der den Zollfrieden verbietet.

Arbeitertod.

Schweres Einsturzunglück bei Annen.

Dortmund  , 1. März.

Durch eine Schwefelgasexplosion auf der Halde der Zeche Wiendahlsbank bei Annen stürzte hente abend gegen 8 Uhr eine Baggermaschine in sich zusammen. Hierbei wurden mehrere Arbeiter unter den Trümmern und Steinmassen begraben.

Zur Abwidlung der Phoebus A.-B. hat das Reich fieben Millionen angefordert, troßdem die bekannten Ga rantieübernahmen nur 6,5 Millionen betragen. Das Reich hat zur Bermeidung des Konturies Ende vorigen Jahres nochmals eine million hineingeftedt. Die Abwicklung hat nicht alle Bisher wurden drei Mann geborgen, von Gläubiger gleichmäßig an dem Schaden betet denen zwei schwer und einer leicht verlegt find. Tigt, sondern im Gegensatz zum Reich, das alles oder faft alles Im ganzen wurden vier Arbeiter unter den Derliert, den anderen Gläubigern weitgehende, wenn nicht Erdmassen begraben. Die drei geborgenen Arbeiter Dolle Befriedigung ihrer Ansprüche eröffnet. In den Aus- liegen mit schweren Brandwunden im Kranken­schüssen des Reichsrats find lebhafte 3weitel bagegen gehaus. außert worden, ob dies die günstigste Art der Abwicklung war oder haus. Der vierte Arbeiter wird kaum lebend ge­it, und es wird von den Ausschüssen neben einer Berdeutlichung borgen werden können, da er zu tief unter den der Erläuterung des Anfages folgenbe Resolution vorgeschlagen: glühenden Erdmassen begraben liegt.

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gehen. Die diktatorische und arbeiterfeindliche Regierungs­weise Pilsudskis  , dessen Kampf gegen die Rechte ihn nicht hinderte, sich in Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik von den Kapitalisten der großagrarischen und großindustriellen Berbände leiten zu laffen, wird ihre Frucht tragen. Die Polnische Sozialistische Partei PPS., die 41 Abgeordnete ( von 444) und 9 Senatoren( von 111) besaß, wird sicherlich einen Zuwachs von 25 bis 30 Mandaten aufzuweisen haben, deren Zahl noch durch die Bertreter der Deutschen Sozialistischen Arbeitspartei, die mit den polnischen Ge­noffen ein Wahlbündnis eingegangen ist und eine gemeinsame Liste aufgestellt hat. verstärkt werden wird, Die deutschen  Sozialisten find 1922 mit dem Minderheitenblod zusammengegangen, der damals fämtliche Minderheitspar­teien ohne Rücksicht auf deren soziale Einstellung umfaßte. Dieser Block hat aber während feiner fünfjährigen Tätigkeit nicht nur nichts für die Minderheitsvölfer getan, woran aller­dings die Regierungen zum größten Teil schuld waren, er hat aber durch fortwährendes Betoner der nationalen Gegenfäße die scheinbare Kluft zwischen den Polen  und den Minderheitsvölkern nur vergrößert. Im übrigen waren die einzelnen Gruppen des Blocs untereinander feineswegs einig, was schon aus einer Gegenüberstellung der lonalen Haltung der Deutschen   und Juden gegenüber dem polnischen Staat und der Jrrebenta der Utrainer, Weißrussen