31. Fortsetzung. Howard hatte ein ähnliches Verlangen. Er wollte ihn ersuchen, mitzukommen, und er gedachte, ihm eine Anstellung in seinem Kino zu geben, als Vorführungsoperatcur oder als Hausverwalter. Aber auch er sprach das nicht aus, gab ihm nur die Hand und sagte nur: „Good lud" Und Dobbs dachte, daß ein Mann mehr auf der Reis« nicht schaden könne, es sei ein Schutz mehr gegen Banditen, und wenn man die Ladung auf vier Mann verteile, sehe sie nicht so auffällig aus, aber er schüttelte ihm die Hand nur kräftig und sagte freundlich: „So long." Lacaud hatte jedem ebenfalls ein kurzes Wort zum Abschied gesagt, dann stand er eine Weile und sah den Leuten nach. Als er sie nicht mehr sehen konnte, drehte er sich zum Feuer, stieß mit der Stiefelspitze darin herum und sagte laut:„Schade." 17. �ie Reisenden hatten mit ihrem Packzuge«inen weiten Umweg zu gehen, um zu vermeiden, das Dorf, wo Curtin die Einkäufe zu machen pflegte, nicht zu berühren und nicht von den Bewohnern gesehen zu werden. Sie wollten die Leute des Dorfes in dem Glauben lassen, daß Eurtin noch immer dort oben sei. Als sie weit aus dem Bereiche des Dorfes waren, blieben sie auch nicht auf den Wegen, sondern wanderten Pfade, wo sie sicher waren, selten jemand zu begegnen. Je weiter sie aus dem Distrikt sich entfernten, desto mehr durften sie hoffen, ungesehen die Stadt zu erreichen. Waren sie erst einmal in der Stadt, dann waren sie und ihr Gut in Sicher- heit. Da gingen sie in ein Hotel, packten alles schön um und setzten sich mit unauffälligen Koffern In die Bahn. Sie hatten jetzt kaum noch bares Geld in der Tasche, einige Pesos, und die sollten reichen bis zur Stadt. Dort tonnten die Esel und was man sonst nicht brauchte, verkauft werden, und das gab dann das Fahrgeld. Aber die Stadt mußte erst geschafft werden. lind dos erforderte seine Zeit. Die Entfernung war nicht so erheblich. Aber die Wege wollten sie nicht gehen, weil sie dort leichter Banditen oder Landpolizei treffen konnten als auf den versteckten Pfaden. Je weniger Leute sie begegneten, um so lieber war es ihnen. Nun liefen die Pfade nicht alle so, wie sie es gewünscht hätten. Alle Pfade führen entweder zu einem Dorf oder zu einer menschlichen Behausung. Da stießen sie zuweilen ganz plötzlich auf ein Dorf, wenn sie es weder erwartet noch gewollt hotten. Und waren sie erst einmal in Sicht eines Dorfes, so konnten sie nicht gut umkehren. Das hätte sie verdächtig gemacht. So kamen sie am zweiten Tage in ein Indianerdorf. Es hatte sich nicht vermeiden lassen. Sehr ungewöhnlich ist es nicht, daß eine Eselkarawanc durch einen Ort zieht. Daß nur weiße Männer diese Karawane führen, ist zwar selten, aber es machte sich niemand Ge> danken darüber, weil die Weißen ja manchmal recht merkwürdige Ideen haben. Als sie nun mitten Im Ort waren, sahen sie vor einer Hütte vier Mexikaner stehen. Drei von ihnen hatten einen Patronengürtel um- geschnallt und hinten auf der Hüfte den Revolver. „Das ist Polizei," sagte Dobbs zu Howard.„Jetzt sitzen wir drin." „Scheint wahrhaftig Polizei zu sein," erwiderte der Alte. Dobbs hielt die Esel an, ober Howard stieß ihn an und sagte: „Nur keine Dummheiten jetzt. Wenn wir so plötzlich anhalten oder gar umkehren, dann sind wir fertig. Dann merken die gleich, daß hier etwas nicht stimmt. Nur ganz ruhig darauflos, als ob wir ein klares Gewissen hätten. Das haben wir ja auch. Es ist nur wegen der Taxe und der nicht eingeholten Lizenz." „Kann uns aber den ganzen Bettel kosten." Dobbs fluchte. Inzwischen kam auch Eurtin näher. „Was will denn der Mann mit der Brille?" fragte er und deutete mit dem Kopf hinüber zu dem Manne, der nicht bewaffnet war, und der am Eingang zu der Hütte stand und offenbar mit den Bewohnern redete. „Ist wahrscheinlich ein Regierungskommissar," sagte Dobbs. "Weiß der Henker, was hier las ist. Laß uns ganz ruhig weitergehen."
