Morgenausgabe
Tr. 117
45. Jahrgang
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Freitag
9. März 1928
Groß Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.
Die etatpaltige Ronpareillezetts 80 Pfennig Reflamezeile 5.- Reichs. mart Kletne. Anzeigen" das fettge. brudte Wort 25 Pfennig( zuläffig amet tettgebrudte Borte), jedes mettere Bort 12 Biennig Stellengesuche das erite Bort 15 Brennig. Jedes weitere Bort 10 Pfennig Borte über 15 Buchstaben Arbeitsmart! zählen für zwei Borte Beile 60 Biennig Familianzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig Anzeigen. annahme tm Hauptgeschäft Linden frage& wochentägl von 81, bis 17 Ubz
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Schiedsspruch einmütig abgelehnt.
Heute nachmittag neue Verhandlungen vor dem Schlichter.
Nachdem der verunglüdte Schiedsspruch von der Streifleitung| die Bertzeugmacher in drei Gruppen eingeteilt we: und den Funktionären der ftreifenden Werkzeugmacher einmütig den, für die 1,15 m, 1,20 m. und 1,25 m. als Affordbafis feftgelegt abgelehnt wurde, hat der Schlichtungsausschuß Groß- Berlin die werden sollte, wobei die Attordstunde mit 50 Minuten berechnet Aften über den Konflift dem Schlichter Reichsminister a. D. werden müßte. Wiffell übersandt, bei dem die Entscheidung liegt, ob der Schiedsfpruch für verbindlich erklärt wird oder ob neue Einigungsverhandlungen anberaumt werden sollen.
Der Schlichter hat die Parteien zu heute nachmittag 2% Uhr zu neuen Berhandlungen eingeladen. Es handelt sich hier wohl um die üblichen Berhandlungen, die dem Berfahren der Berbindlichteitserklärung vorausgehen.
Der Verband Berliner Metallindustrieller hat den Schiedsspruch in diesem Falle fozusagen natürlich angenommen
Der Beschluß der Werkzeugmacher.
Die Funktionäre der streifenden Wertzeugmacher waren qm Donnerstag nachmittag im Verbandshaus der Metallarbeiter zu fammengekommen, um zu dem Schiedsspruch Stellung zu nehmen. Der Bevollmächtigte, Genoffe Urich, schilderte noch einmal die Berhandlungen und ging dann auf den Schiedsspruch näher ein.
Die Bestimmung des Schiedsspruches, wonach die Stunden Löhne und Affordpreise in den Betrieben nachgeprüft werden sollen,
bebaute feineswegs, daß den Werkzeugmachern ein fester Verdienst garantiert wird. Das„ Entgegenkommen" in dem Schiedsspruch bestehe lediglich darin, daß gegebenenfalls" für ganze Gruppen ber Bertzeugmacher eine Erhöhung der Löhne und Affordpreise vorgenommen werden fönne".
Es bestehe nach dem Schiedsspruch die Möglichte ist, wenn über ftrittige Löhne und Artorde teine Einigung in den Betrieben erzielt werden tann, durch Berhandlungen zwischen den Derbänden eine Einigung berbeizuführen. In der Bragis 1 dürfte es aber bei solchen Verhandlungen nur selten zu einer Eini gung tommen.
Die Streitleitung hat sich, wie Genoffe Uridh mitteilte, in ihrer Sigung einmütig entschloffen, diefen Schiedsspruch abzuleh nen. Sie beabsichtigt, weitere Bertzeugmacher in ben Rampf ein zubeziehen, und zwar zu einem Zeitpunkt, der noch von ihr be stimmt wird.
In der sehr sachlichen Diskussion lehnten alle Redner rundweg ab, den Schiedsspruch überhaupt zu erörtern, meif er eine Bere höhnung der Streifenden bedeute. Das Mitglied des Hauptvorstandes des Metallarbeiterverbandes, Genoffe Toft, er flärte, daß ihm in seiner langen Braris als Gewerkschafter fold ein Monstrum von Schiedsspruch noch nicht befammt geworden sei. Die Organisation werde auch alles daranjezen, um eine Berbindlichkeitserklärung dieses nach seiner Auffaffung rechtlich unhaltbaren Schiedsspruches zu verhindern.
