Rr. 111 45. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Dienstag, 6. März 1928
Frühling!
Es geht auf den G
KRUEGER.
Wenn auch die Sonne bei uns im Winter ein seltener Gaft ist, so beginnt doch mit den länger werdenden Tagen im März meist eine weniger talte Luft sich einzustellen. In geschützten Haus, Hof und Laubengärten hat man schon oft das Empfinden: der Frühling ist da. Und den alten und jungen Siedler und Kolonisten packt die Sehnsucht nach der Scholle arbeiten, schaffen, am Erwachen der Erde aus dem Winterschlaf sich erfreuen....
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Der falte Winter.
Dit hört man den Ausspruch von erfahrenen Landleuten: auf einen charafterlosen Winter folgt ein mäßiger Sommer und die legten Jahre haben diese Ansicht bestätigt. Schlappes Winterwetter und verregnete Sommertage. Nun wird es hoffentlich nach dem gegenwärtigen, zum Teil starte Kälte aufweisenden und jedenfalls monatelang ohne Unterbrechung sich hinziehenden Winter einen warmen Sommer geben. Er tut not, denn ein Blick auf die Um gebung der Stadt zeigt noch, wie sehr der Wasserunjegen der letzten beiden Sommer das Land bis zum Ueberfließen mit Feuchtigkeit erfüllt hat. Auf hohem Lande war der Regen nicht so verderblich, und die Gesamternte des letzten Jahres stellt sich durchaus nicht so ungünstig, als man nach dem Wehegeschrei der Landbundgrößen an nehmen sollte, aber die Not der von Ueberschwemmungen oder von
zu hohem Grundwaffer heimgesuchten Landleute kann man auch in
nächster Rähe von Berlin erkennen.
Während sonst der fleißige Gartenfreund im Spätherbft, aber auch im Winter den Ader bearbeitete, Dung untergrub, notleidende Stellen durch Rigolen oder Aufbringen non Kompost nerbesserte, hat in diesem Winter die Candarbeit fast gänzlich ruhen müssen. Es
Pferde zum Nationalheiligtum erklären, bloß damit sie durch ihre| minterharten Pflanzen, so der Schwerhilie, der Beilchen, der Stiefe Dungerzeugung die durchaus notwendige Ergänzung des Kunst düngers hervorbringen? Boeten und Acerbürger werden daher diese Mechanisierung" des Landbaus mit gemischten Gefühlen betrachten.
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Die Blumenfülle des Winters.
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Rann man sich die Welt ohne Blumen vorstellen? Als um Weihnachten herum die Nachrichten tamen, daß von England an über Holland , Frankreich bis nach Italien hinunter grimmige Rälte die bekannten, Blumen im Winter liefernden Kulturen vernichtet hätte, hat wohl manches Frauenherz gebebt, daß die Welt ein Jahr lang den farbigen Reiz der Kinder Floras werde entbehren müssen. So schlimm ist es aber nicht geworden auch die südlichen Länder haben schon vielfach Schuhvorrichtungen gegen den Einbruch größerer Bälte, und die Treibhäuser unserer Gärtnereien sichern dem hei mischen Markt eine stattliche Produktion, die freilich nicht so billig herzustellen ist, wie die von der füdlichen Sonne rasch hervor gezauberte Ware. Wenn nun trotz der verminderten Blumeneinfuhr unsere Gärtner über ein schlechtes Geschäft tlagen, fo liegt dies vor allem daran, daß unserem Bublifum das Geld für die Blumen fehlt man besuche nur einmal die Berliner Blumenmarkthalle und man wird erstaunt sein, daß der Blumensegen so schmer seinen Absatz findet. Starfe Kälte hindert bekanntlich auch den Straßenverkauf, eine Hauptquelle für den flotten Verkauf der Ware.
