Dienstag 20. März 1928
Unterhaltung und Wissen
Beilage
des Borwärts
Bon Dr.
Ms vor 50 Jahren Ibsens „ Stüßen der Gesellschaft" thre beutsche Uraufführung erlebten, da stand es für das Bürgertum sofort fest: diefer Pfeil, der der Moral ihrer Gesellschaft so schmerzfich ins Fleisch schnitt, fonnte mur aus dem fozialdemokratischen Bager stammen. Aber man täuschte sich. Nicht als Gesinnungsgenosse des Proletariats wenn auch in dem Konflikt zwischen dem Wertmeister Aune und feinem Reeber Bernid der Klassen fampf Leise gestreift wird- greift 3bfen die bürgerliche Gesell. fchaft an, die er während der Gründerjahre in Deutschland reichlich Gelegenheit hatte zu studieren, sondern als Befürworter des Rechts ber Einzelpersönlichkeit, nicht als Sozialist, sondern als Individualist. Der Wert des einzelnen, des Individuums steht ihm ungleich höher als der der Gesamtheit, der Gesellschaft. Er erblickt in dieser nur eine Gefahr, eine Hemmung für die freie Entwicklung und Ent faltung der Einzelpersönlichkeit. Der Mangel an Solidaritätsgefühl fcheidet ihn scharf vom Sozialismus, menn er auch den Gegner mit ihm gemeinsam hatte.
Für das Solidarische, schreibt er einmal an Georg Brandes , habe ich eigentlich nie ein startes Gefühl gehabt, ich habe es eigentlich nur so als traditionellen Glaubensfag mitgenommen, und hätte man ben Mut, es ganz und gar außer Betracht zu laffen, so würde man vielleicht den Ballast los, der am schlimmsten auf der Persönlichkeit lastet." Er fühlte sich selbst innerlich reich genug, um Gemeinschaft entbehren zu tönnen, sah nur die Bindungen die sie dem einzelnen auferlegt, überfah aber bie Kräfte, die diesem aus der Gemeinschaft zuströmen. Gefellichaftliche Probleme inter
effierten Ibsen nur insoweit, als das Verhältnis des einzelnen zur Gesellschaft in Frage tam, und er ftand dabei stets auf der Seite des Individuums gegen die Gesellschaft. Er machte sich in feinem Leben von allen Bindungen los, die die Folgerichtigfelt feiner eigenen Entwidlung umbiegen, die ihn hemmen konnten, ganz feinem Dichterberufe zu leben Gins nur wünscht ein Mann Bahn frei, ganz er selbst zu sein," lautet Brandes und feine eigene Devile.
allein
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Darum wählte er das Los des Einfamen, des außerhalb der Gesellschaft Stehenden, machte sich frei von der Heimat, als diese ihm zu einer Felfel zu werden brohte, löfte sich von der Familie tos, um nicht burch Rüdfichten auf sie gehemmt zu werden, selbst die Freundschaft erschien ihm als ein loftbarer Lurus. Benn man sein Stapital auf eine Berufung und eine Mission hier im
Beben fett, so hat man nicht die Mittel, Freunde zu halten. Wenn man Freunde hält, jo liegt das Softfpieliae ja nicht darin, mas man für fie fut, fondern was man aus Rücksicht auf sie zu tun unterläßt. Dadurch vertrüppeln viele geftige Reime in einem." ( Brief an G. Brandes.) Von diesem individualistischen Gesichts
prutte aus fah er auch das Cheproblem, das Thema fo vieler
feiner Dramen.
