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Rr. 157 45. Jahrgang

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3. Beilage des Vorwärts Comes 1. Maril 1928

Der gehetzte Diplomat.

Was Lichnowsky zu seiner Denkschrift trieb.

Er: Mit dieser Zusicherung stehe ich Ihnen gern zur Ver­fügung."

In einem Aufsatz über Lichnowsky in der Weltbühne"| Auch hier unter der Zusicherung auf Wort, nichts davon in die Dom 20. März schildert Emil Ludwig die Hetze, die in der oberen Presse zu bringen." Gesellschaftsschicht des kaiserlichen Deutschland gegen den Fürsten Lichnowsky betrieben wurde, als dieser nach Ausbruch des Weltkrieges von seinem Gesandtschaftsposten in London nach Deutsch­ land zurückgekehrt war. Es ist das ein sehr lehrreiches Stück eines Kapitels, das dem über die Entstehungsgeschichte des Weltkriegs systematisch belogenen deutschen Volk nicht tlar genug bekanntgemacht zu werden verdient.

Wie sehr Ludwig mit seiner Bemerkung recht hat, daß vor­nehmlich jene Hehe es war, was Lichnowsky trieb, die Denk= schrift über den Verlauf und die Ergebnisse seiner Londoner Gesandtentätigkeit abzufassen, die man ihm später als Verbrechen angeschrieben hat, glaube ich auf Grund eigener Erlebnisse bestätigen zu fönnen.

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Kurze Zeit nach Ausbruch des damals nur erst europäischen Krieges fielen mir in liberalen Tageszeitungen Berlins Notizen auf, aus denen hervorging, daß Lichnowsky in gewissen Kreisen be­schuldigt wurde, er habe sich durch Schmeicheleien des hinterlistigen Sir Edward Grey über dessen teuflische Absichten gegen Deutsch­ land hinters Licht führen lassen und dadurch die Schuld daran auf sich geladen, daß Deutschland und Desterreich nun mit mehr als halb Europa im Kampf liegen. Die auf Andeutungen sich beschränkende matte Inschutznahme Lichnowskys durch die be­treffenden Zeitungen nach allem, was man jetzt weiß, zweifelsohne der Zensur der allmächtig gewordenen Militärbehörden geschuldet, damals aber in meinen Augen Zeichen kläglicher Halbheit, legte mir den Gedanken nahe, wenn irgend möglich durch eine Unter­haltung mit Lichnowsky selbst Genaueres über das Spiel zu erfahren, das Sir Edward Grey mit ihm getrieben hatte. Ich war nämlich, furz bevor er seinen Gesandtenposten in London an­trat, in der Wohnung des Herausgebers der Zeitschrift ,, Nord und Süd", Professor Ludwig Stein , mit ihm zusammengetroffen, und er hatte dort, da er wußte, daß ich lange Zeit in England gelebt hatte, mich allerhand über dortige politische Parteien und Politiker von Bedeutung zu fragen, woran sich ein Meinungsaustausch über die deutsch - englischen Beziehungen geknüpft hatte.

So fragte ich ihn denn am Fernsprecher an, ob ihm ein Besuch Don mir unbequem fein würde, und als er mir geantwortet hatte, mein Besuch würde ihm im Gegenteil durchaus angenehm sein, suchte ich ihn, der im Hotel Esplanade abgestiegen war, an einem Tag um die Mitte August 1914 dort auf.

Nach den üblichen Begrüßungen setzte ich ihm den Zweck meines Besuches auseinander.

Ich: Ich möchte gern einige Fragen politischer Natur an Sie richten. Nicht als Journalist, um etwas darüber in die Deffentlich­feit zu bringen, fondern als Politiker lediglich zu meiner persönlichen Information. Ich weiß, daß Sie als Beamter nicht alles werden fagen fönnen, was ich wiffen möchte; aber es gibt doch Fragen, in bezug auf die eine Pflicht zu abfoluter Geheimhaltung für Sie faum besteht, und in bezug auf diese hätte ich gern von Ihnen Auskunft.

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... aber mit einem

Ich: Also: Sind Sie nach dem, was Sie jest wissen, zur Ansicht gekommen, daß Sir Edward Grey falsches Spiel mit Ihnen getrieben hat?"

Er( sehr bestimmt): Nein!"

Ich( etwas überrascht): ,, Dann sind Sie also der Ansicht, daß Gren aufrichtig den Frieden gewollt hat?"

Er( ebenso bestimmt): Ja!"( Segt dann aber als guter Beamter mildernd hinzu): Es hat ja eigentlich feiner von uns den Krieg gewollt. Er ist ja wie ein Verhängnis über uns hereingebrochen."

Ich( dem das zu offiziell vorkommt): ,, Meinen Sie?"

Er: Jawohl!" und ergeht sich in so starkem Lob der Einsicht und des edlen Charakters des Reichstanzlers Bethmann Hollweg , das in mir die Vermutung aufkommen ließ, es gelte dem Unter­schied des Genannten von irgendwelchen anderen Persönlich­teiten in einflußreicher Stellung, und sehr stuhig machte mich seine Bemerkung, der Kaiser habe ihn noch nicht emp fangen. Indes unterließ ich es, ihn mit Fragen über die Gründe dieser Zurückseßung zu überschütten, nachdem er auf meine Frage, ob für sie politische Momente maßgebend feien, geantwortet hatte, es lägen da Mißverständnisse vor, über die er sich nicht näher äußern tönne, die sich nach seiner Ueberzeugung bald aufklären würden. Unser Gespräch wandte sich nun Fragen allgemeinerer Natur zu, und nach Ablauf einer weiteren Viertelstunde empfahl ich mich. Noch lag mir jeder Verdacht fern, daß die am Ausbruch des Krieges Schuldigen in den Kreisen der Oberen des deutschen Kaiserreichs zu suchen seien. Ich hielt die Maßgebenden des 3arischen Ruß­land für ihn verantwortlich und habe das in einem Artikel aus­einandergesetzt, der im Septemberheft 1914 der Sozialistischen Monatshefte" veröffentlicht ist.

