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Morgenausgabe

r. 135

45. Jahrgang

A 68

Böchentlich 70 Big, monatlich S im voraus zahlbar. Bostbezug 3.72 2. einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne ment 5,50 m. pro Monat.

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Der Borsiärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abend ausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Det Abend", Jlluftrierte Beilagen Boll und Zeit und Kinderfreund" Ferner Unterhaltung und Willen".. Frauen timme". Technit". Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Dienstag

20. März 1928

Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.

Die etnis

111ge Ronpareillezetle 80 Biennig Reflamezeile 5- Reichs mart Rietne Anzeigen" das fettge brudte Wort 25 Pfennig zuläifig zwet fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Biennig Stellengesuche das erite Bort 15 Bennig. jedes weitere Bort 10 Biennig Borte über 15 Buchstaben gablen tür zwei Worte Arbeitsmarkt Reile 60 Biennig Familianzeigen für bonnenten Seite 40 Pfennig Anzeigen annahme im Hauptgeichäft Linden traße 3. wochentäal von 8%, bis 17 Ube.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Tönhoff 292-297 Telegramm- Adr: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

Gegen die Landbundhehe!

Erklärung des Finanzminiffers im Reichstag.

Das Treiben des Landbundes, der die ländliche Bevölke rung gewissenlos gegen die Finanzämter hetzt, wurde gestern im Reichstag von den Rednern aller Parteien mit Ausnahme der Deutschnationalen gegeißelt. Für die Reichsregierung gab Reichsfinanzminister Dr. Röhler die folgende Erklärung ab:

Ich verarge es feinem Stand, wenn er feine Berufsfragen in Bersammlungen bespricht, aber unter feinen Umständen lann die Re­gierung das dulden, was in den letzten Tagen da und dort vor­gelommen ist,

Vorgänge, die sich in keinem Rechtsstaat wiederholen dürfen.

( Schr richtig! bei der Mehrheit.). Die. Regierung wird hier ihre Bflicht tun ohne Ansehen des Standes und der Person.( 3uruf bei den Sozialdemokraten: Auch die deutschnationalen Minister?) Ich habe gefagt: die Regierung. Sie wird ihre Pflicht tun in Festig. teit, worauf das Volk einen Anspruch hat. In Pyrit 3 B. sind ganz außerordentlich schwere Berstöße vorgekommen. Leid tut es mir nur um die armen irregeleiteten Menschen, die sich jetzt vor dem Strafrichter verantworten sollen und Dinge zu büßen haben, in die fie, ich weiß nicht durch wen, hineingehegt worden find.( 3uruf rechts: Eure Steuerpolitik!)

Ich kann nur dringend bitten, hier faltes Blut zu bewahren und Drohungen zu unterlaffen, wie sie vor einigen Tagen

dem Borsteher eines Finanzamts gegenüber ausgesprochen worden find,

baj man nämlich nicht einstehen könne für das Leben der Bollziehungsbeamten.

( Hört, hört!) Ich habe die dringende Bitte, daß die Führer ber Organisationen, die es ja bei den hochgehenden Bogen ficherlich nicht leidt haben, die Zügel nicht aus der Hand geben, daß fie vielmehr beruhigend und mäßigend auf ihre Mitglieder ein mirfen. Die Regierung ist bereit, Notständen, wo sie wirklich her. portreten, Rechnung zu tragen. Durch den Erlaß vom 20. Februar tst bereits angeordnet, daß die Finanzämter von Amts wegen fest zustellen haben, wo Notstände vorliegen, und daß fie von Amis megen Steuererstattungen und nachlässe bewilligen. Aber eine wilde Justiz darf es nicht geben. Es fann auch nicht gebulbet werden, daß in Bausch und Bogen in ganzen Gemeinden oder ganzen Bezirken die Landleute einfach erklären: Bir zahlen nichts mehr!( Abg. Dr. Herh[ S03.]: Die Regierung hält das sogar für berechtigt, sie hat dazu aufgefordert! Abg. Kube( völt.]: Laßt doch die Jüdenschaft zahlen! Abg. Dietze[ Dnat.]: Wir sind alle - zahlungsunfähig!)

