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BERLIN Mittwoch

11. April

Der Abend

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Spätausgabe des Vorwärts

45. Jahrgang.

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Gefangenenbefreiung in Moabit

Ein sorgfältig vorbereiteter Plan.- Das Geständnis eines Beteiligten

Flucht aus dem Sprechzimmer.

Gechs Männer befreien einen Untersuchungsgefangenen.

Ein unerhörter Borfall, der an Gepflogenheiten im wilden Westen Ameritas erinnert, hat sich heute im Moabiter& riminalgericht zugetragen. Gegen 10 Uhr drangen etwa sechs mit Revol­vera bewaffnete Männer in das Sprech­zimmer des Untersuchungsrichters am Reichsgericht, des Landgerichtsdirektors Vogt, und be­freiten den Untersuchungsgefangenen Otto Braun . Einer von den Männern ist verhaftet worden. Braun ift entkommen.

Seit dem 26. April v. J. befindet sich der Kommunist Otto Braun in Untersuchungshaft. Die Anflage lautet auf Hochperrat. Der Prozeß sollte am 4. Mai vor dem Reichsgericht stattfinden. Otto Braun wurde zur Laft gelegt, die Leitung eines militärischen Nachrichtenbureaus und militärische Ausbildungskurse, Waffen­schiebungen und Waffentauf in Thüringen . Mit ihm find se ch s meitere Kommunisten angeflagt, von denen noch einer, Semmelmann, in haft fitzt. Unter den sechs Angeklagten be­findet sich auch Otto Brauns Freundin, die 20jährige Olga Benario .

Der Gefangene erheilt alle 14 Tage Sprecherlaubnis mit seiner Freundin Olga Benario . So war auch heute für 10 Uhr eine Sprecherlaubnis gegeben. Braun wurde wie gewöhnlich aus dem Untersuchungsgefängnis durch einen Gang zum Sprechzimmer des Untersuchungsrichters Bogt geleitet. Olga Benario war zur Stelle. Im Sprechzimmer selbst nahm außerdem noch der Justizobersekretär Schmidt Plaz. Im Nebenzimmer, von dem die Tür zum Gerichtstorridor führt, befand sich der Justizwachtmeister Necken. Plötzlich öffnete sich die Tür.

Herein trafen fechs Männer. Sie riefen Hände hoch und züdten die Revolver auf den Juftizoberwachtmeiffer. Dieser sprang zu, versuchte einigen Männern den Revolver aus der Hand zu schlagen, erhielt aber einen Hieb mit dem Gummifnüppel ins Geficht, einen zweiten über den Kopf und fiel zu Boden. Zwei bis drei Männer stürzten über ihn her, hielten ihm die Arme fest und drückten sein Gesicht nach unten. Zu gleicher Zeit, durch das Geräusch aufmerksam gemacht, rief der Justizobersekretär Schmidt aus dem Sprechzimmer: Was heißt, Hände hoch?" In diesem Augenblick stürmten einige Männer in das Sprechzimmer, in dem sich außer dem Justizoberfekretär Schmidt der Gefangene Braun und Olga Benario befanden, sprangen auf den Juftizober­sekretär zu, packten den um Hilfe Schreienden an der Gurgel, stellten ihn mit dem Geficht zur Wand. Gleich darauf stürzten die Ein­dringlinge zusammen mit Braun und der Benario davon. Der Justizoberfekretär Schmidt stürzte ihnen nach und schrie auf dem Korridor laut um Hilfe. Num begann

wildes Rufen und Jagen. Gleich darauf ertönte auch schrilles Pfeifen. Aus allen Türen Gleich darauf ertönte auch schrilles Pfeifen. Aus allen Türen stürzten Leute herbei. Die Berfolgten gerieten bis zur Haupttreppe, hei der sich die Korridore nach links und rechts abzweigen, ließen sich von niemand halten und waren im nächsten Augenblick ver­schwunden.

Es gelang, einen der Eindringlinge zu faffen. Er wurde von zwei Justizwachtmeistern in den Korridor zurückge­führt, in dem sich das Zimmer des Untersuchungsrichters Bogt be­findet, und hier in eines der Zimmer bis zum Eintreffen der Kriminalpolizei festgesetzt. Wie verlautet, verweigert er jebe Aus. fage. Die Staatsanwaltschaft hat bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Wie war der Ueberfall möglich?

Die fenfationelle Gefangenenbefreiung bildet das

Die Neuköllner Böhmen .

Im Faltboot über den Atlantik

Nach einem seit 200 Jahren bestehenden Volfsbrauch konnte man die Neuköllner Böhmen", Nachkommen der seinerzeit in Preußen angesiedelten Böhmen den Ostergang antreten sehen.

