Morgenausgabe
Rr. 175
A 89
45. Jahrgang
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Freitag
13. April 1928 Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.
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Ueber ein Bombenattentat, das gestern vormittag auf den König Victor Emanuel III. in Mailand verübt wurde und das zahlreiche Opfer verursacht hat, meldete am gestrigen Nachmittag nach vierstündiger Nachrichtensperre die amtliche Stefani- Agentur:
,, Am Donnerstagmorgen um 10 Uhr, kurz vor der offiziellen Eröffnung der Mustermesse von Mai. land, ist vor ihrem Eingange auf dem Place Giulio Cesare eine Höllenmaschine explodiert, die in den Sodel einer Straßenlaterne gelegt worden war. Die Splitter haben den Tod von 14 Personen verursacht und außerdem 40 Personen mehr oder weniger schwer verletzt. Tros dieses schmerzlichen Vorfalles hat der König die offizielle Eröffnung der Mustermesse vorgenommen, indem er die wichtigsten Stände programmäßig besichtigte. Alle vorgesehenen Kundgebungen des Königsbesuches, mit Ausnahme des Galabesuches in der Scala, werden stattfinden.
Die Polizei macht eifrigste Nachforschungen zur Er. mittlung der Urheber. Einige Inspektoren der Generalbirektion des Sicherheitsdienstes sind bereits nach Mai land unterwegs. Auf die Ergreifung der Täter ist eine Belohnung von 100 000 Lire ausgefekt worden."
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Das Attentat ist zweifellos das Wert von An archisten, die in Mailand seit jeher über einen relatin ftarten Anhang verfügen. Es gibt nichts Sinnloferes als derartige Anschläge, denen in den meisten Fällen nur gänzlich unbeteiligte Zuschauer zum Opfer fallen, mährend sie ihr eigentliches Ziel fast immer verfehlen. Es fei nur an das furchtbare Bombenattentat gegen den König Alfons XIII. in Madrid an seinem Hochzeitstage erinnert, dem das Königspaar zwar entging, während nahezu 50 unschuldige Bassanten getötet wurden. In Mailand selbst haben im Laufe der letzten Jahrzehnte wiederholt anarchistische Bombenattentate stattgefunden, so z. B. im Jahre 1921 bei einer Festvorstellung im Scala- Theater, wobei ebenfalls nur harmlose Zuhörer getötet oder gräßlich verstümmelt wurden. Golche terroristische Methoden werden von ber organisierten Arbeiterschaft grundsäzlich abgelehnt und entschieden verurteilt.
Schon Karl Marg hat den Trennungsstrich des Sozialismus vom Anarchismus gezogen, indem er die von ihm gegründete Erste Internationale auflöſte, um sie von Bakunin , dem Vater des Anarchismus, und von den Anhängern seiner Lehren zu säubern. Auch die Kom= munisten lehnen grundsätzlich die anarchistischen Methoden ab. In Sowjetrußland wurden die Anarchisten von den Bolschewiti fast noch rücksichtsloser verfolgt als die Menschewifi und Sozialrevolutionäre. Für anarchistische Taten außerhalb Sowjetrußlands haben zwar die Kommunisten mehrfach eine durchaus unangebrachte Sympathie befundet, aber auch für sie dürfte nicht der geringste Anlaß vorliegen, eine Tat zu beschönigen, für die selbst das blutbefleckte faschistische Regime feine Entschuldigung bietet. Mit Recht werden alle italienischen Antifaschisten jede Gemeinschaft mit der Mailänder Schreckenstat ablehnen. Denn vom Standpunkt der Gegner des faschistischen Regimes ist es überhaupt finnlos, nach dem Leben des Königs Victor Emanuel zu trachten, der alles eher denn ein Nuznießer des faschistischen Regimes ist. Es ist zwar richtig, daß er durch feine geradezu flägliche Schwäche in den Tagen des Marsches auf Rom im September 1922 die Errichtung der faschistischen Herrschaft erleichtert hat, es ist auch unbestreitbar, daß er durch seine fortwährende Nachgiebigkeit gegenüber Mussolini zunächst die Aushöhlung, sodann allmählich die völlige Abfchaffung der geltenden Verfassung ermöglicht hat, so daß der Borwurf, er habe seinen Verfassungseid gebrochen, durchaus begründet ist. Andererseits steht aber fest, daß Victor Emanuel den Faschismus nur widerwillig erträgt.
