Einzelbild herunterladen
 

Nr. 167

45. Jahrgang

Technik

Kunst und Technik.

Im Berliner   Ingenieurhaus fand vor kurzem eine Ausstellung führender Graphiter statt, die in ihren Werken gleichsam Künder des seelischen Gehaltes der modernen Technik sind. Arbeiten von Dzubas, Graf, Krommer, Kupferschmied  , Sandrock, Scheurizel und Turner gaben der Schau das Gepräge. Die Veranstaltung war als eine Vorschau zu der großen Ausstellung Kunst und Technik" ge­dacht, die anläßlich der Hauptversammlung des Vereins deutscher Ingenieure vom 9. bis 11. Juni in Effen stattfindet. Schon die fleine Vorschau ließ gerade dem Laien, vielleicht aber auch manchem Fachmann erkennen, welche Stimmungswerte, welch' künstlerischer Gehalt auch in der modernen, auf fühler Ueberlegung und Berech­nung aufgebauten Technik zu finden ist.

*

Es gibt faum ein großes technisches Ereignis, das nicht in der Kunst seine Spuren hinterlassen hätte. Ausgedehnte assyrische Flachreliefs schildern flar und übersichtlich den Transport gewaltiger Steinbilder, der unter einem Maffeneinfaz von Sklaven vor sich zu gehen pflegte. In zahlreichen plastischen Darstellungen geben uns die ägyptischen Künstler ein getreues Bild vom Stande der da­maligen Technik. Wir sehen, wie der Blasebalg gezogen und die Töpferscheibe gedreht wird. Webstühle und Schiffe werden bis in alle Einzelheiten dargestellt. Auf zahlreich erhaltenen Grabreliefs aus dem dritten Jahrtausend v. Chr. fönnen wir uns die Kriegs­technik der Aegypter, ihre Art, das Feld zu bestellen, und Bauten aufzuführen, mit größter Deutlichkeit vorstellen. Berhältnismäßig wenig künstlerische Darstellungen, die auf technische Vorgänge Bezug nehmen, find aus der altgriechischen Blütezeit erhalten. Immerhin hat man nach alten Bildhauerarbeiten interessante technische Reton­struftionen ermöglicht, z. B. das Aussehen der athenischen Kriegs­schiffe, die bei Salamis den großen Seefieg über die Perser erfoch­ten. Die Römer, Meister der Baukunst und der Kriegstechnik, haben uns in ihren zum Teil bis heute erhaltenen Baudenkmälern, vor allem in dem wieder ausgegrabenen Pompeji  , mächtige Ein­

Helmuth Krommer: ,, Hüttenwerk"

Ewaith.

die Handwerker bei ihrer Tätigkeit darstellen, werden noch durch einen furzen, gereimten Tert erläutert.

Die Neubelebung der Baukunst durch die Renaissance hat eine starke Vorliebe für architektonische Darstellungen zur Folge. Der originelle Peter Brenghel der Aeltere( 1530-1569) malt einen phantastischen Turmbau zu Babel  ; aber auch das groteske Treiben der Goldmacher" inmitten einer wüsten Umgebung weiß er aufs trefflichste zu charakterisieren. Das bekannte Bild Susanna im Babe von Altdorfer wird von einem prächtigen, weitläufigen Renaissancebau beherrscht. Die berühmten Kupferstecher Mathäus Merian   und sein Schüler Wenzel Hollar  ( 1607-1677) geben in zahlreichen Stadtansichten aus Deutschland   und Holland  ein getreues Bild von der Baumeise damaliger Zeit.

Den großen Aufschwung, den die Schiffahrt durch die Ent­deckung Ameritas und des Seeweges nach Ostindien nahm, fönnen

Sonnabend

7. April 1928

Die Kupferstiche von Chodowiedi 1726-1801) geben in ihrer trockenen, sachlichen Art einen guten Einblick in das Werkstatt­treiben des 18. Jahrhunderts.