Auch im Ausland lebte er als ein Einsamer, ein Eremit, ein Frember, der feine tieferen Beziehungen zu feiner Umebung ge mann, feine Stabrung saugte aus der Gotteswelt der Länder, in deren er sich aufhie't, ganz nur in die Welt der eigenen dichte rischen Phantasie verfentt. Dak bieje Ueberäneftlichkeit, mit der er sich seinem Dichterberufe zuliebe von der Welt abschok, eine gewiffe Engiateit und starte Finfeitigkeit feines Lebens und Wertes zur Folge haben mußte, fah Ibsen erst am Schlusse seines Lebens ein und rab dieser Erkenntnis Ausdrud in seinem dramatischen Epifor„ Wenn wir Toten erwachen. Vor allem hielt sich bien, im Gerenfatz zu feinem Rivalen Biörnson, von jedem prattisen Eingreifen in die Politit orundiäklich fern. Er wollte mur Beobachter, Zuschauer, nicht mitspieler, Arieur auf der Weltbühne fein. Er war überzeugt. Daß die Politit den Charakter verderbe, baß fie den Politifer zwinge, unfittide Mittel zu gebrauchen. und thn dadurch auf ein tieferes fittiches Niveau herabziehe. Darum Bakte er die Politit und die Politiker und zeichnete biefe in Dramen entweber als rüdichtstole, gewiffenlose Streber und Brücsjäger ( Stensgaard im Bund der Jucend", Hoostab und Billing im ol'sfeind") oder als brutale Rerteidiger errungener Bofitionen
Bon Mar Hochdorf.
Rur eine wahnsinnige Zigeunerin erfennt, baß Pfarrer Brand| Menschenmillionen, die Maffentobsucht der gegeneinander wütenden ein Gente und bem höchsten Menschenerlöser verwandt ist. Sogar Bölfer tennen. Die jo genial illustrierten Einzelmesen erschienen der Teufel, der auf Menschenfang ausgeht, betlagt sich bei Beer Gynt uns eines Tages unwichtig. Gegen den Einzelfall stellten wir das darüber, daß die Menschenmare für die Höllenbelieferung immer Maffenschidjal ganzer fozialer Gruppen oder Rationen. Wir ver minderwertiger wird. Alles, was Tugend, Seele, Mut, Glauben, fuchten, die besonderen Ratastrophen und Krebsschäden, die das Phantasie oder auch nur mittelmäßige Schuftigkeit befizen foll, ist Einzelindividuum plagten, mit Gemeinschaftsmedizinen, mit Sozialzu fehr über einen Ramm geschoren, es läßt fich zu leicht in den hygiene und organisierter Wohlfahrtspflege zu turieren. Bir nor nämlichen Schmelzlöffel faffen, wie ein Knopf, der scheffelweise nach malisierten den Menschen, das Menschenglüd und auch das der Schablone verfertigt wird. Menschenleid. Die Welt im einzelnen Menschen, seine Sehnsucht und feine Not schienen uns durchsichtiger und deshalb unbedeutender als die Welt außerhalb der Menschen, die für unsere Begriffe viel rätselhafter murde. Die tompatte Majorität war uns plöglich heiliger als der einzelne Mann mit dem genialen Didtopf, als die einzelne Frau mit der märchenhaften Nirenseele.
In dem Moment, da sich vierzig Jahre um das Leben Henrif abfens runden, räuspert er sich mit solchen Tendenzen und Sen tenzen, die spibfindig und lärmend gereimt werden. Es ist eine peffi mistische Altersweisheit, bie der träftige Mann hinausfendet. Doch er verschmäht es, sich des Stiles ber Abklärung, bes lächelnden Sartasmus und ber beschwichtigenden Gelaffenheit, zu bedienen. Er wettert und befeuert alles mit Leidenschaft. Er bleibt nach Ueber. windung der Romantit, ber er mur in seiner taftenden Entwicklung angehört, ewig jung, durch seine Bitterfeit und fein Mißtrauen. Er ist troßdem frühzeitig vergreift, da er so sehr fritisch jede moralische ift troßdem frühzeitig vergreift, da er so sehr fritisch jede moralische Situation einschätzt. Er ist also ein junger Greis und zugleich ein greiser Jüngling. Seine Sittenbevise lautet: les oder nichts", mit höchst schwerblütigem Unterton.
