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Beilage Dienstag, 13. Marz 1928
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Am tZ. Mörz lSZS sini» 60 Jahre seU dem Tage ver- strichen, au dem das Volk von Wien   den Absolutismus der Habsburger   abgeworfen hat. Fünf Tage Ipöter folgte Berlin  , wir geben hier eine packende Schilderung der wiener Vorgänge. Am 13. März 1848 um X8 Uhr früh versammelten sich die Studenten vor der Universität. Große Aufregung herrschte unter ihnen. Die Professoren der Rektor hatte den Mftrag er- halten, die Studenten in den Hörsälen fe st zuhalten bemühten sich, sie zu beruhigen. Aber als sie in die Hörsäle traten, da prangt« auf einer großen Tafel das Wort Konstitution". In einem anderen Hörsaal stand ein Ausruf auf der Tafel.  Brüder!" Die verbrechen, welcher wir die berüchtigten Staatsmänner Metternich   und Sedlnitzky   ziehen, sind: 1. Hochverrat an Fürst und Baterland. 2. Bestechlichkeit 3. Bestehlung der öffent- lichen Kassen, welche Ursach« der ungeheuren Schuldenlost ist, die Oesterreich   bedrückt Auf, Brüder, nieder mit ihnen, wer es redlich mit Oesterreich   meint!" Da wird es auf dem Universitätsplaß lebendig. Profestor H y«, der es übernommen hotte, eine Adresse der Studenten dem Hof zu über- reichen, ist gekommen, um die Antwort mitzuteilen. Zum Kaiser wurde hye überhaupt nicht vorgelassen. Irgendein Erzherzog Hot ihm die Adresse abgenommen. Der Hof versprach, die Wünsche der Studenten zu würdigen. Sie mögen sich nur ein wenig ge° dulden...Rein, wir warten nicht!"Unsere Wünsche sind die Wünsche des Bolkesl"Die Stände sollen entscheiden!"A u f zum Landhaus!" Ein Zug setzte sich in Bewegung. Im Hofe des Landhauses spricht der Mediziner Dr. F i s ch h o f die ersten freien Warle in dem dunklen Oesterreich: Preßfreiheit, Religionsfreiheit. Konstitution werden verlangt Dann beginnt einer der Studenten die Preßburger Rede K o f f u t h s vom 3. März zu oerlesen, wiederholt von stürmischem Beifall intcr- brachen. Man verlangt eine Aktion der Stände. Die wissen nicht, was sie tun sollen. Ein Zettel wird in den Hof hinunter- gereicht: die Stände haben beschlossen, dem Kaiser  «in« Bttt- s ch r t f t zu unterbreiten. Er möge geruhen, zu befehlen, daß ein Ausweis über den Bank- und Staatshaushalt vorgelegt werde. Der Student herrmann zerreißt den Zettel. Jubelnder Beifall. Den Ständeoertretern wird es heiß. Das Regierungspräfidium von Niederösterreich   wendet sich an das Generalkommando und fordert die Säuberung des Landhauses und der umgebenden Straßen
Die Studenten vor dem Landhaus, »unter tunlichster Schonung von Menschenleben". Der Ständesaal wird gestürmt, es wird sogar versucht, Feuer zu legen. Eine Deputation der Stände geht in die nahe Burg. 1 Uhr. Ein« Kompagnie italienischer Grenadier« zieht heran. In der Landhausgasse wird der Zug aufgeholten. heulen, Pfeifen, Zischen.Wir sind unbewaffnet!"Man will auf uns schießen!" Die Grenaiiere fällen das Bajonett und ver. schassen sich so Durchgang. Bald müssen sie wieder halten. Zu ihrer Verstärkung stellt sich bei der Schottenkirche ein Br.taillon Pioniere auf und aus dem Iudenplatz formieren sich ungarische Grenadier«. Das Dlutbad. Di« Pioniere fetzen sich In Bewegung. Ein Steinhagel prasselt auf die Soldalen nieder, als der hauplmann laden läßt. Er selbst und einige seiner Leute kommen zu Fall. Jetzt tomman- inert er Feuer. Eine Salve kracht. Die Wiener  , die bisher nicht glauben wollen, daß dergütige" Ferdinand auf sie, die unbewafsneten Bürger, schieße» lassen könnte. stieben mit Entsetzensschreien auseinander. Die Pioniere hinter ihm» drein, vor dem Landhaus halten sie einen Augenblick und
schießen hinein, stechen auf schon Derwundete, knüppeln nieder, was ihnen in den Bereich des Gewehrkolbens kommt. Die herrcngass« ist menschenleer. Fünf Tote liegen da. Nor der Kasserburg, wohin ein Haufen Volt stürmte, standen Kanonen aufgefahren. Unter den Kanonieren befand sich der Oberkanonier P ollet, der sich dem Feuerbefehl widersetzte und sich vor das zum Feuern bereite Kanonenrohr stellte, um ein weitere» Blutbad zu verhiaderu. Fast In allen Gassen um dos Landhaus herum tobte der Kampf weiter. Der Direktor des Allgemeinen Krankenhauses meldete drei.