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Auf dem Lande selbst zeigen sich manche Anzeichen des großen Naturmunders, das sich mit dem Frühling einstellt. Das Grün der
heißt alſo jetzt, fich ſputen, damit der umgeftürzte Boden doch noch Reichsfchulungskurfus der Jungfozialiſten
einige Zeit dem zermürbenden Einfluß der Luft ausgesetzt wird. Wissenschaft und Technit gehen mit der Praris Hand in Hand, um der landwirtschaftlichen Tätigkeit Arbeitshilfe und erleichterung
Als Auftakt zu den Wahlen findet von Karfreitag, den 6. April, bis einfchließlich Oftermontag, den 9. April, in
ein Reichsfchulungskurfus der Jungfozialisten statt, der sich vornehmlich mit innerpolitischen Fragen befaßt.
mütterchen, nimmt eine frische Farbe an, aus Stauden treibt neues Jungvolf hervor, und die spizzen Stiele der spanischen Iris durchbrechen die harte Erddecke. Mancher Verlust infolge der großen Kälte wird freilich auch bei uns zu konstatieren sein, aber im allgemeinen fann man sagen, daß unsere Sträucher und Pflanzen sich wader geheten haben. Noch wenige Wochen, und wir fönnen das Bachsen sozusagen mit unseren Augen verfolgen... bis dann ein marmer Regen kommt und uns in das grüne Paradies, Erde genannt, versetzt. Vorläufig müssen wir uns mit dem Frühlingsahnen" begnügen.
Zwei Jahre im Traumzustand.
Ein Prozeß um blinde Frauenliebe.
betrogen zu haben, hatte sich der Fümregisseur und Schauspieler Unter der Antlage, zmei Frauen durch Heiratsversprechungen Hugo 3yglomiti vor dem Großen Schöffengericht zu verdaß fie blind gewesen seien und unter einem hypnotischen Banne antmorten. Bemerkenswert mar, daß heide Frauen jeht erklärten, gestanden haben müßten.
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Da war die eine Zeugin, eine Schauspielerin, deren Mann ebenfalls Schauspieler ist. Auf einer Tournee mit einem Stetsch tam fie mit dem Angeklagten in Berührung. Obwohl fie gar teinen Anlaß hatte, mit ihrer Ehe unzufrieden zu fein fie ist auch heute noch verheiratet verstand der Angeflagte es, fie davon zu überzeugen, daß sie sich scheiden lassen müßte. Er erzählte ihr, daß er sich auch scheiden lassen wolle( er war aber gar nicht verheiratet). Dann mollten fie fich beide in einer neuen Ehe vereinen. Zur Durchführung der Ehescheidung entlich er sich non ihr Geld Dabei erzählte er immer von seinem großen Berkauf zurzeit ungünstig wäre. Devisenbesig, den er aber nicht angreifen tönne, da der
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Während er diese Frau nur um einen kleinen Betrag prellte, den sie sich selbst noch hatte leihen müssen, wurde die zweite Zengin, eine geschiedene Frau, um ihr ganzes Besigtum, etma 15 000 Mart, ihre Möbel und selbst ihre Kleidungsstü de gebracht. Sie gab ihrem Zukünftigen VollDr. Georg Decker Klaffen und Parteien in Deutschland " machten zur Veräußerung von zwei Grundstücken in Ahlbeck ind Ernit Fränkel Der Einheitsftaat"
revolutioniert hat, dringt er nun auch in die Landwirtschaft ein: auf den kolossalen Dampfpflug der letzten Jahrzehnte ist die kleine Bodenfräse gefolgt, die mit einem Mann die Arbeit von zwanzig Es referieren dort: Leuten verrichtet. Und Erfindungen wie die Beregnungsanlagen sind heute schon das Gemeingut des fleinen Mannes geworden. Daß mit dem Eindringen der Maschine in den ländlichen Betrieb das Pferd immer mehr verdrängt wird und damit die Gefahr entfteht, daß der Pferdedung zu einer Rarität wird, ist eine unangenehme Seite der sonst so erfreulichen Entwicklung. Sollten wir dahin kommen, daß mir, wie die Siamesen, heilige Elefanten halten,
Menschen, Göttern gleich...
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5.
Barnstaple bemerkte, daß Ridley und Bent sich ihm näherten. Ridleys Gesicht und Ohr waren noch mit Heftpflaster verziert und seine Haltung war gespannt und ängst lich. Penf folgte ihm in furzem Abstand und hielt eine Hand an die Wange. Beide waren in ihrer Berufsfleidung, mit weißen Tellermüßen, vierschrötigen Lederjoppen und schwarzen Gamaschen; sie hatten der Ungezwungenheit Utopiens feine Konzession gemacht.
