Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts
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Nr. 130
B 65 45. Jahrgang.
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Drei Monate unschuldig in Haft
Offiziersrevolte auf einem englischen Kriegsschiff.
Der Ausländer Schnabel tam im Jahre 1925 mit einem| Dom Deutschen Generaltonfulat in Antwerpen ausgeftellten Visum nach Berlin . Am 14. März meldete er sich beim zuständigen Bolizeirenier, übergab bort seinen mit dem Sichtvermert ver sehenen Baß dem amtierenden Wachtmeister und legte gleichzeitig eine Tüte mit fünf Zigarren vor sich auf den Tisch. Während der Beamte den Paß prüfte, bot Schnabel ihm eine Zigarre an, die er aber nicht annahm. Plöglich bemerkte der Wachtmeister, daß das Datum im Visum geändert war. Er glaubte feststellen zu tönnen, daß das Wort„ März" in" Mai" umgeändert war, tombinierte, daß die Zigarre ihm angeboten war, damit er über diese Aenderung des Bisums hinwegsehe und schritt mit der ganzen Macht, die ihm zur Verfügung stand, gegen den Ausländer, ein. Bergebens beteuerte dieser, daß er in dem Bijum nichts geändert habe und daß es noch genau so sei, wie es ihm auf dem Deutschen Generalfonfulat in Antwerpen ausgestellt worden sei. Es half ihm alles nichts: er wurde wegen Urfundenfälschung und Beamtenbestechung verhaftet und nach 33tägiger Untersuchungshaft vor das Schöffengericht Berlin- Mitte gestellt, das ihn trotz aller feiner er. nenten Unschuldebeteuerungen im April 1925 wegen beider Delikle fchuldig fand und zu nicht weniger als drei Monaten Gefängnis verurteilte. In dem Urteil heißt es:
,, Es unterliegt feinem 3 weifel, daß an der Monatsbezeichnung im Sichtvermerk eine Aenderung vorgenommen worten ist, und es erschien völlig ausgeschlossen, daß von einem deutschen Konsulatsbeamten, wie es der Angeklagte darstellt, zunächst" Mai" geschrieben und dann in„ März" abgeändert worden ist. Eine. Berichtigung dieser wichtigsten Stelle des Bijums wäre ohne 3meifel ausdrücklich bescheinigt worden. Nach leberzeugung des Gerichts hat der Angeklagte Gericht's hat de die Fälschung vorgenommen.".
Das Schöffengericht sagt weiter bezüglich der 3igarre: Der Angeflagte wollte durch Schenfung von 3igarren" den Beamien bestimmen, über die Urkundenfälschung hinwegzusehen. Auf Grund dieses Urteils mußte Schnabel die ihm audiftierte Strafe von drei Monaten bis auf die letzte Stunde verbüßen.
Die Folge der Verurteilung war, daß Schnabel nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis ausgewiesen werden sollte. Gegen über der Ausweisungsverfügung beantragte sein Verteidiger, der sozialdemokratische Abgeordnete Dr. Kurt Rosenfeld, beim preußischen Ministerium des Innern, beim Deutschen General fonfulat in Antwerpen Ermittlungen anzustellen, und der Minister holte nach, was das Gericht vor der Verurteilung hätte tun sollen.
Es stellte sich nunmehr heraus, daß die Aenderung im Pak fatfächlich, wie der Ungeflante immer behauptet hatte, nicht durch ihn. sondern durch den Konfulat beamten erfolat war, daß der Angeflante also mit Recht seine Unshuld befeuert haffe, mithin gerade das der Wahrheit entsprach, was dem Gericht „ völlig ausgeschloffen erschien".
Nunmehr beantragte der Verteidiger des Berurteilten die Wiederaufnahme des Verfahrens, die auch angeordnet wurde. In dem neu angefeßten Hauptverhandlungstermin, der diefer Tage vor dem Schöffengericht Berlin- Mitte stattfand, mußte der Vertreter der Staatsanwalt die Anklage wegen Urkundenfälschung selbst fallen lassen, dagegen suchte er sie im Falle der Bestechung noch aufrecht zu erhalten, indem er eine Gefängnisstrafe von einem Monat wegen Bestechung beantragte, weil der Angeklagte die Zigarre angeboten habe, damit der Beomte feine Schwierigkeiten mache. Dr. Rofenfeld beantragte die völlige Freisprechung, und das Gericht fprach fie aus.
In diesem Falle gelang es also schlieklich, einen Justizirrtum einmandsfrei nochzuweisen. Wie oft gelingt dies nicht? Aber auch in diesem Falle hat der Anceflaate volle drei Monate unschnidia im Gefängnis aeleffen, vnd fein Gericht vermaa ihn hinreichend für den Schaden zu entschädigen, den er dadurch erfiften hat.
