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0elloge SwAftnill Sonnabend, 17. März 1928 �wwi

Das einzige was im deutsch «, Bürgertum an demokratischer und republikanischer Ueberlieferung vorhanden war, stammt» aus demtollen Jahre" 1848, an dessen 18. März zum erstenmal in der preußischen Residenzstadt Berlin Barrikaden errichtet wurd«, in schweren und blutigen Straßenkämpfen das Volk gegen Militär um einfachste Freiheiten und Rechte rang, die in anderen Ländern zur SelbstoerstäMichkeit geworden waren. In den Jahrzehnten, die diesem 18. März folgten, war die Ueberlieferung im Bürgertum allerdings immer mehr verblaßt. Märe nicht die auf ganz anderer gcscllschastlichcr Grundlage er­wachsene urid viel weiter gesteckten Zielen zustrebende sozial- demokratische Arbeiterbewegung aufgestanden, die jene Ueberlieferung als eine ehrenvolle pflegte, so wäre im Rausch der.nationalen" Entwicklung auch die letzte Spur der Erinnerung an die Freil�itskämpfer vom 18. März versunken. Dank der sozial- demokraichchen Treue aber blieb in immer breiteren Bolksschichten der Ge'panke lebendig, daß nicht bei Königgrätz oder Sedan , sondern auf diM Straßcnpflaster Berlins die e r st e n und entscheiden- den Kämpfe um Deutschlands Freiheit und Ein- h e i t ausgesochten wurden, die Erinnerung an Schwarz-Rot-Gold, die nationalen Farben des Bürgertums, die, von der Re- aktion verfemt und geächtet, in der Republik von Weimar endlich wieder aus Kümmernis und Dunkelheit befreit werden konnten. Acht Jahrzehnte nach jenem blutigen Märztoge ficht die Welt völlig verändert aus. Wir haben inzwischen Kämpfe erlebt, hinter denen die Schatten des Revolutionstages von 1848 völlig zu ver- blassen scheinen. Millionen von Mitmenschen stnd im Weltkrieg ge- fallen und nach der Novemberumwälzung haben Straßenkämpfe in den deutschen Städten das Mehrfache an Opfern gefordert, als das Jahr 1848. Angesichts des Ungeheuren, das wir handelnd oder duldend miterlebten, fchlt der rechte Maßstab für die Gescheh. nisse von damals. Aber heute wc'ß jedermann oder sollte es doch

wissen, daß ohne 1848 kein November 1918, keine äußere Einigung, vor allem aber kein« innere Be- f r e i u n g des deutschen Volkes möglich gewesen wäre. Die Märzgefallenen aus demtollen Jahre" stnd Wegweiser in eine ferne Zukunft geworden. Vorboten. Es brodelte lange in den deutschen und den preußischen Landen, bevor die Pariser Februarrevv» lution endlich auch in Deutschland die Flammen mächtig auslohen ließ. Iah?« der Lerelendung waren vorangegangen. Die industriell« Entwicklung setzte alle bisherigen sozialen Ver- Hältnisse außer Kraft. Selbständige Handwerksmeister wurden zu Tausenden in unselbständige Fabrikarbeiter verwandelt. Die Bauern waren in einer Weise verarmt, gedrückt und geschunden, daß sie das heute auf Geheiß der Großagrarier gegen die Republik demonstrierendeLandvolk" wahrscheinlich als zur Klaffe der Nabobs gehörig angesehen hätten. Das städtische Arbeits- volk lebte in Höhlen, statt Wohnungen, ohne Beschäftigung, ohne Unterstützung, ohne Organisation, die ihm eine Stütze hätte sein können. Im Lande war der Hungertyphus als ständiger G a st. Massensterben der Kinder im zartesten Alter. Und daneben eine engstirnige, nur auf eigenen Vorteil und auf Weiter- führung ihrer Herrschaft bedachte Junkerklasse. An ihrer Spitze der preußische König, im Vergleich zu dessen Geschwätzigkeit sein Nach- fahr Wilhelm II. fast als ein Berg des Schweigens