Sobald Ridley Mr. Barnstaple in Hörweite glaubte, begann er zu reden.
Gie, Herr, wiffen Sie nicht zufällig, wo diese Schwäch linge unsere Wagen hingeschoben haben?"
Ich dachte, Ihr Wagen wäre ganz zerschmettert worden.
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Ein Rolls- Royce, wie dieser nicht. Vielleicht die Windscheibe, die Kotflügel und das eine Trittbrett. Wir tippten auf die Seite. Ich möchte einmal nachsehen. Und ich hab' den Benzinhahn nicht abgedreht, Der Bergaser hat ein bißchen geleckt. Meine Schuld. Ich war nicht genug vor fichtig beim Filtrieren. Wenn das Benzin ausläuft, mo fall man dann in diesem gottverlassenen Paradies anderes hertriegen? Ich habe nirgends ein Beichen gesehen. Ich weiß, wenn ich den Wagen nicht fahrbereit befomme, ehe ihn Lord Barralonga braucht, dann gibt's Merger."
Mr. Barnstaple hatte feine Ahnung, wo die Wagen
maren.
Hatten Sie nicht selbst einen eigenen Wagen?" fragte Ridlen vormurfsvoll
Ja. aber seitdem ich ausgestiegen bin, habe ich noch Peinen Augenblick daran gedacht."
„ Selbstfahrer", sagte Ridley bitter.
" Wie dem auch sei, ich kann Ihnen nicht helfen, Ihre Bagen zu finden. Haben Sie irgendeinen Utopen gefragt? Nichts für uns. Die Art ist uns zuwider", sagte Ridley.
... Die werden es Ihnen fagen. Und uns bewachen- mas mir auch immer an unferen Wagen machen werden. Die haben nicht jeden Tag das Glud, in einen Rolls- Royce hineinzuschauen. Das erfte, mas mir
Alexander Stein Kommunismus und Sozialismus" in der Arbeiterbewegung".
Teilnahmegebühr 3 M., Aufenthalt einfchl.Effen u.Nachtquartier tägl.4,25 M. Anmeldung bis zum 25. März an die Reichsleitung der Jungfozialiſten,
tun werden, ist, damit loszufahren. Ich mag den Ort nicht und ich mag diese Leute nicht. Die sind ja verdreht. Sie sind unanständig. Seine Lordschaft sagen, es ist ein Haufen Schwächlinge, und es scheint mir, daß Seine Lordschaft beinahe recht haben. Ich bin fein Puritaner, aber dieses Her umrennen ohne Kleider, das ist mir doch ein bißchen zu dick. Ich möchte missen, wo sie die Wagen verstaut haben."
Mr. Barnstaple betrachtete Bent. Sie haben sich doch nicht im Gesicht verlegt?" fragte er.
,, Nicht der Rede wert," sagte Bent, ich glaube, mir follten Losziehen."
Ridley sah Benf an und dann Mr. Barnstaple.
und ein schwaches Lächeln brach durch seine faure Miene.
,, Er hat sich ein bißchen angeschlagen", bemerkte er.
,, Es ist beffer, wir gehen los, wenn wir die Wagen finden. wollen", sagte Benf.
Ridleys Gesicht. Er ist gegen etwas angebumst." Ein Grinsen voll inniger Schadenfreude erschien auf Ach, halt's Maul", jagte Bent.
Aber die Sache war zu gut, um sie zurückzuhalten. ,, Eins dieser Mädeln hat ihn geschlagen."
"
Was meinen Sie?" fagte Mr. Barnstaple. Sie haben sich doch keine Freiheiten erlaubt?"
Ich hab nichts gemacht", sagte Bent. Aber da Mr. Ridley so liebenswürdig war, das Thema anzuschneiden, glaube ich, ich merde erzählen, mas geschehen ist. Dieser Spaß zeigt so recht die Unsicherheit, in der man sich befindet, wenn man unter einen Haufen von halbwilden und halb übergeschnappten Leuten gerät, wie wir."
Ridlen lächelte und blinzelte Mr. Barnstaple an. ,, Sie wischte ihm ganz richtig eine herunter. Schmiß ihn um. Er legte feine Hand auf ihre Schulter und patsch! da lag er. So was hab' ich nach nicht erlebt."