— und nagte laut:„Schade!"
Die Mexikaner hatten die Ankommenden nicht bemerkt. Erst als den Platz erreichten, wo die Hütte stand, drehte sich einer der Polizeileute nach ihnen um. Dann schien er den anderen etwas zu sagen, und darauf drehten sich alle um und sahen den Reisenden nach, die gemächlich weitergingen. Als sie schon den Platz beinahe über. schritten hatten, rief mit einem Male einer der Männer ihnen nach: „Holla, Seniores, un momento!" „Nun fitzen wir fest" sagte Dobbs halblaut. „Ich gehe rüber, ollein," schlug Howard vor,„ihr bleibt hier bei den Eseln. Ich will hören, was die wollen." Howard ging hinüber Als er vor den Männern stand, sagte er: „Outen Tag, womit können wir dienen?" „Kommen Sie von den Bergen runter?" fragte einer der Beamten. „Ja, wir haben gejagt." „Sind Sie alle geimpft?" fragte der Mann nun. „Ob wir was? Ob wir geimpft sind?" Howard sprach es mit leichten Worten, denn er hatte sofort erkannt, was die Männer hier wollten.
„Freilich, wir sind alle geimpft. Schon als ganz klein« Kinder. Das ist bei uns gesetzlich. Ich bin sicher schon zehnmal geinipft worden in meinem Leben." „Wann das letztemal?" „Vor zwei Iahren." „Haben Sie das Eertificado bei sich?" Howard lachte:„Das trage ich doch nicht immer in der Tasche." „Natürlich nicht," sagte nun der Mann.„Aber dann muß ich
— und der Mann kratzte ihm mit der Ifadel ins Fleisch.
Sie jetzt hier impfen. Wir sind die Impfkommission, und wir müssen jeden impfen, den wir hier in den Dörfern treffen." Der Mann mit der Brille ging in die Hütte und kam mit seinem Kasten hervor. Er öffnet« ihn, Howard entblößte den Oberarm, und der Mann kratzte ihm mit der Nadel ins Fleisch.„Mit Ihnen haben wir es leichter als mit den Leuten hier," sagte der lachend. „Hier die Leute müssen wir auslauern, die rennen in die Berge und in das Dickicht, weil sie glauben, wir wollen ihnen den Kopf ab- schneiden." „Ja," meinte einer der Potizeimänner, während er ein Buch herausnahm,„hier die gesamte Einwohnerschaft zu impfen, kostet uns mehr Mühe, als wenn wir eine 5)orde Banditen einsangen sollen. Aber die Seuche nimmt überhand, wenn wir nicht alles hier zuin Impfen herankriegen. Die Kinder, das ist das Schlimmste. Die Frauen machen ein Geschrei, als ob wir die Kinder ermorden wollten,
WAS DER T nimmiiiimmMimminiiiinmiiiiimiimimiiiiiiiiiiiiimimiimMmmiimiinmniniiimiiiii Das Menü als kulturelle Verpflichtung. Das hat uns bestimmt noch gefehlt: ein Verein, der sich die Pflege der„Eßkunst" aufs Panier stickt! Was Abrüstung und Völkerbund, was Reichstagswahl und Politik überhaupt, was Arbeitslosigkeit und Massenelend, was Wohnungsnot und sonstiger Zauber unserer geliebten Zeitlichkeit! Die Hauptsache ist, daß gut zu essen kriegen, die es sich leisten können und sonst keine Sorgen haben. Kultur und Forlschritt der Gesellschaft? Erziehung der Mensch- heit zur Gemeinschaft? Entwicklung eines Lebensstiles im Einklang mit den Mitteln der Gegenwart? Nebensache: so soll dein Menu aussehen: „... Vorbildlich wollen wir nationale Speisenfolgen auf- bauen, an einen Hamburger Abend einen westsälischen schließen, Schwaben neben Bayern stellen mit allen Spezialitäten, Schle- sien gegen Ostpreußen ausspielen, heute rheinisch, morgen braun- schweigisch sein, selbst wenn wir in Berlin wohnen und angeblich örtlich unabkömmlich sind____" Also, Herr Alfred Richard Meyer , der Begründer des Unternehmens für lukullische Genießer„Gasterea". das fortan unser Menu wie ein Gedicht neuer Sachlichkeit aufzubauen gewillt ist als „... wahrlich schöne kulturelle Verpflichtung..., unser Essen über den Begriff normaler Ernährung hinaus wieder zu einer Kunst zu gestalten----" Anfang März hat„Gasterea" zum ersten Male diesen Kultnrpflichten von Messer und Gabeln genügt. Immerhin: nur der deutsche Spießer vermochte in dieser Zeit die kulturelle Verpflichtung des Kochtopfes zu entdecken! Das macht uns wirklich keiner nach. Das ist die gründlichste aller Folge- rungen aus dem gleichfalls germanischen Sprichwort:„Die Lieb« geht durch den