Die Organisation werde aber auch, falls dennoch mider Erwar. ten die Berbindlichkeitserklärung ausgesprochen werden sollte, gegen die Rechtmäßigkeit dieses Schiedsspruches mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln ankämpfen.
Die von entschlossener Kampfftimmung bejeglte. Berjaantung nahm zum Schluß einstimmig eine Entschließung an, in der
die Organisation aufgefordert wird, angesichts der jetzigen Situation die Werkzeugmacher sofort in allen Betrieben in den Stampf
einzubeziehen.
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SC. und DB.
Die Brutnefter der akademischen Reaffion.
Die beutsche Rorpsstudentenschaft soll und muß bleiben, wie fie gewesen ist, bierehrlich und tren der Bergangenheit.
Die Deutsche Rorpszeitung" nach dem Weltkrieg. Zwei Vorfälle der jüngsten Zeit haben wieder einmal erschreckend ins Helle gerüdt, welch reaktionärer Berbiesterung die unter der deutschen Hochschuljugend tonangebenden beiden Verbände noch im zehnten Jahr der Republik befangen find. In Heidelberg wurden einige Akademiker von der Universitätsbehörde disziplinarisch bestraft, weil sie andere Studierende, deren freiheitliche Gesinnung ihnen ein Dorn im Auge war, aus einem Gasthaus hatten weisen lassen; die Rädelsführer gehörten den Burschenschaften Fran conia und Vineta an. Fast zur gleichen Zeit beschimpfte auf dem Berliner Kommers alterkorpsstuden ten der„ tönigliche Landrat a. D. v. Herberg, nach dem Bericht der fachverständigen ,, Deutschen Zeitung" Regierung und Republik aufs anmutigste, ohne daß einer der vielen höheren Beamten zum Zeichen des Widerspruchs die Saaloder Senioren- Convent, wie sich der Verband der Korps für gefunden hätte. Allerdings verhielt sich nachher der SC. nennt, ein wenig anders als die DB. oder Deutsche Burschenfchaft. Auf eine Anfrage des Staatsfefretärs Schubert schen Zeitung" für falsch, berief sich auf die sagungsmäßige vom Auswärtigen Amt , selbst eines alten Korpsstudenten, erklärte die Kommersleitung des SC. den Bericht der Deutpolitische Neutralität der Korps und versprach für die Zukunft noch schärfere Bindungen der Redner. Hingegen ist bisher von einer Rüffelung der Burschenschaften franconia und Bineta durch die DB. nichts bekannt gewor führende Sozialdemokraten wie Wilhelm Liebknecht und Wilhelm Blos bis zu ihrem Tod unbehelligt ,, alte Herren" eines Rorps waren, während dem Sozialismus sich zuwendende Burschenschaftler gern von ihren Verbindungen hinausgeefelt wurden. mag die DB. als einen abgebrühteren antirepublikanischen Sünder ansehen als den SC. Im Grunde aber ist's gehupft wie gesprungen.
In der Sitzung der Berliner Stadtverordneten am Donnerstag beantragten die Kommunistent, bie treifenben Bertben, und wer sich in diesem Zusammenhang erinnert, daß zeugmacher und die Ausgelperrten mit dem höchte Saß der Erwerbslosenfürsorge aus fommunalen Mitteln zu unterftügen. Der Dringlichkeit widersprachen die Deutfcinationalen, fo daß die Behandlung des Antrages zurüdgestellt wurde. Die Gewerkschaften lehnen eine Subpentionierung ihres Streit's burd) fommunale Gelder grundfäßlich ab, ber Metallarbeiterverband lann seine im Kampf befindlichen Mitglieder aus eigenen Mitteln unterstützen. Eine Unterſtügung des Antrages tönnte die Meinung auffommen laffen, der Metallarbeiterverband
Der Schiedsspruch habe für die Werkzeuginacher nur einen ganz bedingten Wert. Das Bezeichnendste an ihm fei, daß er noch nicht einmal das bringt, was der Gewerberat Körner am vorigen Freitag in seinem Einigungsvorschlag den Par teien zur Annahme empfohlen hat. Nach diesem Vorschlage solltention wird daher den Antrag ablehnen..