erschienen wäre. Neben den sozialen Mßständen, die zum Himmel schrien, wirkten die politischen auspeitschend. Eine verzopfte Zensur unterband jede freie Meinungsäußerung in der Presse, ein Ver- sammlungsrecht gab es nicht, Wahlen, die als Venttl des Volts- zorns hätten wirken können, schon gar nicht. Die Temperatur wurde überhitzt, um so mehr, als auch die Ereignisse in Frankreich und Belgien den preußischen Hochmut nicht zu brechen imstande waren, ja, nicht einmal die RevoUe in Bayern , die die Buhlerin des Königs und diesen selbst davonjagte, im Schlosse zu Berlin irgend- einen Eindruck zu machen schien. Der gekrönte Schönredner beharrte auf seiner Phrase:Zwischen mich und unseren Herrgott im Himmel soll sich kein Stück Papier , Verfassung genannt, drängen." Oer König will.... Schon am 16. März gab es Zusammenstöße: 20 Tote lagen auf dem Straßenpflaster, 80 Verwundete in den Hospitälern. Selbst die aus dem Bürgertum organisierten Schutzwachen entschlossen sich, am 18. März vor das Schloß zu ziehen und dort ihre Forde- rungcn als Petition zu überreichen. Der König, dieser echte Hohen- zoller, bekam es jetzt mit der Furcht Er ließ zitternd an der Seite des Bürgermeisters Naunyn erklären, was e r wolle: Der König will, daß Preßfreiheit herrsche: der König will, daß der L a n d t a g sofort berufen werde: der König will, daß eine Konstitution aus der freisinnigsten Grundlage alle deutschen Länder umfasse: der König will, daß Preußen sich an die Spitze der Bewegung stelle: der König will, daß eine deutsche Nationalflagge wehe.... In den Jubel des Volkes über diese Zugeständnisse sielen plötz- lich die wohlbekannten Schüsse, von denen man später behauptete, man wisie nicht, von wem sie abgegeben wurden. Was min geschah, darüber lese man den Bericht eines Augenzeugen in A. Wolffs Berliner Reoolutionschronik": ... Soeben noch Jubel und Hurra und wenige Minuten darauf Wutgeheul und Rachegcschrei. In einer Stunde war der Anblick der Stadt durchaus ein anderer, ihre Physiognomie ganz umgewandelt.Auf die Türme!" rief es,an die Sturm- glockenl" Und man erbrach mit Gewalt die Kirchentüren... Wie durch Zauberschlag stiegen die Barrikaden empor. An jeder Straßenecke sammelle sich Jung und Alt, Vornehm und Gering zum Bau der Barrikaden. Die Buden, die Wogen, die Omnibuste, die Droschken, große Last-, Post- und Brauerwagen, Baugerüste wurden in allen Stadtteilen von Tausenden von Händen zusammengetragen... Die Frauen kochten Kaffee, zer- schnitten Brote und reichten Lebensmittel noch der Straße hinaus, für die Arbeiter, für die Kämpfer. In den Straßen goß man Kugeln, schmiedete Lanzcnspitzen: viele aus Werkställen herbei- getragene Zinkstangen, Blei und dergleichen wurden in kleine Stücke geschnitten und damit die Büchsenläufe gefüllt." Ein anderer Augenzeuge:Zwölf Barrikaden erheben sich im Nu in der Königstraß«, au, Dreschken, aus Omnibuswage», aus Dollsäcken. aus Balten, aus umgestürzten Lrunnengehäusen.,.>