Da dieses beal in der tomplizierten Gesellschaft von 1870 wenig Krebit findet, wird Ibsen biffig und wild. Er gefällt sich in der Entlarvung mächtiger oder auch mangelhafter Individuen, bernierter Eristenzen, erblich belasteter, zur Bertümmerung der urteilter Schwächlinge und Schmarmer, herrlicher, boch gemein gefährlicher Beiber und vereinsamter Genies. Aber er betont gefährlicher Weiber und vereinfamter Genies. Aber er betont teis, bas all biese Menschen ungeheure Ausnahmenaturen feien. Sein Stodmann, fein Boltsfeind", b. h. der wahre Boltsfreund, Die Wien ihn glorifiziert, fagt:„ Der stärtste Mann der Belt ist der jenige, welcher allein steht." Ibsen verlangt, baß Stockmann biefen Sag nicht laut und propagandistisch spricht, sondern vertraulich und geheimnisvoll, so etwa, als hätte er eine Beisheit entdeckt, die vorläufig erst in engen Rondentifein geraunt merben barf. Es ist eine Berschwörermeisheit, die sich einige Eingeweihte in die Ohren flüstern Bas außerhalb der gefchloffenen Türen herumwimmelt. bie„ tompafte Majorität", wird ja doch nicht zu gewinnen fein und auf unabsehbare Ewigkeit in der traditionellen Bauheit, b. b in ber Lüge", steden bleiben.
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Es ist noch nicht 25 Jahre her, daß wir von Ranzeln und Bühnen solche sozialpädagogische Belehrung mit Bonne vernahmen. Der Mensch wurde nicht als der Exponent feiner Zeit angepriesen. Ihm wurde vielmehr bringlichst empfohlen, er möge fich fühlen und fortpflanzen als der Opponent feiner Zeit. Da Stodiann seine Fortpflanzungspflichten schon erfüllt hat, fordert er seine Jungan auf, fie follen ihn einen Haufen recht verlumpter Gassenjungen her beischaffen.„ Einmal will ich doch mit den Lümmeln experimentieren. Manchmal tännen ganz merkwürdige Köpfe darauf sitzen. Dieser Bunsch entstammt der famosen Tolftoi- Marotte Er entspringt einem frommen Anarchistentraum. Und Ibsen jagte die Menschen, die er schuf, mit Borliebe und mit ungewöhnlichen Lockmitteln in irgendeine Isolierung, in irgendeine Gedankenmauſefalle hinein. Er züchtete die Opposition und Berstiegenheit in feinen Menschen, und da wir, besonders in gut bürgerlichen Kreisen, noch nicht viel von der heilsamen Medizin des Gemeinschaftsgebantens hielten, wurden mir innerlich befreit burd) den so verführerisch und Dolfommen ge. bildeten Herzensanarchisten Henrik Ibsen .
Die Belt Jbfens tam uns deshalb vor wie eine Isolierzelle ober Schredenstammer. Wir verspürten vorläufig nur geringe Luft, uns mit dem Theater seiner Marotten zu befreunden. Sein Realismus, auf Psychiatrie fundiert, feine Logit und Psychologie, auch alle feine theatralischen Mittel trafen uns vorläufig nicht mehr tief, nachdem sie uns noch nor einem Bierteljahrhundert bis zum Fieber erhigt hatten.
