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Beilage

Freitag, 30. März 1928

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Wir machen eine Osterfahrt! Wandern tut auch für Arbeiter not.

zu tönnen.

Schon längst hat die Jugend die Wahrheit dieses Rufes er­fannt, jeden Sonntag zieht sie hinaus ins Freie, um sich zu träftigen für den täglichen Kampf, sich über diesen Alltag der Arbeit erheben Das Wandern erzieht zur Selbständigkeit, zum Gemeinschaftsgeist, zum Nachdenken, darum sollte es nicht auf die junge Generation beschränkt bleiben. Gewiß haben die Familien oft ganz andere Sorgen, aber in wie vielen Fällen ist eine kleinere Wanderung möglich, die ohne größere Geldausgaben verknüpft ift. Und gerade zu Ostern, wo dem Arbeitenden zwei aufeinander

Fahrpreise hier sehr hohe, so daß sie sich taum ausnutzen lassen ,, Ertner führt die alte Hamburger Poststraße zum stillen Störiz­obwohl es hier wunderschöne Seefetten gibt( Waren 5,80 M., Feld- see, non Bernau das Hellfließ zum langgestreckten Hellsee, berg 5,50 M., Blau 6,70 M.). Die Ruppiner Schweiz ist durch ihre Oranienburg liegt ganz nahe am Lehnißsee, durch den die Schönheit bekannt; Seen, Wälder und Berge gaben ihr diesen stolzen Havel und der Großschiffahrtsweg geht. Namen. Von Rheinsberg nach Neuruppin empfiehlt sich eine Wanderung( 25 Kilometer, 3,30 M.)

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Im Südosten der Mark dehnt sich der Höhenzug des Flämings, noch heute zieren Burgen seine Kuppen. Belzig ( 3 M.) ist der Ausgangspunkt der Höhenwanderung, durch die Rummeln- lang­gedehnte eiszeitliche Geschieberinnen führt der Weg zur Burg Rabenstein und zurüd nach Wiesenburg ( 25 Kilometer). Eine alte märkische Stadt ist Jüterbog ( 2,80 m.), zahlreiche Baudenkmale aus dem Mittelalter sind heute noch gut erhalten, sogar die be­festigten Tore. In der Nähe liegt das alte Kloster Zinna , das heute teilweise bewohnt wird. Ein breiter Waldweg führt nach Luckenwalde ( 20 Kilometer).

Ausgedehnte Seengebiete, von Riefernwald umfrängt, erstrecken fich zwischen Teupih und Storfow( 1,80 m., 30 Kilometer). Am Hölzernen See befindet sich ein Fischreiherhorst, die Kiefernstämme sind durch die starkäzenden Ausscheidungen der Reiher weißgetüncht. Bum Spreewald führt die Bahn bis Lübbenau ( 3,60 m.) oder Lübben ( 3,10 M.). Auch hier befigen die Naturfreunde ein eigenes Heim in der Nähe von Betschau( Anschrift Willi Kaua, Kottbus , Branizer Straße 15).

Alle diese Pläne find für eine zweitägige Wanderung vor­gesehen, natürlich gibt es weit mehr Wandergebiete, doch sind die angeführten noch nicht von der Fremdenverkehrsindustrie erfaßt worden, wie es in manchen Gegenden in manchen Gegenden Freienwalde, Budow der Fall ist, und es werden hier auch taum über. mäßige Preise gefordert werden. Bohl merden diejenigen, die oft auf Fahrt gehen, andere schöne Gebiete tennen, aber es soll hiermit bie erste Anregung für die gegeben werden, die sonst nicht

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Jüterbog . Neumarktor mit der berühmten Keule. oder doch nur wenig wandern.

folgende Freitage gegeben sind, sollten von den Welteren auch einmal Fahrten gemacht werden in die nähere oder weitere Um­gebung, um einmal aus den grauen Großstadtmauern mit ihrer bedrückenden Enge herauszukommen.

Die brandenburgische Mart ist schön, ihre tausend Seen, ihre Kiefernwälder und Sandberge, ihre alten Baudenkmale und ge­wundenen Flußläufe bilden den Kranz ihrer Schönheiten. Jeder Teil der Mark hat seine Eigenheiten, die Reichsbahn hat durch ihre Sonntagsrückfahrkarten*) fast alle Wandergebiete erschlossen. Im Osten erstreckt sich das reizvolle Schlaubetal, das von Briefen ( 3,20 M. hin und zurück) aus erreicht werden kann, die Rückfahrt mit derselben Fahrkarte auch von Beeskow gestattet, so daß das ganze Tal durchwandert werden kann, ohne wieder an den Aus­gangspunkt zurüctehren zu müffen.( 40 Kilometer.) Wer gern weniger läuft, wandert das Spreetal bis Beeskow ( 25 Kilometer), mer etwas mehr für das Fahrgeld anlegen will, fährt bis Lieberose ( Frankfurt a. d. D. umsteigen). Hier haben die Naturfreunde auf der Schwanseeinsel ein idyllisch gelegenes Heim.( Anmeldungen Paul William, Rottbus, Bonnastenstr. 25.)