Haus an Haus werden die Dächer abgedeckt. Oben, am schwindeln, den Rande, stehen die Menschen mit Ziegeln in der Hand die Soldaten erwartend... Alles ist bewaffnet, mit Schwertern, mit Lanzen, mit Pistolen, mit Planken. Die Knaben dringen in die Häuser, um große Körbe mit Steinen auf die Dächer zu tragen... Die Fahnen, meistens rote, werden auf die Barrikaden gepflanzt... Zwischen 4 und 2 Uhr prastelt die erste Kar- tätsche von der Kurfürstenbrücke aus die Königstraße entlang: sie vermag die Barrikade nicht zu zerstören Kanonendonner folgt Schlag auf Schlag. Die Barrikade ist erschüttert, zerrissene Leichen liegen an den Straßenecken. Zwischen 5 und 6 Uhr kommen Jnfanteriepiketts. Man schießt auf sie aus den Fenstern, man schleudert Steine auf. sie von den Dächern. Ein furchtbares Ge- metzel beginnt. Die Soldaten nehmen die Häuser, aus denen geschossen und geworfen wird, einzeln ein, viele Opfer fallen, von den Soldaten nur wenige... Gegen 7 Uhr ist die Königstraße eingenommen unter großem Blutvergießen... In ähnlicher Weise tobten die Kämpfe in der Burgstraße, der Jäger, und Friedrichstraße, am Köllnischen Rathause und auf dem Alexanderplatz ." Trotz dieserSiege" seiner Soldateska mußte der schwätzende Zoller nachgeben und den Befehl zum Abrücken des Militärs geben. Er selbst Schauspieler von der Zehe bis zum Scheitel wurde gezwungen, vor den Gefallenen, die man ins Schloß trug, den Hut zu ziehen. Drei Tage später ritt er In Berlin umher, die s ch w a r z r o t- goldene Binde am Arm, die schwarzrotgoldencFahne als sein Panier" vorangctragcn. Lehmann aus Nerlin. Sern Bruder ober, der spätereHeldcnkaiser", eilte mit ge­fälschten Papieren alsHerr Lehmann aus Berlin " bei Nacht und Nebel davon, um in London andere Reaktionäre brüderlich zu begrüßen. Als ihm das gutmütige Volk noch im selben Jahre die Heimkehr gestattete,, zahlle er alsKartätschenprinz" doppelt wieder. In Baden , in Sachsen , vor allein in den Kasematten von Rastatt oerbluteten die Freiheitskämpfer unter den Kugeln, die derKar- tätschenprinz" aus Preußen ihnen sandte. Trotz allem, trotz Wortlmuch und trotz Unverstand sind die Toten vom März lebend geblieben. Was sie mit ihrem Blut» säten, ging langsam, aber unaufhaltsam auf. Die Zensur blieb abgeschafft, die Presse durste freilich mit dem Galgen daneben die Erziehung des Volkes beginnen, aus dem Pseudo-Parlament, das als Drei- klastenlandtag in Erscheinung trat, erwuchs schließlich dos Parlament des allgemeinen Wahlrechts. Heute achtzig Jahre nach den Märzkämpfen von 1848, fast zehn Jahre nach Errichtung der Republik , bereitet sich das deutsche Volk vor, im neuen Wahlgang zu vollenden, was schon erfolgreich begonnen: Unter der Flagge von 1848 der deutschen Re- publik eine Regierungsmehrheit zu schaffen, die all« G e s p e n st e r des Vormärz endgültig zum Teufel jagt!

Lied der Republik . Diese* Gedicht wurde von Karl Schnei! er, dem früheren General des Österreichischen liundctheei anläßlich der achlzlxjährisen Feier der MürzreoUaiion des Jahre* 1&4S ver fttßi und von Professor Julia» ft'oc h mann vertont, r.s ist bei der Mä/zfemr des Pepabli- kanischen Schutzbundes in Wien zum erstemna! vorgetragen. Schlie/it die Reihen fest zimammen, Die ein gleiches Schicksal schuf! Augen blitzen, Herzen flammen, Mächtig tönt der Freiheit Ruf. Folgt dem. R ife! Folgt der Fahne! Bietet treu dem Feinde T rutz! Daß ihr Sieg den Weg euch bahne. Seid der Freiheit Schirm und Schutz! Schutz und Schirm erkämpftem Rechte Auf dem Weg zur neuen Welt; Trutz dem Bund der dunklen Mächte, Deren Haß uns rings umstellt! Trutz in Taten, Trutz im Liede: Vorwärts, Freunde, nie zurück! Freiheit ist der Völker Friede, Freiheit ist der Menschen Glück. Herzen ßammen, Augen blitzen- Freiheit ist die Republik , ünsre T reue soll sie schützen, Unser Weg ist ihr Geschick. Mann für Mann, wir sind entschlossen; Ihre Fahne flammt uns vor: Freund«, Brüder und Genossen! Führt m stolz zum Sieg empor!