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?!f.�6S»45. Jahrgang Sonntag, S. April 4 S2S
Heute voa Bahnhot zu Bahnhof   die Landschaft bleibt unberührt.
©k ersten ArühNngstage bringen selbst die nüchternsten Menschen in einen schwärmerischen Zustand, die Winlerplagc wird schnell vergessen. Um den Osterspazlergang drehen sich bald alle Gespräche wird das.Jeff der Auferstehung" seinem traditionellen Ruf getreu bleiben, den Anfang des Lebens in uns mit der Ratur zu bilden? Wahrend im Orient, dem Mutterlande der religiösen Tradition, und im Süden unter stets sonnigem Gimmel die tirchlidhe Feier sich zum höchsten steigert man braucht nur an die Osterseiern zu Jerusalem  . Rom   und Sevilla   zu denken, hat der kühlere Norden der Auferstehung der Natur besondere Zuneigung bewiesen. Und wie könnte es wohl anders sein? Monatelang fast ausschiiehlich auf «inen Boden wandelnd, der hart und trüb, ohne jeglichen Schmuck farbiger Blüten, wird mit einem Male dem so begeisterungssähigen Menschen die Lehre von der Neuschöpfung durch die Natur augen­fällig vorgeführt: an allen Ecken sieht man die Knospen sich ent- falten, die Keime sich regen,-den grünen Sprößling zur Sonne sich drängen. Ostern bedeutet die.Wende" bald stärker bald schwächer-- je nach den Launen des Wettergottes. Aber ganz aus dem Bild« der Natur läßt sich diese» froh« Spiel der Kräfte nicht weilen. Bei oller Betonung des Dranges zur Natur hin bat sich ober auch diese» Berhältni» allerlei Wandlungen gefallen lassen müssen. Was man ständig besitzt, achtet man nicht so sehr ipie ein sich bald offenbarende», bald sich versagende» Gut: die Antik» hatte den steten Sonnenschein und kannte nur vom Hörensagen die Schreck» niss« der nordischem Winter. Man hat dann auch den Alten die Empfindung für di« Natur ganz absprechen vollen, geht hierin jedoch zu weit. Zu allen Zeiten hat«» Menschen gegeben, die in emem innigen Verhältnis zur Natur standen, aber die Mehrzahl der Menschen der Antik« und der nachfolgenden Jahrhunderte sah vor allem da» Nützliche im Boden. So spricht Cäsar im Gallischen Krieg von der Notwendigkeit, die Germanen daran zu hindern, in die.fruchtbaren" Gegenden d«r westlichen und südlichen Nachbarn «inzufallen. Andererseits schrieb im<- Jahrhundert n.Chr. der römische Dichter Ausoniu» sein Idyll..Moselle  ", die poetische Schil» denmg einer Rhein  » und Moselreis« von Bingen   bis Trier  . Vie Rückkehr zur Natur. r Mit dam Abschluß des Mittelalters und der Entdeckung der neuen Welt weitete sich wohl der Blick, aber die humanistische Bit- bung führte von der Natur fort und die bald sich einstellend« Den- lodderung der staatlichen Verhältnisse war nicht dazu angetan, das Wohlgefallen an den mit Raub» und Zwingburgen durchsetzten Schönheiten der Natur zu fördern. Und dos absolutistisch« Fürsten  . tum, von so vielen Gernegroßen nachgeahmt, führt« endlich zu jener Derknöch«rung, der gegenüber Nousseaus Ruf.Zurück zur Natur" als ein Schrei der Erlösung angesehen werden mußte. Gleichzeitig gab die literarisch« Revolution, die mit den Erstlingswerken und dem persönlichen Auftreten unserer Klassiker verbunden war, dieser Bewegung starken Nachdruck. Klopstock   dichtete die Ode.Eislauf", Goethe fegte als jugendlicher Apoll selbst über das Eis hin. und als sein« �Italienisch  « Reise" bekannt wurde, war der Sieg auf der ganzen Linie entschieden. Die Nolurdichtuag war geboren: die Frühlingsdichtung, dl« dem Sehnen des Menschen nach der Wieder» klhr der Sonne, dem Erwachen der Natur, der Wiederbelebung der im Winter scheinbar so tot dastehenden Bäume, Sträucher, Stauden so beredten Ausdruck gab. Der stark« germanisch» nordisch« Einschlag ist dadurch zu erklären, daß, wie oben schon erwähnt, die nordischen Länder ander» al« die unter südlicher Sonne liegenden von dem Winter zu leiden heben. Während wir zu chause Gebliebenen zu Ostern im Winterkostüm die Sonnenstrahlen aus un» einwirken lassen, sucht der jenseits der Alpen   Wohnende bereits den Schatten auf. Die postkuffchenzeit. Di« ruhigen Verhältnisse nach dem Wirrwarr der von Na» poleon versuchten Umwälzung der Länderkart« hatte das sine Gute, V>ß in dem Bertehr eine gewisse Ordnung und Sicherheit geschaffen werden tonnte. Man wurde nicht mchr von Wegelagerern ge» brandschatzt(nur die italienischen Staaten wiesen ein regelrechte» Brigantentum auf), man wurde zwar patriarchalisch behandelt, aber doch nicht ganz ol« Paket angesehen, vorausgesetzt, daß man.poli- tisch unverdächtig" war.
