.4S. Lahrgang Mittwoch, 44. April 4 92S
Herr auf dem Friedhof. Was der Pastor„unchristlich" nenni.
Auf Friedhöfen von Kirchengemeinden kann man bei Vestottungen immer wieder erleben, daß Pasloren ihre streng- christliche Gesinnung in einer Weife bekunden zu sollen glauben, die zu peinlichen Auftrillen führt. Etwas Derartiges wird fehl wieder von dem am Fürsten brunner Weg gelegenen Friedhos der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis- Kirche gemeldet, aus dem ein verstorbener Parteigenosse aus Charlottenburg bestattet wurde. An der von den Hinterbliebenen unter Mitwirkung eines Kastors veranstalteten Totenfeier beteiligten sich auch Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei, des Reichsbanners und des Dolkschores Harmonie, die sich mit ihren Bannern eingefunden hatten, um ihren Genossen und Kameroden zur letzten Ruhe zu geleiten. Als vor der in der Friedhofskapelle stattfindenden Feier die Leiter des Chores mit dem Pastor über die Rechenfolge der Gesänge sprachen, forderte dieser, daß ihm zunächst die Liedertexte zur Kenntnisnahme mitgeteilt würden. Vorwurfsvoll stellte er dann fest, daß darin von einem Ende und von Trennungsfchmerz geredet wird, aber nicht oon Jesus und von Auferstehung. Er erklärte, unter solchen ilmständen könne er die Lieder nicht zulassen. Di« Chormitglieder »varen erstaunt, denn sie hotten für zweifellos geholten, daß die Liedertcxte durchaus dem Wesen emer Tronerfeier angemessen seien. Sie wiesen den Pastor unter anderem darauf hin. daß Uthmanns weihevolles Lied„Du fernes Land* mit seinem Schluß„Ich föhlls, an Todes Hand nur kann ich schauen dich meiner Seele fernes
Bei der Arbeit verunglückt. Fünf Verletite. Im Laufe des gestrigen Nachmittags ereigneten sich zwei schwere lk.msturzunsolle, bei denen fünf Arbeiter verletzt wurden. Der erste Unfall trug sich auf dem Grandftück Kaiserstr. SO kn Martendorf zu. Für einen dort in Angriff genommenen Neubau werben zurzeit Ausschachwnqsarbeiten vorgenommen. Aus bisher ungeklärter Ursache gerieten gegen 1ö Uhr plötzlich größere Crd Massen in Bcmegung und nerschütteten drei Arbeiter. Die Feuerwehr wurde sofort alarmiert und es gelang ihr, die Bcrunglückten, den 27jährigen Hans Rose aus der Jsiethenstraße 45 in Neukölln» den Arbeiter Wilhelm Hase aus der Chausseestraße in Mariendorf und den Zsjährigen Arbeiter Hans Später aus der Werderftraße 4 zu Tempelhof . aus ihrer pefahrliche» Lage zu befreien. Die Verunglückten, die innere Ver- letzungen erlitten hatten, erhielten von dem Feuerwehrsamariter die eiste Hilfe., Ein folgenschwerer Deckenein st urz ereignete sich gegen 17 Uhr auf dein Grundstück Alt-Treptow 7. Bei Abriß- arbeiten des zweistöckigen Gebäudes stürzte die D ecke des ersten Stockwerkes ein und begrub zwei an der Unfallstelle Deschnstigte, den Arbeiter Mathias Laube aus Neukölln und den Lehrling Hermann K u h l c y aus Warnsdorf unter sich Auch in diesem Falle kamen die Verunglückten mit nicht allzu- schweren Verletzungen davon. Die Feuerwehr legte beiden Nntoer- bände an. � Die Bluttat in der Jnvalidenftrafic. Die Bluttot, die sich in der Nacht zum 2. Feiertag auf dem Flur bes Hauses Invaliden st roße 124 abspielte und der die 79 Jahre alte Bertäuferin Kätc Berndt zum Opfer fiel, ist jetzt tzum größten Teil aufgeklärt. Der Täter, der 27 Jahr« alte Friseur Paul G r u h l i ch, wurde von der Kriminalpolizei wegen Mordes dem Untersuchungsrichter vorgeführt. Gruhlich hatte mit dem Mädchen schon seit geraumer Zeit in Ncu�Stettin , wo beide wohnten,«in Perhölwis. Weil sich jetzt die Folgen bemerkbar mochten, so begab