sei bereits am Ende seines Lateins. Die fozialdemokratische Frat
Arbeiterwahlfieg in England.
Arbeitermehrheit im Durhamer Grafschaftsrat.
London , 8. März.( Eigenbericht.) der Einführung der Berhältniswahl wurde von der Regie Nach dem endgültigen Ergebnis der Grafschaftswahlen rung ablehnend beantwortet. in Durham stehen 47 sozialistische Abgeordnete 27 bürgerlichen gegenüber Der Grafschaftsrat entspricht etwa dem preußischen Der Grafschaftsrat entspricht etwa dem preußischen Provinziallandtag.
In London wurde am Donnerstag gewählt. Die Arbeiterpartei hat 108 Kandidaten aufgestellt. Drei ehemalige Ortsgruppen der Arbeiterpartei in London , die entgegen dem Parteibeschluß ihre fommunistischen Mitglieder nicht ausschließen wollten und darum felbst ausgeschloffen worden find, haben 24 tommunistische Kandidaten aufgeftellt.
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Liberale gut: Labour Party noch besser. Ein Tag nach dem liberalen Wahlfieg über die Konservativen in Saintives haben die Liberalen einen zweiten Erfolg bei einer Nachwahl in Middelsborough erzielt, den sie allerdings nur mit gemischten Gefühlen aufgenommen haben dürften. Denn es handelte fich um einen Sitz, der ihnen bei der Hauptwahl im Herbst 1924 mit 9424 Stimmen Vorsprung vor der Arbeiterpartei zugefallen war und den sie diesmal nur noch mit 89 Stimmen behaupten fonnten! Die Konservativen, die bei der Hauptwahl nicht aufmarschiert waren, haben diesmal eine ansehnliche Stimmenzahl auf gebracht. Daraus geht erftens hervor, daß die Liberalen vor 3½ Jahren das Mandat nur dank der Hilfe der Konser Dativen mit fo großer Michheit gewonnen hatten, und zweitens, daß die Arbeiterpartei seitdem gewaltige Fortschritte gemadt hat Die Vergleichszahlen lauten: 1924
Liberale
0
16 837
Liberale
1928
10 717 10 628 8213
Arbeiterpartei... 7415 Arbeiterpartei Konservative Ein neuer Vorstoß der Liberalen in der gestrigen Unterhausfgung im Sinne der Aenderung bes veralteten Wahlsystems und
fegung des Wahlalters der Frauen von 30 auf Dagegen hat das Rabinett die Vorlage über die herab 21 Jahre- also Gleichstellung mit den männlichen Wählern- in feiner gestrigen Gigung gebilligt.
Bei antibritischen Demonstrationen.
London , 8. März( Eigenbericht.)