Wie die Phantasie des Künstlers technische Fortschritte mit visionärer Kraft zu bannen weiß, zeigen die dämonisch wirkenden Fliegenden" von Francesco Goya  ( 1748-1828) aus der Folge seiner Radierungen, den Proverbioz". Gegen Ende des 18. Jahrhunderts mehren sich die Darstellungen gelungener oder mißglückter Ballonfahrten. Bezeichnend ist ein Flugblatt aus dem Jahre 1783, das den Angriff der Landbevölkerung von Genosse auf den gelandeten Ballon von Montgolfier wiedergibt. Die rasche Aufeinanderfolge umwälzender technischer Neuerungen bringt für die Künstler des 19. Jahrhunderts eine taum zu bewältigende Fülle neuer Eindrücke. Ein englischer Stich aus dem Jahre 1833, der einen schwerfälligen Dampfwagen darstellt, der zwischen London  und Birmingham   verkehrte, gibt den Auftakt. Auch in der Folge find es hauptsächlich anglo- amerikanische Künstler, die mit frischen Augen die tausendfältigen Wunder der modernen Technik für die Kunst erobern. James Whistler  ( 1834-1903), in Amerika  geboren, aber in Paris   und England tätig, schuf neben seinen Bild­nissen eine ganze Anzahl von Hafenbildern, Uferlandschaften und Brückenbauten von vornehmer, zurückhaltender Note. Wuchtiger geht Frank Brang Conn ins Zeug, der in London   lebt. Seine auf starte Kontraste aufgebauten, monumental wirkenden Radie­rungen gehören zu den eindruckvollsten Darstellungen aus dem Jahrhundert der Technik. Pennell, geb. 1858 zu Philadelphia, hat sich fast ausschließlich auf industrielle Anlagen beschränkt. Der große Wallone Meunier( geb. 1831), dessen Plastiken und Ge= mälde von dem Leben der Bergarbeiter im belgischen Kohlengebiet, dem Borinage, handeln, ist dadurch, daß er den arbeitenden Menschen in den Vordergrund stellt, auch ein großer sozialer Antläger ge­worden. Sein genialer Landsmann, Vincent van Gogh, hat mehrmals Eisenbahnviadukte und Zugbrücken und den an seine Maschine gefesselten Weber in tiefempfundenen Bildern verewigt. Nicht zu vergessen ist Charles Mérŋon( 1821-1868), einer der ersten französischen   Radierer. Seine Architekturradierungen fennzeichnen eine erstaunliche' Sachlichkeit und erhalten durch die

Willem van de Velde  : ,, Der Kanonenschuß"

Glide in das Konstruktive der antifen Baufunst hinterlassen. Leider sind die Zeichnungen zu dem Werke Bitruvius de architectura" ( 16 v. Chr.) verlorengegangen.

In die wunderliche Welt des Mittelalters führt uns das mittel­alterliche Hausbuch"( um 1480); der primitive Betrieb eines Berg­werkes, Orgelbau, Goldschmiedewerkstatt find in liebevoll eingehen­der Weise dargestellt; ganz seltsam berührt ein von Pferden gezoge ner, vollkommen gedeckter Streitwagen, zweifellos ein Vorläufer des modernen Tants. Sehr häufig findet man bei den Künstlern des Mittelalters einen starten Hang, ihre Phantasie im Erfinden von Kriegsmaschinen zu betätigen. Namentlich von Lionardo da Vinci  ( 1452-1519) stammen zahlreiche Blätter, die sich mit Burfmaschinen( Balestern), Festungsanlagen und friegstechnischem Gerät beschäftigen. Aber sein universaler Geist war in allen Ge­bieten der Technik heimisch. Er konstruierte Waffer­hebemaschinen, ging mit dem Stift dem Flug der Bögel nach und fah vieles voraus, was Jahrhunderte fpäter eingetroffen ist. Auch Albrecht Dürer  ( 1471-1528) versuchte sich als Konstrukteur von Feftungsbauten, die er hoch hinaus baute, während Lionardo   im Hinblick auf die Wirkung der Feuer­maffen möglichst flache Anlagen wählte. Zahlreich find die Darstellungen mittelalterlicher Geschütze, die uns Dürer auf seinen Stichen vorführt. Im Triumphzug Kaiser Maximilians( 1515) feffelte ihn ein prächtiger Wagen, der mit Zahnrädern und Uebersehungen im Handbetrieb vorwärts bewegt wurde also eine Art Auto und er hat das feltsame Behitel in allen Einzelheiten mit dem Stift festgehalten. Gute Bilder von der Technik der da­maligen Zeit, die sich hauptsächlich in den engen Grenzen des Handwerts bewegte, geben die Holz­schnitte des Hans Burgtmair( 1473-1531), der Münzer und Waffenschmiede bei der Arbeit zeigt. Hierher gehören auch die instruktiven Holz­schnitte von Hans Weidiz, der Leben und Treiben auf dem Werkplatz und in der Gießerei schildert. Jost Ammans( 1539-1591) einfache Holzschnitte,

