Morgenausgabe
Nr. 111:
A 56
45. Jahrgang
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Dienstag
6. März 1928 Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.
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Notprogramm für die Arbeitslosen Der Klaffenkampf im Zentrum.
300000 Arbeitslose müssen vor der Aussteuerung geschützt werden.
Die Juterpellation der sozialdemokratischen| Aussteuerung, die diese länger wie 26 Wochen beziehen. Das sind Neichstagsfraktion über die Krisenfürsorge lenkt nach den neuesten amtlichen Feststellungen insgesamt 67 306 Hauptdie Aufmerksamkeit auf eine gefährliche Entwicklung in unterstützungsempfänger. Auch von diesen gilt, daß es unserem Arbeitslosenschuh. Es ist die Pflicht des Reichs- sich überwiegend um Familienernährer handelt. tages, vor seiner Auflösung dafür zu sorgen, daß nicht Hunderttausende von Arbeitslosen einem ungewissen Schicksal entgegengehen.
Die neuesten amtlichen Beröffentlichungen über die Zahl der arbeitsuchenden Personen und die Zahl der Unterstüßungsempfänger zeigen wiederum ein erschreckendes Mißverhältnis. Bon den 2012 212 Arbeitsuchenden erhalten 486.552 Personen überhaupt keine Arbeitslosen. oder Krisenunter. ftüßung. Es unterliegt feinem Zweifel, daß der größte Teil dieser Arbeitsuchenden auch arbeitslos ist. Wenn fie genügend verelendet find, wird sich die Wohlfahrtspflege ihrer annehmen. Das ift auf die Dauer ein ganz unhaltbarer Zustand.
Diese Situation erfährt eine ungeheure Verschärfung durch den am 31. März eintretenden Ablauf der Anordnung über Einführung der Krisenunterstützung für Arbeitslofe. Nach den neuesten amtlichen Feststellungen würde das bedeuten, daß allein in der Krisenfürsorge
Die Gesamtzahl der in der Arbeitslosen wie in der Krisenunterstützung vor der Aussteuerung stehenden Hauptunterstüßungsempfänger mit ihren Familien beträgt also insgesamt 282 808.
Ist es angesichts solcher Zahlen zuviel gesagt, wenn mir von einer gefahrbrohenden Situation sprechen? Die sozialdemokratische Interpellation zeigt den Weg, der zur Abwendung dieser Gefahren gegangen werden muß.
Dreierlei fordert fie:
Sicherung des Fortbezugs der Unterstüßung für die ganze Dauer der Arbeitslosigkeit, Einbeziehung aller Berufsgruppen in die Krisenunterstützung, Gleichstellung der Krisenunterstützung mit der Arbeitslofenunterstützung.
Das tann nur erreicht werden, wenn die Anordnung über Einführung der Krisemunterstüßung auf unbefristete Zeit verlängert
und auf fämtliche Berufsgruppen ausgedehnt wird; außerdem ist die für 215 502 Hauptunterstütungsempfänger die Berordnung über Krisenunterstützung dahin zu ändern, daß die Krisenunterstützung aufhört. Unterstützungsfäge der Arbeitslosenunterstügung übernommen mek Ueber 90 Broz. dieser Unterstügungsempfänger sind, wie die Erben, und die Borschriften über die Höchftdauer, dahin abgeändert hebung in der Strifenfürsorge vom 15. Juli n. 3 zeigt, perwerden, daß sie den Unterstützungsanspruch für die ganze Dauer der heiratet Im Grunde genommen würden also unzählige Fas Arbeitslosigkeit sichern. Die bloße Berlängerung der Anordning millen, mit Frau und Kindern einem unermeßlichen Elend ausgeüber Einführung der Strifenunterſtügung kann den hier geenn
liefert werden, wenn nichts geschieht.
mil diesen Feststellungen ist jedoch der Umfang der non der
Aussteuerung stehenden Unterſtügungsempfänger feineswegs erschöpft. Wir haben bereits bei früherer Gelegenheit darauf hingemiesen, daß am 31. März auch der Schuß auf Grund der Ueber gangsbestimmungen im Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeits. lofenversicherung für die alten Unterſtüßungsempfänger abläuft Bom 1. April ab fann also nur noch für 26 Wochen Ar. beitslosenunterstüßung gewährt werden. Durch das Außerkrafttreten des Uebergangsschußes stehen also alle diejenigen Unterstüßungsempfänger von Arbeitslosenunterstützung vor der
zeichneten Rotstand nicht ausreichend beseitigen, weil eine Bei
behaltung der gegenwärtigen. Borschriften über die Höchstdauer der Krisenunterstützung automatisch das Ausscheiden von vielen Zehn tausenden von Hauptunterſtüßungsempfängern zur Folge hat.
