Sechshundert gegen zwanzig. Die Lichierfelder Nationalsozialisten vor Gericht.
Der schändlich feige und maßlos rohe Ueberfakl der Italloual. soziallsten auf dem Vahnhos Lichterfelde erlebt morgen seinen Jahrestag, heute begann aber vor dem Schöffengericht die auf 14 Tage berechnete Gerichtsverhandlung gegen sieben aus der Zahl der in die hunderte gehenden Srawallbande, die am 20. März vorigen Jahres auf dem Vahnhos Lichterselde über die Schalmeien. kapelle der Roten Frontkämpfer hergefallen ist. um hinterher mann- hast zu fliehen. Auf der Anklagebank sitzt als Rädelsführer der Bäcker Willi Schäfer, gemamt.Rübezahl'. Die anderen sechs, Poltzin.
Frontkämpfer her. während zwei weitere hundert den Bahnhof von außen stürmten. Die Polizei war machtlos. Den Vorsitz in der heutigen Terichtsverhcmdliung führt der Land» gerichtsdirektor Simon. Die Verteidigung der sieben Angeklagten tiegt in den Händen des Rechtsanwalts Jungfer. Reben sieben Aommunisten, die seinerzeit schwer« Verletzungen davongetragen haben vertreten die Nebenklage die Rechtsanwälte Dr. Obuch und Dr/ Samter. Der Angeklagte Schäfer, von Beruf Bäckerlehrling, vor» übergehend Patient in einer Potsdamer Nervenheilanstalt, dann Mitglied eines roten Wanderbundes, später Angehöriger der Orga» nisation Ulrich von Hutten , und schließlich Mitglied der National-
M- t-C f» ynifrKitnk' Die„Helden" auf der Anklagebank.
Bergmann, Ninkwitz, Brun em a n n und die kauf« mänmschen Angestellten Krämer und Kern, befanden sich nur einen Monat in Haft. Die Anklage lautet auf Landfriedens- bruch, Gewalltätigkeit gegen Personen. Körperverletzung und Plünderung. Das Ergebnis der Schlacht auf dem Bahn- Hof Lichterfelde waren 21 Verletzte, zerstört« und geplünderte Musik- instrumente, demolierte Eisenbahnabteile. Mehr als 100 Schotter- stein«, drei ausgeschlagen« Zähne, wurden später in den Wagen ge» funden. Auch zwei Nationalsozialisten trugen Schußwunden davon. Di« Rotionalf ogialiftische Arbeiterpartei hatte in Trebbin ihre Jahresfeier. In dem Zug«, der die Nationalsozialisten nach Lichterselde bringen sollt«, befand sich di« Kapelle der Roten Front- kämpfer. Schon unterwegs kam es zu Reibereien, auf dem Bahnhof Lichterfeld « fielen daua 400 Ratioualsoziallsieu über dl« Roleu
sozialistischen Arbeiterpartei, bestreitet natürlich, sich in irgend- «iner Weise strafbar gemacht zu haben. E« sei nicht wahr, daß er schon in Trebbin beim Besteigen des Zuges gerufen hob«:.Schlagt die Hunde tot", mit einem Revolver in der Hand in den Wagen gedrungen fei und m Lichterfelde die Kommunisten mit Steinen bombardiert Hab«. Er habe höchstens aus Notwehr die Steinschmisie der Kommunisten erwidert. Geschossen sei nur von Kommunisten worden. Er habe sich allein feiner angeschossenen Kameraden ange» nommen. Nach den Ereignissen in Lichterseide hat Schäfer Verlin oerlaflen und sich länger« Zeit bei seinen Freunden auswärt, auf» geHallen. Die übrigen Angeklagten schildern das Ereignis auf dem Bahnhof Lichterselde ähnlich wie Schäfer. Dir Kommunisten seien die An- greiser gewesen.
