Morgenausgabe
Nr. 127
45. Jahrgang
A 64
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Vorwärts
Beeliner Boltsblatt
Donnerstag
15. März 1928
Groß- Berlin 10 pt. Auswärts 15 Pf.
Die etale ettige Ronparenteges 80 Biennig Reflamezette 5- Reichs mart Aletne Anzeigen" bas fettge Brudte Bort 25 Biennig( zuläffig zwet fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Blennig Stellengeiuche bas erite Bort 15 Brennig, jebes weitere Bort 10 Brennig Borte über 15 Buchstaben ählen für wer Worte Arbeitsmart Beile 60 Biennig Familianzeigen füs Abonnenten Seite 40 Bfennig Anzeigen amahme im Hauptgefchäft Linden Braße& wochentagl von 8 bis 17 Uhz
Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Bernsprecher: Donhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin
Vorwärts- Verlag G. m. b. H.
Von einem Unbekannten erschossen.
Paris , 14. März. Sente vormittag ist hier der italienische Faschist Saboleri von einem Unbekannten durch zwei Re volverschüsse in den Kopf getötet worden.
Savoleri mar vor turzem aus Italien zum Besuch seines Landsmannes Serragioli nach Paris gekommen. Der Attentäter hat sich vor der Tat telephonisch von der Anwesenheit Savoleris in der Wohnung seines Freundes überzeugt Nach der Darstellung Serrachiolis ist Savoleri in der Wohnungstür erschossen worden; er und sein ermordeter Freund hatten in
ber legten Zeit zahlreiche Drohbriefe von Antifafgiften erhalten. Von dem Attentäter fehlt fede Spur. Er hat das Haus völlig unbemerkt verlassen fönnen.
Mussolinis Rache an Deutsch - Südtirol . Muffolini hat 87 beutsche Beamte aus Südtirol in bas Innere Italiens verfekt und ihre bisherigen Funktionen afchiften aus Tostana und Benezien übertragen. In den Schulen von Bazen und Meran find die deutschsprachigen Behrbücher wieber eingezogen. Desterreichische und reichsdeutsche 3et tungen werden an der Grenze zurüdgehalten.
Brüffel, 14. März( Eigenbericht).
Der Senat beriet eine Interpellation des fatholischen Senators Eller, bes einzigen früheren reichsbeutschen, jeg belgischen Bar lamentariers. Effer sprach franzöfifch über die Stlagen der Bevölkerung des neubelgischen Gebiets Eupen- Malmedy . Schmierig teiten des Grenznertehrs, mangelhafter Unterricht in berbeutschen Mutteriprade, mangelhafte beutiche Sprachy tenntnis der Richter ufw. Ueber die entscheidende Frage der Zu funft des neubelgischen Gebietes, eine etwaige neue Boltsab timmung, über die Zugehörigkeit der beiden Kantone batte aber hiefer einzige deutsche Vertreter im belgischen Parlament tein Mort zu fagen.
Das tat an feiner Stelle der sozialistische altbelgische Senator Buldart, der das Recht der neubelgiften Bevölkerung auf die Selbstbestimmung geltend machte und endlich eine wirtliche Boltsabstimmung forberte. Er geißelte das Berhalten Essers, deffen Bartel und Presse Boltsabstimmung zu empfehlen norgibt. ber aber im Barlament augenscheinlich die Gebietsfrage als end.. gültig geregelt anerkennt.- Ministerpräsident Jaspar zollte ber Mäßigung seines fatholischen Parteifreundes hohes Lob und versprach wohlwollende Brüfung seiner Klagen. Auf den Angriff Buldarts aber erwiderte er, daß von einer Nachprüfung der Frage der Bolts abstimmung teine Rede sein könne. Das Schidfal der angegliederten Gebiete jei dem Friedensvertrag gemäß end gültig geregelt.
Ihm antwortete Genoffe de Broudère, der wohl zugab, daß eine zufriedenstellende Lösung der Fragen augenblidlich nicht leicht wäre und insbesondere auch auf Widerstände internationalen Charakters ftoßen würde. Er beftritt aber entschieden, daß die Streitfrage als endgültig geregelt betrachtet werden fönne. Das werbe mur möglich sein, wenn eine Lösung getroffen wird, der die Bevölkerung freiwillig zustimmen fönne.