Nach den Vorschriften des Gefeßes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat der Reichsarbeitsminister die Pflicht, in Zeiten andauernd besonders ungünstiger Arbeitsmarktlage die Gemährung der Arbeitslosenunterstüßung als Krifenunterstügung zuzulassen. Diese Boraussetzungen liegen unzweifelhaft vor. Wie lange will der Reichsarbeitsminister mit der Durchführung der hier geforderten Maßnahmen noch warten?
Morgen Einigungsversuch.
Eine Schlichterfammer im Metallfonflikt gebildet.
cuf Grund des vorliegenden Ergebnisses ihre Beschlüsse zu faffen. Dieser Beschluß ist insofern bedeutungslos, als er die bestreitten Betriebe nicht bindet, einstweilen auf weitere Entlassungen von Arbeitern zu verzichten.
Der Vorsitzende des Schlichtungsausschusses. für| beschlossen, am Donnerstag abermals zusammenzukommen, um dann Groß- Berlin, Gewerberat Körner, hat die bereits am Freitag in Aussicht gestellte Bildung einer Schlich. tungskammer veranlaßt, die Mittwoch vormittag mm 10 Uhr zusammentritt und der als unparteiische Bei fizer außer Gewerberat Körner der frühere Reichswirtschaftsminister Reichstagsabgeordneter Robert Schmidt und der frühere Demobilmachungskommissar und Wiederaufbauminister Dr. Köth angehören.
Die Berliner Metallindustriellen und die Berliner Metallarbeiter werden je drei Vertreter in die Schlich tungskammer entsenden.
Giemens sperrt weiter aus.
Mussolinis„ Papierfetzen".
Ein Urteil des„ Quotidien".
Zur Rede Mussolinis schreibt der Quotidien, man fönne verstehen, welche lebhafte Erregung in Wien und Berlin herrsche. Die gleiche Erregung müsse sich aber auf ganz Europa erstrecken, denn man müsse den Frieden so lange als gefährdet ansehen, als ein leitender Staatsmann in diesem Tone zu einem benachbarten Lande
,, Wir brauchen einen Frontalangriff der Arbeitnehmer in allen bürgerlichen Parteien.".
In diesem Ausruf gipfelt ein Leitauffaz, mit dem der Deutsche ", die Berliner Tageszeitung der christlichen Gewerkschaften, die Duisburger Rede Stegerwalds vom legten Sonntag, begleitet.
Zu diesem Kommentar liefert nun wieder Stegerwalds Rede selbst die nötige Erklärung. Bon den 40 Millionen Reichstagswählern," sagte Stegerwald am Sonntag in Duisburg , entfallen mindestens 26 Millionen auf Arbeiter und Angestellte, wovon nur etwa die Hälfte sozialistisch oder kommunistisch wählt
13 Millionen Arbeiter und Angestellte haben bisher bürgerlich gewählt. Wieder nahen Wahlen. Die bürgerlichen Parteien sind um ihre Arbeiter- und Angestelltenmähler besorgt. Sie fühlen in diesen Massen etwas, was sie beunruhigt, und dieses Etwas ist nichts geringeres: Allmählich erwacht auch bei den Arbeitern und Angestellten, die sich noch durch ihre nationale und christliche Denkweise die bürgerlichen Parteien gebunden fühlen, das Klassenbewußtsein
an
schon zu überlegen, ob sie richtig handeln, wenn sie sich von Ein Teil dieser Arbeiter und Angestellten beginnt ihren sozialistisch gesinnten Klassengenoffen aus Gründen der Weltanschauung trennen lassen, während doch die Kapitalisten, die Unternehmer, unbeschadet der Unterschiede der talisten, die Unternehmer, unbeschadet der Unterschiede der Weltanschauung, einträchtig zusammenstehen.
nung beunruhigt. 40 bis 45 Prozent der Zentrumsstimmen, ... Am stärksten ist das Zentrum durch diese Erschei und er folgert daraus:„ Die Zentrumspartei und der deutsche sagt Stegerwald, find Arbeiter und Angestelltenstimmen. Katholizismus werden sozial sein oder sie werden nicht sein!"