Sturm auf ein Stadttor. zehn Namen von Kämpfern des 13. März, die am 17. März be- erdigt wurden. Unter den Toten, meist Arbeiter, war auch der erst 17jährige Student Karl Heinrich Spitzer, Technischer Hochschüler, der sich dem Zug der Universitätsstudenten, erst im letzten Augenblick ankommend, zugesellt hatte. Eine Anzahl der Opfer war in den Lorstädten gefallen, von wo die Massen durch die gesperrten Tore der inneren Stadt hotten eindringen wollen: auch waren neu«inge- führte Färbemafchinen. die die schwere Arbeitslosig- k eit noch zu steigern drohten, zerstört und dazu Fabrikgebäude ge- stürmt oder angesteckt worden. In der inneren Stadt war auch Peter Fürst.
Bürger und Essigsieder, ein Greis mit langen weißen haaren, niedergeschossen worden. Ein zeitgenössischer Bericht sagt: Ein Greis mit langen weißen haaren, der in die Brust geschossen und dann von den über ihn hinwegschreitenden Pioniere» noch mit Kolbenhieben mißhandelt, stammelte im Sterben.I ch bin ja unschuldig, ich bin ja unschuldig." Auch die Pfründ- nenn Anna D c r f l i n g e r, also eine alte Frau, die von der Stadt erhalten wurde, siel unter den Kugeln des Militärs, ebenso die Frau des Prosessors Bauer, die nur an der Revolution varbeigegculgen war, und der dreizehnjährige Humanilätsschüler (Gymnasiast) Karl Ka n t jch e k, der in den Oberschenkel geschossen wurde, als er von der Schule heimging. Am 17. März wurden die Opscr auf dem Schmelzer Friedhos be- graben. Es war ein ungeheurer Leichenzug, der sich vom Allgemeinen Krankenhaus zum Friedhof bewegte. Dem Zug« voran ging der Theologicprofessor Anton F ü st e r, der Feld- kurat derAkademischen Legion", Arm in Arm mit dem Rabbiner Mannheimer. Die Fahnen senkten sich, die Schollen sielen aus die einfachen braunen Holzsärge, die Erde deckte Arbeiter und Bürger, Kämpfer und Passaitien der Revolution. Ein Gedicht von Robert Zimmermann aus jenen Tagen, den Gefallenen gc- widmet, schließt: Ohne Klage, ohne Stöhnen, Fröhlich hoffend laßt uns gchn, Und wenn uns die Augen tränen, Ist's, weil wir die Sonne sehn. Die Derabschiedung des Staatskanzlers Fürst Metternich und des Polizetministers Graf Sedlnitzky, die Verkündung der Preßfreiheit und die Verheißung der Verfassung waren die ersten Früchte der Revolution. Als nach Jahrzehnten der Schmelzer Friedhof an seine Toten erinnert noch die M ä r z st r a ß e in Fünfhaus ausge­lassen wurde, ließ die liberale Mehrheit des Gemeinderots die März- gefallenen feierlich auf den Zentralfriedhof im Osten Wiens   über­führen. Ein hoher Obelisk deckt das umgitterte Ehrengrab. In den erzenen Leuchtern flammen alljährlich die Feuer, wenn die Sozialisten Wiens. Arbeiter und Studenten, Beamte und Lehrer, Gelehrt« und Künstler barhäuptig an dem Grab vorüberziehen. In stummen Gedenken werfen sie die roten Stoffnelke» über das Gitter echte Nelken gibt«s erst zum anderen althergebrachten Demonstrationstag, dem 1. Mai. Und nicht allzuweit vom Grab der Märzgefallenen ruhen die viel zahlreicheren Opfer der moderneren Waffen, die am 15. Juli 1927 Tod und Verderben in dos Bolk von Wien   sandten.