Magen!" Eine Weltstatistik der„weißen Kohle". Die Nutzbarmachung der Wasserkräfte nimmt immer mehr zu und steht mit dem industriellen Aufschwung der einzelnen Länder in engem Zusammenhang. Nach einer neuen Zusammenstellung des Geologischen Amtes der amerikanischen Regierung steht Nord- amerika bei weitem in der Ausbeutung der„weißen Kohle" an der Spitze. Die auf diese Wesse gewonnenen Kräfte beliefen sich Ende 1S26 auf 16 800 000 PS. An zweiter Stell« steht Europa mit 13100 000 PS. In den Jahren 1321 bis 1326 hat sich die Ge- winnung von Wasserkraft aus Anlagen von über 100 PS in Amerika um 3 800 000 PS vermehrt, in Europa durch Anlagen von jeder Größe um 4 200 000 PS. Aber die Zunahme der Anlagen in den drei letzten Iahren war in Amerika sehr viel größer als in Europa . Unter den europäischen Staaten steht Italien in der Ausnutzung der Wasserkraft an der Spitze mit 2 300 000 PS; die durch weiße Kohl« gewonnenen Kräfte in Frankreich betragen 2 000000, in Norwegen 1300000, in der Schweiz 1830 000, in Schweden 13-50000 PS.
und kämpfen wie Wahnsinnige mit uns, wenn wir die Nadel ansetzen wollen. Da, sehen Sie mein Gesicht, ganz zerkratzt von den Weibern . und hier mein Kollege hat eine schwere Beule am Kopf, wo ihn die Weiber niit einem Stein getroffen haben. Wir sind schon vier Tag- hier. Alle haben sich verkrochen, und wir müssen si? aushungern, bis sie wieder hereinkommen. Nach und nach kommen sie ja. weil sie gesehen haben, daß die Kinder, die wir schon geimpft haben, noch Immer an, Leben sind. Aber wie sollen wir es ihnen denn klar- machen, daß wir nur zum Besten der Leute und ihrer Kinder hier arbeiten." Während der Zeit hatte er in dem Buche herumgeblättert und kam zu den leeren Blättern. „Schreiben Sie hier aus beide Seiten Ihren Namen hin," sagte der Beamte. Howard schrieb und gab das Buch zurück. „Ihr Alter?" Der Beamte schrieb es ein, unterschrieb dos Blatt, riß die ein« Hälfte des Blattes an der perforierten Linie aus und gab sie Howard. „Hier haben Sie Ihr Eertificado, diesen anderen Abschnitt be- halten wir in unserem Buch. Schicken Sie Ihre beiden Kameraden auch herüber. Es wird ihnen nichts schaden, auch wenn sie schon zehnmal geimpft sind." „Was habe ich denn nun zu bezahlen?" fragte der Alte.„Wir sind sehr knapp mit Geld." „Da haben Sie nichts zu bezahlen. Das kostet nühts. Bezahlt die Regierung." „Das wäre ja dann recht billig." sagte Howard lachend und schob den Aermel herunter. „Wir wissen ia," sagte nun einer der anderen Beamten,„daß Sie alle geimpft sind, oder wir nehmen es wenigstens an. Aber wir tun es hier mit Borlrebe, daß wir Sie impfen. Wir sind recht dank- bar. daß Sie gerade hier zur rechten Zeit vorbeikommen. Die Ein- wohner hier, die sehen von ihren Verstecken aus ja jede Bewegung, die wir machen. Darum hoben wir uns auch gerade dies« Hütte aus- gesucht, die steht am freiesten. Wenn die Leute nun sehen, daß wir keinen Unterschied machen zwischen Indianern und Weißen, und daß Sie hier Ihren Arm hinhalren, als ob Sie das jeden Tag täten, io bekommen die Leute Vertrauen und sehen, daß es nicht das Leben kostet." Howard ging hinüber und schickte Dobbs und Eurtin zun: Impfen. „Ich wüßte nicht, was ich lieber täte," sagte Curtin lochend, „jeden Augenblick dachte ich, sie werden kommen und dumme Fragen machen." „Wenn es dir Vergnügen niacht," sagte Howard,„dann kannst du denen erzählen, was du in den letzten Monaten getan hast. Die haben kein Interesse für deine Familienangelegenheiten. Die sind die Jmpfkommission. und alles, was nicht mit Impfen zu tun hat, läßt sie kalt. Die impfen einen verfolgten Banditen, der gerade vor- überkommt, und lassen ihn laufen. Es gehört nicht zu ihrem Geschäft, Banditen einzufangen." „Na, na," unterbrach Dobbs,„besser, du hältst das Maul, wir lassen uns impfen, und dann sofort weiter." „Habe ich denn gesagt, daß wir uns hier niederlassen sollen?" „Aber du redest gerade so, als ob wir denen um den Hals fallen sollten," sagte Dobbs und trottete hinüber zu der Hütte. lFortfetzung folgt.)