Warum ist nun das soziale Zentrum mit seinen 40 bis 45 Prozent Arbeiter und Angestelltenstimmen im Reichstag nicht mit der großen Arbeiter und Angestelltenpartei, mit der Sozialdemokratie, zusammengegangen? Warum Bürgerblock? Stegerwald antwortet:
Nachdem in den lezten Jahren/ die Sozialdemokratie den Mut nicht aufbrachte, den Staatswagen in guten und böser Tagen bergauf ziehen zu helfen, mußte die Rechte für die Staatsverantwortung herangezogen werden. Das ist mit Erfolg ge= schehen. Die deutsche Außenpolitik ist heute mit dem deutscher Boltsbewußtsein tief verankert. Die Nationalisten Frankreichs sind weitgehend geistig entwaffnet, die Butschisten im Innern sind be deutungslos, die Republik ist gesichert.
Mit welchem„ Erfolg" das geschehen ist, zeigt der Bankrott der Bürgerblodwirtschaft. Ist es aber richtig, daß sich die Sozialdemokratie versagt hat? Nach Stegerwald sprach in Duisburg der preußische Koalitionsminister Hirtsiefer . Der gab Rechenschaftsbericht über die Arbeit in Preußen und sagte:„ Ich will nicht prunken mit dem was erreicht worden ist, ich will nur zeigen, daß wir wenigstens nicht ganz umsonst gearbeitet haben." Ist diese Arbeit in Breußen nicht mit der Sozialdemokratie zusammen geleistet worden? Und war nicht das trübste Kapitel in der Geschichte des Freistaats Preußen die furze Aera Stegerwald?
Gegen Wirth war Stegerwald recht unfreundlich. Dagegen brachte er es fertig, Mussolini als den Manen zu preisen, der in Italien ,, das Wirtschaftsbewußtsein mit dem Boltsbewußtsein verbunden" habe. Herrlich! Etwas dunkel zwar, doch es flingt ganz wunderbar. Herr Stegerwald follte sich von den italienischen Klerikalen ein Kolleg über Faschismus lesen lassen.
Im Zusammenhang mit seiner Aeußerung über Mussomüffen folgende Säße recht bedenklich stimmen:
Höher wie die Staatsform und das Regierungssystem steht die gesicherte Lebensmöglichkeit eines Bolkes. Entweder die Demofratie beweist, daß sie dafür die Kraft aufbringt oder aber, fie wird gewogen und für zu leicht befunden werden.
Etwa 800 Arbeiter des Wernerwerks der spreche. Besonders scharf verurteilt das Blatt die Auffassung Mussolini Siemenswerke , am Holzdamm, wurden ausgesperrt linis, in der er es ablehnt, sich an 3usagen seiner Vorgänger Die restlichen 100 Arbeiter verrichten Notstandsarbeiten; in der Minderheitenfrage zu halten. Das Blatt schreibt, das wäre ferner wurden 205 Arbeiter des Blodwerts Il nichts anderes als die Theorie vom Papierfehen. der Siemenswerke am Nonnendamm ausgesperrt. Hier verblieben 21 Arbeiter in den Fabrikräumen zur Hollweg vorgeworfen wurde. Es sei ein Irrtum, zu glauben, die in ebenso scharfer Form dem Reichstanzler Bethmann Leistung der Notstandsarbeiten. daß die Rede Mussolinis eine Brovokation Desterreichs bedeute, das zu schwach sei, um sie zu beantworten, und Deutschlands , das vollftändig entwaffnet wäre. Die Rede Mussolinis fel in Wahrheit eine Provotaflon aller frieblichen Staaten der Welt. Wenn die Rechte der Minderheiten nicht durch die Großmächte beachtet würden, wer Rieinstaaten diese Rechte verachten, wer würde nicht die unge. fönne ihre Achtung von den Kleinflaaten verlangen, und wenn die heure Gefahr für ganz Europa erfennen, das in fo schlechter Beise von den Pfuschern der Berträge von 1919 aufgebaut wurde.
Der metallarbeiterverband hat von weiteren Streit. maßnahmen zunächst abgesehen, außer von denen, die sich notwendig machten, um die Streitarbeit zu verhindern.
Die Bertrauenstommiffion des Berbandes Berliner Metallindustrieller hat im Hinblid auf die für Mittwoch anberaumten Einigungsverhandlungen im Reichsarbeitsministerium
26 Millionen Arbeiter und Angestellte sind, müssen die ArIn einem Lande, in dem von 40 Millionen Wählern beiter und Angestellten nur von thren demokratischen Rechten den richtigen Gebrauch machen, dann werden sie schon ihr Leben und das des gesamten Bolkes sichern! Warum sollen also die chriftlichen Arbelter am Zusammengehen mit Etwa, damit sie fich Stegerwalds Romplimente für Mussolini ihren sozialdemokratischen Klaffengenossen gehindert werden? anhören tönnen?