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BERLIN  Montag,

19. März

Der Abend

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Nr. 134

B 67 45. Jahrgang.

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Berlin   feiert die Märzopfer!

Das Reichsbanner im Lustgarten.

ug mala od in Die Märzfeier im Friedrichshain  .

Die völkischen Landfriedensbrecher

Bericht über die Gerichtsverhandlung 2. Seite.

Die roten Herzogsmäntel.

Marx, Hindenburg   und Weismann.

Ordensverbots zu verlangen. Der amerikanische   Bot. Schafter wird sich wundern, wenn er das lieft. Er hat bisher noch feinen blauen Diplomatenfrad" getragen, den Marg- Stresemann ohne viel Aufhebens wieder eingeführt haben. Er trägt auch feine Orden und Herzogsmäntel Aber er ist trobem ein sehr ge wichtiger Mann im diplomatischen Korps. Oder will das Aus. wärtige Amt und die Reichstanzlei das bestreiten?

Unsere Mitteilungen über die Ordensannahme durch| Berfassung zu verschleiern. Sie nimmt sicher im Einverständnis den Reichspräsidenten und den Reichskanzler hat mit Marg die Gelegenheit wahr, um die Aufhebung des Aufsehen gerade in der Presse erregt, die dem Bürgerblod- Kabinett geistig nahesteht, oder doch sich zu seiner Verteidigung berufen fühlt. Es ist von besonderem Reiz, sich die Abstufung dieser Aus reden anzuschen, Hugenbergs begabte Leute müssen so tun, als ob... Sie deuten nur an, daß prominente Republikaner aus Breußen und Berlin  " der gleichen Sünde bloß seien, wie der Herzog Marg von Afghanistan  . Was Hugenberg noch zart verschleiert, wird in der Täglichen Rundschau" die immer noch Herrn Strese mann und dem Auswärtigen Amt   nahesteht plump heraus gesagt: Auch Ministerpräsident Braun und Oberbürgermeister Böß sollten danach den Herzogsorden des Emirs angenommen haben. Bon anderer Seite wird auch noch Kultusminister Beder

als Empfänger des roten Mantels genannt.

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In diesen drei Fällen handelt es sich um einen plumpen Schwindel. Ministerpräsident Braun hat der Täglichen Rund schhau" bereits eine Berichtigung zugehen lassen, in der er sagt, daß er das Angebot des afghanischen   Ordens unter Hinweis auf Art. 109 Abs. 6 der Reichsverfassung abgelehnt habe. Mit gleicher Be­gründung hat auch Minister Be der dankend verzichtet.

Dagegen hat, wie festzustehen scheint, der Staatssekretär Weis­mann vom preußischen Staatsministerium den Orden angeno nt=

men.

Er hat danach die gleiche Herzogswürde wie Hindenburg  und Mary. Er mußte ebenso wissen, wie der Reichstanzler, der zur Wahrung der Verfassung in erster Linie berufen ist, daß die Annahme des Ordens einen glatten Berstoß gegen die Berfassungsbestimmungen darstellt, der deshalb nicht milder zu beurteilen ist, weil teine Strafbestimmung hinter dem Berbot in der Verfassung steht. Ein Beamter der Republit, der so gewollt die Berfassung mißachtet, gehört nicht in sein Amt. Es ist deshalb die Frage aufzuwerfen, ob Herr Weismann, der nach unseren Informationen sich zum Zentrum rechnet, weiter von der preußischen Regierung als Staatssekretär geduldet werden kann.

Diese Frage gilt auch für Herrn Marg, deffen Tage als Kanzler des Bürgerblods allerdings ohnehin gezählt find. Die Germania" gibt heute offen zu, daß die Ausrede von den Erinnerungszeichen" nur gewählt ist, um einen Berstoß gegen die

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Tad

Die Sache hat zweifellos ihre humoristische Seite, Herrn marg im roten Mantel sich vorzustellen. Aber sie hat noch viel ernstere Geiten. Denn wenn das Bolt von den höchften repu­blikanischen Beamten eine so geringe Achtung vor der erfassung und eine noch viel geringere republikanische Il e bere zeugung feststellen muß, so geht schließlich auch sein eigener Respekt vor der Republit davon. Und schließlich tönnte es den neuen Herzögen" wie früher den alten zurufen: Fürsten  , gebt die großen Purpurmäntel her, das gibt rote Fahnen für der Freiheit Heer.!

Am Grabe Freiligraths  . Märzfundgebung der Sozialdemokratie in Cannstatt  .