Bezeichnend für die wirklichen Gefühle des Königs gegenüber dem Duce " ist die bisher unwidersprochen gebliebene Darstellung, daß der König im Dezember 1924 gelegentlich einer Tagung des Bölkerbundsrates in Rom Briand vertraulich um seinen Rat bat, wie er sich von Mussolini befreien tönnte. Nur die Sorge um feinen Thron hat ihn Damals daran gehindert, die entscheidenden Schritte zu unter nehmen, obmohl ihn sein Eid auf die Verfassung eigentlich
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längst dazu verpflichtet hätte. Bor drei Jahren, und zwar besonders während der Matteotti- Krise, wäre es für ihn noch ein Leichtes gewesen, durch einen Appell an die Armee der Gewaltherrschaft Mussolinis ein Ende zu machen. Dazu hat er damals den Mut nicht aufgebracht, und heute ist es wohl bis auf weiteres für eine derartige Auflehnung zu ( pat. Immerhin hat der König bei verschiedenen Anlässen den faschistischen Forderungen Widerstand geleistet, in manchen Fällen sogar mit Erfolg. So hat er sich bis heute geweigert, das Dekret zu unterzeichnen, durch das der im Eril lebende und gegen den Faschismus rührig tätige ehe: malige Ministerpräsident Nitti seiner italienischen Staatsangehörigkeit für verlustig erklärt werden sollte. Auch die immer wieder hinausgeschobene Verkündung des neuen, rein zurückzuführen sein, der im Hinblick auf die Verfassung einen faschistischen... ,, Wahlrechtes" soll auf Widerstände des Königs letzten Rest von Barlamentarismus retten möchte. Wenn auch die Sozialisten die Hoffnung längst aufgegeben haben, daß die Befreiung Italiens durch eine Auflehnung des Schattenkönigs Victor Emanuel gegen den wirklichen König Mussolini erfolgen könnte, so sehen doch viele bürgerliche Antifaschisten immer noch eine schwache Hoffnung auf den Träger der Krone.
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Wollte man die Urheber nach dem friminalistischen Grundsaz ,, cui bono?" suchen, so müßte sich der Berdacht auf ganz andere Kreise als ,, wem fommt das zugute?" auf die Anarchisten lenken. Dennoch fönnen wir, obwohl wir Mailänder Höllenmaschine den 3wed verfolgte, durch Beden Faschisten allerhand zutrauen, nicht denken, daß die feitigung des Königs dem Duce" zur alleinigen Herrschaft zu 34 Derhelfen. Vielmehr bleibt bis auf weiteres die einzige plausible Erklärung ein anarchistisches Attentat.
Das alles wird Mussolini natürlich nicht hindern, das Mailänder Attentat als das Wert von Antifaschisten hinzustellen und für einen neuen Vernichtungsfeld ug gegen feine bereits ohnmächtigen Feinde zu miß brauchen. Die faschistische Partei hat zwar in Mailand durch einen am Nachmittag plafatierten Aufruf vor Rache aften gewarnt Aber die Kommentare der Mai länder faschistischen Abendblätter verfolgen offenbar den
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3wed, die Feinde des Regimes" als die Schuldigen hinzustellen. Sofort ließ man in Italien ein Gerücht verbreiten, wonach ein weiteres Attentat versucht worden sei, und zwar auf den Zug, der Mussolini zwei Tage zuvor von Mailand nach Rom zurückbrachte. Der Täter soll sogar verhaftet worden sein. Aber diese Meldung trägt allzu deutlich den Stempel der faschistischen Mache, als daß sie außerhalb Italiens ernst genommen werden kann. Leider wird sie aber in Italien selbst pon den fanatisierten, kritiklosen Schwarzhemden geglaubt werden und zahlreiche Unfchuldige und Wehrlose dürften wieder einmal dafür büßen.
Es muß übrigens festgestellt werden, daß mit einer einzigen Ausnahme die italienischen Anarchisten noch nie etmas gegen Mussolini unternommen haben. Die dem aber festgestellt wurde, daß er auf eigene Faust ohne Ausnahme betraf den Revolveranschlag von Lucchesi, von Mitwisser handelte. Auch in der vergangenen Woche, als Mussolini tagelang in Mailand weilte, haben sich die Anarchisten nicht gerührt. Erst nach seiner Abfahrt und nach der Ankunft des Königs ist der furchtbare Anschlag erfolgt.