Menschen, Göttern gleich... 65) Roman von kferbert George wells. Crystolls Definition des Lügens mar vielumfassend: die ungenaue Darstellung von Tatsachen, sogar die Unterdrückung einer wesentlichen Tatsache, sei lügen. „Wo es Lügen gibt, kann keine Freiheit herrschen." Mr. Barnstaple war von diesem Gedanken mächtig er- griffen. � Er erschien ihm einerseits ganz neu, und anderer- seits, als ob er ihn schon immer unbewußt gehegt hätte. Die Hälfte des Unterschiedes zwischen Utopien und unserer Welt, sagte er sich, liege darin, daß unsere Atmosphäre von Lug und Trug erfüllt und vergiftet sei. „Wenn man sich das nur einmal klar macht!" sagte Mr. Barnstople und fing an, Crystall gegenüber sich über oll die Falschheit im menschlichen Leben zu verbreiten. Die firundlegenden Voraussetzungen irdischer Beziehungen waren mmer noch in weitem Ausmaße Lügen, falsche Vorurteile in bezua auf notwendige und unvermeidliche Unterschiede der Landesfarben und Nationalitäten, Ansprüche auf Amt und Würde in der Monarchie: Vorspiegelungen der organisierten Gelehrsamkeit, religiöse und sittliche Dogmen und Täuschun- gen. Und man muß darin leben: man ist ein Teil dessen, man wird durch diese unvernünftigen Unwahrheiten gehin- dert, belastet, in Not gebracht und getötet.„Lüge, das Ur- verbrechen! Wie einfach ist das! Wie wahr und zwingend ist das! Dieses Dogma bedeutet den grundlegenden Unter- schied zwischen dem wissenschaftlichen Weltstaat und allen vorausgegangenen Staaten." Hier knüpfte Mr. Barnstaple an und stürzte sich in eine lange und erregte Rede gegen die Berheimlichunaen und Fälschungen der irdischen Zeitungen. Diese Frage lag ihm sehr am Herzen. Die Londoner Zeitungen hatten aufgehört, unparteiische Vermittler von Neuigkeiten zu sein: sie unterschlugen, verstümmelten und machten unrichtige Angaben. Sic waren nicht besser als Propagandaflugblätter. Fetzen!„�utnr«" war auf ihrem Gebiet allem Anschein nach genau und vollständig, aber das war ein rein wissenschaftliches Blatt: es berührte nicht die Tagesneuigkeiten. Die Presse war nach seinem Dafürhalten
Wunderland" doch gewiß zu der Stimmung dieser Feier passe. Aber der Pastor blieb dabei, er müsse die Lieder ablehnen. Den Vor- wurf, daß er. den Chor an der Erfüllung eines letzten Wunsches des Verstorbenen hindernd, die Feier stören werde, wies er zurück. Statt„an Todes Hand" könne man ja„an Jesu Hand" sagen, meinte er, oder man könne auch irgendwelche Lieder aus dem Gesangbuch singen. Die Chormitglieder lehnten ab, auf solche Zumutungen einzugehen und von dem Geistlichen sich Voischrifteit über die Auswohl ihrer Lieder machen zu lassen. Sic erklärten ihm, daß ein« derartige Unduldsamkeit eines christlichen Pastors ihnen unverständlich sei. U n ch r i st l i ch sei, antwortet« der Pastor, das Verhalten der Sänger. Achselzuckend begab er sich in die Friedhofzkapell«, um der Trauergemeinde seine Leichenrede vorzutragen. Di« Chormitglieder entschlossen sich dann, außerhalb der Kapelle dos Ende der Trmierfeier abzuwarten und erst nachher sich dem Trauerzug auf seinem Weg nach der Grifft anzuschließen. Der Pastor hatte es mit seiner Unduldsamkeit dahin gebracht, daß sie darauf verzichteten, am Sarge des toten Sanges- genossen zu singen. Unser Gewährsmann, der an der Bestattung teilgenommen und den Auftritt mit dem Postor erlebt hat, gibt seiner Darstellung dieses Falles chrfftlich-pastoroler Unduldsamkeit die Ueberschrfft: „Anschauungsunterricht für Kirchenangehärige* Ja, er hat recht, solche Vorkommnisse wirken mit der Eindringlichkeit eines Anschauungsunterrichtes und hoben die Wirkung, der Kirche neue Scharen ihrer bisherigen Anhänger z» entziehen.