Der Friedhof der Märzgefallenen.
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Am kommenden Sonntag wird die arbeitende Bevölkerung Berlins wie alljährlich die Opfer der Märzkampje des Jahres 1848 durch Gedenkfeiern an den Gräbern im Friedrichshain ehren. Das Reichsbanner veranstaltet Sonntag mittag 12 Uhr im Lustgarten eine große Kundgebung. Die Sozialistische Arbeiterjugend versammelt sich um 14 Uhr auf der Weberwiese, die SPD. zur gleichen Zeit auf dem Sportplatz Friedrichshain .
Englische Geeoffiziere meutern.
Auf der britischen Mittelmeerinsel und Flotten station Malta ist eine Offiziersrevolte ausgebrochen. Eine Anzahl gerade der älteren Offiziere des 25 750Tonnen- Schlachtschiffes Royal Cat"( Königseiche") des britischen Mittelmeergeschwaders weigerte sich. unter dem Befehl des Admirals Collard auszufahren. Das Schlachtschiffgeschwader sollte am Sonntag morgen zu einer llebung auslaufen. Diese Ausfahrt wurde verschoben. Am Montag bolte das Flaggschiff Ronal Dat" die Admiralsflagge nieder. Das bedeutete, daß der Admiral sein Kommando niederlegte. Der dienstältefte Stapitän des Geschwaders Osborne über nahm dann das Kommando. Die britische Maltaflotte ist seitdem in See gegangen und hält auf hoher See Manöver ab. 3mci Offiziere follen von Malta nach Gibraltar unterwegs sein, um vor ein Rriegsgericht gestellt zu werden.
Auf kleine Anfragen im Unterhaus erwiderte der Staatssefretär ber Admiralität am Donnerstag abend ausweichend, daß man in London noch(!) teine genügenden Nachrichten über die „ Schwierigkeiten an Bord der„ Royal Dat" habe, um eine Ertlärung abgeben zu können.
Auto fährt in Reichswehrgruppe.
Sechs Goldaten verlegt.
Heute mittag furz vor 1 Uhr ereignete fich auf der Buttlig bride, die im Zuge der Pufflißffraße über die Ring- und Vorortbahn führt, ein schweres Straßenunglüd. Der Führer einer Autobroschte verlor plötzlich die Herrschaft über seinen Wagen und fuhr
Drei von ihnen, die Knochenbrüche erlitten hatten, wurden zunächst in das naheliegende Birchow- krantenhaus und von dort in das Garnisonlazarett nach Tempelhof übergeführt. Die Berlehungen der Berunglückten sind zwar schwer, doch besteht, wie uns mitgeteilt wird, zum Glück feine Lebensgefahr.
Die Reichswehrtolonne befand sich auf dem Wege nach dem Schießftand Jungfernheide, um, wie alltäglich, die dort stationierten Boften abzulösen. Bisher ist es noch völlig ungeflärt, warum der Chauffeur feinen Wagen nicht zum Halten bringen fonnte. Nach feinen Aussagen soll die Bremse versagt haben.
Um die Berunglückten bemühten sich außer den unverletzt ge= bliebenen Reichswehrsoldaten zahlreiche Paffanten, die Zeugen des Unglücksfalles geworden waren. In zwei Kraftbroschten wurden die Schwerverletzten in das Birchow- Krankenhaus gefahren. Die Namen der Schwerverletzten sind: Unteroffizier André, Unteroffizier Balta, Obergefreiter Sille.
Filchner in Sicherheit.
Der Totgesagte wohlbehalten an der Zibet- Grenze
Der von seiner Südpolforschung her befannte deutsche Forscher und Geograph Dr. Filchner war vor einiger Zeit auf einer Forschungsreise in Südostchina verschollen, und man hatte ihn bereits totgejagt, da auch aus Tibet teinerlei Nachrichten über seinen Berbleib nach Indien oder in andere Grenzländer gelangten. Jetzt ist Filchner mit seinen Begleiten wohlbehalten in einer Grenzstadt des Berglandes zwischen Nordwestindien und Tibet eingetroffen und teift nach Srinagar in Kaschmir weiter.
vinz Brandenburg einschließlich Berlin find gescheitert von hinten in eine auf der Straße marschierende Die Märztage in der Karikatur
Die Lohnverhandlungen für die chemische Industrie der Bro Ob bei den tariflichen Schlichtungsstellen eine Verständigung zu ftandekommen wird, ist sehr fraglich, da es bei den direkten Berhandlungen zu teiner Amiäherung der Parteien tam. Die Situation muß als außerordentlich ernst angefehen werden.
16 mann starte Reichswehrgruppe hinein. Sechs Soldaten wurden zu Boden geschleudert und zum Teil erheblich verlegt ENSO
Interessante Schilderungen und Bilder in der Beilage.