fchen Ausschüffen genehmigter Entwurf, der eine Kammer des Stol marer Gerichts nach Lothringen zurüdverlegen und Nancy unter ſtellen wollte, fam diesen Wünschen auch entgegen, aber der Aus. schuß für Elsaß- Lothringen verwarf mit den Stimmen der effäffien Abgeordneten diefen Entwurf, der das Berufungs berfahren im Gegenfag zu dem Borverfahren in Lothringen unter franzöfifches Recht gestellt hätte. Die Erregung, die diese Ablehmung in Lothringen , besonders aber in dessen Hauptstadt Me auslöfte, war ebenso unerwartet wie unbeschreiblich. Proteft persammlungen wurden abgehalten, und das ist das bezeich nendste der Meßer Gemeinderat fandte an Poincaré folgendes Telegramm ab:
Meger Gemeinderat macht Fich zum Sprachrohr der Entrüstung der jede Gewalt ablehnenden, aber fich ihrer Rechte und Pflichten bewußten lothringischen Bevölkerung. Er stellt feft, daß Erpressung mit Argumenten des Unbehagens" im Barlament befferen Erfolg hat als patriotische Geduld. Er drückt Unzu friedenheit aus über Nichtanerkennung der von Meg und vom Mofeldepartement allzu lange gemachten Opfer und über bas Andauern einer Berkennung der Gerechtigkeit und von Bis. mard geschaffenen Situation.( 1) Er benachrichtigt die Regie rung, daß er nur der Bevölkerung redt geben fann, die vom Generalrat der Mofel und non den Gemeinderäten verfanat, Aredite zu verweigern für jede Einrichtena, an denen das Elfaß profillert( 1) Er teilt mit, daß er die lothringischen Abgeordneten auffordert, die Kammer in verlassen und zur angewiderten Be
völkerung zurückzukehren.(!)
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gez. Bautrin, Maire von Meh."
Die Abgeordneten Lothringens fauter Kleritale, bie fämt. ich der dem Gemeinderatsbeschluß vorangegangenen Proteftver. fammlung beiwohnten, in der diese Forderung aufgestellt wurde,
werden ihr zweifellos Folge leisten, wobei allerdings nicht vergessen werden darf, daß das Leben der französischen Kammer höchstens noch acht Tage währt
Langerwährenbe Bedeutung haben dürfte aber der scharf antieffäffifde Ion dieses lothringifchen Telegramms, zu dem der
Agrariersturm in Frankreich gescheitert. Muthausener fozlafiftische Republikaner" ireniſch bemerkt:
Sie wollten teine Gozialversicherung.
Paris , 14. März( Eigenbericht). Die Offensive der französischen Großagrarier gegen das Sozialversicherungsgesetz ist in der Kammer schmählich zusammengebrochen. Ihr Antrag, die Landwirtschaft von dem Gesez auszunehmen, wurde mit 375 gegen 125 Stimmen abgelehnt, nachdem der Landwirtschaftsminister die demagogischen Argumente von einer schweren Krise in der Landwirtschaft entfräftet hatte. Damit ist die An= nahme des Sozialversicherungsgesetzes erfolgt. In Wirksam= teit tritt es jedoch erst am 4. Januar 1930, so daß das endgültige Schicksal der feit acht Jahren betriebenen Reform noch von dem Ausfall der ammerwahlen abhängt.
Lothringen gegen Elsaß ! Protefttelegramm des Meher Gemeinderate an Poincaré. Streifbeschluß der lofbringischen Abgeordneten.
1. Straßburg , 14. März.( Eigenbericht.) Das„ effäffische Unbehagen hat eine neue Blüte getrieben, blesmal in Lothringen , von dem sonst weniger Klagen gegen das Nachkriegsregime zu hören find. Man vernahm dort zwar oft ble Ferberung nach wiederherstellung der Mezer Berufungsfammer für Lothringen , bie man bei der Annegion dem Kolmarer OberBabesgericht einverleibt hatte. Ein bereits von zwei parlamentari.
Wie harmoniich müßte fich doch in einem autonomen Efaß- Lothringen das Zusammenarbeiten der durch gemeinsame Traditionen und Erinnerungen( feit 1871) verbundenen Brovinzen geftalten!"
ww
Auch die anderen Elfäffer Blätter soweit fie antiklerikal und antiautonomistisch find- hauen in die gleiche Kerbe. Man darf gespannt sein, welche Antwort Boincaré diefem Tele gramm zuteil merben läßt.
Rationalistische Studentenroheit.
Brüffel, 14. März.( Eigenbericht.) Begen einen Bortrag des demokratischen Reichstagsabgeordneten Bergstraßer in Lüttich über die deutsch - französische Annähe. rung verübten nationalistische Studenten röbelhaften Radau, ja fie fchlugen fogar auf die Baziliften ein, genau fo wie bie Hafen Preuzier in der Kölner Quibde- Berfammiumg.
Butareft, 14. März.
An der König- Karol- Stiftung versuchten vor Beginn einer Borlejung antisemitisde Stubenten zwei jüdische Hörer am Betreten des Saales zu hindern. Es fam dabei zu einem Tumult. Die vier Anstifter werden den Juftizbehörden zugeführt werden. Der Defan der juristischen Fakultät ließ mitteilen, daß der Unterrichts minifter entfchloffen ist, beim ersten weiteren Zwischen fall die Fafultät für den Rest des Jahres zu schließen, so daß die Stubenten bas tedst auf das Eramen verlieren
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Borpostengefecht.
Bor dem Kampf in der Berliner Metallindustrie.
Der Rampf in der Berliner Metallindustrie ist nicht beendet, sondern beginnt. Der Schiedsspruch über die Löhne der Werkzeugmacher sett den Parteien eine Frist, um bis spätestens 30. Juni einen allgemeinen Lohntarif für die Facharbeiter und Angelernten der Berliner Metallindustrie abzuschließen.