Biemliches Bech!" sagte Barnstaple . ,, Das alles spielte sich in einer Sefunde ab." ,, Es ist schade, daß es geschehen ist"
Machen Sie nur fein Aufhebens davon, Herr, und verrennen Sie sich nicht in falsche Borstellungen," sagte Bent. Ich möchte nicht, daß die Geschichte herumgeht es tönnte mir bei Mr. Burgleigh eine Menge Unannehmlichkeiten ein tragen. Schade, daß Mr. Ridley nicht den Mund halten fonnte. Was sie gereizt hat, weiß ich nicht. Sie tam in mein 3immer, als ich gerade aufstand, fie hatte, was man fagt, nichts an, fah ein bißchen fed drein, nach meiner Auffassung, nach, und es tam mir in den Sinn, ihr etwas zu sagen,
Heringsdorf und für andere geschäftliche Verfügungen. Dabei war' es ihr bekannt, daß ihr Verlobter mit einer anderen Frau zusammenwohnte. Sie ließ sich aber einreden, daß irgendwelche Beziehungen nicht beständen. Als sie schon alles losgeworden war, mußte noch ein früherer Angestellter ihres väterlichen Geschäftes mit einer beträchtlichen Summe aushelfen. Die Beugin.
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etwas na, jo'n ganz fleinen Scherz, sozusagen. Man fann nicht immer seine Gedanken beherrschen stimmt's? Ein Mann ist ein Mann. Wenn man von einem Mann erwartet, daß er in seinen geheimen Gedanken zu einem Mädel höflich ist ohne verlegende Nebengedanken, sozusagen gut, ich nicht. Ich weiß wirklich nicht. Es ist gegen die Natur. Ich hab's nicht gesagt, was ich mir auch immer gedacht hab'. Mr. Ridley wird es mir bestätigen. Ich habe zu ihr fein Wort gesprochen. Ich hatte noch nicht den Mund aufgemacht, als sie mir eine herunterhaute. Schmiß mich hin wie einen Kegel. Sie schien nicht einmal bös' zu sein. Ein Faustschlag von der Seite es tam so überraschend, deshalb hauptsächlich fiel ich hin."
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,, Aber Ridlen sagt, Sie haben sie angerührt." ,, Vielleicht habe ich meine Hand auf ihre Schulter gelegt, so in väterlicher Art. Als sie sich umdrehte, um zu gehen ich bin nicht sicher, ob ich ihr gerade etwas sagen mollte, ich geb' es zu. Und da hat man's. Wenn ich unannehmlichkeiten haben sollte, weil ich mutmillig geschlagen morden bin
Benk drückte durch eine beredte Gebärde aus, daß er an dieser Welt verzweifle.
"
Mr. Barnstaple überlegte. Ich werde teine Unannehmlchikeiten machen," sagte er. Aber deffen ungeachtet glaube ich, daß wir alle fehr norsichtig mit diesen Utopen sein müssen. Ihre Wege sind nicht die unseren."
,, Gott sei Dant," sagte Ridley. Je früher ich aus dieser Welt noch Old- England zurückomme, um so lieber wird es mir sein."
Er wandte sich zum Gehen.
"
Sie sollten Seine Lordschaft hören," sagte Ridley über die Schulter. Er sagt, es ist eben eine Welt von aufgeblasenen Schwächlingen verfommenen Schwächlingen tatsächlich, entschuldigen Ste, gottverdammte Schwächlinge! He? Das fenntzeichnet site ungefähr."
,, Der Arm der jungen Frau scheint nicht sehr schwäch lich gewefen zu sein," sagte Mr. Barnstaple, dem Angriff tapfer standhaltend.
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So, meinen Sie?" fragte Ridley böse. Das ist alles, was Sie wiffen? Warum? Wenn es noch ein ficheres Zeichen von Degeneration gibt, so ist es das, wenn die Beiber es übernehmen, die Männer zu prügeln. Das ist gegen den Instinkt. In irgend einer ehrbaren, anständigen Welt hätte so etwas unmöglich geschehen fönnen. Niemals." Riemals!" echote Bent. ( Fortsetzung folgt)