Zum zweiten Male in seinem Leben ist König Victor Bater Umberto im Jahre 1900 einem Anarchisten zum Opfer fiel. Dieser Königsmord wurde damals in einer linksteidigt: der Verfasser des Auffages war ein junger Lehrer radikalen oberitalienischen Zeitschrift entschuldigt, ja ver= namens Benito Mussolini !
Emamieel einem Attentat glücklich entronnen, während sein
erfolgte im März 1911 durch einen jungen Maurergesellen. Der erste Anschlag gegen das Leben des jetzigen Königs Einige Führer des rechten Flügels der italienischen Sozialistischen Partei, z. B. Bissola fi und Bonomi, beglüdmünschten damals den König zu seiner Errettung. Darob große Entrüstung bei dem radikalen Flügel der Partei. Der damalige Führer des radikalen sozialistischen Flügels forderte durch Wort und Schrift den Ausschluß dieser Gratulanten. Dieser Führer erklärte u. a., man brauche sich über ein Attentat auf einen König nicht aufzuregen, denn so etwas gehöre zu den Gefahren des Königsberufes, genau so wie das Abstürzen von einem Gerüst zu den Ge= fahren des Maurerberufes gehöre. Schließlich setzte dieser
Die Regierung lehnt die Verantwortung gegenüber dem Parlament ab.
London , 12. April. ( Eigenbericht.)
Der japanische Minister des Innern 3uzuki erklärte in einer Rede, daß die von der Opposition aufgestellte Behauptung, die Regierung sei dem Parlament gegenüber verantwortlich, eine 311onalität gegenüber dem Kaiser darstelle.(!?) Die Oppofitionspartei„ Mineito" hat daraufhin befchloffen, in der bevorstehenden Parlamentsdebatte die Berfaffungsfrage in den Bordergrund des parlamentarischen Kampfes zu stellen. Die Oppofition ist überzeugt, daß die in der Rede des Innenministers vertretenè Auffaffung zur Annahme ihres Mißtrauensvotums und zum Sturz der Regierung führen werde.
Die Kommunistenverfolgung als Parteimanöver.
Die Erklärungen der japanischen Regierung über die maffenverhaftungen angeblicher Kommunisten sind so unbestimmt, wie sie auch früher bei solchen politischen Verhaftungen waren. Offenbar hat die japanische Regierung auch diesmal auf bloßen Verdacht und start übertriebenes, unhaltbares Anflagematerial Verhaftungen vorgenommen, um politische Ge
Ozeanflieger gesichtet.
1500 Kilometer westlich 3rland. Dublin , 12. April.
Die Bremen " wurde, wie heute abend mitgeteilt wird, zuleit etwa 880 Mellen, d. h. etwa 1500 kilometer, westlich von 3rland gesichtet. Das Flugzeug verfolgte einen gradlinigen Kurs.
Man
danfen auszurotten, die ihr nicht angenehm sind. neigt in Tokio zu der Annahme, daß die Veröffentlichung der Maßnahmen der Regierung kurz vor dem Zusammentritt des Barlaments ein rein inner politisches und parteitaftifches Manöver ist. Darauf deutet auch ein„ 2 ufruf an das Bolf" hin, in dem der Ministerpräsident die Bevölkerung warnt, sich an fommunistischen Bewegungen zu beteiligen und die Nation auffordert, gegen schädliche, aus dem Auslande kommende Ideen und Lehren auf der Hut zu sein. Außerdem hat die japanische Regierung eine Protestnote an die Sowjetregie. rung gesandt, in der gefordert wird, daß Rußland entsprechend den vertraglichen Berpflichtungen teinerlei fommunistische Propaganda in Japan unterstützt.
Genfer Sozialisten gegen Fremdenlegion
10 Prozent der Legionäre find Schweizer . Genf , 12. April.
Eine von 1500 Menschen besuchte Versammlung der Genfer
Sozialistischen Organisation hat auf Grund der Vorträge von zwei früheren Fremdenlegionären eine Entschließung angenommen, in der erklärt wird, daß das vom französischen Militarismus gehandhabte Werbungssystem für die Fremdenlegion einen internationalen Standal darstelle. Die abscheuliche Behandlung der Fremdenlegionäre müsse schleunigst aufhören. Bom schweizerischen Bundesrat verlangt die Entschließung, alle diplomatischen Schritte zur Verhinderung der Anwerbung ann Schweizern zu ergreifen, die nach den beiden Rednern allein ein Kontingent von 4500 ble 6000 Mann, d. h. etwa zehn Prozent Frembenlegion ftellen.