Seit vier Jahren arbeiten diese Facharbeiter und Angelernten tariflos. Der Berband Berliner Metallinduftrieller hat sich dem Abschluß eines Tarifes stets wider. feẞt. Die außerordentliche Schwächung der Organisation als Folge des Zusammenbruches der Mark und der Spaltung der Gewerkschaften durch die Kommunisten, hat den Unternehmern ihren Widerstand gegen den Abschluß eines Larifes erleichtert.
Der Deutsche Metallarbeiterverband hat schließlich seine Kerntruppe vorgefchickt, die ausgezeichnet organisiert ist und gleichzeitig die Kerntruppe im Broduktionsprozeß der Metallindustrie bildet. Mit dieser Kerntruppe hat der Deutsche Metallarbeiterverband den Berband Berliner Metallindustrieller ein Borpostengefecht geliefert, das keines megs erfolglos geblieben ist.
Der Kampf ist nicht bis zu feiner legten Konsequenz aus getragen worden. Es find aber bis zum Abschluß des allgemeinen Tarifes nicht die früheren Positionen bezogen morden, sondern der Deutsche Metallarbeiterverband hält gewonnenes Terrain befeßt.
Der Berband Berliner Metallindustrieller hatte zu fühlen bekommen, daß er es mit einem Gegner zu tun hat, der nicht nur mit großem Geschid zu manövrieren versteht, sondern auch seine Kampftruppe absolut in der Hand hat. Diese Tatsache hat dazu geführt, daß die Unternehmer fich zur wirtschaftlichen Bernunft wenigstens grundsäglich befehrt haben. Die Unternehmer haben einen Gruppentarif abgeschloffen und sich verpflichtet, die Attordberechnung paritätisch zu regeln. Sie haben darüber hinaus sich ver pflichtet, einen allgemeinen Facharbeitertarif abzuschließen.
Wie diefer Tarif in der Braris aussehen wird, das wird wesentlich davon abhängen, ob die große Masse der Facharbeiter und Angelernten so fest zu ihrer Organisa ti on stehen, wie es die Werkzeugmacher in dem nunmehr abgeschlossenen Borpostengefecht getan haben.
Unter diesem Gesichtspunkt ist der Kampf der Werkzeug macher ein Ruhmesblatt dieser Elitetruppe der Metall arbeiter. Es mag vielen unter den Werkzeugmachern eine erhebliche Selbstüberwindung gekostet haben, nicht gleichzeitig mit den Werkzeugmachern von Siemens und Bergmann in den Kampf zu treten. Auch als die zweite Gruppe vorgeschickt wurde, mußten die übrigen Werkzeugmacher tro des Streitbeschlusses, der für alle Werkzeugmacher galt, ent sprechend den Anordnungen der Streilleitung in der Arbeit verharren. Das höchstmaß von Disziplin und gewerk. fchaftlicher Schulung wurde erreicht, als nach dem in materieller Beziehung unbefriedigenden Schiedsspruch die Berbindlichkeitserklärung folgte und der Streit ab
gebrochen wurde.
um mehr als die Festsetzung ausreichender Löhne von Die Werkzeugmacher haben begriffen, daß es fich hier 4000 Spezialisten handelt. Daß hier ein Kampf auf lange Sicht geführt wird. Die Werkzeugmacher haben beshalb alle Einmischungsperfuche der PD. glatt abgewiesen.
Auch unter diesem Gesichtspunkt ist der Kampf der Werkzeugmacher sehr aufschlußreich. Die KPD. hat die größten Anstrengungen gemacht, um Berwirrung in den Reihen der Arbeiter au stiften und sich der Leitung des Kampfes zu bemächtigen. Noch am Dienstag gab die ,, Rote Fahne" die Barole aus, daß der Kampf überall fortgefeßt werden müsse und die Arbeit nirgends aufgenom men werden dürfe. In feinem einzigen Betrieb, auch nicht in den Betrieben, wo bisher der Einfluß der KPD . Dorherrschend war, ist diese Barole befolgt worden oder auch nur ein Berfuch von den eingeschriebenen Mitgliedern der KPD unternommen worden, sie durchzuführen.
Der Kampf der Wertzeugmacher hat nicht nur bewiesen, baß die gewerkschaftliche Organisation selbst eine so mächtige Scharfmachergruppe wie den BBMI. in die Kneifzange zu nehmen versteht, es ist auch der schlagende Beweis geliefert worden, daß der Einfluß der KPD. im Ernstfall teinen Schaden mehr zu stiften vermag.
Es gibt wohl immer noch Arbeiter, die jederzeit bereit find, für irgendeine revolutionär flingende Entschließung zu ftimmen, die von der KPD. geliefert worden ist. Aber diese Arbeiter, die für solche Refolutionen stimmen, wiffen im Grunde, daß man mit Refolutionen teine RevoIution macht, und daß man damit den Unternehmern gewiß nicht imponiert. Das Hand aufheben ist in einem folchen Falle nur eine Gefühlsfache. Wenn es zum Stampfe tommt, wenn es hart auf hart geht, dann fann die Communistische Breffe fchreiben, mas fie mill, bann tann bie