Ibsen war die olympische Größe feiner Zeit. Bir nahen uns heute mit historischem Bewußtsein und Steptizismus. Das Genie, das gewesen ist, wird durch solche Feststellung weder geschmäht noch geschmälert. Es befundet sich nur das seltsame Barador, daß Ibsen uns heute so fern ist, weil er uns zeitlich noch so nahe ist. Es ist aber möglich, ja, es ift beinahe gemiß, daß wir ihn eines Tages wieder ganz anders begreifen, als wir es heute vermögen. Henrif 3bfen ist ja erft hundert Jahre alt. Dann aber werben wir ihn auch anders spielen müffen: nicht mehr realistisch und psychologisch behutsam und auch nicht mehr mit massivem Ernst. Wir werden ihn fpielen, um mit feinen Moralfägen einen ironischen Knalleffett zu erzielen, wir werden ihn aufführen als einen Satiriker, nicht mehr als einen gewaltigen Bathetiker. Gerade deshalb, weil Ibsen sehr leidenschaftlich seine Dogment perfocht und kein Kompromiß der Anschauungen zulief, wird sein Theater fich ganz hervorragend zur fatirischen Darstellung eignen. Van stelle sich z. B. Nora, bie Sflavin des Puppenheims, vor, wie die herrliche Dufe diese Rolle fpielte! Aller Schmelz, alle seelische Berlorenheit, alles unheimliche Traumwandlergemüt offenbarte sich durch diese überschwenglichste Schwester des Schmerzes. Aber man brach unter ihrer Beichheit zufammen. Man revoltierte, obwohl man aufgewühlt wurde. 3rgenb etwas unbestimmtes rumorte schon heimlich im Gemüt, ein Widerstand gegen diese heroische Trübfefigtett, und analysierte man dieses Unbehagen, bann merkte man bei zunehmender Kalt blütigfett, daß ber Dichter und seine genialfte Ausbeuterin auf jenem mefferscharfen Grate vorwärts schritten, auf dem sich das Erhabene und das zum Lächeln Reizende trennen.
So einzigartig und toftbar toll tonnte man ehemals sein, wie diese besessene Nora, wie dieser im Blut seiner Bäter angefaulte Dswald, wie diese wilde, wollüftige Hedda Gabler , wie diese natur truntene Frau vom Meere. Und nun zeigt man sich eines Tages all diese herrlich und hellsichtig gesteigerte Berstiegenheit als die mirtliche oder auch nur als die eingebildete Krankheit einer aus gelöschten Bergangenheit. Regisseur und Schauspieler einigen fich bahin, mit Ihren tragischen Rollen faritierend zu jonglieren.
Dieser Schauspielerstil für das Ibsen Theater wird sicher eines Tages die Auferstehung feiner heut vernachläffigten Dramen bringen. Denn das ist das Schicksal aller Gebanten und Kunstformen: fie Dann aber schienen uns plötzlich die zerrissenen Hosen der erscheinen uns eine Zeit als bittere Notwendigkeiten, bis sich in einer Menschen ebenso wichtig wie thre zerrissenen Herzen. Wir lernten erlösenden Stunde die Kühnheit als erheiternde Komit und die großdie Weltplage des Weltenblutbabes, den Heuschredentab berartig vertnotete Tragödie als loderste Komödie entpuppen.
( Bürgermeister im„ Folk- feind", Rektor Kroll in„ Rosmersholm"). als Leben und ſittlicher Wert der Einzelpersönlichkeit. Was liegt Robert Mayer , der Narr von Heilbronn .
Er sah in dem Kampf der bürgerlichen Parteien oepeneinander, ber Konservativen und Liberalen, fein Fechten für Ideale die dienen nur als Aushängeschild, sondern ein von nadtem. Egoisnuis difffertes Rincen um Macht und Einfluß. So richtete er feire intirischen Pfeile bald gepen die einen, bald geren die anderen, nur fielen die Streiche gegen die Liberalen. fo befonders im„ Bolts. feind", noch fräftiger aus, weil sie die Freiheit auf ihr Banner gefchrieben haben. ohne sie wirklich zu wollen, und dadurch diefes eat felbft in Mikkredit bringen. Als einst ein plumper Inter. viewer im„ Don's Chronicle" Ibsen zu einem Gegner der SozialDemo ratie zu stempeln suchte, indem er sich auf eine Aeußerung des Dichters berief, er habe mit der Sozialdemokratie und ihren Theorien nicht das mindeste zu tun. da protestierte dieser sofort eneroisch:„ Wenn der Korrespondent sich auf meine Aeußerung berit, so wünschte ich er hätte das, was ich hinzufüpte und worauf Ich befonders Gewicht lepte, nicht weggelaffen, nämlich daß ich nie irgendeiner Partei angehört habe und voraussichtlich nie einer an ehören werde. Er habe sich mit dem Sozialismus vertraut zu maden gesucht, soweit er dazu Fählofeit und Gelegenheit hatte, urb war mit lebhoftem Intereffe". Er fei, wenn auch auf ganz arterem Wege, int gewiffen Tunften. ohne es bemußt und unmitte bar erftreht zu hohen, zu den eleiten Errebriffen refommen, wie die foriclistischen Moralphilofonhen". Dieses Dementi fieß er u. a. auch in der„ Münchner Rest" durch Georg v. Bomar ab. briden, mit dem er von Minden her befreundet war. Dieser befatate mir in einem Briefe das lebhafte Intereffe", mit dem Ahlen am Sozialismus und an der Arbeiterbewegung teilnahm. Resorders habe er mit tiefer Entrüftung verfo'nt, wie man in Deutschland unter dem Sozialistengeset mit der Freiheit der Ar. beiter fprong.
