Olensiag 3. April 1928
�Intechaltung unö ÄAissen
Deilage des Vorwärts
Der Aufseher. Räch dem Jüdischen de« Scholem Alejchem von A. Suhl. Dar mal ein Jude, der hieß Refoel und war sein Lebtag ein armer Mann, und dazu noch ein Asthmatiker mit einer merkwürdig musikalischen Brust, die zu spielen pflegte, d. h. beim Eiw und Aus- atmen ließ sie ein« Art Gesang wie eine Geige hören, über die man einen schlecht geschmierten Bogen führt. Und war selber Refoel«in gar ehrlicher Mann, bloß(er vergeb's mir!) ein großes Ungeschick, d. h. maßen er ein ehrlicher Mann, war, war er ein Ungeschick, oder umgekehrt, maßen er ein Ungeschick war, war er«in ehrlicher Mann. lieber ihn ging die Red« in Kasriliwke, daß, wenn Refoel kein Ungeschick wäre, er heute viel Geld haben könnte. Und er hatte das in der Hand, denn er war all sein Lebtag „Aufseher' bei Herrn Simchele Weiner im.Keller', und, außer sein Gehalt, konnte er einen Eid aus die Bibel leisten, daß er keinen fremden Heller angerührt hatte. Herr Simchele Weiner konnte sich schon auf seinen.Aufseher' verlassen. Er hielt Ihn deswegen auch in Ehren, zahlte ihm pünkt- lich seine vollen sechs Rubel die Woche, schenkte ihm auch mal zum Feiertag«in Goldstück, zu Ostern die.vier Becher' Wein umsonst und Osterschnops'ne Flasche— das versteht sich von selbst. Wie denn sonst? Herr Simchele Weiner ist wohl ein Mensch, der nicht weiß, wie man«inen Menschen zu schätzen hat? Das nun, daß Refoel, der Aufseher, sich bei ihm im Keller erstmal«inen.Rheuma- tismus' holte und danach einen Lungenkotarrh bekam, und e» ihm inwendig zu pfeifen anfing und zu musizieren und zu singen— wer kann dafür? Gesundheit— das liegt doch in Gottes Hand. Der gesündeste Mensch kann behüte auf der Straße tot umfallen. Unsere Weisen sagten schon darüber... Doch ihr wißt ja wohl schon, was unsere Weisen darüber sagen. » Refoel starb und— ei, ei, et!— mos für ein Begräbnis er hott«! Herr Simchele war untröstlich und konnte sich gar nicht genug tun! Er selbst trug ihn auf der Bahre au» dem Hause, half selbst auf seinen Schullern tragen, ging selbst hinterher bis auf den Fried. bof. wacht« selbst darüber, daß man einen schönen Platz anwies, sah selbst nach, wie man das Grab auswarf, tat selbst den ersten Spatenstich, und als das Kind Iusek, zusammen mit Osser, dem Bethausdiener, zum erstenmal di«.Totenfürbitt' auf seines Vaters Grab aufsagte, weint« Herr Simchele, was das heißt: er weint«! .Was wißt ihr denn! Was wißt ihr denn!' sagte er nachher zu jedem, der hören wollte,.das ist für mich so ein Verlust, so«in Verlust, den man gar nicht abschätzen kann!' Und zu der Witwe sagte er:.Weine nicht, ich werde dich mit deinen Waisen wohl nicht verlasien. Erst Gott, dann ich.. Und Herr Simchele hielt Wort, so weit er konnte. Da» heißt. die ersten paar Wochen zahlle er der Witwe das GeHall weiter. Wohl wahr, sie mußt« danach fed « Woche laufen und nicht bloß einmal, sondern mehrmals, und das war ihr nicht ganz angenehm Aber ich bitte euch, was wollt ihr denn? Mann wird es chr ins Haus bringen? Man sollte meinen, das ist gerode genug getan, wenn man einem Menschen nach dem Tod« das Gehall zahlt! .Sie kommen zu mir und