sich das Mädchen vor 14 Tagen nach Bertin zu Vermanbten und teilte ihrem Geliebten ihren Aufenthalt mit. Gruhlich kaufte sich nun in Neu-Stettin eine Pistole und kam zu den Feiertagen nach Bertin. Nachdem er am ersten Feiertag mit seiner Braut und einer Kusine einen Ausflug gemacht Haff«, gab er auf dem Hausflur den tödlichen Schuß aus die Geliebte ob. Die beabsichtigte Flucht munde, wie wir mitteilten, durch einen Passanten verhindert.
Ein Orahiseilaiieniat. Zwei Motokrostfahrer überfallen und aoSgeplünderi Ein heimtückisches Drahffeilottentot wurde in der Nacht zu Dienstag auf der Chaussee von Perlcberg nach Wilsnack verübt. Die Toter Haffen aus einem in der Nähe gelegenen Jagen der Forst einen starken Koppeldroht entwendet und ihn von Raum. zu Baum quer über die Chaussee gespannt. Dqnn legten sie sich mit Pistolen bewaffnet im Dunkel des Waldes auf die Lauer. Bbi Einbruch der Nacht kam der 20 Jahre olle Gutsinspektar Erich N e u- mann aus Wittmoor mit seinem Bekannten, dem 18 Jahre alten Land!»iri»s»hn�I»ni-ck< aus Strehlen auf einem Motorrad mit Beiwagen die Chaussee entlang. In der Finsternis fuhren sie gegen das Hindernis und kamen schwer zu Fall. Ianicke wurde leichter verletzt, Neumann dagegen erhieff stark blutende Ge- sichtsverletzungen. Wöhrend sich beide noch bemühten, ihr Rad wieder auszurichten, sprangen drei Strolche aus sie zu und zwangen sie mit vorgehaltenen Waffen, ihre BarsckHst herauszugeben. Iänicke konnte entschlüpfen und aus dem etwa zwei Kilometer entfernten Forsthause Wallbrück Hilfe herbeiholen. Inzwischen war Neumann den Bairditcn preisgegeben. Er mußte seine sämtlichen Papiere und seine Briestasche mit 3Z M. ausliefern., 'Forst- und Polizeibeamtc nahmen sofort die Verfolgung auf, konnten aber niemand mehr finden. Die drei Räuber waren gut gekleidet und maskiert. Auf ihre Ergreifung ist eine Beloh- nung von 300 M. ausgesetzt. Auf Ersuchen der Ortsbchörde wurde ein Beamter des Berliner Rliubdezemats und ein Sucheifführer mit Hund an den Tatort entsandt. Die Verletzungen Neumanns haben sich zum Glück als nicht lebensgesährlich herausgestellt.
das einzig mögliche Salz des zeitgenössischen Lebens, und wenn dieses Salz seinen Geschmack verloren hatte--! Der arme Mann hielt eine Rede, als ob er wieder am Frühstückstisch in Sydenham säße und eben eine schlechte Morgenzeitung hätte. „Einst gab es in Utopien ganz die gleiche Verwicklung," sagte Crystall tröstend.„Aber es gibt ein Sprichwort:„Wo die Wahrheit zu Besuch war, dorthin kehrt sie zurück." Du mußt dich nicht so sehr grämen: eines schönen Tages wird sich auch eure Presse läutern."% „Wie haltet ihr es mit Zeitungen und Kritiken?" fragte Mr. Barnstaple. Crystall erklärte, daß Neuigkeiten und Diskussionen in Utopien etwas vollkommen Verschiedenes seien. Es gebe Hänser— eines könne man sehen—, die als Leseräume be- nützt würden. Man gehe dorthin, um Neuigkeiten zu er- fahren. Dorthin kämen die Berichte über alle Ereignisse auf dem Planeten, über Erfindungen. Entdeckungen und Taten. Es werde das berichtet, was man brauche,' es gebe keine Jnsertionsverträge, die jeden Tag den gleichen Hausen von Nachrichten erforderten. Eine Zeit lang, sagte Crystall. waren die Berichte über die