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Die Landwirtschaft hat das größte Interesse daran, daß unter­schieden wird zwischen denen, die einfach zahlungsunfähig sind, und denen, die in der Lage sind zu zahlen. Damit fommt man nicht durch, daß man einfach sagt: Wir sind zahlungsunfähig.( Buruf rechts: mit wenigen Ausnahmen!) Gut, dann wollen wir wenigstens, daß diese Ausnahmen zahlen.

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Ich bin verpflichtet, meine Beamten zu schützen, und werde alles tun, um diesen Schuh auch durchzuführen.

Es geht nicht, daß die Beamten in verschiedenen Landesteilen nur noch unter Bedrohungen arbeiten können. Die Regierung wird sich aber durch diese Borfommnisse nicht zu der Annahme verleiten laffen, daß alles, was hier über die Not der Landwirtschaft gefagt wird, übertrieben sei. Ich weiß, daß weite Teile der Landwirtschaft, nidt nur die Großbetriebe, sondern auch flein- und mittelbäuerli he Betriebe sich in ganz außerordentlicher Notlage befinden."

Wenn der Reichsfinanzminister Dr. Köhler erfahren will, durch wen arme irregeleitete Landleute in Dinge ge­hegt werden, die sie nun vor dem Strafrichter büßen müssen, so braucht er nur einen Blick in die deutschnationale Presse zu werfen. Er wird dort Berichte über Reden von deutsch­nationalen Reichstagsabgeordneten und und Landtagsabgeordneten Landbund führern lesen, Affäße der deutschnationalen Presse, die alle nur dem einen Zwed dienen: zu hetzen.

und

Dort fizen die intellektuell Berantwortlichen! Und wenn der Herr Reichsfinanzminister bann noch nicht Bescheid weiß, braucht er sich nur den deutschnationalen Reichstagsabgeordneten Diete anzusehen, Besizer des Ritterguts Rodersdorf in Sachsen  , der ihm fedlich da zwischenrief: Wir sind alle zahlungsunfähig!"

Sozialdemokratische Anfrage im Landtag. Die sozialdemokratische Fraktion hat im Preußischen Landtag folgende Anfrage eingebracht:

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Bostichedlonto: Berlin   37 536 Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65 Diskonto- Gesellschaft. Depofitentasse Lindenstr 3

Um die Seele des Landes.

Wahlarbeit und Wahlaussichten auf dem Dorfe.

Bon Hermann Tempel  , M. d. R.

Wir fprachen in einem Kreise politisch aktiver Menschen von der Seele des Landes, des platten Landes. Irgendeinem unter uns entglitt der Ruf, den alle dachten: Arensdorf! Wie Hintergrund unseres Bewußtseins und ließ drei haßverzerrte der Lichtkegel eines Scheinwerfers fiel das Wort auf den Gesichter aufleuchten: die Familie Schmelzer. Bater, Sohn und Mutter!

Wer das Dorf in seinem Verhältnis zum neuen Deutsch­ land   sehen will, darf nicht in das Arensdorf des Herrn lldo v. Alvensleben   gehen. Das ist Minderheit, beinahe Aus nahme. Das Land ist als Ganzes gefund geblieben, trotz der Giftsprißen, die ihm die Kreisblätter seit Jahren tagaus tagein verabreichen Man muß die spärlichen Stunden der Ruhe aufsuchen, die fargen Pausen amischen Arbeit und Schlaf des Landproletariers.

Da sind die täglichen Bahnfahrten zwischen der Kate im Dorf und der Arbeitsstelle in der Stadt. Hunderttausende, Millionen von Männern und Frauen schwingen jeden Werts tag diesen gewaltigen Pendelschlag der Arbeit willenlos mit. Wanderer zwischen Acker und Werkstatt; Proletarier zwischen zwei Welten! Früh um vier fladern die Richter hinter den Scheiben der Dorfgaffen auf. Eine Stunde Weg durch Dunkel und Regen. eine Stunde Fahrt. eingepfercht zwischen Menschen, Müdigkeit und Dunst, acht, neun und zehn Stun den lähmendes Einerlei in der Fabrit. Stumpfes Zurüd, im überfüllten Abteil, auf grundlosem Weg. Daheim eine abgehegte Frau, Kinderlachen und Kindermeinen. Eine Stunde Arbeit auf dem Acer   und im Stall Vielleicht noch

Gipfel des Tages eine letzte Zärtlichkeit von Mann und Frau. Das ist der Alltag, der die Seele ungezählter

Menschen im deutschen   Dorfe formt.