bestürmen den König, dem Volke eine Verfastung zu geben. Unter den Zellen in Berlin werden tagtäglich Versammlungen abgehallen. Es kommt zu den ersten Zusammenstößen mll der Polizei. Noch immer verweigert der König jedes Mitbestimmungsrecht des Volks an den Regierungsgeschäften. Am 18. März ziehen tausende Berliner zum Schloß und werden dort von der Polizei auseinandergetrieben. Ihre friedliche Kundgebung wird auseinandergesprengt. Als die Soldaten sogar in die Demonstranten schießen, sammelt sich da» Volk, erstürmt Waffe ngeschäste. verteidigt sich gegen die Soldateska und siegt. Der König muß nachgeben. Peter Graßmann
2. PoniUender des Allgemeinen DeuUchen Gewer kscha /tsbundes. Unter einer schwarzrotgoldenen Fahne, geschmückt mit einer schwarzrotgoldenen Schärpe, reitet der König durch Berlin und oerspricht ein konstitutionelles, geeintes Deutschland . Die Freiheitsbewegung bricht wieder zusammen, als die Führer der Bewegung dem Preußenkönig die Kaiserkrone anbieten und dieser die Krone„mll ihrem Ludergeruch" ablehnt. Noch gärt es in einzelnen Ländern wieder auf. Entschlosiene Männer versuchen gegen die wieder- erstarkten Fürsten anzukämpfen. Vergebens, der deutsche Spieß- bürger Hot sich wieder mit seinem Schicksal abgefunden. Die hohen- zollerndynastie hatte noch einmal den Freiheitskampf des Volke» aufhallen können. Mit brutalen Verfolgungen ver- suchten hohenzollern alle Freiheitsregungen de» Volkes im Keime zu ersticken. Von den unter Führung von Lassalle und Marx mächtig wachsenden Sozialdemokraten sagte der letzte Kaiser 1903:„eine Rotte von Menschen, nicht wert, den Namen Deutsche zu führen". Das deutsche Volt mußte sich erst in den Weltkrieg Hetzen lassen, um die Kräfte zu sammeln, das Kaiser - reich zu stürzen. Aus dem Wellkrieg hat das deutsche Volk gelernt: Nie wieder Monarchie! Es hat sich w der Weimarer Verfassung die demokratische Republlk geschaffen. Der demokratische Volksstaat kann aber nur dann sein« Aufgaben erfüllen, wenn alle Bürger dem Staate Hand und Hirn weihen, wenn alle an seiner Festigung und Auegestaltung mll- wirken. Noch immer erhoffen und erstreben weite Kreis« Rückkehr zur Monarchie, zu vormärzlichen Zeiten. Dieser Staat bedeutet für uns auch nicht Erfüllung. Wir wollen ihn ausbauen zum wirk- lichen sozialen Volksstaat. Die Wahlen stehen vor der Tür. wir rüsten znr wahlschlachl. Zum Kampf gegen politisch« und soziale Reaktion. Da» sind wir schuldig den gefallenen Brüder im welkkrieg, den Freiheil». kämpsern des 18. März." Nun sprach Albert F l o r a t h vom Staatstheater das Gedicht Georg herweghs„Achtzehnhundert vierzig und acht", in dem er die Taten des Volkes in der Märzrevolution feiert. Als am Schluß der Rezitationen ein Gelöbnis zu Schwarzrotgold erklang, schwang Florath als Symbol eine mächtige Fahne in den Farben der Republik . Der gemeinsame Gesang des Reichs- bannerliede» schloß die Kundgebung. Im Kriedrichshdin. Der Veranstaltung des Reichsbanners im Lustgarten schloß sich am Nachmittag die Kundgebung der Sozia listischen Ar- beiterjugendundderSozialdemokratischenPartei. ausgehend vom S. Kreis(Mitte) im Friedrichshain an. Durch Massenbeteiligung wurde sie zu einer De- monstration von überwälligendem. der allen Beteiligten un- oerlierbar im Gedächtnis haften wird. Gegen 14 Uhr rückten auf der W e b e r w i« s e die ersten Züge der A r b e i t e r j ug« n d und der Kind er freunde