Billigere, aber ebenso schöne Wanderungen bietet der Blumen­thal, von Strausberg durch das Annatal nach Tiefensee( 1,60 m.) oder Leuenberg( 1,90 M.), die Wege führen am Seeufer entlang ( 20 Kilometer), die Karten gelten zum gleichen Preise von Straus berg aus. Das Plagefenn ist zum Naturschutzgebiet erklärt worden, umwüchsiger Wald findet sich hier, die Bege laufen kreuz und quer, ein Kompaß ist hier empfehlenswert, man verläuft sich hier sehr leicht. Erreicht wird es von Chorin vorbei an den altehr­würdigen Klofteruinen und dem Ronnenfließ, die Rückfahrt erfolgt von Faltenberg( 2,40 m., 35 Kilometer).

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Der schönste See der Mart ist wohl der Stechlin, den schon Theodor Fontane in seinen Werken preift. Seine Umgebung ist

Die Garreyer Rummel im Fläming.

landschaftlich noch unberührt, ein See reiht sich an den anderen, stille Jagenwege verbinden sie. Man fährt am besten bis Drögen ( eine Station vor Fürstenberg , 3,30 M.); Don hier führt ein ununterbrodener Riefernwaldweg bis zum See. Im Kremmener Naturfhuhgebiet liegt die Luchhütte der Naturfreunde( Anmeldungen jugo Sinn, Berlin N 20, Stettiner Straße 30). Leider gibt es ady Kremmen noch teine Rückfahrkarten. Ins Mecklenburger Seen­ach Kremmen noch keine Rückfahrkarten. Ins Mecklenburger Seen­tebiet sind ebenfalls Wanderungen recht lohnend, doch sind die

Sämtliche Fahrpreisangaben beziehen sich auf hin und

Rüdjahri

Es seien noch einige Winte für fleine Wanderungen gegeben. Mit der Straßenbahn( 40 Pf.) bis Schmödwig, ben Rrossin See und Langen 3ug entlang zu den Müggelbergen, hinunter zum See, von Friedrichshagen fährt ebenfalls eine Straßenbahn­linie nach Berlin . Ertner, Bernau , Oranienburg erschließen umfang­reiche Waldgebiete, die zahlreich mit Seen durchsetzt sind. Bon

wettert

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Burg Rabenstein bei Belzig .

Es find genügend Wege gezeigt, auf denen der Erholungs. suchende und Ausspannungsbedürftige zur freien Natur tommt, und wer einmal miterlebt hat, was eine solche Fahrt unseren Jugendlichen bedeutet, der wird verstehen, wieviel Kämpfermut diese Wanderungen gebären. Frohe Fahrt!

Debatte um eine Tänzerin.

Eine ungehaltene Antwortrede.

In Wien gibt es närrische Hafenkreuzler, die vor der Oper gegen Jonny spielt auf" trawallieren, und es gibt einen chriftlich sozialen Abgeordneten Dr. Jerza bef, der im Parlament gegen das Auftreten der schwarzen Tänzerin Josephine Baker beides wegen drohender Vernegerung". Was Jerzabek dabei besonders in den Bordergrund schob, ersehe man aus folgender Rede, die der sozialdemokratische Abgeordnete Dr. Ellenbogen zwar nicht gehalten hat, die er aber sehr gut hätte halten können; fo steht sie in der Arbeiter- 3eitung" in Wien .

Hohes Haus!

Ich muß zunächst offen erklären, daß ich mich bisher mit der Reversseite der Frau Josephine Bater nicht so intensiv beschäftigt babe wie mein geehrter Herr Borrebner Dr. Jerzabek, daß ich daher tein Fachmann in dieser Frage bin. Wenn aber Herr Dr. Jerzabek

Um jedoch den Wert der moralischen Betrachtung dieser Ange­legenheit ins richtige Licht zu sehen, so begnüge ich mich damit, Herrn Dr. Jerzabek einzuladen, er möge die von ihm kritisierte Aufführung der Frau Josephine Baker persönlich besuchen. Nicht damit er die Anatomie jener Gegend der Frau Baker studiere, son­der nur damit er Gelegenheit habe, festzustellen, daß sich der starke Zulauf zu diesen Borstellungen( und ich höre, daß diese Borstellun gen bereits ausverkauft sein sollen) beinahe ausschließlich aus den Kreifen der Wähler der Einheitsliste rekrutiert, so daß also der richtige Ort für das Vorbringen seiner Klage, wenn fie wirksam sein soll, eigentlich nicht der Nationalrat , sondern eine Wählerversammlung des hochwürdigen Herrn Prälaten Dr. Seipel

wäre.