Was aber doch als Hauptsache gelten muß: der Kaufmann, der damals noch nicht zum reinen.Geschäftsmann sich umgewandelt hatte, der Aktenschreiber, der Gelehrte, der Dichter, sie alle blieben in Berührung mit der Natur, die sie auch zu hause, in der klein. oder Mittelstadt, umgab. Anders als wenige Jahrzehnte später rollte man in behaglichem Pserdetrablempo durch Wälder und Auen. und etwaige Unfälle, Umwerfen, Ansahren usw.. ertrug man mit gutem Humor. Es war bei dieser Beförderung natürlich von Bedeutung, ob sie bei Sonnenschein, bei Sturm oder Regen erfolgt«: hatte man Pferdewechsel, so befand man sich meist in einem kleinen Ort und da man froh war, die.Beine ein wenig vertreten" zu können, so empfand man Nässe und Kalte unangenehm bei dieser Beschäftigung. In den veröffentlichten Erinnerungen und Briefen aus jener Zeit fehlt es nie an der Aufzählung der kleinen Reise- abenteuer. Der Bourgeois, der Parvenü, war noch nich» geboren der Philister herrschte vor Handwerker und Arbeiter waren auf Ihre eigenen Fortbewegungswerkzeuge angewiesen. Und die Philisterseelen wurden ordentlich poetisch, wenn sie mit vollen Taschen durch die schöne Natur fuhren und der.Schwager" ein lustig Liedel erschallen ließ. Die Passcgiere hatten meist eigenen Grundbesitz oder genossen die Wohltot, einen Garten hegen zu dürfen: sie waren mit Bäumen und Blumen vertraut und konnten anmerken, was sie Abweichendes an anderen Orten bemerkten. Und die.Po�stuben" hatten etwa» Liedenswürdig-Anheimelndes waren nicht van der falschen und kalten.Pracht" der Eisenbahn-.Warte- säle". illtmeister Fontane   hat üb« diese.Passagierstuben" die treffende Bemerkung gemacht: .Passagierstuben sind ein selten trügendes Barometer für das Leben Ihrer Stadt und es hat eins Bedeutung, ob.Schwerins Tod" oder ein alle» Bostreglemeul über dem Losa hängt. Die Zu rsien walder Passagierstube zeigte aus schön Wetter", welche Anmerkung wohl auch die heutigen Bewohner der.roten" Stadt noch gern entgegennchmen werden., Dieflcitte* Welt. Auf den Philister folgt der Bourgeois. Die Städte schwellen an, werden zu Steinhaufen: Marthens. Garten aus.Faust" und die Weimarische« Gärten in den Ratsmädelgeschichten der. Böhlau wer» den von Jahr zu Jahr seltener. Stürmisch bricht sich der Drang nach der Natur Bahn. Omnibus oder Dampfer befördern in die nahe Sommerfrische, die bald mit dem entfernten Luftkurart oder Seebad« vertauscht wird. Orlsverändcrvng wird Mode. Sport der Reichen. Die Schnelldampscr machen Reisen bis nach Afrika   in den wenigen Ferienwochen möglich. All« Well ist auf den Beinen, Ostern ist.man" an den llalienischen Seen, Pfingsten etwa am Rhein   und im Iull an der Ostsee  . Kein« Ueberraschung ist mehr möglich Treffen sich zufällig Herr Müller aus Schanghai   und Herr Schulze aus Potfchavpel in der dänischen Hauptstadt, so geht man nach einem kühlen Händedruck wieder auseinander. Rudolf Lindau.  