Neues und altes vom Kommiß.
Musterung. Bei einer der letzten Ausmusterungen im Kriege fragte der Stabsarzt den ersten Wehrpflichtigen: Sind sie gesund? Herr Stabsarzt, ich leide an Krampfadern. " Das macht nichts, ich habe seit zwanzig Jahren das gleiche Uebel, also KV. Der Nächste klagt über ein Lungenleiden. Nicht erheblich, antwortete der Arzt, ich bin schon seit meiner Jugend nicht fest auf der Lunge:. Ein Berliner   Stadtreisender beginnt ungefragt: Ich bin neugierig, ob Sie meine Angaben auch auf sich beziehen werden. Mein Chef behauptet immer, ich wäre ein bitzchenmeschugge". Oer Spieß. Für solche, die nicht Soldat gewesen sind und es daher nicht wissen können, sei erzählt, daß die Kommißsprache für jegliche Kategorie ihre Spitznamen hatte. So hießen z. B. die RekrutenHammels" in Bayern  Hannaken", die HusarenStrippenjungens", die KürassiereMehlsäcke", die UlanenPaddenstecher", MatrosenKulis" usw. Alle Kom- paniechefs wurdender Alte" genannt, die Unteroffiziere Spinner"Gifter  " hießen sie zur Zeit des Alten Fritz in Bayern   hatten die Herren Feldwebel den schönen Namen ..Kreuzbauer", und in der übrigen Armee wurden sie. ihres Degens wegen, mitSpieß" bezeichnet. Bei einer Instruktlonsb:sichtigung waren so recht schön olle Vorgesetzten beisammen. Gardesüsilier Kaczmarek konnte also sein Wissen am lebenden Objekt beweisen: Wie heißt unser Herr Oberst?" Kaczmarek schwieg. ..Der Herr Major?" Kaczmarek schwieg. Unser Hauptmann?" Kaczmarek schwieg. Na, den Namen deines Feldwebel« wirst du wohl
kennen?" fragte unser Regimentskommandeur wohlwollend. Kaczmareks Augen leuchteten: »Heißt sich Feldwebbel Spieß." Kölscher Soldatenwitz. Ein Vorgesetzter, der seine Soldaten nicht gerade zu zart behandelt, glitt nachts auf einer Brücke aus und fiel in einen Wassergraben. Ein Soldat feiner Kompanie, ne Kölsche Jung, der gerade vorbeikam, half ihm heraus.Na, mein Sohn. sagte der Leutnant,das war brav von dir nun bitte dir auch eine Belohnung aus." Zu Befehl, Hör Leutnant: wann der Här Leutnant esu got wör und dät davun nix en der Käsern verzälle, dann wann die andere dat höre, kriggen ich de schönste Kmize, weil ich dem Här Leutnant geHofen Hann!" Die Dressur. Ein Jnfanteriehauptmann geht über den Kaserneichof und hört zu seiner Uebcrraschung in kurzen Abständen den lauten und eindringlichen Ruf:Löhne! Zunächst glaubt er, daß ein Löhnungsappell stattfinde, doch ist ein solcher von ihm nicht angesetzt worden. Dem Schalle nachgehend, gelangt er zur Mannschaftsstubc seiner Kompanie, wo ein Unteroffizier Instruktion hält. Als der Hauptmann die Tür öffnet, ertönt gerade wieder der RufLöhne"! Zu sehem Er­staunen öffnen sich blitzschnell drei Mannschaftsspinden und heraus stürzen drei Rekruten in Mantel und ihelm und mit einem Gepäckstück in der Hand, kriechen unter dem großen Mannschaftstisch in der Mitte der Stube hindurch, öffnen drei Mannschaftspinden auf der anderen Seite, steigen hin- ein und machen die Türen hinter sich zu. Alles geschieht in größter Eile. Gleich darauf ertönt wieder das Wort..Löhne!" und der sonderbare Vorgang wiederholt sich. Der Vorgesetzte fragt den Unteroffizier erregt, was denn das Theater be- deuten solle. Der Unteroffizier antwortet seelenruhig: B'sehl, Herr Hauptmann, die drei Rekruten gehen demnächst in Urlaub nach Bünde  , und da müssen sie in Löhne um- steigea. Das üben wir."