Das Zimmer des Untersuchungsrichters beim Reichsgericht Bogt befindet sich im untersten Stodwert, nicht weit vom Rorridor ent fernt, der zum Hauptportal führt. Es ist üblich, Sprecherlaubnis in der Weise zu erteilen, daß die Untersuchungsgefangenen aus dem Untersuchungsgefängnis vorgeführt werden. Der Unterhaltung wohnt stets der Justizoberfekretär bei. Da nicht mehr als eine fremde Person anwesend sein soll, so nimmt der Justizwachtmeister stets im Nebenzimmer Platz. Bei der großen Anzahl von Sprecherlaubnissen wäre es zu umständlich, sie im Untersuchungsgefängnis felbft abzu­halten. Es fragt sich nun, ob man die Zimmer der Untersuchungs­richter nicht ein Stodwerf niedriger einrichten sollte, fie gewisser­

diese Art für die Zukunft ähnliche Vorfälle unmöglich zu machen. maßen direkt an das Untersuchungsgefängnis anschließen, um auf Die andere Frage ist, ob nicht besondere Borrichtungen getroffen werden müßten, die es den Beamten in ähnlichen Fällen ermög­lichten, den Justizwachtmeistern ein Zeichen zu geben, auf das hin sie alle Ausgänge schließen. In dieser Hinsicht sind gewisse Borrichtun gen getroffen. Sämtliche Justizwachtmeister sind mit Trillerpfeifen ausgerüstet. Daß dies aber nicht genügt, hat die heutige Gefangenen befreiung gezeigt. Außer den fünf bereits genannten Ausgängen gibt es noch einen weiteren zum Aktenhof, der zur Wilsnacker Straße führt. Der sogenannte Schwindfuchtsgang", der das neue Kriminal gerichtsgebäude mit dem alten verbindet, tommt wohl meniger in Frage, da man etwa drei Minuten braucht, um ihn zu durchschreiten.

Tagesgefpräch in Moabif. Amtsgerichtspräfident, Landgeridis Strafantrag im Theaterprozek

präsident und Oberstaatsanwalt find fofort benachrichtigt worden. Die Abtellung I A ift zur Stelle. Landgerichtsdirektor Bogt versucht,

den Berhafteten zu vernehmen und wenigstens feinen Namen in Kampf im Mansfelder Revier

fahrung zu bringen. Er verweigert jedoch auch weiter

hin jede Aussage. Landgerichtsdirektor Bernau ist damit beschäftigt, feftzuftellen, ob irgendwelche Mißstände rein technischer

Berichte auf der 4. Seite

Ein 29jähriger Offizier der deutschen Handelsmarine, Kapitän Franz Romer, will in einem Badbeltanu den Atlantischen Dzean überqueren. Der Radiotelegraphist eines britischen Del dampfers meldet, daß er den waghalsigen Paddler etwa 500 englische Meilen von Lissabon auf hoher See gefichtet hat. Das Bild gibt den Abschied in Lissabon wieder.

Die Bergehen des Entwichenen.

Der befreite Kommunist Braun ist seinerzeit wegen des Ueber. falles auf den russischen Obersten Freyberg, der im Berdacht stand, mit den monarchistischen russischen Kreisen in Verbindung zu Damals wurden Dokumente geraubt. stehen, verhaftet worden. Braun war wegen diefes Ueberfalles zu einem Jahr Gefängnis ver­urteilt worden.

Der Gefaßte gesteht schließlich.

Der festgenommene Mitverschworene an dem Plan der gewalt­Bormittags einem eingehenden Verher unterzogen. Nach seiner famen Befreiung des politischen Gefangenen wurde im Laufe des anfänglichen hartnädigen Weigerung, eine Auskunft über fich und seine Mitbeteiligung zu geben, geftand er später ein, daß der plan feit acht Tagen forgfältig vorbereitet worden sei. Er behauptete jedoch, daß er die anderen Mitverschworenen nicht gefannt habe und daß überhaupt einer von der Persönlichkeit des anderen Kenntnis gehabt habe. Er gab dann an, daß er Karl Philipp heiße, Schlächter­geselle von Beruf und 24 Jahre alt sei. Die bei ihm gefundene Drense- Pistole will er erhalten haben. Auch die anderen seien in Drense- Pistole will er erhalten haben. Auch die anderen seien in derselben Weise ausgerüstet worden. Die Festnahme des angeblichen Karl Philipp erfolgte an der Haupttreppe im Neuen Kriminal­gerichtsgebäude. Er hatte zunächst versucht, durch das Hauptportal auf die Turmstraße hinauszulaufen. Als er das Portal aber bereits verschlossen fand, wandte er sich zurück, um über die Treppe ins Innere des Gebäudes zu flüchten. Hierbei lief er den ihm bei der Berfolgung nachfeßenden Justizwachtmeistern direkt in die Arme und ließ sich, ohne irgendeinen Widerstand zu leisten, festnehmen.

Bericht eines Augenzeugen.

Ein Augenzeuge schildert uns seine Wahrnehmungen folgender.

Art diefe Gefangenenbefreiung begünstigt haben. Dazu ist folgendes Die Schickerei am Steffiner Bahnhof men

an jagen

Bericht auf der 2. Seite

Ich befand mich gerade unterwegs vom oberften Stockwerf des