Abfen fob mit Emnöruna, bak„ bem Arbeiterstande na die unentbehrlichen individuellen Rechte vorenthalten werden, wie er in feiner Rete an den Berein Drontheimer Arbeiter" betonte. Dis fhrte ihn an die Feite des Sozialismus, der tiefe Rechte dem Arbeiter e- fämpfen will, und dem er baher einem Mitarbeiter des daniffen Sozialbemotreten" gerenber eine außerordent große funft prophezeite. Freilich, hien fah die fozialen Brobleme nidt pon ihrer wirtschaftlichen und politischen Seite, wie der Sn. ziofismus, sondern ron einem rein fitlichen Stant punft aus. Er hie't in feinen Dichtungen nicht nur Gerichtstaa über fein eigenes Ich fondern auch über die Relt und die Gesellschaft, in der er feble. Er prüfte bie bürgerliche Gesellschaft auf ihren fiftlichen Mer! unh nermarf fie, meil ihr Rapital und Profit höher ftehen
( Gestorben 20. März 1878.)
Bon Rudolf Lämmel- Dornburg.
daran, ob eine folde Gesellschaft geftügt wird oder nicht." Kein Dichter vor Ibsen hat die im Wesen des Kapitalismus selbst liegende Unfittlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft so scharf erkannt und ins unerbittliche belle Rampenlicht der Bühne gestellt. Mit beißender Satire entblößte er ihre Schwächen und leuchtete in ihre dunfelsten Hintergründe hinein. Rüdsichtslos geißelte er die Un- heit, über die Dinge wirklich und selber nachzudenken, statt gläubig wahrhaftigkeit, Hohlheit, Scheinheiligkeit ihrer Ideale, dedte er den klaffenden Widerspruch zwischen ihrer angeblich chriftlichen Gefinnung und ihrem von reinem Gewinnstreben geleiteten wirtschaft lid en Gebaren auf. Ein Feind aller Konvention, aller unbeftrittenen Pflichten und Gesetze, aller für heilig erklärten Ideale, greift er die herkömmlichsten moralischen Grundsäge an, stellt fie in Frage, macht sie aus absoluten zu problematischen, stellt der gesellschaftlichen Moral eine individuelle gegenüber, zerreißt die Schleier, die man über die Dinge geworfen, spürt hinter den braven Masten die wahren Gefichter auf.