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Das Bewußtsein der Klassenlage verdämmert darin. Der Seit Monaten bemüht sich der Landbund, die Land. Wille zum Klaffenkampf wird müde. Der Hunger nach einem bebölferung gegen die Staatsregierung auf Glauben irgendeiner Art, längst schon hinüber über die Wild­au putschen. Unter dem stärksten Druck und unter heit eines primitiven Kommunismus ebenso wie nicht Boykottandrohung sind die Landarbeiter und die Getums, droht in Bassivität und Indifferenz zu erlöschen. Wir selten über die Inbrunst eines schwärmenden Settierer­werbetreibenden auf dem Lande und in kleinen Land- lernten neulich einen Dorffompler fennen, in dem bei den städten zur Teilnahme an den Demonstrationen gepreßt Dezemberwahlen 1924 von 3000 Wahlberechtigten faſt aus­worden. In vielen Fällen wurden die Kundgebungen nahmslos Fabrik- und Hafenarbeiter, nicht weniger als 2000 durch die deutsch   nationalen und völkischen zu Hause geblieben waren. Landbundführer zu Aufreizungen, zu Gewalt. tätigkeiten und zur Aufforderung zur offenen Auf­lehnung gegen die Staatsregierung mißbraucht. Ueber­griffe der Demonstranten gegen andersdenkende Per sonen und gegen Behörden sind die Folgen gewesen. Der Landbund setzt dieses Treiben ununterbrochen fort. Wir fragen: Was gedenkt die Staatsregierung zu tun, um in Zukunft die öffentliche Ordnung gegen über den Landbund- Uebergriffen sicherzustellen und die für die Ausschreitungen verantwortlichen Personen zur Rechenschaft zu ziehen?"

Rußlands   Abrüstungsvorschlag.

Die

Von Litwinow   begründet, von Bernstorff und den Türken befürwortet.

Genf  , 19. März.( Eigenbericht.)

Montagsfizung der Borbereitenden A5. rüstungstommission wurde von dem russischen Ab. rüftungsvorschlag und einer Rede Litwinows be. herrscht. Nachdem der nunmehr eingetroffene türkische Außen­minister Tewfit Ruschdy Ben bewillkommnet worden war, und in seiner Entgegnung dem Wunsch der Türket, als neutra. Ter Staat zu leben, Ausdruck gegeben hatte, erhielt Litwinow   das Mort. Der Bertreter der Mostauer Regierung ließ sich die Ge­legenheit, dem Völkerbund und den westeuropäischen Regierungen thre Sünden in der Abrüstungsfrage entgegenzuhalten, natürlich nicht entgehen. 38 Tagungen der Böllerbundsversammlung und bes Rats hätten über die Abrüftung 111 Refolutionen gefaßt 14 andere Organe des Böllerbundes hätten 120 Sigungen über die Abrüstungsfrage abgehalten, dagegen wolle Sowjetrußland den prattischen Beginn der Abrüstung. Der russische Vorschlag als organisches Ganzes zu betrachten, das nicht zerstückelt werden dürfe. Die Kommiffion und eine baltige Abrüftungstonfe renz habe das Prinzip der Gesamtabrüstung anzunehmen oder ab­3rlehnen, und im ersteren Falle mit der ersten Etappe der in vier Jahren zu vollziehenden Totalabrüftung anzufangen. Sowjet rußland, das neben mur drei anderen Staaten die Konvention gegen den Gas- und Batterienfrieg ratifiziert habe, walle die Zotala brüstung, troßdem es bas Band fei, deffen Sicherheit am wenigften geschüßt sei und von dem eine Proving. Belfara.

bien, immer noch von fremden Truppen besett fel. Litwinom fragte Amerita, ob das Land, das gerade ein Ber­bot des Krieges vorgeschlagen habe, die sowjetrussische Abrüstung zurüdweisen förne.