In verschiedenen Städten Aegyptens hat es am Donners tag heftige Zufammenstöße zwischen eingeborenen Studenten und Polizei gegeben. In Kairo marschierten 1500 Studenten vor das Hauptquartier der Nationalpartei, um gegen Großbritannien zu demonstrieren. Nach amtlicher britischer Darstellung begannen die Studenten Steine auf die Polizei zu schleudern, worauf die Bolizei die Demonstranten mit Stodhieben zu zerstreuen fuchte. 28 Demonstranten und 8 Polizisten werben als mehr oder minder schwer verlegt gemeldet. Dem Einschreiten des Führers der Nationalpartei, Nahas Pafcha, gelang es später, die Demonstranten zu zerstreuen. @old stood aro
unpolitische Verbindungen im bewußten Gegensatz zu den 3war entstanden die Korps vor einem Jahrhundert als Burschenschaften, die unter den Farben Schwarzrotgold im Kampf für Deutschlands Freiheit und Einheit den atademischen Stoßtrupp darstellten. Im bismärckischen Kaiserreich aber, in dem die Bourgeoisie faturiert war, verdampfte ber legte freiheitliche Spiritus der Burschenschaften, und sie ahmten mehr und mehr die Korps nach, deren unjunges Ideal ,, Haltung" und Korrektheit" hieß. Die einen wie die anderen erschienen als akademische Bergnügungsvereine, deren Mitgliedschaft den Anspruch auf Protektion im späteren Leben sicherte, denn daß in der Beamtenhierarchie der Rorpfier" dem ,, Korpsier", der ,, Bursche" dem ,, Burschen" die Leiter reichte, verstand sich von selbst. Beider Geficht war auch mehr der Vergangenheit als der Zukunft zugefehrt, denn der 3 weifampf, neben dem Becherlupf hundert mit dem fogenannten..Ravaliersideal" vom Ausland bie Mittelachse ihrer Tätigkeit, war im siebzehnten Jahrher in die deutschen Universitäten eingedrungen. Weil sie folchen feudalen Schnurrpfeifereien oblagen, eine besondere Waffenehre" pflegten und die Menschheit nach der., Satisfattionsfähigkeit" in zwei ungleiche Hälften teilten. bildeten Korps und Burschenschaften schon vor dem Weltkrieg Fremdförper in der bürgerlichen Gesellschaft und waren allen wahrhaft wirkenden Kräften des zwanzigsten Jahrhunderts wesensfern.
Nach dem Umsturz entschied zweierlei über die Stellung des SC. und der DB. zum neuen, zum Boltsstaat. Die Braris lehrte fie, daß in einem parlamentarisch regierten Lande Boruffenband oder Germanenmüße eine weit be dingtere Anwartschaft auf die Borzugsposten in der Bureaukratie verliehen, als ehedem; in der Republik ftellten die Parteien statt der Korps die politischen Beamten; Gewerkschaftssekretäre, die feine Ahnung von einer Hafenquart hatten, wurden preußische Landräte pfui Teufel! Und das bei einem Volt, das nach einer Offenbarung der Deutschen Korpszeitung" mur von oben herab und nicht von unten herauf regiert werden tann"! Aber auch ihre überlieferte Ideologie trieb Korps und Burschenschaften in gleiche Richtung. Wer von Waffenehre" schwärmt und auf den Zweikampf schwört, also im Privatleben dem Faustrecht anhängt, wie sollte der für eine Politik Verständnis aufbringen, die 3mistigkeiten zwischen den Nationen ohne London , 8. März.( Eigenbericht.) Blutvergießen auf Grund einer internationalen Rechtsorddiese simple Die von den britischen Behörden wegen Organisierung einer nung zu schlichten strebt! Bölferversöhnung Eingeborenenpolizei zu 6 Monaten verurteilten Samoaner find in Gemüter dünfte fie ganz einfach eine schlappe ,, Kneiferei"! Freiheit gefekt worden, obwohl fie Begnadigung abgelehnt So zogen Korps und Burschenschaften, nachdem sie im hatten. Der britische Gouverneur begründete diese Amnestie damit, November 1918 auf den damals so beliebten Boden der Tatdaß die Samoaner von europäischen Elementen auffachen getreten waren, bald am gleichen reaktionären Strid. gehegt morben feien.
Jn anderen ägyptischen Städten mit Hochschulen und höheren Bildungsstätten fam es zu ähnlichen Zusammenstoßen.
Die Samoaner freigelaffen.
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Bohl ließen sich anfangs im SC. Stimmen vernehmen, daß