mahnen,' sagt« er dann eine« Tage«, „gerade, als schulde ich Ihnen was, als hätten Sie«inen Anteil an meinem.Keller' eingezohll.' An dem Tage weinte die Witwe mehr, wie damals als Refoel !ot auf der Erde gelegen hatte, und als Ihre beiden Töchter Soor und Riwke erfuhren, weshalb di« Mutter weinte, beschworen sie sie, nicht mehr Hinzugehn. .Und wo» werden wir anfangen?' „Was alle machen: Wir gehen dienen, wir waschen Wäsche, wir wollen Maschine nähen.' Maschine nähen wird setzt in Kasriliwke schon für was an- gefehn. Man kann damit schon die zwei Gulden(Fünfzehnkopeken- stücke) den Tag verdienen, wenn man nur so seine sechzehn, siebzehn Stunden über der Maschine sitzt. Und um Arbell braucht man nicht zu bangen, man kriegt welche: wo nicht Kleider, dann Hemden, und wo nicht Hemden, dann Schürzen, und wo nicht Schürzen, dann Taschentücher zu siiumen. Schlecht ist nur, daß man eine. Maschine haben muß, zwei Maschinen! Wohl wahr, man kriegt Maschinen auf Abzahlung. Wo aber die erste Rate hernehmen? .Gehen Sie doch mal bei ihrem reichen Weiner vorbei,' rieten die Nachbarn der Witwe..Sie sagen ihm so und so, Sie werden's ihm abarbeiten. * Leicht gesagt: geh' zum reichen Weiner! Aber was tut man nicht ums liebe Brot? Di« Witwe ging also bei Herrn Simchele Weiner„vorbei', traf ihn in der besten Zeit, gerade nach dem Essen. Wißt Ihr, wenn ihr von jemandem eine Gefälligkeit braucht— lauert ihm nur nach dem Essen ab. Nach dem Essen ist der schlimmste Mensch weichherziger gestimmt als vor dem Essen. Vor dem Essen ist der Mensch— ein Tier. „Ra, was bringst du Gut's?' Di« Witwe legt« ihre Sache dar, so und so— Nähmaschinen. Herr Simchele hörte die ganze Zeit aufmerksam zu, stocherte in den Zähnen herum, war rot, ein bißchen in Schweiß, und duselte ein wenig, d. h. nicht, daß er schlief, behüte— er duselle bloß, sah sie bloß mit einem halben Auge an, dachte zwischendurch auch ein bißchen an'« Geschäft und ein bißchen an die Geschichte mll seinem Magen. Herr Simchele neigt etwas zur Fülle, zu Fettansatz, so haben ihm die Aerzte mehr Fleisch und weniger Mehlspeisen ver- ordnet: und Herr Simchele liebt gerade Mehlspeise, Brot, Nudeln. Eierkuchen und dergleichen Dinge mehr, die aus Mehl gemacht sind. Er weiß, daß es ihm schadet, aber wenn er's sieht, muß er's essen, und wenn er's gegessen hat, bereut er's... „Also schließlich, was machst du denn?' versetzt er, als di« Witwe verstummt, und hört auf zu duseln, sieht sie mll anderthalb Augen an. „Was soll ich groß machen?' antwortete die Witwe.„Sie hören fa schon, was ich mache, meinen Feinden wünsch ich'?! Also, wenn ich jetzt Geld für'ne Maschine hätte, für zwei Maschinen, wenig- stens eine Maschine...' „Was für«ine Maschin«?' wundert sich Herr Simchele und sieht sie schon mit beiden Augen an. .Ich habe Ihnen doch erzählt, daß meine Töchter sich mll Näherei befassen wollen, Näherinnen werden, auf der Maschine nähen wollen, und eine Maschine haben wir nicht, zwei Maschinen brauchen sie. Man kriegt st« auf Abzahlung.' .Da, ist«in guter Gedanke, ein sehr vernünftiger Gedanke: Näherinnen, nähen, oerdieoen, meinetwegen, sehr vernünftig!'
Wie lange darf man arbeiten?
Von DR. Francö.