Erdlinge sehr ausführlich und unterhaltend, aber seit einigen Togen hatte er die Zeitung nicht gelesen, da die Erdlingsangelegenheiten sein Interesse an der Geschichte geweckt hatte. Es gab stets Nachrichten über neue wissenschaftliche Entdeckungen,' die seine Phantasie be- wegten. Ein häufig wiederkehrender Punkt, der die Oeffent- lichkeit interessierte und erregte, war die Darlegung eines ausgedehnten Forschungsplanes. Die neue Slrbeit über Raumzusammenhänge, für welche Ardenn und Chrysolagone gestorben waren, verursachte zahlreiche Nachrichten. Wenn m Utopien jemand starb, war es Sitte, seine Lebensgeschichte mitzuteilen. Crystall versprach, Mr. Barnstaple zu einer Nachrichten- stelle mitzunehmen und ihn durch die Verlesung einiger uto- pischcr Beschreibungen des irdischen Lebens, die von den Erd- lingen herrührten, zu unterhalten: auch wünschte Mr. Barn- staple danach etwas über Ardenn und Chrysolagone zu hören, die nicht nur bedeutende Entdecker, sondern auch in der Lieb« groß waren, und von Serpentin und Ceder, für
Gasexplosion in der Oranienstraße. Sine Ehefrau schwer verletzt. Im Haus« Oranienstraße 173 ereignete sich gestern abend ein« folgenschwere Gasexplosion, bei der«ine Frau schwer und ein« zweite leicht verletzt wurde. Kurz vor 18 Uhr ertönte in der im vierten Stockwerk gelegenen Wohnung des Bildhauers Zöllner eine heftige Detona- tion. der unmittelbar darauf laut« Hilferufe folgten. Haus- bewohn« alarmierten die Feuerwehr, die sich Einlaß in die Woh- nung verschafft«. In einem Zimmer, das durch die Gewalt des Luftdrucks schwer verwüstet war, lag die 35jährige Frau des Wohnungsinhabers mit schweren Verletzungen bewußt- los am Boden. Eine 19jährige Arbeiterin, die bei Z. beschäftigt ist, hatte am Ann Verletzungen erlitten. Während das junge Möi>- che» nach Anlegung von Notoerbänden nach Hause entlassen werden konnte, mußte die schwerverletzte Frau durch die Feuerwehr in das Bethanien-Krankenhaus gebracht werden. Die Ursache der Explosion konnte noch nicht geklärt werden.
Oer Leichenfund bei Gettow. Die Obduktion des Hausdieners Kotlewski. Der Tod des jungen Hausdiener« Karl Kotlewsti, dessen Leiche, wie mitgeteilt, gestern bei Geltom angeschwemmt wurde, ist noch nicht aufgeklärt. Für ein Verbrechen hat sich bisher nicht der gering st e Anhalt gefunden. Um 4 Uhr nachmittags traf der Oberstaatsanwalt Pfaffe mit der Berliner Mordkommission auf dem Friedhof in Geltow ein. Di« Obduktion, die von den Potsdamer Gerichtsärzten geleitet wurde, «ergab kein« Anhaltspunkte dafür, daß der Tod durch äußer« Gewalt verursacht worden ist. Die Leiche ist so stark in Verwesung überge- gangen, daß Jesfftellungen über äußer« Verletzungen unmöglich waren. Ob die inneren Organe vielleicht Gift enthalten, wird die Untersuchung lehren. In den Kleidern wurden noch 2 Mark bares Geld gefunden: es haben sich Zeugen dafür gemeldet, daß der Angefchwemmte in Berliner homosexuellen Kreisen verkehrt hat. Die Leiche ist zur Beerdigung freigegeben morden. Roch der Obduktion begaben sich Mord- und Gerichtskom- rmssian m zwei Kähnen zur Fundstelle der Leiche am sogenannten Grashoim- Bisher hoben sich kein« Verbindungen mit den, Fall des Pagen Schnöpel herstellen lassen.