In derjenigen Presse aber, die in Deutschland als ganz besonders gut unterrichtet galt, wurde in allen Tonarten England als der Don erbärmlichem Neid auf Deutschlands Aufblühen getriebene heim­tüdische Anstifter des Krieges hingestellt und dadurch in Deutschland jene Atmosphäre geschaffen, in der selbst wissenschaftlich gebildete Leute ihren Briefen das alberne Schlagwort Gott strafe Eng­land!" voranschickten und der von Hause aus nichts weniger als von Vorurteilen gegen die Engländer besessene Dichter Lissauer fich zur Abfassung jenes aßgesangs gegen England getrieben fühlte, der zwar das lyrisch wuchtigste, aber zugleich auch das politisch dümmste Poem ist, das der Krieg auf deutscher Seite gezeltigt hat, das er denn auch bald darauf selbst bedauert haben soll.

Wie die Militaristen, die in ihrem Dünfel, fie feien die wahren Realisten, feinerzeit Bismard wiederholt ins Handwert gepfuscht hatten, mun Lichnowsky für Schritte Bethmann Hollwegs berantwortlich machten, die von ihnen und

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Sonntag, 1928

ihren Nachheulern in den oberen Regionen für Exzesse der Feigheit und Dummheit ausgegeben wurden, tann man sich denken. Er wurde für Leute, die vordem vor ihm gefrochen waren, ein Ge­ächteter. Und wie er unter den Demütigungen litt, mit denen er aus jenen Kreisen bedacht wurde, verriet mir eine Bemerkung von ihm, als ich ihn einige Monate nach jenem ersten Besuch eines Nachmittags in seiner mittlerweile von ihm bezogenen Berliner Wohnung besuchte. Was mich damals zu ihm führte, weiß ich nicht mehr genau. Ueber die Gegensäge zwischen 3ivilministern" und Generalstäblern in der Reichsregierung war noch nichts zu meiner Kenntnis gelangt. Ich wollte lediglich seine Meinung über irgend­eine in der Presse zirkulierende, auf die Vorgeschichte des Kriegs bezügliche Angabe einholen. Er gab mir die gewünschte Auskunft und lud mich ein, noch eine Weile bei ihm zu bleiben, und es ent­spann sich zwischen uns eine Unterhaltung, bei der jeder von uns dem anderen gegenüber eine gewisse politische Zurückhaltung be­obachtete. Sie wurde einen Augenblick dadurch unterbrochen, daß ein Sohn Lichnowskys, der aus der Schule gekommen war, ins Zimmer trat, den Bater begrüßte und sich dann wieder entfernte, um, mit dem Violinenkasten bewaffnet, zum Musiklehrer zu gehen. Raum hatte er das Zimmer verlassen, als Lichnowsky , dessen ge­drückte Tonart mir in der Unterhaltung aufgefallen war, in die Worte ausbrach:

,, Wissen Sie, wenn ich die Jungen nicht hätte, hätte ich mir schon eine Kugel durch den Kopf geschossen."

Man kann sich denken, welchen tiefen Eindruck dieser Notschrei des im vollen Mannesalter vor mir stehenden Diplomaten auf mich machte. Vielleicht hätte er ihn mir näher begründet, wenn ich einen darauf gerichteten Wunsch ausgedrückt hätte. Aber in meiner Natur liegt ein zwangsmäßig wirkender Trieb zu diskreter Zurückhaltung, der sich wiederholt zu unrechter Zeit geltend gemacht hat, und ich beschränkte mich darauf, dem Fürsten mein Verständnis für die Empfindungen auszudrücken, welche die Angriffe der offiziösen Presse in ihm ausgelöst hatten.

Er empfand es, glaube ich, angenehm, daß ich dem Ausbruch diese harmlose Deutung gab. Aber in Wirklichkeit sagte er mehr. Die Angriffe in der Presse hatten ihn schwerlich tief berührt. Aber sie waren der Widerhall der Gemeinheiten, die er von Leuten erfuhr, die ihm beruflich und sozial näher standen, sein Ausbruch die Wirkung jener Methode der täglichen Nadelstiche, in der die feine Welt Virtuosen produziert. Er vergegenwärtigt die Stimmung, in der Lichnowsky die Denkschrift niederschrieb, und erklärt, wieso er sich darin zu Wendungen hin­reißen ließ, die von Leuten, welche über die Umstände, unter denen sie entstand, nicht oder nur ungenügend unterrichtet waren, als Auswüchse verlegter Eitelkeit aufgefaßt worden sind, während sie noch in der Form gemäßigte Antworten auf nichtswürdige Ver­dächtigungen waren. Er hat die Denkschrift verfaßt, als diejenigen, die in Deutschland zum Krieg getrieben hatten, und deren Trabanten im Rausch über die Eiege der ersten Monate sich nicht groß genug als Pioniere der glorreichen Erhebung des Vaterlandes gebärden tonnten.

Der Ausgang des Krieges aber hat bewiesen, wie sehr berechtigt die Warnungen gewesen waren, die er von London nach Berlin gesandt hatte und die Berlin nämlich die Menschenschicht, welche in der diplomatischen Welt diesen Namen trug- ihm nicht verzeihen konnte. Ed. Bernstein.

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