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Durch diese scharfe, unerbittliche Kritif, durch die schneidende Fanfare feiner fühnen Angriffe wurde Ibsen als Berneiner der bürgerlichen Gesellschaft für viele zu einem Wegbereiter des Sozialismus. Das Positive aber in der Idee des Sozialismus, die neue Sittlichkeit, die in dem Gebanten des follettivistischen Birt fchaftslebens, in dem Willen zu gemeinsamer Arbeit an gemeinfamen Aufgaben liegt, ist absen nicht zum Bewußtsein gekommen. Ganz in seinen Ditterberuf aufrehend, kam er mit Arbeiterkreisen nie in engere Berührung, ihr Denfen und Füh'en blieben ihm fremd, und so haben die Möte und Kämpfe der Arbeiterklasse sehen wir von der obenerwähnten furzen Episode in den„ Stützen der Gesellschaft" ab auch feinen Blaz in seinem Wert gefunden. Nicht von der Mehrheit erwartet Ibsen den Fortschritt, fonbern von wenigen fübnen Borpoftentämpfern, von freien und geistig vornehmen erfönlich feiten. Dont etnem neuen Abel des Charatters und der Gesinnung. Dieses ablige Element aber, glaubte er, werbe von unten aus dem Arbeiterftande emportommen. Darum ist es feinestens mur Höflichkeitsphrase, wenn et in einem Briefe an ten dänischen Arbeiterführer Oscar Niffen befennt, daß von allen Ständen unseres Bondes es der Arbeiterstand ist, der meinem Herzen am nächsten steht, und die Hoffnung und Suversicht aus. fnricht, daß ihm die Zukunft Bebenebebinaungen und eine foziale Lage bringen werbe, wie er sie mit lebhafter Freude erfehne.
3war durchaus nicht als eines Gesinnungsgenoffen also, mohl aber als eines Freundes des Soziof'smus und als eines mit. fämpfers penen bie bürgerliche Gesellschaft dürfen mir Jbfens bei feinem 100jährigen Geburtstage gebenten.
Mayer war ein Driginal. Er hatte die absonderliche Gewohne hinzunehmen, was die Großen der Wissenschaft seit den Griechen vor ihm gebacht hatten. So fam er zur Erkenntnis des Saßes von der Umwandelbarkeit der verschiedenen Energieformen, z. B. eine Kalorie Wärme 428 Kilogramm- Meter mechanischer Arbeit. Und er sprach allgemein aus: die Summe aller Energieformen ist unveränderlich. Er entdeckte, daß sich Arbeit in Wärme verwandeln lasse, was übrigens jeder nachprüfen fann, wenn er fich, sei's vergnügt ober aber frierend, die Hände reibt.
Das führte weiter zur flaren Erkenntnis, daß eine Maschine, die Arbeit aus nichts herstellt, unmöglich sei. Freilich weiß heute jeber, der die Volksschule hinter sich gebracht hat, daß das Geset von der Erhaltung der Energie ein wichtiges Grundgesetz der Natur ist, in der wir leben. Aber damals schien die Sache den Leuten ich meine damit die Doltoren und Professoren so lächerlich, daß der berühmteste" Phyfiter jener Zeit die Einsendung Maners nicht aufnahm, nicht einmal beantwortete. Der Herr war ein Profeffor Boggendorff, nach dem heute freilich kein Hahn mehr fräht. Biele Jahre mußte Robert Mayer um Anerkennung kämpfen, und er hätte sie nicht erreicht, wenn nicht englische Gelehrte geholfen hätten. Es ist aber sehr fehrreich zu wissen, daß z. B. Tyndall nur deswegen für Maner gegen seinen eigenen Landsmann Joule eintragt weil er bamit biefem legteren eins auswischen konnte!
Aber schließlich hat Mayer boch allmählich die Anerkennung feiner neuen Forschungen erreicht. Weber der große Newton, noch Laplace, Lagrange, Lavoisier , Gauß, Riemann oder ein anderer Großer der Wissenschaft hatte in diefer gleichwohl offen daliegenden und sehr wichtigen Frage richtig gedacht.
Niemals aber batte Mayer Genugtuung bekommen für die medizinische Schmach, beren Opfer er geworben war, für jene verbrecherische Einsperrung ins Irrenhaus, bie nieberträchtige Behand lung dafelbft mit medizinischer Ueberheblichkeit ärztlicher After. weisheit und 8mangsjade. Niemals auch fonnte Mayer die tiefe Demütigung und den schmeren Schod überwinden, den das eine Jahr Irrenhaus brachte. Da er etwas behauptete, was von den Gelehrten nicht anerkannt wurde( Arbeit fann in Wärme verwandelt merben und umgefehrt), fo galt ar als irre.