Religionsunterricht im ersten Schuljahr. Aus Grund der Reichsverfassung kann die A b t Meldung vom Religionsunterricht erfolgen in oller Schulen und in ollen Klassen, also selbstverständlich auch bereits in, ersten Schuljahr, sofern überhaupt Religionsunterricht erteill wird Von Rektoren und Lehrern wird jedoch häufig versucht, eine Be� freiung der Schulanfänger vom Religionsunterricht abzulehnen mit der Begründung, daß im ersten Schuljahr nur„Gesanituuterricht' erteilt würde— also kein besonderer Religionsunterricht stattfinde Solche Erklärung ist falsch. Für Preußen heißt es z. B. in den„Richtlinien für den Lehrplan der Grundschulen"(Min.-Erl. vom 16. 3. 192!. II. III A. 404);„3m ersten Schuljahr sind drei Stunden für den Religionsunterricht zu verwenden." Im„Lehrplan für die Volksschulen de, Stadt Berlin " heißt es ausdrücklich:„Für den Religionsunterricht sind in den Fällen drei Wochcnstnnden gesondert anzusetzen, wen« ... Kinder nach der Willenserklärung der Eltern am Rcligians- Unterricht nicht teilnehmen sollen." Auch für Länder und Gebiete, in denen besondere Verfügungen wie für Preußen oder Berlin nicht bestehen, sollen die Eltern bereits un ersten Schuljahr die Abmeldung vom Religionsunterricht vcr- langen und im Falle der Verweigerung der Befreiung des Kindes eigenmächtig dieses vom Religionsunterricht fernhalten. Also auch in Orten, wo keine weltlichen Schulen bestehen, haben die Eltern das Recht, ihre Kinder vom ersten Schilltags an vom Religionsunterricht fernzuhalten.
die er innige Bewunderung hegte. Die utopischen Nachrichten entbehrten natürlich des„Iwut-xont" einer irdischen Zeitung: die oerwickelten Morde und amüsanten Ungezogenheiten, die unterhaltenden und aufregenden Verleumdungssälle und auf- gedeckten Schwindeleien, die großen Prozessionen königlicher Hoheiten durch die Hauptverkehrsstraßen und die romanti- jchen Schwankungen der Börse und des Sports. Aber was die Neuigkeiten Utopiens an Lebendigkeit fehlen ließen, wurde durch die Lebendigkeit der Diskussion wettgemacht. Denn der fünfte Grundsatz der Freiheit in Utopien war: freie Dis- kufsion und Kritik. Jedem Utopen stand es frei, alles im ganzen Universum zu kritisieren und zu besprechen, vorausgesetzt, daß er weder direkt, noch indirekt Lügen darüber erzählte, er konnte so achtungsvoll oder verachtungsvoll sein, wie es ihm beliebte: er konnte etwas Beliebiges, auch Umstürzlerisches vorschlagen. Er konnte sich in Poesie oder Prosa, wie es ihm gefiel, aus- drücken. Er konnte sich in irgendeiner Schriftform Ausdruck verschaffen oder durch eine Skizze oder Karikatur, wie er gerade Laune hatte. Nur dem Lügen mußte er entsagen, das war die einzige strenge Regel in Streitfragen. Was er mitzuteilen hatte, konnte er drucken und in den Nachrichten- stellen verteilen lassen. Dort wurde es gelesen oder nicht be- achtet, je nach dem, ob es die Besucher billigten oder nicht. Ost nahmen sie eine Kopie dessen, was sie gerne lasen, mit sich. Crystall hatte einige neue phantastische Aufsätze über der Erforschunades Raumes unter seinen Büchern: erfinde- rische Geschichicn, die von Knaben sehr eifrig gelesen wurden: es waren Broschüren von dreißig bis vierzig Seiten auf wunderbarem Papier gedruckt, dos, wie er sagte, aus Flachs und gewissen Schilfgräsern erzeugt war. Die Bibtiothekare merkten vor, welche Bücher und Blätter gelesen und mitge- nommen wurden, die man dann durch neue Exemplare er- setzte. Die Stöße von Schriften, die nicht gelesen wurden, beschränkte man nach kurzer Zeit auf ein vd«t zwei Exemplare und der Rest wanderte in die Papiermühlen zurück. Aber viele Dichter, Philosophen und Schriftsteller, deren Phantasie kein großes Publikum fand, wurden nichtsdestoweniger auf- bewahrt und die Erinnerung an sie wurde von einigen wenigen Verehren lebendig erhalten. (Fortsetzung folgt.)