Es ist erstaunlich, wie wenig sich die Menschen um das Nahe- liegendste und Wichtigste kümmern. Vielleicht vernachlässigen sie es deshalb, weil es das Alltägliche ist. Tatsache aber bleibt, und jeder klopfte an seine Brust, daß kaum einer unter Tausenden sich darauf geprüft hat, wie denn sein optimaler Arbeitstag für ihn beschaffen ist. Was soll das heißen: opttmgler Arbeitstag? Jene Arbeitszeit- einteilung, die uns das.Bestmöglichste' sichert, also das Auskommen durch unsere Arbeit/ Dollendung des von uns Geschaffenen oder zum mindesten(denn wer kann vollendet arbeiten?) eine genügende Beschaffenheit unserer Produkte, dazu ober auch Erhaltung unserer Arbeitskraft und Gesundheit und immerhin soviel Lebensgenuß, um ein solches Dasein noch lebenswert zu finden. Man sieht, daß da ein ganz« Bündel recht anspruchsvoller Wünsche verwirklicht sein muß, daß also di« Feststellung des opttmalen Arbeitstages. die sozusagen für jeden einzelnen wechselt, kein« ganz einfache An- gelegenheit sein kann. Und wie stellt man sich dies«? Frage gegenüber, die doch so ziemlich eine der lebenswichtigsten ist? Antworte sich jeder selbst. Ich fürchte, die meisten haben überhaupt noch nicht darüber nachgedacht. Ein deutscher Psycholog«, Otto Lipmann , der Letter des Instituts für angewandte Psychologie, hat darüber Untersuchungen angestellt.(O. Lipmann: Das Arbeitszeitproblem, Berlin ), von denen man auch al» Arbeiter Kenntnis nehmen muß. Zunächst weist auch er für den Fabrikarbeiter nach, daß seine Inanspruchnahme nicht dem gesundheitlichen Optimum entspricht. Seine Ruhepausen sind kürzer als seine Ermüdung erfordert. Je weniger der Arbeiter mit seiner Tättgkeit abwechseln kann, desto rascher ermüdet er. desto längere Ruhepausen braucht er, mit anderen Worten: desto geringeren Leistungswert besitzt er. Es zeigen sich mithin sofort zweierlei Wege der Optimoklis«.') Man kann Ruhezeit in gewissem Rahmen ersetzen durch Wechsel des Arbettsteinpos und der Tätigkett. Das hat aber nur einen gewissen mittleren Wert: allzu häufiger Wechsel schadet natürlich wieder den Leistungen.
*) Unter diesem.lebenswissenschoftlicheri' Fachwort soll ver- standen sein: die Bemühungen zur Herbeiführung des Optimums.
Aus dieser Erkenntnis heraus kann jedermann in seiner eigenen Tättgkeit Nutzen ziehen. Besser ist es allerdings, den zipeiten Weg einzuschlagen und durch Arbeitszeitverkürzung das Optimum anzustreben. Aus diesem Streben heraus ist bekanntlich di« Achtstundentag» Bewegung entstanden, die durch di« bevorstehende internationale Regelung Aussicht hat, der Menschheit ein Gutes zu erwirken. Wenigstens bejaht das Lipmann, der Produkttonsstatistiken in grö- ßerem Umfange vorschlägt und selbst schon etwa 700 Berichte aus ollen Ländern über die Wirkung der Arbeitszeit, vom Sieben» stunden- bis zum Zwölfstundentag beibringt. Run darf man solchen bürgerlichen statistischen Belegen nicht allzu viel Wert beimessen. Nicht nur. well man weiß, wie Sta- tistiken zustande kommen, sondern auch, weil gerade in dieser Frag<r di« Einzelpersönlichkeit, ihr Charakter, die Art der Tättgkeit. der Arbeitswille und noch manch anderer Faktor entscheidet. Je mehr Individuen man auf einen Durchschnitt bringt, desto unwahrer wird das Gesamtergebnis für den einzelnen. Demgemäß kann es auch nicht wundernehmen, wenn die Er» gebmfse solcher Zusammenrechnungen einander widersprechen. Aber immerhin, gewisse allgemeine.Richtigkeiten' werden auch durch die Stattstik hindurchschimmern, und eine solche ist, wie auch das Ar. beitszeitwerk betont, daß Arbeitsverkürzung auf die Dauer die Leistungen steigert. Durch richttg« und allgemein« Anwendung des Achtarbeit» stundensystems scheint man also zumindestens volkswirtschaftlich ein« Annäherung an da« Optimum zu erreichen. Eine andere Frage. die noch erst entschieden werden muß, ist es aber, ob das auch prioatwirtschoftlich gilt. Gesundheitlich ist die Verkürzung� der Ar» beitszeit jedenfalls ein Dorteil. Um das einzusehen, dazu hätte es gar nicht solcher mühsamen Untersuchungen bedurft. Es stehen nur Individuum, Betrieb und Staat in dieser Frage einander gegen über, und di« Interessen decken sich nicht. Dieser Widerspruch ist ja bekanntlich ein Teil der sozialen Frage und verleiht. allen Betelligten Kraft, um gegeneinander zu kämpfen. Die neuen Untersuchungen ober stärken unseren Standpunkt, und da sie nicht aus dem Lager des werktätigen Volkes stammen, sollten sie gerade deswegen besonders beachtet werden.