Stuttgart  , 19. März.( Eigenbericht.) Der sozialdemokratische Bezirksparteitag für Württemberg   und Hohenzollern   fand am Sonntagnachmittag einen eindrucksvollen Ab­schluß durch eine feierliche Rundgebung am Grabe Ferdinand Freiligraths   in Cannstatt   Der Parteitag begab sich in geschlossenem Zuge vom Tagungslotal auf den Fried hof, wo Otto Wels   als Borsitzender der deutschen   Sozialdemokratie vor dem dort errichteten Denkmal Freiligraths   die Bedeutung des Dichters für die politischen Kämpfe der heutigen Zeit würdigte und namens der Partei einen Lorbeertranz mit schwarzrotgoldenen Farben am Grabe niederlegte.

So endigte der Parteitag in einer Feier der Märzrevolution, des Bürgertages, deren Erbschaft die tlaffenbewußte Arbeiterschaft angetreten hat. Otto Wels   gelobte namens der Sozialdemokratie, daß sie die ihr obliegende geschichtliche Mission erfüllen werde.

Im Lustgarten.

Unter dem Balkon der alten Hohenzollern- 3wingburg, auf dem vor 80 Jahren Friedrich Wilhelm IV.   bleich und verängstigt ge­ffanden hatte, um mit gezogenem Hute die Opfer der Straßen­fämpfe zu grüßen, war gestern, umgeben von einem Meer schwarz­rotgoldener Fahnen, das Rednerpult, von dem aus ein Bolfsmann der deutschen Republik zu den Massen sprach. Es ist schwer zu fchätzen, wieviel Menschen herbeigeeilt waren, und es ist ziemlich gleichgültig, ob es 40 000, 60 000 oder 80 000 waren. Die große und wohlgelungene Kundgebung war ein neues, deutliches, und unwiderlegbares Zeichen dafür, daß die Republikaner   Betlins ihre Pflicht zu tun wissen und ffets zur Stelle find, wenn es heißt, für den Geift der Freiheit und Demokratie Zeugnis abzulegen.

Der Reichsbannermarsch leitete die Kundgebung ein. Dann sprach Wolf Truz vom Staatstheater Freiligraths zornerfülltes: Die Toten an die Lebenden mit weithin schallender Stimme und fündete die inzwischen Wahrheit gewordene Prophe zeiung: Die Throne gehen in Flammen auf, die Fürsten   fliehen zum Meere. Das Wort ergriff sodann der Borsigende des All­zeiung: Die Throne gehen in Flammen auf, die Fürsten   fliehen gemeinen Deutschen   Gewerkschaftsbundes, gemeinen Deutschen   Gewerkschaftsbundes,

Reichstagsabgeordneter Peter Graßmann

zu einer wirtungsvollen Gebentrebe. Er führte aus: Im Jahre 1848 brannte es in allen Ländern. In Frankreich   brach die Re­volution zum dritten Male in fünfzig Jahren, siegreich durch. Die Bewegung schlägt nach Often, entfacht in Deutschland   zunächst die literarischen Kreise und greift schließlich in den Märztagen auf das ganze Bolt über. Wien   revoltiert, ebenso Braunschweig   und Kaffel.

München   und die westlichen preußischen Provinzen folgen. Ursachen

zur Unzufriedenheit sind genug vorhanden. Alle von den Fürsten  während der Befreiuungstriege gegebenen Versprechen wurden ge brochen. Friedrich Wilhelm III. beschmört feierlich am 22. Mai 1815, dem Bolte eine Verfassung zu geben und eine Boltsvertretung zu zulaffen. Sein Sohn Friedrich Wilhelm IV.   verweigert auf dem Huldigungstag in Königsberg   im September 1840 die Erfüllung dieses Versprechens. Raiser Franz von Desterreich bezeichnet im ungarischen Reichstag das Gerede von Frei heit und Volksrechten als den Wahnsinn des Zeitalters". Als die wüften Demagogenverfolgungen einsetzen, rebellieren an den deutschen   Hochschulen die Studenten. Am 18. Oftober 1817 ver­sammeln sich die Studentenabordnungen auf der Wartburg  , um in einer großen Kundgebung gegen die Fürstendespotie für die Freiheit des Wortes einzutreten. Im Jahre 1832 ziehen Taufende zum Hambacher Schloß  , um ein laut schallendes Bekenntnis zum deutschen  Einheits- und Volksstaat abzulegen. Mit Zeitungsverboten und Festungsstrafen für die Rebellen hofft die Reaktion den Freiheits­drang des Volkes ersticken zu können. Die literarischen Führer des jungen Deutschland   müssen in anderen Ländern Zuflucht vor den Berfolgungen der Polizei suchen. Zu der Rebellion der Geister trat die Auflehnung der Hungrigen. 1847 und 1848 brachen die ersten Hungerrevolten in Schlesien   aus. Deputationes