an. während auf dem»üstriner Platz, am Ostbahnhof, di« Parteiabteilungen Aufstellung nahmen. Ungeheure Menschenmassen, über öl« ein Wald von rolen und schwarzrotgoldenen Fahnen und Bannern ragte. An vielen Fahnenspitzen schwarzer Trauerflor. Männer und Frauen mit roten Nelken geschmückt. Immer neue Abteilungen rücken heran. Immer wieder dröhnen die Paukenschläge der Kapellen und erschallt der Trommelwirbel der Tambourkorp» durch die Straßen. Di« Arbeiterjugend formiert sich und marschiert zum Küstrtner Platz. Tausende begleiten den Zug— Tausend« erwarten ihn. An ver Spitze flattert das rote Seidentuch einer a l t e.n 1848«? Kampffahne. Dahinter marschiert eine Kapelle des Reichsbanners. Und dann folgen die K r o n z t r ä g e r der ein- zelnen Abteilungen. Blutrot die Blumen und Schleifen auf dem dunkelgrünen Laub möchtiger Kränze. Leuchtend das Gold der In. schriften und Widmungen. Hinter den Kranzträgern Jungen und Mädchen von den K i n d e r f r e u n d e n. In ihren Armen tragen sie große Sträuße roter Tulpen. Und dann der endlose Zug der Arbeiterjugend, in dem unzählige rote Fahnen, Wimpel und Transparente mitgeführt werden. Ihnen schließt sich der lange Zug der K i n d e r f r e u n d e an. Und hinter den Kindern der r i e s i g e Z u g d e r P a r t e i und des R e i ch s- banne rs mit zahlreichen Bannern und vielen Kapellen. Lange.> lange dauert es. bis die Letzten des Zuges auf dem Platz angelangt sind und Ausstellung genommen haben. Fanfarenstöße ertönen. Von erhöhten Plätzen sprechen drei Redner zu den Massen. Iugendgenosse Schwarz legt in zündender Rede da» Treubekenntnis für die Arbeiterjugend ab. Landtags- abgeordneter Otto Meier und Bürgermeister Mielitz richten kurze Ansprachen an die Dersammellen. Warme Worte des Gedenkens der Opfer von 1848 und 1S18 und eindringliche Mahnung,
das Vermächtnis der Toten zu erfüllne. Unter den Klängen der Marseillaise marschieren die Züge zum Friedhof. Die Kranz- träger gehen zu den Gräbern, die mit prächtigen Kränzen schon reich geschmückt sind. Vor dem Friedhofstor steht die Ehrenwache des Reichsbanners. Mit gedämpften Spiet, gesenkten Fahnen und entblößten Häuptern marschieren die Züge am Friedhos vorüber. Schon in den frühen Vormittagsstunden kamen die ersten Kranz. delegationen zum Friedhof. Die Arbeller der einzelnen Betrieb« sandten Blumen, und Kranzspenden. Die Parteiabteilungen, die Gewerkschaften und sozialistischen Kulturorganisationen hatten der Märzkämpfer gedacht. Die Kranzspende der Arbeller und Ange- stellten des„Vorwärts" Druckerei trug folgenden Sinnspruch: Ruft auf den Plan auch un» die Zeit, Wie euch vor achtzig Jahren. Zum Kampf, zum Sieg steh'n wir bereit, Nicht achtend der Gefahren. Eh' nicht der Märzsturm braust durchs Tal, Wie soll es lenzlich klingen? Die Freiheit leuchtet als Fanal Dem, der um sie wird ringen. Die Arbeiterjugend legte am Grabe des jungen H a b e r s a t h, der 1918 beim Sturm auf eine Kaserne fiel,«inen Kranz nieder. Auch die Gräber der 1918 in Berliner Straßenkämpfen gefallenen Matrosen und Sicherheitssoldaten waren reich mit Blumen geschmückt. Märzfeier der AfA- Gewerkschaften. Ein« würdige, stimmungsvolle Erinnerungsfeler für die März- gefallenen hatte» das AfA-Orrskartell und die Berliner AfA- Gewerkschaften veranstaltet. Eine dichtgedrängt« Menge füllte den großen Fesssaal des Berliner Stadthauses. In ihrer Ansprache zeigte Hedwig Wachenheim , weshalb die Märzkämpfer unterliegen mußten, we-halb ihr Streben eist so viel« Jahrzehnte nach ihrem Tode Erfüllung finden konnte. Die Achttrndvierziger waren Vorpostenkämpfer, hinter denen da- mal» oder noch nicht die große Armee der Masse stand. Das preu- ßische Dreiklassenwahlrecht war die ganze„Freiheit", die dem Voll zuteil wurde. Und dos„einige" Deutschland , das 1871 gegründet wurde, war eine Reichseinheit gegen das Volt,«in Bund der Fürsten , nicht zusammengehalten vom Geist der März- kämpfer. sondern vom Grift des Militarismus. Erst die Revolution von 1918 öffnete dem deutschen Volk den Weg in die Freiheit. Dieselben Volkskreise, die 1848 gegen sie austraten, sind auch heut« noch am Werk. Gegen diese reaktionäre Minderheit müssen wir unsere Freiheit schützen. Rezitationen von Gertrud Eysoldt und Theo Maret, musikalisch« Vorträge des Cellotrios Armin Liebermann, Fritz Hoppe. Karl Lenzewski und des Gemischten Chor» Groß- Berlin unter seinem Chorführer Harry Stenz el sorgten für eine würdig« Umrahmung der Feierstunde. Geschlossen zogen die Ver- sammelten nach der Veranstaltung zum Friedhos der Märzgesallenen.
Märzfeler des Verkehrsbundes. Auch der Vertehrsbnnd veranstallete für feine Mitglieder gestern vormittag im„Gcrmaniapalast" eine Märzfeier. Hunderte von Mllgliedern konnten keinen Einlaß mehr in dem überfüllten Saal finden. Eingeleitet wurde die Feier durch das Ebert-Manz- Quartett und durch Rezitationen von Alfred B e i e r l e. Ein Orchester des Deutschen Musikerverbandes brachte dann die Egmont-Ouoertüre zu Gehör. Abschließend zeigte man den Film „P o t« m k i N", der genau wie die übrigen vorzüglichen Darbietun- gen stünnischen Beifall fand. Es formiert« sich dann ein Demo»- strationszug, der nach Tausenden zahlle.
Stahlhelm überfällt Reichsbanner. Gchvpobsamte von Faschisten bedroht. Drei Potsdamer Reichsbannerleute befanden sich am gestrige» Sonntag mit ihren Rädern auf dem Wege von Langerwiesch nach Hause. Zwischen 7 und s48 Uhr abends mußten sie in der Leipziger Straß« zu Potsdam einen Trupp von etwa 120 Stahl- h e l m l e u t e n passieren, den zwei Schupobeamte begleiteten. Al» sie schon in halber Höhe des Zuges waren, wurden sie von einem der Beamten angerufen, weil ihre Röder kein Licht hatten. Sie sprangen von ihren Rädern. Im gleichen Augenblick stürzte ein Stahlhelmmarm aus der marschierenden Kolonne heraus und schlug dem Reichsbannerkameraden Wilhelm Fischer aus Potsdam mit der Faust ins Gesicht. Di« Reichsbannerleut« riefen die Schupobeamten zu Hilfe. Der Reichsbannermann Volke erkannte nun den Angreifer in der dritten Gruppe des Zuges. Als die Beamten diesen herausholen und feststellen wollten, hielten ihn seine schwarzweißroten Brüder fest und nahmen«ine drohend« Haltung gegen die Schupobeamten an, die von allen Seiten einge- schlosien wurden. Dabei erhielt Bölkc von einem Stahlhelmer«inen Schlag mit einem harten Gegenstände gegen den Kopf. Das Ueber- fallkommando wurde herbeigerufen und begleitet« den Zug bis zum Bahnhof. Hier gelang es der Schutzpolizei sestzustellen. daß der Schlosser Otto Sauer aus Berlin der Angreifer gewesen war. Der Rowdy wurde mit den Tatzeugen zum Polizeipräsidium ge« schafft, von wo er nach Fessstellung seiner Personalien und des Tat- bestandes entlassen wurde. Es scheint, al» wenn mit dem beginnenden Frühling sich auch wieder die Rauflust bei dem Faschistengesindel regt.