BRINGT. iiiimiiiHmimmmniiMiiiiimiimiiiiiMiiiiimimuimmiimiumimmmiimmimmii'mniM Der Henker im Frack. Bis vor kurzem wurden die Todesurteile in Polen von Mili- tärpersonen vollstreckt. Die Militärbehörden lehnten sich aber da- gegen auf; sie erklärten, das Militär werde dadurch demoralisiert. Das neue polnisch« Gesetz über Vollstreckung der Todesstrafe setzte daher die Anstellung eines besonderen staatlichen Henkers fest. Auch die Formel der Dollstreckung wurde festgelegt: Alle zur Hinrichtung erforderlichen Vorbereitungen werden vom Henkergehilfen besorgt: der Henker selbst vollzieht den Akt in Frack, Zylinder, schwarzer seidener Maske und weißen Handschuhen, die er nach Beendigung der Hinrichtung an den Fuß des Galgens wirft. Bei den letzten Hinrichtungen ging es tatsächlich so feierlich zu: die zu Tode Verur- teilten dürsten zufrieden gewesen sein. Es erhoben sich aber Stim- men, die behaupteten, die Hinrichtungszeremonie sei zu theatralisch und entspreche nicht dem Ernst der Rechtspflege. Dem Hinrichtung?- akt droht deshalb eine Vereinlachung. Vom Tragischen bis zum Lächerlichen ist auch hier nur ein Schritt. Der Selbstmord der Studentin. Die„Prawda" erzählt: Die Studentin der Staatlichen litera- rifchen Kurse, das Mitglied der kommunistischen Jugend, Isla- m o w a, 22 Jahre alt, hat sich das Leben genommen. Zwei von ihr hinterlasiene Zettel lüften ein wenig das Dunkel, das über dem Grunde für ihren selbstgewählten Tod herrscht. Auf einem der beiden Zettel, der an den Sekretär der Schriftstellervereinigung A l t s ch u l- ler gerichtet war, hieß es:„Ich verfluche dich für das ganze Leben. Sei verflucht. Sei dreifach verflucht, daß du mich gestern betrunken gemacht und dem Schimpf preisgegeben hast." Im zweiten Zettel, der an den Mann der Selbstmörderin, Mitglied der kommunistischen Partei, adressiert war, stand u. a.:„Gestern hat man mir Böses zugefügt. Ich hatte so schon schwer am Leben zu tragen. Jetzt wird es ganz unmöglich werden. Dir gegenüber trifft mich aber keine Schuld. Aengstige nicht die Mutter; schreibe ihr zuerst, daß ich krank bin, erst später, daß ich tot bin. Es wäre schön, wenn man mich im Krematorium verbrennen würde, und zwar in dem Kleide, das ich eben anhabe." Der Selbstmord der jungen Kommunistin Hot auf den Literatur- kursen ungeheures Aufsehen erregt. Sowohl Altschuller als noch zwei andere Studenten der Kurse und weitere vier Personen wurden verhastet. Die Justizbehörde führt die Untersuchung über die Ur- fachen des Selbstmordes. Auf einer Studentenoersammlung, an der auch die Professoren teilnahmen, verlangte man die Todesstrafe für diejenigen, die den Selbstmord der Jslamowa verschuldet hoben. Da» Sowjetstrafgesetz, das die Verschuldung eines Selbstmordes unter vtrase stellt, ist zweifelsohne zu begrüßen. Daß Studenten und Pro- fessoren ober für die Schuldigen die Todesstrafe, die selbst durch das Gesetz nicht vorgesehen, fordern, ist doch ein starkes Stück und spricht von einer ziemlicher: Gefühlsverwirrung.