der künstlerisch begabter« Bruder des vielgewandten Paul Lindau  , hat für diese Erscheinung, daß man an keinem Platz« davor sicher ist. daß ein naher oder ferner Bekannter auftaucht, das'treffende Wort»die klein« Well" geprägt. Aber in diese reckst äußerlich Le. rührung de» Mevschn mit der Natur tritt nun eiv weiterer Faktor: die Natur al» Heilmittel wird entdeckt und die Anfänge einer der Jugend zunutze kommenden Sportbewegung werden sichtbar. Die ersten Durchquerungen Deutschlands   auf dem Stahlroß wurden ebenso angestaunt wie die ersten Autoschrten von Land zu Land alles Dinge, die uns heute nur noch ein Lächln abgewinnen. Die Osterfanfare. Heut« ist di« Menschhell zu einer ganz anderen Stellungnahm« zur Natur gelangt. Sie veredell auch das unscheinbare Stückchn Land, denn sie sieht es mll den Augen der Liebe an. Wenn nun in diesem Jahre als Folge des langen Winters zu Ostern nicht so- viel Grün als sonst zu entdecken sein wird, so tut das der Freude an der Natur kemen Abbruch. Frühling und Sommer muß es doch werdenl So wie das Lied der Lerche zum Himmel drängt, so jubell auch der Mensch seine Freud« hinaus, losgelöst von den Sorgen de»
Damals fühlte man sich mit der Straße verbunden.
Alltags umherschweifen und die Brust mit veiner Lust füllen zu können. Ostern ist der erste Auftakt für jene moderne Völkerwanderung, die Ihre sriedlicheu Ziele in kürzester Zeit erfüllen soll.
Gin GroHfiadtfrühling. Wir Arbeitsmenschen inmitten einer hartkantigen Well der Stein« und der ewig fiebernden Straßen mühten verzagen, gälle es auf das erst« Grün und die jungfrischen Blüten zu warten, und wir haben es längst verlernt, die Verwirklichung unserer Frühlingssehii- such mit dem Kalenderbeginn zusammenfallen zu lassen. Di« Weltstadt kennt keine Jahreszeiten. Das wissen wir. und weil wir es wußten, darum waren wir befähigt, dem Winter und vielen Wintern standzuhalten. Mögen noch so viele Straßen und Flächen der großen Stadt sich mit Grün und Blüten schmücken solange di« Menschen in Mietshöhlen wohnen und weit, sehr weit wandern und zurückkehren müssen, um Stein und Enge für Stunden gründlich zu vergessen, so lange wollen wir nicht sagen, daß es eine» Großstadtfrühling gibt. Aber es muß und wird einer kommen anders hätte unser Kampfglaube an Frühling mrd Auferstehen keinen Sinn. Und es wird auch in den Städten Frühling werden nicht wann wir von ihm singen, und nicht wenn wir ihn oerkünden, eh« die Wirklichkell un» auch gestattet, den Winter der Not zu brechen und zu zerschlagen, sondern wenn wir es klug und recht erfassen, daß zwischen dem Werden und Vergehen und neuem Warden immer das kraftvolle, arbeitende und schöpferische Sein liegt. Wir w« r d e n den Winter ganz aus der Stadt jagen, das wissen wir, nur hängt das nicht mll dem ersten Blühen zusammen, sondern mit unserem Wissen um sozial« Arbeit und um den Willen dazu. Ver- jagen wir di« unwürdigen Schatten unsere» Eingeengtseins, dann brauchen wir uns nicht mehr und nicht ängstlicher nach Frühling und Well« zu sehnen, als jedes menschlich« Herz danach begehrt. Wir warten nicht auf einen Auferstehungs tag, und wir brauchen nicht mit Jahren zu rechnen, aber das sitzt tief in uns: in den hörtesten Wintern unserer Not haben wir am erbittertsten darum gerungen und am wenigsten darum gebongt. Volk und Menschheit werde» auserstchetv das wahren wir als tiefste Erkenntnis, das ist unendlich mehr als«in Hoffen, denn tpst haben den häßlichsten der Winter geschlagen, und die Ucberzeugung von unserem