Doch mitten in diesen Reden gehfs ihm durch den Kops: .Woran liegt's denn, daß mir der Magen so voll ist? Ich habe heute doch, weiß Gott , gar nicht so viel gegessen!' Und das eine Auge fängt an. Seiner zu wsrden. Doch da die Witwe schweigt, rappelt er sich auf und spricht weiter: .Na. sehr schön: nähen, meinetwegen, warum denn nicht?' „Da wollte ich Sie bitten, Herr Simchele, Sie haben schon so viel für uns getan, vielleicht war' die Möglichkeit, daß.. Wie Herr Simchele hört, daß es an den Geldbeutel geht, wird er völlig munter. .Daß, was?',' .Daß Sie uns die Anzahlung leihen, dte man mtf die Maschinen.. .Was für Maschinen?' .Na, eben, die ich Ihnen sage, zwei Maschinen für meine Töchter, wenigsten» eine Maschine.' „Woher kommen denn Maschinen zu mir? Wo» hob« ich denn mit Maschinen zu schassen?' ..Geld!' spricht die Witwe.„Maschinen werden sie schon selber kaufen. Man kriegt sie auf Abzahlung. Zum Beispiel, ich zahle setzt einen Fünfziger an und drei Monate später einen Fünfund» zwanziger und später.. „Ich weiß schon, ich weiß schon, das brauchst du mir nicht zu erklären. Don mir aus können sie die Maschinen ruhig sein lassen. Jetzt hebt's gar noch mit Maschinen an!' „Wie sollen sie denn dann nähen? Mit den Händen kann man soviel nicht schassen, alle Näherinnen hoben heutzutage Maschinen.' „Willst sie Näherinnen werden lassen? O, weh! Wenn dein Mann jetzt aufstünde und hörte, daß du deine Kinder willst Nähe- rinnen werden lassen, da würde er gleich noch einmal sterben, weißt du das? Dein Refoel war eine ehrliche, eine treue Seele? Solche wie Refoel gibt es nicht! Wenn Refoel bloß das Wort hörte: „Näherinnen', er hätte das nicht ausgehalten! Er täte sich— ich weiß nicht, was an!' Herr Simchele spricht mit Herz. Er meint es ernst. Und je länger er spricht— desto lauter erhebt er seine Stimme: „Näherinnen? Sieh an! Eine schöne Arbeit für ein jüdisches Mädchen! Sieh an! Wir wissen, was das heißt: eine Näherini Und noch bei Juden! Sieh an! Refoels Töchter und Näherinnen! Und wo bleibe ich? Du weißt, daß dein Refoel bei mir aufgewachsen ist? I ch habe ihn zu einem Menschen gemacht, erst Gott, dann ich. Und wer hat ihn verheiratet, wenn nicht ich? Sieh an! Willst du, daß ich so etwas zulasse? Gott bewahre! Was bin ich denn? Ein Stein? Ein Schett Holz? Sieh an!' Die Witwe— leer, wie sie gekommen, ging sie wieder. Ging und verschwor sich(sonst.mög' sie nicht erleben. Ihre Kinder auf- zuziehn!'), daß ihr Fuß nie mehr Herrn Simchele» Schwelle be- treten würde— lieber dienen gehnl * Leicht gesagt: dienen gehn. Die Frau von Refoel, dem Auf- seher, eine Hausfrau so gut wie alle Kasnliwker Hausfrauen, soll eine Dienstmagd werden? An einem fremden Ofen stehen? An einem fremden Tisch sitzen? Ehe so«In Leben, dann schon lieber sterben! Und di« Witwe betet« um ihren Tod. Und Gott, der große, allmächttge Gott, der da ist.ein Dater den Waisen' und „schaffet Recht den Witwen', erbarmte sich diesmal doch gerade über di« arm« Witwe und ließ sie nicht erst lange sich herumschleppen auf dieser Erde, sandte ihr einen leichten Tod, so ein« Art inneres Ge- schwür, sie quälte sich und gar nicht wenig, alles in allem zwei Monate und«inen halben und starb. Und gerade traf sich'», daß in Kasriliwke zu der Zeit, außer kleinen Kindern, niemand gestorben war, da wurde die Witwe nicht weit von ihrem Mann beerdigt, man kann sagen: Grob an Grab— sie hatte eben Glück. Und Iusek tonnt« nun schon die Totenfürbitt' sowohl für Vater als auch für Mutter aussagen,