Die Künste und die Technik.

Die Künste hatten sich verschworen: die Technik sei nicht gottgeboren, hätt' nichts Erhabenes und Reines und hinge stets sich an Gemeines. Wir schaffen für die Ewigkeit, sie aber dient ja nur der Zeit.

Die Technik denkt und läßt sich schmälen: Wie sie sich mit Begriffen quälen! Zeit, Ewigkeit, gemein, erhaben.. Was soll's Man dien mit seinen Gaben nur immer ehrlich seiner Zeit; denn alle Zeit ist Ewigkeit!

Karl Vigo Weigand.

wir auch in der gleichzeitigen fünstlerischen Darstellung verfolgen. Der bereits erwähnte hollar schildert die stolzen Ostindienfahrer auf den holländischen Werften, und der Kanonenschuß" des van de Belde( 1638-1707) gibt uns ein gutes Bild von der male­rischen Pracht der alten Segelschiffe, Feuerwerke und Theaterdeko­rationen. Hier handelt es sich meist um tppische hösische Kunst.

Francesco Goya  : ,, Die Fliegenden"

Artur Kampf. ,, Walzwerk"

Feinheit des Striches eine fünstlerische Note ersten Ranges. Unter den deutschen   Malern des 19. Jahrhunderts war wohl der hervor­ragende Landschafter Karl Blechen  ( 1798-1870) der erste, der eine industrielle Anlage als Bildmotiv verwandte( Walzwerf bei Eberswalde  "). Adolf Menzel   widmete erst gegen Ende seines Lebens seine Aufmerksamkeit den aufstrebenden Industriebetrieben und schuf 1875 sein meisterhaftes Eisenwalzwert", das sich in der Nationalgalerie befindet. Ein anderes Bild Berlin  - Potsdamer Bahn" zeigt einen idyllischen Ausschnitt aus Berlins   Umgebung mit einer altertümlichen, fauchenden Lokomotive. Anschauliche Bilder aus der Steinbruchindustrie schuf der Süddeutsche Friedrich Reller( geb. 1846). Auch Artur Kampf  ( geb. 1864) hat ein

" Walzwert" gemalt, stellt aber darin muskulöje, unter der Hitze leidende Arbeiter in den Vorder­grund. Der in München   lebende Heinrich Kley  und der Stuttgarter Edener sind durch eine ganze Reihe eindrucksvoller Zeichnungen und Gee mälde von Hüttenwerken, Werftanlagen, Schiff­bauten bekannt. Klen versteht es auch, in humor­voller Weise, Maschinen zu vermenschlichen. Den modernen Bahnhof und die ihn belebenden Lokomo­tiven schildern Bleuer und Sandrock. Ein beweg­tes Bild von den Bohrungen im Tauerntunnel hat Ludwig Michalet geschaffen. Kallmorgen holt feine Motive mit Borliebe aus dem Hamburger Hafen. Einen Industriebahnhof" in moderner Auf­faffung hat uns der jung verstorbene Walter Seehaus hinterlassen.

Die neueste Entwicklung der fünstlerischen Dar­stellung der modernen Technit wurde bereits in der Einleitung furz sfizziert. Der Künstler folgt hier dem Technifer. Ihm ist es gegeben, die Berte der Technit mit eigenen Augen, fern jedem 3wedbegriff, nur von der Seite des Künstlerischen, des an die Seele Rührenden zu sehen.