Endsieg führt uns dem Tag entgegen, der unser stärkstes Gleichnis ist: der großen W e kt f r ü h l i n g s f ei er des 1. Mai. Oer Direktor und sein Mäzen. Groteskes aus dem Prozeß Joe German. Der Prozeß gegen den Theaterdirektor Joe Lherman ist auch gestern nicht zu Ende gegangen. Der zweite Sitzungstag be­leuchtet« Joe Lherman als Theatermenschen und als Charakter. NWar er ein Hochstapler, für den das Gericht am Ansang der Genchtsverhandtung ihn zu holten schien? Der Schriftsteller Angermeier jagt« berells am Donners­tag: nein! Seiner Meinung nach war Lherman ein wahrer För­derer der jungen Dramatiker. Das Gleiche hätten anscheinend auch die anderen geladenen Schriftsteller bekundet, wenn sie im Gerichts- saoi zu Worte gekommen wären. Rechtsanwall Fuchs erklärte aber zu Anfang der gestrigen Verhandlung, daß sie sich ge- weigert hätten, vor Gericht zu erscheinen, nachdem der Vorsitzende Herrn Angermeier ein wenig unzart angefahren habe. Der Borsitzende meint« dazu, das sei gar nicht der Fall ge- wesen und da» Gericht hört« darauf über Lhermans künstlerische Befähigung nur noch Alfred Kerr  . Lherman sei ein Theater- besessener, sagte dieser. Sein Fanatismus sei es gewesen, den jungen Dramatikern auf die Beine zu helfen. Er ruhte nicht, bevor er ein neues Stück aufgeführt hatte, und die Auf- führung stampfte er direkt aus dem Boden. Die Schauspieler gingen mit ihm durch dick und dünn, und niemals wollt« er sich selbst bereichern.«» interessiert« ihn nur die deutsche Dramatik. Er besaß alle Fähigkeiten,«in m a cht v alter Theaterleiter zu werden, und Halle tatsächlich Aussteht. durch das Stück irgendeines Autors zu Geld zu kommen. Soviel über dl« umstrillen« Theaterpersönlichkell Joe Lhermans. Vor und nach Kerrs Aussag« kamen die Zeugen. War der Weinagent Jon-Marlitt Joe Lhermans Mäzen oder war er es nicht? Jon-Morlill selbst erklärt«, er sei nie Mäzen gewesen. Em Theatern, äzen müsse doch das Theater lieben: er dagegen besuche es grundsätzlich nicht: denn: werde gut gespielt, so rege ihn dos auf; werde schlecht gespiell. so ärger« das ihn:«in Mäzen müsse über Geldmittel verfügen, er besitz« aber nichts. Wes- halb hätte er aber nicht Lherman helfen sollen, da doch sein« Töchter Schauspielerinnen seien? Di« Zeugen wollten aber wissen, daß Jon-Marlitt sich selbst als Joe Lhermans Mäzen bezeichnet habe. Dem Direktor des Neuen Theaters am Zoo, Walter, hatte er tele- phonisch gesagt:Ich interessiere mich sehr für Herrn Lherman, Helsen   Sie ihm bitte." Und der Derwaller hatte den Eindruck, als wären die Weinreservoir« Joe Lherman« unerschöpflich. Auch er selbst bekam zu Weihnachten einen Kasten Wein geschenkt, obgleich der Spender Lherman selbst geflickt« Hosen und geflickt« Schuhe trug. Inter­essant waren auch die Aussagen der Schauspielerin K. Ursprünglich sollte durch Jon-Marlllts Wein ihre Revue unterstützt werden: die Lieferung sollte lombardiert, di« Lombardscheine verpfändet werden und da« Geld Frau K. erhallen. Jon-Marlitt, der Weinagent, war berell, den Wein seiner Firma selbst auf Decknamen zu liefern. Darauf ging Frau K. nicht ein, die Kombinatton zerschlug sich und schließlich sagte ihr Jon-Marlitt, der Direktor Joe Lherman sei der