den betreffenden Körperteil in so ausgiebiger Weise mündlich berührt Eine Treueprämie beim Bücherfreis".

und gewissermaßen zur eingehenden parlamentarischen Betrachtung auf den Tisch des hohen Hauses gelegt hat, so muß ich gestehen, daß mir die Behauptung, diese Gegend habe irgend etwas mit Bernegerung zu tun, unverständlich ist. Nicht etwa bloß darum, meil diese anatomische Partie eine Eigentümlichkeit aller Rassen ist und weil es auch faum eine Europäerin geben dürfte, die sie beim Tanzen ablegen fönnte, sondern vor allem darum, weil ein geistig hervorragendes, absolut unvernegertes, hochkultiviertes und vor allem europäisches Volt, nämlich die Griechen, eines der größten Kunstwerke, die weltberühmte Aphrodite Kallipŋaos( zu deutsch : die schönhintrige Liebesgöttin), der fünstlerischen Darstellung gerade Dieses Körperteils gewidmet hat, mobei nie vergessen werden darf, daß Kunst die Wiedergabe des rein Menschlichen durch das Kunst mert ist.

Der sehr geehrte Herr Borredner wird also erkennen, daß weder die Frage schwarz oder weiß" noch die moralische Art der Be­trachtung zur Wesenserkenntnis des von ihm so eifrig enthüllten Problems etmas beizutragen geeignet ist. Aber ihm war es offen­bar um einen anderen Gedanken zu tun, einen Gedanken, der etwa dem eines früher in unseren Straßenbahnwagen angebrachten Pla fats entspricht: Das Herausstreden von Rörperteilen ift verboten!"( Abgeordneter Dr. Jerzabet: Sehr richtig!), wobei der Ton auf dem Worte Herausstrecken" liegt und unter dem Körper­teil zweifellos nicht die Zunge gemeint ist. Was nun jedoch diese demonstrative Verwendung des von Herrn Dr. Jerzabek so abfällig beurteilten Ornans anlangt, so vermag ich dem geehrten Herrn Rollegen ebenfalls zwei Fälle aus der Kunst- und Literaturgeschichte anzuführen, in denen die betreffenden großen deutschen Künstler in deren Abern kein Tropfen Negerblut fließt: erstens der hervor. diese demonstrative Verwendung nicht verschmäht haben, Männer, ragende österreichische Maler Klimt in seinem Gemälde Nuda veritas"( Die nadte Wahrheit), und zweitens der größte aller Deut. schen, Goethe. in seinem denselben Gedanken wie jenes Bild aussprechenden berühmten Zitat aus dem Göz von Berlichingen",

Das Prinzip der Solidarität hat uns groß gemacht!

"

Der Büchertreis", die bekannte Buchgemeinschaft der Arbeiter­schaft, veröffentlicht folgende Mitteilung an seine Leser:

Dank der freudigen Unterstützung, die dem Bücherkreis" seitens seiner Mitglieder zuteil geworden ist, hat sich auch die finanzielle Leistungsfähigkeit unserer Organisation so gehoben, daß wir allen treuen Anhängern unserer Sache eine besondere Gabe bieten

tönnen.

Gegen Ende des laufenden Jahres wird allen Mitgliedern, die fich über eine einjährige Zugehörigkeit zum Büchertreis" ausweisen Wir tönnen, eine Treueprämie zur Verfügung gestellt werden. werden vier Auswahlbände in gleicher Ausstattung, gleichem Um­fang und gleicher literarischer Güte wie bisher herausbringen, unter denen die prämienberechtigten Mitglieder

einen Band zu außergewöhnlichem Vorzugspreis, voraussichtlich etwa 1 Mart, wählen können. Selbstverständlich wird babei auch die Wahl unter den bisher erschienenen Werken des Bücherfreises" freigestellt sein.

Tragen wir hiermit eine Dantesschuld an unsere Mitglieder ab, so hoffen wir doch auch, daß sie auch in Zukunft in alter Weise dem ,, Büchertreis" die Verbreitung zu geben helfen werden, die er in An­schauung feines fulturellen Programms haben muß. Das Prinzip der Solidarität hat uns groß gemacht, das Prinzip der Solidarität, nifationen längst vertraut geworden, hat auch auf fünstlerischem und dem arbeitenden Bolt in seinen wirtschaftlichen und politischen Orga= literarischem Gebiet Werte entstehen lassen, die vielen noch vor wenigen Jahren als schöne, aber nicht zu verwirklichende Ideale er. schienen find. Heute sind sie Wirklichkeit geworden. Borwärts, zu neuen Zielent

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