Der lachende Mund. Eine hochgezogene Oberlippe und zwei Reihen schneeweiße? Zähne: so strahlt das Antlitz unserer Zeit. Es ist Dorschrist, fort» während zu lachen. Alle bedeutenden Persönlichkeiten in den illustrierten Zeitschriften tun es, die Filmdiva wie der Beerdigungen' direktor. Man ist nur nicht sicher, ob sie vergnügt sind, well es ihnen auf der Erde tatsächlich ausgezeichnet geht. Jedenfalls sind sie übermütig wie junge Böcke. Die amerikanischen Präsidenten um die Mitte des vorigen Jahr- Hunderts ließen sich noch mit geschlosienem Mund photographieren. Den ersten Auswanderern, die nach Amerika zogen, war nicht lächerlich zu Mute. Ihrer wartete saure Arbett im Urwald, auf den Farmen, in den Bergwerken.' Erst als sich dort drüben wohl- habenden Schichten gebildet hotten, als das Zinsenverzehren mit Luxus und Gepränge als Lohn der Glücklichen erschien, wurde all- mählich der Erfolg das Ziel der Massen, das einzige Ziel. Erfolg konnte man nur haben, wenn man Vertrauen auf seine frische Leistungsfähigkeit Hervorries. Gesundheit und Kraft waren not» wendig, um Kredit zu erhalten. Das Lachen -wurde die Bedingung des Erfolges. Mit einem verbitterten Gesicht mochte sich niemand einlassen. Ein Bankrott zieht den anderen nach sich. Also zunächst einmal lachen, lpchen um jeden Preis. Von Amerika griff die Seuche der äußerlichen Fröhlichkeit aus Frankreich und England über. Der Franzose war ja von jeher zu Spott und Gelächter bereit, der Engländer immer materiellen Be- haglichkeiten zugetan,. so wirkte das Beispiel Amerikas rasch an- steckend, und h�ute lachen alle Pariser und Londoner ununterbrochen. Wiewohl auch bei uns vielen nur Genuß und Erfolg erstrebens- wert erscheinen, so ist ja doch ein Unterschied. Wo für den angel- sächsischen Bürger die Rechnung glatt aufgeht, da bleibt süi»ns ein Rest: Das Elend. Diese andersgerichtete seelische Einstellung wird uns daran hindern, jenen gewaltsamen Optimismus einschränkungs- los mitzumachen. Wir haben nicht das Talent, uns die Komödie vorzuspielen, es ging« uns allen hervorragend gut. Trotzdem wird man auch bei uns immer mehr lachende Männer sehen, die Bewegung greift auf die ganze Epoche über und wird kaum an unseren Grenzen halt machen. Müdigkeit und Untergangsstimmung werden durch unbeschwer- tes Draufgängertum verdrängt. Aber ich schaudere bei dem Ge- danken, daß der lachende Mund schließlich zur ollgemeinen Maske werden könnte, daß jede Erschütterung unmöglich würde, und endlich das ganze Menschengeschlacht gleich grimmigen Karikaturen fort- während die Zähne bläkte. Die Menschen würden über das Wesen der Dinge hinweglachen, sie würden nichts mehr sein als eine grinsende Reklame für sich selbst. Der lachende Mund ist dabei, Mitteleuropa zu erobern. Froh- mut und Heiterkeit, Leichtigkeit und Liebenswürdigkeit können wif gewiß brauchen. Aber lachen wollen wir doch lieber nur, wenn uns danach zu Sinne ist. Aus Gewohnheit bedeutungslos aufgerissen« Münder erinnern zu peinlich an die Schnauzen der Haifische.... � Richard Gerlach . Gummi aus Kaktus. Die in letzter Zeit vielfach in Angriff ge» nommene Ausgabe, einen Ersatz für Gummi zu finden, soll nach einem Bericht der Frankfurter Wochenschrift„Die Umschau' von dem Amerikaner Dr. John T. Wichmann in Los Slngeles gelöst worden sein. Er hat aus dem Saft von Katteenpflanzen, die in riesigen Mengen wild wachsen, ein gummiartiaes Produkt herge- stellt, dos berufen sein soll, die Alleinherrschaft des Gummis zu brechen. Dieser zähe Saft, der sich zu einer gummiartigen Mass» verdichtet, stellt einen Ersatz für Rohgummi dar und wird für viel« Gegenstände verwendet werden können, die man bisher aus Gummi herstellte. Nach einer Schätzung des Erfinders würden die in den Vereinigten Staaten vorhandenen Mengen dieser Kakteenart SS Mil- liarden Kilo Gummimasse ergeben. Als Nebenprodukt« werden da- bei Alkohol und Firnis gewonnen.