Graf Bernstorff nahm zu diesen Erklärungen sofort Stellung. Er ertiärte, daß der sowjetrussische Plan dem Geist der Wil. ionschen 14 Buntte, denen die Alliierten zugestimmt hätten, entspreche und mit der Arbeit ter Abrüftungskommission har moniere. Die Völkerbundstätigkeit auf dem Gebiet der Abrüstung belte auch Deutschland   für sehr bescheiden und beschränkt. Die russische Einteilung der Abrüstung in Etappen, deren erste die Heere jeglichen Offensivcharafters entkleide, sei gut. Bernstorff wünschte eine detaillierte Behandlung des Planes bei der zweiten Lesung des eigenen Entwurfs der Kommission in den nächsten Tagen. Auch Deutschland   verlange eine baldige Abrüftungs­vollkonferenz und behalte sich einen dementsprechenden Antrag vor. Nachtem noch der türkische Außenminister Litwinow   zu feinem brüstungsvorschlag beglüd wünscht hatte, erstarb the Sigung in peinlichem Smeigen, so daß der Vorsitzende sie vor­zeitig schloß. mit dem Hinweis darauf, daß die anderen Delega tlonen am Dienstag Etellung nehmen sollten

Frenfreits bisheriger Vertreter zur Abrüftungsfrage, Paul Boncour, ist auf Wahlreisen, und Italien  , England wie Amerita haben gleichfalls zurzeit nur Bolitifer 3 weiter Klasse in der Kommiffion.

Ganz verschüttet liegen häufig die Lebensenergien der Frauen in solchen Gebieten. Diese Frauen der Kleinbauern, beit geworden. Das Haus, der Stall, der Acer   zwi qen fie, der Landarbeiter. der Fabrikarbeiter sind Leibeigene der Ar­ihre Kraft zu verdreifachen. Reine Ruhe, teine Rücksicht, teine Freude, und sei es nur der Flitterglanz eines Kinos. Die Tiermutter wird auf dem Lande geschont, wenn sie ge bären soll, die Menschenmutter nicht. Nur wenige Tapfere bewahren sich die Spannkraft des Willens zur Abwehr. Sie sind unser Vortrupp. Die Masse erschlafft. Wem es ge­die verschütteten Schächte dieser Frauenfeelen. den Schutt geben ist. in dörflichen Bersammlungen hineinzugraben in der Alltagsfrohen wegzuräumen. mer den Glauben an die Bes freiung der Arbeit, an die Mission der Arbeiterpartei zu predigen meiß. dem fann es geschehen, daß mit einem Male das verſteinte Geficht einer alten Bäuerin lebendig wird und erloschene Augen, sich feuchten. Leben regt sich, wo alles tot schien.

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Unermeßliche politische Energien liegen, bei Männern und Frauen auf dem Lande brach. Wer sie gewinnt, hat ein Stück Entscheidung erzwungen. Wir denken dabei nicht in erster Linie an die Massen der rein bäuerlichen Schichten. An ihnen fann nur auf lange Sicht gearbeitet werden. Wir meinen vielmehr die ausgesprochenen Acker- und Fabrik­proletarier in jenen Dörfern, die weitab von den großen und fleinen Zentren des Lebens liegen. Sie politisch zu erfassen, ist schon heute möglich Die Lösung dieser Aufgabe ist das lauteste Gebot diefer Stunde

Es geht dabei um das politische Gewicht einer Millionen­maffe. Man muß einmal die Ergebnisse der letzten Volks und Betriebszählung von 1925 an diesem Maßstab messen. Von der Gelamtheit der 63 Millionen der Bevölkerung Deutschlands   wohnen 22 Millionen in ländlichen Gemeinden städten( 2000 bis 5000 Einwohner). dagegen nur 25 Millio ( Gemeinden unter 2000 Einwohnern), 7 Millionen in Land­nen in sämtlichen Mittel- und Großstädten( von 20 000 Ein wohnern an aufwärts gerechnet) zusammengenommen. Unter den 22 Millionen Einwohnern der Dorfgemeinden mag­lionen eigentlichen Bauernbetrieben, d. h. in Betrieben von wir sind da auf Schäßungen angewiefen in etwa zwei Mil­2 bis 100 Heftar Größe, die bäuerliche Bevölkerung rund find ganz überwiegend Land- oder Industriearbeiter. Aus 10 Millionen Menschen betragen Die übrigen 12 Millionen den 7 Millionen Einwohnern der Landstädte stoßen meitere Millionen zu diefem Blod von Proletariern hinzu. Anders gefagt: in den Landgemeinden und Landstädten allein woh­nen fchägungsweise mindestens 10 Millionen wahlberechtigte Männer und Frauen, die ihrer Klaffenlage nach zu uns ge­

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